Baurecht

Neubau eines Geschäftshauses – benachbarte landwirtschaftliche Hofstelle mit Rinderhaltung

Aktenzeichen  15 CS 20.901

Datum:
9.6.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 14594
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 5, § 80a Abs. 3, § 146
BauGB § 33, § 34 Abs. 1, Abs. 2, § 212a Abs. 1
BauNVO § 5, § 13, § 15 Abs. 1 S. 2
BImSchG § 3 Abs. 1, § 22 Abs. 1, § 24

 

Leitsatz

1. Ein Ergänzungsbescheid zu einer Baugenehmigung, der im Sinne einer „Tektur“ lediglich eine geringfügige Modifizierung regelt, aber kein „aliud“ genehmigt, führt nicht zur Ersetzung und damit zur Erledigung der Ausgangsbaugenehmigung. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
2. In einem solchen Fall muss es einem Antragsteller mit Blick auf Art. 19 Abs. 4 GG möglich bleiben, weiter gegen den angegriffenen Genehmigungsbescheid – sei es formal mit oder ohne Einbeziehung des Tekturbescheids – im laufenden Beschwerdeverfahren vorzugehen, soweit er sich weiterhin in seinen Rechten verletzt sieht. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
3. Eine heranrückende Wohnbebauung bzw. eine sonstige heranrückende immissionsempfindliche Nutzung verletzt gegenüber einem bestehenden emittierenden (insbes. landwirtschaftlichen) Betrieb das Gebot der Rücksichtnahme, wenn ihr Hinzutreten die rechtlichen immissionsbezogenen Rahmenbedingungen, unter denen der Betrieb arbeiten muss, gegenüber der vorher gegebenen Lage verschlechtert. Das ist insbesondere der Fall, wenn der Betrieb aufgrund der hinzutretenden Bebauung mit nachträglichen immissionsschutzrechtlichen Auflagen rechnen muss. (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)
4. Der in dem Schutz einer Ansammlung pflegebedürftiger bzw. kranker Menschen liegende Sinn und Zweck der Nr. 6.1 S. 1 lit. g (3. Alt.) TA Lärm verlangt im Ergebnis, nur solche Einrichtungen als „Pflegeanstalten“ zu begreifen, die bestimmungsgemäß vorwiegend pflegebedürftige bzw. kranke Menschen und außerdem diese in gewisser Zahl aufnehmen und betreuen. (Rn. 43) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

Au 5 S 20.513 2020-04-06 Bes VGAUGSBURG VG Augsburg

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller wendet sich als Eigentümer des benachbarten Grundstücks FlNr. … der Gemarkung L* …, auf der er eine landwirtschaftliche Hofstelle mit Rinderhaltung betreibt, gegen eine den Beigeladenen erteilte Baugenehmigung für den „Neubau eines Geschäftshauses (…) mit Arztpraxis, Apotheke, Tagespflege, Büroflächen mit Tiefgarage und Keller“ auf dem nördlich angrenzenden Grundstück FlNr. … (Baugrundstück).
Von der Standortgemeinde wird derzeit ein Verfahren zur Aufstellung eines vorhabenbezogenen Bebauungsplans (Nr. 31, „H* …straße …“) betrieben, das noch nicht abgeschlossen ist. Wie schon in vorherigen Entwurfsfassungen sind auch nach der jüngsten Fassung des Bebauungsplanentwurfs (Stand: 19. März 2020) auf dem Baugrundstück drei Einzelgebäude vorgesehen, die über eine gemeinsame, nach Westen hin freiliegende (und von dort betretbare) „Ebene 0“ in Form eines großen gemeinsamen Keller- und Tiefgaragengeschosses miteinander verbunden sind, aber oberhalb der „Ebene 0“ mit jeweils drei eigenen gebäudebezogenen Geschossen sowie jeweils einem Dachgeschoss als Einzelhäuser in Erscheinung treten. Die Räume des im nordwestlichen Bereich des Baugrundstücks platzierten „Haus 1“ sollen nach den Einzelunterlagen zum Entwurf des Vorhaben- und Erschließungsplans als Apotheke (Ebene 0) sowie in den oberen Ebenen als Arztpraxis bzw. zu den Zwecken Büro / Wohnen genutzt werden. Für das südlich von „Haus 1“ situierte „Haus 2“ sehen die Einzelpläne zum Vorhaben- und Erschließungsplanentwurf in der untersten „Ebene 0“ Räumlichkeiten für „Tagespflege“, in den Ebenen darüber „Betreutes Wohnen“ und im Dachgeschoss einen Tagungsraum vor. Für das im Osten des Baugrundstücks vorgesehene Haus 3 sind auf mehreren Ebenen Wohnungen mit Kellernutzung im Untergeschoss (Ebene 0) geplant. Anders als in einer älteren Entwurfsfassung vom 6. Dezember 2018 ist die Einbeziehung des Hofgrundstücks des Antragstellers in den Bebauungsplan und eine vormals vorgesehene Festsetzung, wonach mit Bezugsfertigkeit der Wohn- und Geschäftsgebäude auf dem Baugrundstück die nach Norden weisenden Fenster- und Türöffnungen des Stallgebäudes des Antragstellers geschlossen bleiben müssen, in der aktuellen Entwurfsfassung vom 19. März 2020 nicht mehr vorgesehen.
Zum Verfahren der Bauleitplanung liegen diverse Gutachten des Ingenieurbüros K* … (zuletzt vom 18. März 2019 und vom 6. Februar 2020) vor, die sich auf Basis der Geruchsimmissions-Richtlinie (GIRL) in der Fassung der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft für Immissionsschutz (LAI) vom 29. Februar 2008 (mit einer Ergänzung vom 10. September 2008) mit der Frage der Zumutbarkeit der durch den landwirtschaftlichen Betrieb des Antragstellers verursachten Geruchsbelastung auf dem Baugrundstück bei Umsetzung des Bauvorhabens befassen. Zur Lärmbelastung sind für das Verfahren der Bauleitplanung gutachterliche Prognosen durch das Ingenieurbüro G* … vom 4. April 2019 und vom 6. Februar 2020 erstellt worden.
Im Baugenehmigungsverfahren hatte der Beigeladene zu 1 mit Schreiben vom 10. Dezember 2019 u.a. mitgeteilt, dass aus Gründen des Immissionsschutzes „an den beiden Fassaden im Kellergeschoss des Gebäudes 2 nach Süden und Osten auch in Zukunft keine Fenster eingebaut werden“.
Mit Bescheid vom 19. Dezember 2019 erteilte das Landratsamt Augsburg den Beigeladenen, die im Rahmen der Bauantragsstellung unter dem 5. Oktober 2019 schriftlich erklärt hatten, die künftigen Festsetzungen des Bebauungsplans für sich und ihre Rechtsnachfolger unwiderruflich anzuerkennen, eine Baugenehmigung für das beantragte Vorhaben „Neubau eines Geschäftshauses ‚Am S* …hof‘, mit Arztpraxis, Apotheke, Tagespflege, Büroflächen mit Tiefgarage und Keller“ auf dem Baugrundstück. Laut Bescheidbegründung sei das beantragte Vorhaben hinsichtlich des Maßes der baulichen Nutzung gem. § 33 BauGB und hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung gem. § 34 BauGB bauplanungsrechtlich zulässig. Der Genehmigungsbescheid enthält unter der Überschrift „Immissionsschutz“ eine Auflage Nr. 5.7, wonach an der Süd- und Ostfassade des Kellergeschosses des Gebäudes 2 keine Fensteröffnungen zulässig sind. Die eingereichten und genehmigten Bauvorlagen zum Bauantrag bleiben inhaltlich hinter dem Entwurf des vorhabenbezogenen Bebauungsplans zurück, als Erstere die vollständige Errichtung von Haus 1 im Norden des Baugrundstücks sowie zudem die Errichtung der Ebene 0 (Untergeschoss mit Tiefgarage) für alle drei Häuser vorsehen; weitere Ebenen / Geschosse der im Verfahren der Bauleitplanung vorgesehenen Häuser 2 und 3 sind von der Baugenehmigung nicht umfasst. Im westlichen Grundstücksbereich erstreckt sich die Ebene 0 von Nord nach Süd mit dem Kellerbereich des Hauses 1 (Apotheke und Räume für Büro / Nachtdienst mit Beratungszimmer und Küche) und dem südlichen Kellerbereich als zunächst alleinigem Bestandteil des Hauses 2 mit den vorgesehenen Räumlichkeiten für die Tagespflege. Der gestempelte Grundrissplan zur Ebene 1 sieht für das Haus 1 eine Arztpraxis vor, wobei mit dieser ein über eine Teeküche / Umkleide erreichbares, 31,93 m² großes „Appartement“ mit Kochnische und Bad im südöstlichen Gebäudebereich verbunden ist. Im Übrigen sind für das Haus 1 im zweiten und dritten Obergeschoss Gewerbeeinheiten (Grundrisspläne „Ebene 2“ und „Ebene 3“) sowie im vierten Obergeschoss ein Veranstaltungsraum und ein weiterer Büroraum (Grundrissplan „Ebene 4“) vorgesehen. Im Bereich des Hauses 2 und des Hauses 3 stellen die Grundrisspläne „Ebene 1“, „Ebene 2“ und „Dachaufsicht“ Freiflächen sowie im nordöstlichen Teil der Tagespflege (Bereich Haus 2, Übergangsbereich zur Apotheke) Oberlichter dar. Der genehmigte Gebäude- / Untergeschossbereich von Haus 2 tritt nach außen im Wesentlichen nur im Westen mit Eingangsbereichen und großflächigen Fenstern in Erscheinung (vgl. genehmigte Bauvorlagen „Ansichten 01“, „Ansichten 02“ und „Schnitte“). Im Grundrissplan „Ebene 0“ sind im Bereich der Einheit „Tagespflege“ östliche Fenster sowie eine Türe eingezeichnet, an deren Außenseite sich ein 2 m breiter Korridor („Tiefhof“) befindet, der über eine weitere Tür mit der Tiefgarage sowie über eine Treppe mit dem Freibereich auf Höhe der Ebene 1 verbunden ist. In einer mit Genehmigungsstempel versehenen Nutzungsbeschreibung der J* …-Altenheimstiftung vom 8. Juli 2019 für den Bereich der Tagespflege heißt es:
„Im Untergeschoss von Haus 2 ist eine Tagespflege für 15 Tagespflegegäste geplant. Hier finden hilfe- und pflegebedürftige Menschen aus L* … und der Umgebung einen Ort, an dem sie ihren Tag mit anderen Menschen verbringen können. Somit erfahren sie Hilfestellungen und die pflegenden Angehörigen Entlastung. Die eingereichte Planung wurde in Anlehnung an den räumlichen Vorgaben im Rahmenvertrag für teilstationäre Pflegeeinrichtungen in Bayern gemäß § 75 SGB XI in der Fassung der Gültigkeit vom 01.10.2018 erstellt. Hier wurde berücksichtigt, dass die Gäste der Tagespflege möglichst viel an Grundfläche zur Verfügung haben.“
Nachdem der Antragsteller am 20. Januar 2020 beim Verwaltungsgericht Augsburg eine (weiterhin anhängige) Klage mit dem Antrag erhoben hatte, den Baugenehmigungsbescheid vom 19. Dezember 2019 aufzuheben, stellte er zudem am 12. März 2020 beim Verwaltungsgericht gem. § 80a Abs. 3, § 80 Abs. 5 VwGO den Antrag, die aufschiebende Wirkung seiner Anfechtungsklage anzuordnen. Während des erstinstanzlichen Eilverfahrens legte der Antragsteller eine gutachterliche Stellungnahme des Ingenieurbüros B* … … * … GmbH vom 26. März 2020 vor. Mit Schreiben vom 30. März 2020 bestätigte der Beigeladene zu 1, dass die Einheit „Tagespflege“ auf „Ebene 0“ nur von 6:00 bis 22:00 Uhr betrieben werde. Mit E-Mail vom 1. April 2020 teilte der Fachbereich 55 (Technischer Immissionsschutz) des Landratsamts dem Verwaltungsgericht mit, dass laut einer Nachberechnung des Ingenieurbüros K* … bei Errichtung des laut Baugenehmigung genehmigten Vorhabens an den Außenfassaden der Gebäude die in einem Dorfgebiet zulässigen Jahresgeruchsstunden von 15% unterschritten würden. Das im Anschluss ausgearbeitete Geruchsgutachten des Ingenieurbüros K* … vom 2. April 2020 lag dem Verwaltungsgericht wohl noch nicht als Entscheidungsgrundlage vor.
Mit Beschluss vom 6. April 2020 lehnte das Verwaltungsgericht den Eilantrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ab. In der Begründung des Beschlusses wird ausgeführt, die Klage des Antragstellers gegen den streitgegenständlichen Baugenehmigungsbescheid werde voraussichtlich erfolglos bleiben. Der Bescheid verletze den Antragsteller nach summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage nicht in seinen Rechten. Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit und der diesbezügliche Drittschutz habe sich mangels materieller Planreife im Zeitpunkt der Genehmigungserteilung nicht nach § 33 BauGB gerichtet. Ob der aktuelle Planungsstand des Verfahrens der Bauleitplanung mit der (zwischenzeitlich erneut ausgelegten) Entwurfsfassung des Bebauungsplans in der Fassung vom 19. März 2020 eine nachträgliche Änderung der Sach- und Rechtslage zugunsten der Beigeladenen zur Folge habe, könne dahingestellt bleiben, da das streitgegenständliche Bauvorhaben den Antragsteller bereits zum Zeitpunkt des Erlasses der Baugenehmigung nicht in seinen Nachbarrechten verletzt habe. Das Baugrundstück und seine nähere Umgebung seien als faktisches Dorfgebiet einzustufen, in dem das mit dem streitgegenständlichen Bescheid genehmigte Vorhaben hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung gem. § 34 Abs. 2 BauGB i.V. mit § 5 Abs. 2, § 13 BauNVO bauplanungsrechtlich zulässig sei. Die angegriffene Baugenehmigung verletze das bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme gegenüber dem Antragsteller hinsichtlich der an dem genehmigten Bauvorhaben zu prognostizierenden Geruchs- und Lärmbelastung nicht.
Mit seiner Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein Rechtsschutzbegehren weiter. Er trägt mit seinem Beschwerdebegründungsschriftsatz vom 15. April 2020 vor, es sei zu befürchten, dass das streitgegenständliche Vorhaben unzumutbaren Geruchs- und Lärmimmissionen ausgesetzt sein werde und er – der Antragsteller – damit Einschränkungen seines Betriebs zu befürchten habe. Die Baugenehmigung vom 19. Dezember 2019 sei als Ergebnis der anhängigen Anfechtungsklage voraussichtlich aufzuheben. Selbst wenn die Nebenbestimmung Nr. 5.7 des Baugenehmigungsbescheids wohlwollend dahingehend ausgelegt werde, dass damit auch nicht öffenbare Fenster zulässig seien, bleibe die Frage der Be- und Entlüftung, die weder in den Bauvorlagen dargestellt noch Gegenstand einer Auflage geworden sei, ungeregelt. Der Genehmigungsbescheid sei insofern unter Verstoß gegen Art. 37 BayVwVfG in nachbarrechtsrelevanter Weise unbestimmt. Die bloße Möglichkeit einer heilenden Ergänzung des Genehmigungsbescheids genüge nicht, um im prognostisch ausgerichteten Verfahren gem. § 80 Abs. 5 VwGO die Rechtmäßigkeit der Baugenehmigung zu unterstellen. Anderes wäre allenfalls für verhaltensbedingte Einschränkungen / Änderungen des Bauvorhabens vertretbar, nicht aber, wenn es um bauliche Veränderungen gehe. Im Übrigen sei die vom Landratsamt Augsburg mit E-Mail vom 1. April 2020 an das Verwaltungsgericht übermittelte gutachterliche Nachberechnung des Sachverständigen K* … nicht belastbar. Nach den vorherigen Ermittlungen des Sachverständigen für das Verfahren der Bauleitplanung hätten sich entlang der Ostfassade des im Bebauungsplanentwurf vorgesehenen oberirdischen Gebäudes „Haus 2“ Werte bis zu 22% Jahresgeruchsstundenhäufigkeit ergeben. Dass dieser Wert nunmehr mit dem Entfallen des oberirdischen Gebäudes derart deutlich reduziert werde, werde nicht für plausibel gehalten. In der Sache handele es sich bei der mit E-Mail vom 1. April 2020 vorgelegten „Nachberechnung“ um eine bloße Plandarstellung mit datenblattmäßigen Angaben zu Geruchsstundenhäufigkeiten ohne Darlegung der Berechnungen und der Methodik, die zu dem gefundenen Ergebnis geführt habe. Eine Plausibilitätsprüfung sei dem Gericht gar nicht möglich gewesen. Es sei daher nicht nachvollziehbar, auf welcher Grundlage das Gericht die „Nachbesserung“ des Gutachtens ohne Weiteres als zutreffend und richtig unterstelle. Nach den im summarischen Verfahren anzustellenden Prüfmaßstäben könne daher nicht davon ausgegangen werden, dass das verfahrensgegenständliche Vorhaben keinen unzumutbaren Geruchsbelastungen ausgesetzt werde. Dies betreffe sowohl die Ostfassade der Tiefgaragenebene als auch die Westseite vor den Fensteröffnungen des Wohnraums / Therapieraums. Gleichfalls betreffe dies die in den Planunterlagen eingezeichneten Oberlichter im Bereich der Ebene 0. Soweit aus Sicht des Verwaltungsgerichts davon auszugehen sei, dass diese nicht öffenbar seien, weil sie in einem frei begehbaren / zugänglichen Bereich lägen, sei diese Annahme mangels Regelung in der Baugenehmigung durch nichts gesichert. Auch in Bezug auf die Lärmbelastung sei die erstinstanzliche Eilentscheidung korrekturbedürftig. Dabei möge es hinsichtlich der Tageszeit zutreffen, dass nach dem Lärmgutachten vom 6. Februar 2020 vor der westlichen Außenwand der Tagespflegeeinrichtung ein Beurteilungspegelwert von 59 dB(A) nicht überschritten werde. Die für ein Dorfgebiet vorgegebenen Werte für kurzzeitige Geräuschspitzen von nachts 65 dB(A) an Haus 1 sowie im Kellergeschoss (Ebene 0) würden aber aufgrund Rinderlärms nach Maßgabe der vorgelegten gutachterlichen Stellungnahme vom 26. März 2020 überschritten, ohne dass die Baugenehmigung diesbezüglich Auflagen festsetze. Soweit das Verwaltungsgericht insofern einen Nachbarrechtsverstoß mit der Erwägung ablehne, dass nicht zu erwarten sei, dass die gewerblichen Räume der Ebenen 2 und 3 sowie die Arztpraxis zur Nachtzeit genutzt würden, sei dem entgegenzuhalten, dass auch diesbezüglich die Baugenehmigung nichts regele. Betriebszeiten seien weder beauflagt worden noch seien diese Gegenstand einer von der Baugenehmigung umfassten Betriebsbeschreibung. Zudem sei ein Ruheraum für den Nachtdienst oder Bereitschaftsdienst in ähnlicher Weise wie eine Wohnnutzung schutzbedürftig. Auf die Frage, ob der Ruheraum baulich mit der Arztpraxis verbunden sei und ob es sich deshalb nicht um einen selbständigen, abgeschlossenen Wohnraum handele, komme es nicht an. Da dieser Raum gerade zur Nachtzeit genutzt werden solle, gälten hier auch die entsprechenden Spitzenwertkriterien der TA Lärm. Auch hinsichtlich des Bereichs der Tagespflege reiche die Bestätigung der Betriebszeiten seitens der Beigeladenen im gerichtlichen Verfahren nicht aus; auch insofern bedürfe es einer Regelung in der Baugenehmigung, ohne die diese aufgrund der nächtlichen Überschreitung des Spitzenpegelwerts nachbarrechtswidrig sei. Zudem handele es sich bei der mitgenehmigten Tagespflege um eine Pflegeanstalt im Sinne der Nr. 6.1 Satz 1 Buchst. g TA Lärm. Hier gelte ein Immissionsrichtwert von tagsüber 45 dB(A), der überschritten werde.
Das Landratsamt Augsburg hat nach Einlegung der Beschwerde unter dem 25. Mai 2020 einen Bescheid erlassen, mit dem der Baugenehmigungsbescheid vom 19. Dezember 2019 ergänzt wurde. Hiernach darf die genehmigte Tagespflege nur zur Tageszeit (6:00 Uhr – 22:00 Uhr) betrieben werden (Nr. 1.1 des Bescheidtenors). Die Ausführung der Oberlichter im Bereich der Tagespflege und der Apotheke hat mit einer nicht öffenbaren Festverglasung zu erfolgen (Nr. 1.2). Die Be- und Entlüftung der genehmigten Gebäude ist entsprechend eines zum Bestandteil des Ergänzungsbescheids erklärten Plans umzusetzen (Nr. 1.3). Der Antragsteller hat mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 8. Juni 2020 den Ergänzungsbescheid in die anhängige Anfechtungsklage einbezogen.
Der Antragsteller beantragt im vorliegenden Beschwerdeverfahren,
den Beschluss des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 6. April 2020 aufzuheben und die aufschiebende Wirkung seiner Klage vom 20. Januar 2020 in Gestalt des Klageantrags vom 8. Juni 2020 gegen die Baugenehmigung vom 19. Dezember 2019 in Gestalt des Änderungsbescheids vom 25 Mai 2020 wiederherzustellen bzw. hilfsweise die Anordnung des Sofortvollzugs aufzuheben.
Der Antragsgegner beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen,
und trägt im Beschwerdeverfahren vor, durch den Nachtragsbescheid vom 25. Mai 2020 seien etwaige Bestimmtheitsmängel nunmehr ausgeräumt worden. Durch weitere nachträglich vorgelegte Unterlagen (Äußerung des Gutachters K* … vom 14. Mai 2020, Berechnungsanlagen zum Geruchsgutachten vom 6. Februar 2020) sowie einer Äußerung des Fachbereichs 55 des Landratsamts vom 14. Mai 2020 (Anlage 9 zum Schriftsatz vom 27. Mai 2020) seien die Ergebnisse zu dem für das Verfahren der Bauleitplanung erstellten Geruchsgutachten vom 6. Februar 2020 nunmehr plausibilisiert. Nach den Ergebnissen des Geruchsgutachtens vom 2. April 2020 wäre es im momentanen (genehmigten) Zustand sogar irrelevant, ob die Fenster sowie die Oberlichter im Bereich der genehmigten Ebene 0 des Hauses 2 (Bereich Tagespflege) öffenbar seien oder nicht bzw. ob es eine Lüftungsanlage geben werde oder nicht. Auch bei Errichtung der Lüftungsanlage würden die Anforderungen an den Immissionsschutz eingehalten. Aus fachtechnischer Sicht des Sachgebiets Technischer Immissionsschutz des Landratsamts seien die prognostizierten niedrigen Werte zur Geruchsbelastung am Untergeschoss des Wohnhauses 2 nach Maßgabe des Gutachtens vom 2. April 2020 plausibel, da die Luft in der Hauptwindrichtung ohne die Errichtung der Obergeschosse von Haus 2 und Haus 3 mit der freien Luftströmung abtransportiert werden könne. Wenn alle drei relativ hohen Gebäude errichtet würden, staue sich demgegenüber die Luft. Hinsichtlich des reinen Tierlärms durch Landwirtschaft sei die TA Lärm – anders als beim landwirtschaftlichen Lärm aufgrund technischer Anlagen – nicht entsprechend anwendbar. Insoweit habe das Spitzenwertkriterium der TA Lärm keine Bedeutung. Im Übrigen könne dem Gutachten des Sachverständigen G* … vom 6. Februar 2020 entnommen werden, dass es lediglich an der östlichen Seite der Südfassade des Hauses 2 in der Summe der gewerblichen Nutzungen aus Landwirtschaft, Metzgerei, Apotheke und Arztpraxis zu einer Überschreitung des nächtlichen Immissionsrichtwerts der TA Lärm von 45 dB(A) um 1 dB(A) komme. Dies werde im Verfahren der Bauleitplanung Berücksichtigung finden. Die derzeit im Untergeschoss des Hauses 2 genehmigte Tagespflegeeinrichtung habe aber keinen Nachtbetrieb und sei schon deshalb keinen Überschreitungen ausgesetzt. Bei dem mitgenehmigten Bereich der „Tagespflege“ handele es sich um keine Pflegeanstalt gem. Nr. 6.1 Satz 1 Buchst. g TA Lärm. Es handele sich vielmehr um ein Vorhaben i.S. von Art. 2 Abs. 4 Nr. 12 BayBO und nicht i.S. von Art. 2 Abs. 4 Nrn. 9 – 11 BayBO. Diese Einordnung sei auch für die Beurteilung nach der TA Lärm bedeutsam, da eine eigenständige Begriffsdefinition für eine Pflegeanstalt in der TA Lärm sowie in der BauNVO fehle. Im Übrigen sei die Tagespflege im Durchschnitt für 15 Gäste ausgelegt, die sich dort maximal 8 Stunden am Tag und maximal 5 Tage in der Woche aufhielten. Es hielten sich mithin dort nicht mehr Menschen auf als in einem durchschnittlichen Fünfparteienwohnhaus. Für Krankenhäuser und Pflegeanstalten sei aber ausschlaggebend, dass sich dort regelmäßig auf derselben Fläche eine größere Anzahl an Menschen als z.B. in großen Mehrfamilienhäusern aufhalte. Zudem könne in Anbetracht des Zeitraums, in dem sich die Tagesgäste in der Tagespflege aufhielten, auch nicht von einer wohnähnlichen Nutzung die Rede sein. Den Großteil des Alltags blieben selbst die Gäste, die die zeitlichen Möglichkeiten mit 40 Stunden in der Woche voll ausnutzten, in ihrer häuslichen Umgebung (nämlich die restlichen 128 Stunden der Woche). Weshalb zum Schutz dieser Personen für die maximal betreuten 40 Stunden eine besondere Lärmschutzbestimmung greifen solle, sei nicht nachvollziehbar. Auf dem Baugrundstück stehe zudem nicht die Nutzung der „Tagespflege“ im Vordergrund, diese sei den anderen Nutzungen vielmehr räumlich deutlich untergeordnet. Zudem liege der Schwerpunkt der Einrichtung nicht in der Pflege (also in der Betreuung Kranker), vielmehr würden nach dem Konzept des Betreibers in der gegenständlichen Tagespflege neben der Alltagsnormalität in Verbindung entsprechender Verpflegung und Betreuung nur im Bedarfsfall grundpflegerische Hilfestellungen angeboten. Im Vordergrund liege hier demnach die Betreuung der Tagesgäste und nicht die pflegerische Leistung. Es gehe hier nicht um die längerfristige Unterbringung von vielen, dauerhaft pflegebedürftigen Personen. Es handele sich lediglich um eine stundenweise Unterbringung nur zur Tageszeit, um Angehörige zeitweise zu entlasten. Der vorliegende Sachverhalt sei daher mit Konstellationen, in denen der Verwaltungsgerichtshof eine Pflegeanstalt i.S. der TA Lärm angenommen habe, nicht vergleichbar. Selbst wenn es sich um eine Pflegeanstalt handelte, wäre Nr. 6.1 Satz 1 Buchst. g TA Lärm nicht einschlägig, weil nach der Rechtsprechung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts die diesbezüglichen Immissionswerte nur auf Krankenhäuser und Pflegeheime, die wegen ihrer Größe den Gebietscharakter gleichsam hegemonisierten und dem Gebiet ihren Stempel aufdrückten, anzuwenden seien. Dies sei vorliegend nicht der Fall. Maßgeblich sei damit der Schutzanspruch eines Mischgebiets mit einem Tagesrichtwert von 60 dB(A), der hier eingehalten sei.
Die Beigeladenen haben im laufenden Beschwerdeverfahren u.a. eine ergänzende „Betriebsbeschreibung für die Tagespflege im S* …hof – L* …“ der J* …-Altenheimstiftung vom 14. Mai 2020 sowie zwei gutachterliche Stellungnahmen des Ingenieurbüros G* … vom 15. und 29. Mai 2020 vorgelegt. Sie vertreten im Beschwerdeverfahren, in dem sie keinen Sachantrag gestellt haben, den Standpunkt, die mitgenehmigte Einheit „Tagespflege“ stelle keine Pflegeanstalt i.S. der TA Lärm dar. Zudem liege der vom Ingenieurbüro G* … im Gutachten vom 15. Mai 2020 ermittelte Beurteilungspegel von max. 47 dB(A) unterhalb eines Mittelwerts zwischen Buchst. d und Buchst. g der Nr. 6.1 Satz 1 TA Lärm. Selbst bei Anwendung eines Tages-Immissionsrichtwerts von 45 dB(A) resultierten hieraus keine Einschränkungen für die Hofstelle des Antragstellers, weil von dieser laut der gutachterlichen Stellungnahme vom 15. Mai 2020 nur Immissionen mit einem Beurteilungspegel von unter 40 dB(A) einwirkten.
Der Antragsteller ließ mit Schriftsätzen seines Bevollmächtigten vom 29. Mai 2020 und vom 8. Juni 2020 replizieren, dass sich aus der vom Antragsgegner vertretenen bauordnungsrechtlichen Einordnung des Bauvorhabens keine zwingende Zuordnung der Schutzwürdigkeit nach TA Lärm ergebe. Hinsichtlich der Heranziehung der Immissionswerte für Pflegeanstalten habe sich der 22. Senat des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs in einem Beschluss vom 4. Mai 2011 von dem vom Antragsgegner favorisierten Ansatz des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts distanziert. Ausweislich der vom Genehmigungsbescheid umfassten Nutzungsbeschreibung sei die Planung der Tagespflege in Anlehnung an räumliche Vorgaben im Rahmenvertrag für teilstationäre Pflegeeinrichtungen in Bayern gem. § 75 SGB XI (Fassung 1.10.2018) erstellt worden. Die Nutzung orientiere sich mithin an einer nach entsprechenden Pflegesätzen abrechenbaren Einrichtung. Die von den Beigeladenen im Beschwerdeverfahren vorgelegte neue Betriebsbeschreibung sei nicht zum Inhalt der Baugenehmigung erklärt worden. Eine von den Beigeladenen thematisierte Pegelwerterhöhung der Nr. 6.1 Satz 1 Buchst. g TA Lärm im Wege einer Zwischenwertbildung sei nicht indiziert, zumal die ermittelte Lärmbelastung im Gutachten G* … vom 15. Mai 2020 nicht nur geringfügig über dem Immissionswert der Nr. 6.1 Satz 1 Buchst. g TA Lärm liege. Der Hinweis der Beigeladenen, dass der Immissionsrichtwertanteil aus dem landwirtschaftlichen Betrieb des Antragstellers zur Tagzeit unter 40 dB(A) betrage und dass lediglich in der Summe mit anderen Gewerbeemittenten zur Tagzeit ein Wert von 46 bzw. 47 dB(A) erreicht werde, sei nicht nachvollziehbar. Denn dasselbe Gutachterbüro habe im Rahmen des Bebauungsplanverfahrens im dortigen Gutachten vom 6. Februar 2020 Werte von 57 bzw. 56 dB(A) im Hinblick auf Gewerbegeräusche ermittelt. Der Ergänzungsbescheid vom 25. Mai 2020 habe die in der Beschwerdebegründung aufgeführten Defizite nur zum Teil beseitigt. Die in Nr. 1.3 des Ergänzungsbescheids erfolgte Inbezugnahme eines Plans vom 6. Februar 2020 sei insofern widersprüchlich, als dieser nicht das vorliegend verfahrensgegenständliche Bauvorhaben abbilde. Die Betriebsbeschreibung vom 14. Mai 2020, mit der seitens der Beigeladenen und des Antragsgegners die Einordnung der Tagespflege als Pflegeanstalt i.S. der TA Lärm abgewendet werden solle, sei nicht Gegenstand des Baugenehmigungsbescheids geworden.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde, deren Antrag gem. § 122 Abs. 1, § 88 VwGO mit Blick auf § 212a Abs. 1 BauGB dahingehend auszulegen ist, dass der Antragsteller unter Aufhebung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 6. April 2020 die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage gegen den Bescheid vom 19. Dezember 2019 in Gestalt des Ergänzungsbescheids vom 25. Mai 2020 begehrt, ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.
1. Die gem. § 147 Abs. 1 VwGO rechtzeitig eingelegte und gem. § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO rechtzeitig begründete Beschwerde ist zulässig, insbesondere steht dem Rechtsschutzinteresse des Antragstellers nicht entgegen, dass während des Beschwerdeverfahrens ein Ergänzungsbescheid zur Baugenehmigung ergangen ist. Der Bescheid vom 25. Mai 2020 ergänzt lediglich den Baugenehmigungsbescheid vom 19. Dezember 2019 um einzelne Regelungen. Es handelt sich um eine schlichte Tektur- und keine „aliud“-Genehmigung, weil die Identität des mit dem Ausgangsbescheid vom 19. Dezember 2019 genehmigten Vorhabens gewahrt bleibt (zur Abgrenzung vgl. BayVGH, B.v. 23.10.2019 – 15 ZB 18.1275 – juris Rn. 12 m.w.N.; OVG Bln-Bbg, B.v. 24.6.2014 – OVG 10 S 29.13 – juris Rn. 6; VGH BW, B.v. 16.12.2016 – 3 S 2303/15 – BauR 2016, 812 = juris Rn. 18 f.). Auch wenn umstritten ist, ob im Beschwerdeverfahren überhaupt bzw. nur in den zeitlichen Grenzen des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO der Streitgegenstand des Antragsverfahrens entsprechend § 91 VwGO geändert werden kann (zum Streitstand vgl. z.B. Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 146 Rn. 25), führt jedenfalls ein Ergänzungsbescheid zu einer Baugenehmigung, der – wie hier – im Sinne einer „Tektur“ lediglich eine geringfügige Modifizierung regelt, aber kein „aliud“ genehmigt, nicht zur Ersetzung und damit zur Erledigung der Ausgangsbaugenehmigung (vgl. auch BayVGH, B.v. 27.11.2019 – 15 CS 19.1906 – juris Rn. 53). Soweit – wie vorliegend – der Eilantrag des Nachbarn gem. § 80a Abs. 3, § 80 Abs. 5 VwGO erstinstanzlich abgelehnt wurde und der streitgegenständliche Baugenehmigungsbescheid durch einen (Tektur-) Bescheid identitätswahrend lediglich um einzelne Regelungen während eines vom unterlegenen Nachbarn initiierten Beschwerdeverfahrens ergänzt wird, kann von einer Unwirksamkeit der Ausgangsbaugenehmigung durch Erledigung (Art. 43 Abs. 2 BayVwVfG) nicht die Rede sein. In diesem Fall muss es dem Antragsteller mit Blick auf Art. 19 Abs. 4 GG möglich bleiben, weiter gegen den angegriffenen Genehmigungsbescheid – sei es formal mit oder ohne Einbeziehung des Tekturbescheids – im laufenden Beschwerdeverfahren vorzugehen, soweit er sich weiterhin in seinen Rechten verletzt sieht (ebenso OVG Bln-Bbg, B.v. 24.6.2014 – OVG 10 S 29.13 – juris Rn. 5, 6 m.w.N.; vgl. auch BayVGH, B.v. 22.1.2013 – 1 CS 12.2709 – BayVBl. 2013, 344 = juris Rn. 15; für den Fall einer Antragserweiterung innerhalb offener Begründungsfrist vgl. BayVGH, B.v. 12.10.2017 – 1 CS 17.1456 – unveröffentlicht). Zudem wäre es prozessunökonomisch, wenn der Antragsteller – dem in der vorliegenden prozessualen Situation auch der Weg über § 80 Abs. 7 VwGO nicht nützen würde (anders in der Fallkonstellation bei BayVGH, B.v. 27.11.2019 a.a.O. für den erstinstanzlich unterlegenen beigeladenen Bauherrn nach Erlass eines nachträglichen Ergänzungsbescheids im Beschwerdeverfahren) – nach Erlass eines lediglich marginal modifizierenden Ergänzungsbescheids im Beschwerdeverfahren zur Wahrung seiner prozessualen Rechte im vorläufigen Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 GG) erneut beim Verwaltungsgericht einen Antrag gem. § 80a Abs. 3, § 80 Abs. 5 VwGO – diesmal gegen den Ausgangsbescheid in der Fassung des Ergänzungsbescheids – stellen müsste (vgl. auch OVG NRW, B.v. 27.7.2009 – 8 B 933/09 – NVwZ 2009,1317 = juris Rn. 10 ff.).
2. Die Beschwerde ist unbegründet.
Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der erhobenen Anfechtungsklage im Ergebnis zu Recht als unbegründet abgelehnt. Die vom Antragsteller dargelegten Gründe, auf die die Prüfung im Beschwerdeverfahren beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigen keine Abänderung des verwaltungsgerichtlichen Beschlusses.
Im Rahmen eines Verfahrens nach § 80a Abs. 3 i.V. mit § 80 Abs. 5 VwGO trifft das Gericht aufgrund der sich im Zeitpunkt seiner Entscheidung darstellenden Sach- und Rechtslage eine eigene Ermessensentscheidung darüber, ob die Interessen, die für einen sofortigen Vollzug des angefochtenen Verwaltungsakts sprechen, oder diejenigen, die für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung streiten, höher zu bewerten sind. Im Rahmen dieser Interessenabwägung sind auch die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache zu berücksichtigen. Diese sind ein wesentliches, wenngleich nicht das alleinige Indiz für und gegen den gestellten Antrag. Nachbarn – wie hier der Antragsteller – können sich als Dritte auch im Verfahren gem. § 80a Abs. 3, § 80 Abs. 5 VwGO grundsätzlich nur dann mit Aussicht auf Erfolg gegen eine Baugenehmigung zur Wehr setzen, wenn sich diese auf die Verletzung einer Norm berufen, die gerade ihrem Schutz zu dienen bestimmt ist (vgl. z.B. BayVGH, B.v. 30.7.2019 – 15 CS 19.1227 – juris Rn. 15). Wird der in der Hauptsache erhobene Rechtsbehelf bei der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nur möglichen summarischen Prüfung voraussichtlich erfolgreich sein (weil er zulässig und begründet ist), so wird regelmäßig nur die Anordnung der aufschiebenden Wirkung in Betracht kommen. Wird dagegen der in der Hauptsache erhobene Rechtsbehelf voraussichtlich keinen Erfolg haben (weil er unzulässig oder unbegründet ist), so ist dies ein starkes Indiz für die Ablehnung des Antrages auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung. Sind schließlich die Erfolgsaussichten offen, findet eine allgemeine, von den Erfolgsaussichten unabhängige Abwägung der für und gegen den Sofortvollzug sprechenden Interessen statt.
Nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage wird die mit dem Ziel der Aufhebung der streitgegenständlichen Baugenehmigung gerichtete Anfechtungsklage des Antragstellers voraussichtlich keinen Erfolg haben.
a) Für die Frage des Nachbarschutzes kommt es vorliegend dabei nicht darauf an, ob sich die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens nach § 33 oder § 34 BauGB richtet. Ein sog. Gebietserhaltungsanspruch (hierzu vgl. BVerwG, U.v. 16.9.1993 – 4 C 28.91 – BVerwGE 94, 151 = juris Rn. 11 ff.; BayVGH, B.v. 24.2.2020 – 15 ZB 19.1505 – juris Rn. 6 m.w.N.; speziell im Zusammenhang mit § 33 BauGB vgl. auch BayVGH, B.v. 18.2.2020 – 15 CS 20.57 – DVBl. 2020, 646 = juris Rn. 17) steht vorliegend nicht zur Debatte und wird auch mit der Beschwerdebegründung nicht geltend gemacht. Der Antragsteller ist der Ansicht des Verwaltungsgerichts, dass das Baugrundstück zusammen mit der sie prägenden Umgebung als faktisches Dorfgebiet einzustufen ist, in dem das streitgegenständliche Vorhaben gem. § 34 Abs. 2 BauGB i.V. mit § 5 Abs. 2 und § 13 BauNVO hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung bauplanungsrechtlich zulässig ist, im Beschwerdeverfahren nicht entgegengetreten. Es kommt auch nicht darauf an, ob die Erteilung der Baugenehmigung vom Landratsamt zu Recht oder zu Unrecht (teilweise) auf § 33 BauGB gestützt wurde. Denn auch insofern bleibt es bei dem Grundsatz, dass der Nachbar keinen allgemeinen Rechtsanspruch darauf hat, dass die Verwaltungsbehörde (objektiv) rechtmäßig handelt, sondern lediglich darauf, dass die Baugenehmigung nicht gegen eine nachbarschützende Vorschrift verstößt (vgl. BayVGH, B.v. 18.2.2020 – 15 CS 20.57 – DVBl. 2020, 646 = juris Rn. 21 m.w.N.). Der Antragsteller ist damit hinsichtlich des bauplanungsrechtlichen Nachbarschutzes von vornherein auf das Rücksichtnahmegebot beschränkt, das (ohne Planreife) über § 34 Abs. 1 BauGB („einfügt“) bzw. über § 34 Abs. 2 BauGB i.V. mit § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO sowie im Falle von Planreife des künftigen Bebauungsplans über § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO i.V. mit § 30, § 33 BauGB (vgl. BayVGH, B.v. 18.2.2020 – 15 CS 20.57 – DVBl. 2020, 646 = juris Rn. 23) Anwendung findet.
b) Die Anfechtungsklage gegen den Baugenehmigungsbescheid vom 19. Dezember 2019 wird – unabhängig von der Berücksichtigung des Ergänzungsbescheids vom 25. Mai 2020 – voraussichtlich nicht wegen einer Verletzung der Rechte des Antragstellers aus dem bauplanungsrechtlichen Gebots der Rücksichtnahme Erfolg haben.
Dem bauplanungsrechtlichen Gebot der Rücksichtnahme kommt drittschützende Wirkung zu, soweit in qualifizierter und zugleich individualisierter Weise auf schutzwürdige Interessen eines erkennbar abgegrenzten Kreises Dritter Rücksicht zu nehmen ist. Die Anforderungen, die das Gebot der Rücksichtnahme im Einzelnen begründet, hängen wesentlich von den jeweiligen Umständen ab. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung desjenigen ist, dem die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zu Gute kommt, desto mehr kann er an Rücksichtnahme verlangen. Je verständlicher und unabweisbarer die mit dem Vorhaben verfolgten Interessen sind, umso weniger braucht derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, Rücksicht zu nehmen. Abzustellen ist darauf, was einerseits dem Rücksichtnahmebegünstigten und andererseits dem Rücksichtnahmeverpflichteten nach Lage der Dinge zuzumuten ist. Soweit – wie vorliegend – ein Rücksichtnahmeverstoß aufgrund von Immissionsbelastungen geltend gemacht wird, wird zur Konturierung der Zumutbarkeitsschwelle des Rücksichtnahmegebots auf die materiell-rechtlichen Maßstäbe des Immissionsschutzrechts, also auf die Schwelle schädlicher Umwelteinwirkungen i.S. von § 3 Abs. 1, § 22 Abs. 1 BImSchG zurückgegriffen (zum Ganzen vgl. BayVGH, B.v. 4.12.2019 – 15 CS 19.2048 – juris Rn. 23 m.w.N.). Eine heranrückende Wohnbebauung bzw. eine sonstige heranrückende immissionsempfindliche Nutzung verletzt gegenüber einem bestehenden emittierenden (insbes. landwirtschaftlichen) Betrieb das Gebot der Rücksichtnahme, wenn ihr Hinzutreten die rechtlichen immissionsbezogenen Rahmenbedingungen, unter denen der Betrieb arbeiten muss, gegenüber der vorher gegebenen Lage verschlechtert. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn der Betrieb aufgrund der hinzutretenden Bebauung mit nachträglichen immissionsschutzrechtlichen Auflagen rechnen muss (vgl. BayVGH, B.v. 21.8.2018 – 15 ZB 17.2351 – juris Rn. 11 m.w.N.; U.v. 27.2.2020 – 2 B 19.2199 – Rn. 41 f. m.w.N.; B.v. 26.5.2020 – 15 ZB 19.2231 – noch nicht veröffentlicht; B.v. 27.5.2020 – 15 ZB 19.2305 – noch nicht veröffentlicht). Hiervon ist weder aufgrund der Geruchsbelastung [im Folgenden c) ] noch aufgrund der von dem landwirtschaftlichen Betrieb des Antragstellers mitverursachten Lärmsituation [unten d) ] auszugehen.
c) Eine unzumutbare Geruchsbelastung, aufgrund derer der Antragsteller bei Umsetzung der Baugenehmigung vom 19. Dezember 2019 (in der Fassung des Ergänzungsbescheids vom 25. Mai 2020) immissionsschutzrechtliche Eingriffsmaßnahmen nach § 24, § 25 BImSchG zulasten seines landwirtschaftlichen Betriebs befürchten müsste, ist unter Berücksichtigung der aktuellsten Geruchsgutachten des Ingenieurbüros K* … vom 6. Februar 2020 und vom 2. April 2020 nach der im Verfahren gem. § 80a Abs. 3, § 80 Abs. 5 VwGO gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage nicht zu prognostizieren.
Für die Beurteilung der Zumutbarkeit der von Tierhaltungsbetrieben verursachten Gerüche gibt es keine allgemein gültigen Regelungen ähnlich der Technischen Anleitung zur Reinhaltung der Luft (TA Luft). Im Rahmen seiner tatrichterlichen Bewertung kann das Gericht jedoch auf diverse Regelwerke als Orientierungshilfe zurückgreifen, die in der landwirtschaftlichen Praxis entwickelt wurden (im Überblick vgl. BayVGH, B.v. 4.12.2019 – 15 CS 19.2048 – juris Rn. 24 m.w.N.). Das Verwaltungsgericht hat – ebenso wie das Landratsamt (auf Basis der Begutachtungen zum Bebauungsplan) – zur Beurteilung der Erheblichkeit der Geruchsbelastung als Orientierungshilfe auf die Geruchsimmissions-Richtlinie (GIRL) zurückgegriffen, was in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung grundsätzlich anerkannt ist (zum Ganzen BVerwG, B.v. 4.12.2018 – 4 B 3.18 – BRS 86 Nr. 158 = juris Rn. 8; BayVGH, B.v. 4.12.2019 – 15 CS 19.2048 – juris Rn. 24 m.w.N.). Die GIRL, deren Immissionswerte keine strikt einzuhaltenden, rechtssatzmäßig anzuwendenden Grenzwerte darstellen, sieht bei grundsätzlich konservativer Ausrichtung zur Beurteilung der Erheblichkeit der Geruchseinwirkung – differenziert nach Nutzungsgebieten – unterschiedliche Immissionswerte in relativen Häufigkeiten der Jahresgeruchsstunden (Nr. 3.1, Tabelle 1) für die höchstzulässige Geruchsimmission vor. Berechnungen auf der Basis der GIRL stellen ein im Sinne einer konservativen Prognosesicherheit komfortables „worst-case-Szenario“ dar. Die Anwendung der GIRL gewährleistet mithin eine grundsätzlich hinreichend verlässliche Prognose und Bewertung von Geruchsbelästigungen; sie wird allgemein als antizipiertes Sachverständigengutachten angesehen, welches auf fachwissenschaftlichen Untersuchungen beruht und allgemeine Erfahrungssätze auflistet, die in vielfältigen Verfahren erprobt, zur Diskussion gestellt und ergänzt worden sind (vgl. BayVGH, B.v. 21.8.2018 – 15 ZB 17.1890 – juris Rn. 12 m.w.N.; B.v. 20.3.2020 – 15 ZB 19.2046 – juris Rn. 17).
Das Verwaltungsgericht hat zur Begründung seiner Annahme, die den Beigeladenen genehmigten Nutzungen würden keinen unzumutbaren Geruchsimmissionen durch die landwirtschaftliche Hofstelle des Antragstellers ausgesetzt, zunächst das im Verfahren der Bauleitplanung erstellte Geruchsgutachten der Ingenieurbüros K* … vom 18. März 2019 herangezogen, das im Gegensatz zu vorherigen Gutachten vom 9. April 2018 und vom 11. Februar 2019 nicht mehr von einem Geschlossenhalten der Fenster und Türen der Nordfassade des Stallgebäudes ausgeht und zum Ergebnis kommt, dass jedenfalls an dem (von der streitgegenständlichen Baugenehmigung umfassten) oberirdischen Gebäude „Haus 1“, an der dem landwirtschaftlichen Betrieb zugewandten Fassade in allen Immissionshöhen 12% der Jahresgeruchsstunden nicht überschritten würden. Das Verwaltungsgericht hat ferner erkannt, dass die für die Bauleitplanung ermittelten Werte nicht ohne Weiteres auf das genehmigte Vorhaben übertragen werden können, weil – je nach dem, ob das oberirdische Gebäude des „Hauses 2“ errichtet wird (so nach Bebauungsplanentwurf) oder nicht (so nach Baugenehmigung) – die konkrete Abschirm- und Zirkulationssituation variieren kann. Aus diesem Grund hat das Verwaltungsgericht ergänzend auf die fachliche Stellungnahme des Fachbereichs 55 des Landratsamts vom 31. März 2020 sowie auf eine von dieser mit E-Mail vom 1. April 2020 übermittelte Nachberechnung des Gutachterbüros abgestellt, wonach bei Errichtung ausschließlich der laut Baugenehmigung genehmigten baulichen Anlagen an den Außenfassaden der Gebäude die in einem Dorfgebiet zulässigen Jahresgeruchsstunden von 15% deutlich unterschritten würden. Auch die im Kellergeschoss (Ebene 0) genehmigten Nutzungen seien – so das Verwaltungsgericht in der Begründung zum erstinstanzlichen Beschluss vom 6. April 2020 weiter – keinen unzumutbaren Geruchsimmissionen ausgesetzt. Aus der Kombination aus genehmigter Planzeichnung und der Auflage Nr. 5.7 ergebe sich aus der Baugenehmigung vom 19. Dezember 2019 hinreichend bestimmt, dass entweder gar keine Fenster – also auch nicht öffenbare Fenster – zulässig seien oder aber Fensteröffnungen so ausgestaltet werden müssten, dass sie nicht zu öffnen seien. In beiden Konstellationen sei dem Ziel, dass die dortigen Aufenthaltsräume nicht unzumutbaren Geruchsimmissionen durch die Landwirtschaft des Antragstellers ausgesetzt seien, ausreichend Rechnung getragen. Hinsichtlich der Geruchsbelastung irrelevant sei der Ostausgang der Schleuse vor der Liftanlage zum Tiefhof hin. Gleiches gelte für die Türe, die vom Tiefhof nach Osten in die Tiefgarage führe. Auf der Westseite des genehmigten Gebäudekomplexes liege die Geruchsbelastung laut der dem Gericht am 1. April 2020 per E-Mail übermittelten gutachterlichen Nachberechnung deutlich unter den in einem Dorfgebiet zulässigen 15% Jahresgeruchsstunden und sei daher dort unproblematisch. Die Tatsache, dass die geplante mechanische Entlüftungsanlage für die in der Ebene 0 liegenden Räume ohne Fensteröffnungen (Tagespflegeeinrichtung, Apotheke) nicht in der Baugenehmigung geregelt sei, führe nicht zu einer nachbarrechtsverletzenden Unbestimmtheit der Baugenehmigung. Es hätten sich im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes keine hinreichend konkreten Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die zur Vermeidung von unzumutbaren Geruchsbelastungen geplante mechanische Be- und Entlüftung in technischer bzw. wirtschaftlicher Hinsicht nicht umsetzbar wäre. Insofern sei nach telefonischen Angaben des Entwurfsverfassers der Beigeladenen die Öffnung für die Frischluftzufuhr in einer Entfernung von ca. 32 m zu den Fensteröffnungen bzw. dem Abluftkamin des Rinderstalles geplant, sodass angesichts dieser Entfernung keine unzumutbaren Geruchsimmissionen an dem geplanten Standort der Frischluftzufuhr zu erwarten seien.
Dieser Beurteilung des Verwaltungsgerichts stimmt der Senat jedenfalls im Ergebnis zu. Ein aktuelleres, ebenso für das Verfahren der Bauleitplanung erstelltes Geruchsgutachten vom 6. Februar 2020, das im erstinstanzlichen Beschluss des Verwaltungsgerichts nicht verarbeitet wurde, prognostiziert – unter Ansatz der Entlüftung des Stallgebäudes des Antragstellers über Fenster, Tore und Türen (Volumenquelle) – für die Gebäudebereiche, die auch von der Baugenehmigung umfasst sind, ähnliche Werte und gelangt u.a. zu Jahresgeruchsstundenhäufigkeiten im Bereich von 5 – 12% auf verschiedenen Höhenlagen der Fassaden von „Haus 1“ und im Bereich von 4% bis 19% im Bereich von Haus 2 (hierbei 19% auf einer Immissionshöhe von 0 – 6 m). Der Antragsgegner hat im Beschwerdeverfahren eine E-Mail des Fachbereichs 55 des Landratsamts vom 6. Februar 2020 (Anlage 9 zum Schriftsatz der Landesanwaltschaft Bayern vom 27. Mai 2020) sowie ein Schreiben des Gutachters K* … vom 14. Mai 2020 (Anlage 5 zum vorgenannten Schriftsatz) vorgelegt, worin jeweils aus fachlicher Sicht erläutert wird, warum die (im Beschwerdeverfahren in einer Fassung mit „Korrektur redaktioneller Fehler“ vorgelegten) Gutachten vom 18. März 2019 und vom 6. Februar 2020 zu unterschiedlichen Ergebnissen gelangt sind. Diese sachverständigen Aussagen sind von der Antragstellerseite im Beschwerdeverfahren nicht durch sachverständige Gegenaussagen infrage gestellt bzw. erschüttert worden. Hinzukommt, dass nach dem mittlerweile vorliegenden – so im Beschluss des Verwaltungsgerichts noch nicht verwerteten – Geruchsgutachten des Ingenieurbüros K* … vom 2. April 2020 nunmehr eine sachverständig ausgearbeitete Geruchsbelastungsprognose für den Fall vorliegt, dass nicht alle drei geplanten Wohnhäuser gleichzeitig errichtet werden. Hierbei wurde auch für den baulichen Zustand, der im Wesentlichen der Umsetzung der streitgegenständlichen Baugenehmigung vom 19. Dezember 2019 entspricht, eine entsprechende Prognose erstellt. Für diese im Gutachten vom 2. April 2020 so bezeichnete „Variante 2“ („Errichtung des kompletten Wohnhauses 1 sowie des Tiefgeschosses des Wohnhauses 2. Das komplette Wohnhaus 3 sowie die übrigen Geschosse des Wohnhauses 2 werden später errichtet.“) kommt der Gutachter zu einer Geruchsbelastung von maximal 5% Jahresgeruchsstundenhäufigkeiten im offenen westlichen Fassadenbereich des Tiefgeschosses des Hauses 2. Nach Abbildung 3 dieses Gutachtens liegt die Geruchsbelastung auch auf Höhe der laut Baugenehmigung für die Einheit „Tagespflege“ vorgesehenen Oberlichter und der östlichen Fenster- und Türbereiche in Richtung „Tiefhof“ unterhalb des in Nr. 3.1 der GIRL für Dorfgebiete vorgesehenen Immissionswerts IW von 0,15 bzw. 15%. An den Außenfassaden des Hauses 1 liegt der Geruchsbelastungswert laut Abbildung 3 im Gutachten vom 2. April 2020 auf einer Immissionshöhe von 0 – 3 m mit 3 – 4% noch deutlich niedriger. Das Gutachten vom 2. April 2020 und seine Ergebnisse sind vom Antragsteller im Beschwerdeverfahren ebenfalls nicht substantiiert angegriffen oder gar durch sachverständige Gegenäußerungen infrage gestellt bzw. erschüttert worden. Soweit mit dem Verwaltungsgericht, dessen diesbezügliche Ansicht im Beschwerdeverfahren nicht kritisiert wurde und daher gem. § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO vom Senat zugrunde gelegt wird, davon ausgegangen wird, dass das Baugrundstück in einem faktischen Dorfgebiet gem. § 34 Abs. 2 BauGB, § 5 BauNVO liegt, ist damit bei Umsetzung des Bauvorhabens – ohne dass es der Auflage Nr. 5.7 der Ausgangsbaugenehmigung und der Regelungen des Ergänzungsbescheids vom 25. Mai 2020 überhaupt bedürfte – in Orientierung an dem (an relevanten Immissionsorten gerade nicht überschrittenen) Immissionswert der GIRL für Dorfgebiete nicht von einer gegen das Rücksichtnahmegebot verstoßenden Geruchsbelastung auf Bereichen des Baugrundstücks, in denen sich Personen nicht nur vorübergehend aufhalten, auszugehen. Das gilt erst Recht, soweit
– mit dem Verbot der Fensteröffnung an der Ostfassade des Kellergeschosses des Hauses 2 gem. Auflage Nr. 5.7 des Genehmigungsbescheids vom 19. Dezember 2019 (an der ebenfalls entsprechend reglementierten Südfassade, die nach den genehmigten Plänen vollständig unter der Geländeoberfläche liegt, gibt es ohnehin keine Fenster) sowie
– über die Regelungen Nr. 1.2 und 1.3 des Ergänzungsbescheids vom 25. Mai 2020 (Gebot zur Ausführung der Oberlichter im Bereich der Tagespflege und der Apotheke mit einer nicht öffenbaren Festverglasung; Gebot zur Be- und Entlüftung der Gebäude nach Maßgabe eines beigefügten Plans)
die Geruchsbelastung der Innenräume des genehmigten Vorhabens weiter reduziert wird. Zwar stellt der im Ergänzungsbescheid für die Be- und Entlüftung in Bezug genommene Plan „Ebene 1“ (Fassung 6. Februar 2020) den Planungsstand des Entwurfs des vorhabenbezogenen Bebauungsplans dar, hinter dem – worauf der Antragsteller zuletzt hingewiesen hat – die baurechtlich genehmigten Bauvorlagen zurückbleiben. Soweit unter Nr. 1.3 des Bescheids vom 25. Mai 2020 geregelt wird, dass dieser Plan „hinsichtlich der Be- und Entlüftung Bestandteil des Ergänzungsbescheides“ werden soll, ergibt sich aber kraft Auslegung nach dem objektiven Empfängerhorizont, dass insofern ausschließlich die Lage der Luftansaugung für die Be- und Entlüftung für den nach Baugenehmigung zu errichtenden Gebäudekomplex an der Südfassade des Hauses 2 platziert werden soll. Insofern verbleibt für den Bereich der „Tagespflege“ eine Geruchsbelastung an der nach Außen in Erscheinung tretenden Westfassade auf Ebene 0, die mit einer belästigungsrelevanten Kenngröße für die Geruchsbelastung von maximal 5% sogar deutlich unter dem Immissionswert IW gem. Nr. 3.1 der GIRL für Wohn- und Mischgebiete (0,10 bzw. 10%) bleibt.
d) Ebenso ist nicht davon auszugehen, dass die durch die landwirtschaftliche Nutzung auf dem Antragstellergrundstück mitverursachte Lärmbelastung mit Blick auf künftige lärmempfindliche Nutzungen auf dem Baugrundstück nach Umsetzung der Baugenehmigung als unzumutbar einzustufen sein wird und damit Anlass zu lärmmindernden Maßnahmen gem. §§ 24 f. BImSchG gegenüber dem Antragsteller geben wird.
aa) Das gilt zunächst für die auf Rinderlärm zurückgehenden nächtlichen Geräuschspitzen auf dem Baugrundstück. Nach der hierzu vom Antragsteller schon im erstinstanzlichen Verfahren vorgelegten gutachterlichen Stellungnahme des Ingenieurbüros B* … … * … GmbH vom 26. März 2020 sei unter Berücksichtigung einer Studie „Praxisleitfaden Schalltechnik in der Landwirtschaft“ des österreichischen Bundesamts, wonach für Rinder ein maximaler Beurteilungspegel von LWA = 112,2 dB(A) anzusetzen sei, am Haus 1 bei einer Entfernung von ca. 35 m zur Stalltüre an der nördlichen Außenwand des Stallgebäudes des Antragstellers mit kurzzeitigen maximalen Beurteilungspegeln von ca. 73 dB(A) zu rechnen. Der für ein Misch- oder Dorfgebiet vorgegebene Wert für kurzzeitige Geräuschspitzen von nachts 65 dB(A) werde somit überschritten. Falls für den Bereich der Tagespflege im südlichen Gebäudebereich eine Nutzung zur Nachtzeit nicht ausgeschlossen sei, sei auch hier mit einer wesentlichen Überschreitung der zulässigen Lärmimmissionen für kurzzeitige Geräuschspitzen zu rechnen.
Unabhängig von der Frage der Anwendbarkeit des Spitzenpegelkriteriums der TA Lärm auf Tierlärm eines immissionsschutzrechtlich nicht genehmigungsbedürftigen landwirtschaftlichen Betriebs (vgl. im Folgenden) sprechen die von den Beigeladenen im Beschwerdeverfahren vorgelegten gutachterlichen Stellungnahmen des Ingenieurbüros G* …, denen der Antragsteller im Berufungsverfahren nicht mehr entgegengetreten ist, dagegen, dass kurzzeitige Geräuschspitzen durch Lärm der Rinder des Antragstellers den für die Nachtzeit gem. Nr. 6.4 TA Lärm (22:00 – 6:00 Uhr) geregelten Maximalwert für kurzzeitige Geräuschspitzen für Dorfgebiete von 65 dB(A) (Nr. 6.1 Satz 2 i.V. mit Satz 1 Buchst. d TA Lärm) an relevanten Immissionsorten übersteigen. Bereits in der Äußerung des Gutachterbüros vom 15. Mai 2020 wird ausgeführt, dass aufgrund der großen Abstände der relevanten westseitigen Immissionsorte zu den Geräuschquellen davon ausgegangen werden könne, dass die Unterschreitung der maximalen Spitzenpegel an der Tagespflegeeinrichtung sicher gewährleistet sei. In der weiteren gutachterlichen Stellungnahme vom 29. Mai 2020 legt der Gutachter dar, dass es zu den Spitzenpegeln, die in dem vom Antragsteller beauftragten Gutachten vom 26. März 2020 angegeben werden, nur bei offener Rinderhaltung im Freien sowie bei uneingeschränkter Sichtverbindung zwischen Rindern und maßgebenden Immissionsorten kommen könne. Tatsächlich befänden sich die Rinder des Antragstellers aber in einem gemauerten Stall, der zur Südfassade der geplanten Gebäude weitgehend geschlossen sei und durch Fenster in Kipplüftungsstellung belüftet werde. Zu den Immissionsorten der Tagespflegeeinrichtung bestehe – so die gutachterliche Stellungnahme des Ingenieurbüros G* … vom 29. Mai 2020 weiter – zudem keine direkte Sichtverbindung von der Schallquelle. Die maßgebliche Westfassade der genehmigten Einrichtung „Tagespflege“ sei zudem vom landwirtschaftlichen Betriebs gut abgeschirmt. Von Rindern des Antragstellers verursachte Spitzenpegel lägen dort unter 55 dB(A). Da das Haus 1 weiter vom Rinderstall entfernt sei, würden auch hier die zulässigen Maximalpegel sicher unterschritten.
Bei dieser Sachlage ist auch nicht ersichtlich, dass es im Bereich des Hauses 1 zur Überschreitung des nächtlichen Spritzenpegels der TA Lärm kommen kann. Im Übrigen sieht die TA Lärm, die von der Rechtsprechung im Sinne einer sog. „normkonkretisierenden Verwaltungsvorschrift“ grundsätzlich als bindend angesehen wird (vgl. BayVGH, B.v. 16.4.2019 – 15 CE 18.2652 – juris Rn. 26 m.w.N.), in ihrer Nr. 1 Satz 2 Buchst. c die Anwendbarkeit auf immissionsschutzrechtlich nicht genehmigungsbedürftige landwirtschaftliche Anlagen gerade nicht vor. Die mit solchen landwirtschaftlichen Betrieben einhergehenden spezifischen Immissionen sind insbesondere in (faktischen) Dorfgebieten unter dem Gesichtspunkt des Rücksichtnahmegebots grundsätzlich hinzunehmen. Der Schutz des Wohnens und sonstiger immissionsempfindlicher Nutzungen ist in Dorfgebieten wegen der den landwirtschaftlichen Betrieben grundsätzlich zukommenden Vorrangstellung (vgl. § 5 Abs. 1 Satz 2 BauNVO) eingeschränkt. Aus diesem Grund sind die von landwirtschaftlichen Betrieben üblicherweise ausgehenden Emissionen als gebietstypisch und daher in der Regel nicht als unzulässige Störung der Nachbarschaft anzusehen (vgl. BayVGH, U.v. 12.7.2004 – 25 B 98.3351 – juris Rn. 30; B.v. 3.5.2016 – 15 CS 15.1576 – UPR 2017, 32 = juris Rn. 23; B.v. 4.9.2019 – 1 ZB 17.662 – juris Rn. 5). Das gilt insbesondere für den spezifischen Lärm, der von gehaltenen Tieren selbst ausgeht.
bb) Auch im Übrigen ist bei gebietsbezogener Betrachtung unter der (im Beschwerdeverfahren nicht infrage gestellten) Einordnung des Baugrundstücks und seiner bauplanungsrechtlich relevanten Umgebung als faktisches Dorfgebiet (§ 34 Abs. 2 BauGB, § 5 BauNVO) nicht ersichtlich, dass aufgrund des Betriebslärms, der vom landwirtschaftlichen Betrieb des Antragstellers ausgeht, im Zusammenwirken mit sonstigem Gewerbelärm in der Umgebung auf dem Baugrundstück bei Umsetzung des genehmigten Vorhabens eine für die dortigen Nutzungen unzumutbare, rücksichtslose Lärmbelastungssituation an den relevanten Immissionsorten (vgl. A.1.3 der Anlage zur TA Lärm) entsteht. Das gilt auch, wenn im vorliegenden Fall die auf Gewerbelärm zugeschnittene TA Lärm trotz ihrer Nr. 1 Satz 2 Buchst. c auch auf von (immissionsschutzrechtlich nicht genehmigungsbedürftigen) landwirtschaftlichen Betrieben ausgehenden Lärm entsprechend angewendet oder als Erkenntnis- bzw. Orientierungshilfe herangezogen wird, soweit die Geräuschimmissionen ihrer Art nach (sonstigen) gewerblichen Emissionen entsprechen (vgl. BayVGH, B.v. 3.5.2016 – 15 CS 15.1576 – UPR 2017, 32 = juris Rn. 24; B.v. 18.5.2018 – 9 CS 18.10 – RdL 2019, 100 = juris Rn. 16; B.v. 4.9.2019 – 1 ZB 17.662 – juris Rn. 6; VGH BW, U.v. 27.11.2018 – 8 S 286/17 – VBlBW 2018, 297 = juris Rn. 96; OVG NRW, U.v. 16.8.2019 – 7 A 1276/18 – BauR 2019, 1748 = juris Rn. 29 ff.).
Laut der von den Beigeladenen im Beschwerdeverfahren vorgelegten gutachterlichen Stellungnahme des Ingenieurbüros G* … vom 15. Mai 2020 ist bei der Lärmprognose für den Bereich der nach außen in Erscheinung tretenden Westfassade der Ebene 0 im Bereich des geplanten (nach der streitgegenständlichen Baugenehmigung zunächst ansonsten nicht oberirdisch bzw. mit weiteren Stockwerken auszuführenden) Hauses 2 zu berücksichtigen, dass der Großteil der Räumlichkeiten der Einheit „Tagespflege“ unterhalb des Geländeniveaus des Grundstücks des Antragstellers liegt und dadurch schalltechnisch von dem landwirtschaftlichen Betrieb des Antragstellers weitgehend abgeschirmt ist. An den westseitigen Immissionsorten der Tagespflegeeinrichtung werden laut Gutachten vom 15. Mai 2020 an den Immissionsorten in der Summe Beurteilungspegel durch die Gewerbegeräusche der umliegenden Betriebe und durch die Geräusche aus der Landwirtschaft tagsüber von bis zu 47 dB(A) erreicht (Gesamtbelastung). Dieser maximale Beurteilungspegel, der seitens des Antragstellers im Beschwerdeverfahren weder substantiiert bestritten noch durch gutachterliche Gegenäußerungen infrage gestellt oder erschüttert worden ist, liegt deutlich unterhalb des tagsüber für Kern-, Dorf- und Mischgebiete geltenden Immissionswerts der Nr. 6.1 Satz 1 Buchst. d der TA Lärm von 60 dB(A). Bei Werten in dieser Größenordnung ist auch nicht anzunehmen, dass an den Oberlichtern im Bereich der Tagespflege Beurteilungspegel in einer kritischen Größenordnung auftreten könnten, sodass die Beantwortung der Frage, ob diese (unabhängig von der nunmehr im Ergänzungsbescheid vom 25. Mai 2020 verfügten Ausführung mit nicht öffenbarer Festverglasung) überhaupt als relevante Immissionsorte in Betracht kommen, dahingestellt bleiben kann. Ohne dass es noch darauf ankommt, dass durch den nachträglichen Bescheid vom 25. Mai 2020 nunmehr klargestellt ist, dass der Bereich der Tagespflege zur Nachtzeit (22:00 Uhr bis 6:00 Uhr, Nr. 6.4 TA Lärm) nicht betrieben werden darf, kann zudem bereits aus dem für das Verfahren der Bauleitplanung erstellten schalltechnischen Gutachten des Ingenieurbüro G* … vom 6. Februar 2020 in summarischer Prüfung hinreichend sicher abgeleitet werden, dass die Immissionswerte der Nr. 6.1 Satz 1 Buchst. d TA Lärm an dem von der streitgegenständlichen Baugenehmigung abgedeckten Gebäudekomplex sowohl tagsüber als auch nachts nicht überschritten werden. Auf die vom Verwaltungsgericht diskutierte Frage, inwiefern auch im Bereich des Hauses 1 lediglich eine Nutzung am Tag (6:00 bis 22:00 Uhr) zu unterstellen sei und ob der genehmigte Appartementbereich im Bereich der Arztpraxisnutzung in Ebene 1 von Haus 1 gegenüber einer herkömmlichen Wohnnutzung eine niedrigere Schutzbedürftigkeit aufweise, kommt es daher aus Sicht des Senats nicht an. Die für das Verfahren der Bauleitplanung erstellte, auch Schallemissionen aus der benachbarten Landwirtschaft des Antragstellers einbeziehende schalltechnische Verträglichkeitsuntersuchung vom 6. Februar 2020 kommt zu dem Ergebnis, dass die für Kern-, Dorf- und Mischgebiete geltenden Immissionsrichtwerte der TA Lärm von 60 dB(A) tags und 45 dB(A) nachts weitgehend für alle drei geplanten Häuser unterschritten werden. Lediglich an der Südfassade des laut Bebauungsplan auch oberirdisch geplanten Hauses 2 wird hiernach punktuell der nächtliche Immissionsrichtwert von 45 dB(A) um bis zu 1 dB(A) überschritten, wofür auf Seite 13 des Gutachtens Schallschutzmaßnahmen vorgeschlagen werden. Letzteres kommt aber für das von der streitgegenständlichen Baugenehmigung umfasste Vorhaben nicht zum Tragen, weil hiernach Haus 2 nur für die Ebene 0 errichtet werden soll, dessen Südseite vollständig unterhalb der Geländeoberfläche verbleibt. Es ist vom Antragsteller im Beschwerdeverfahren nicht behauptet worden, dass sich die laut Gebäudelärmkarte im Gutachten vom 6. Februar 2020 ermittelten Beurteilungspegel für die Fassaden des Hauses 1 von tagsüber maximal 59 dB(A) (Ostfassade) bzw. 56 dB(A) (Südfassade) und nachts 44 dB(A) (Ostfassade) bis 42 dB(A) (Südfassade) auf kritische Werte über 60 dB(A) tags bzw. 45 dB(A) nachts allein dadurch erhöhen könnten, dass das Haus 2 nach den genehmigten Bauvorlagen entgegen dem der Begutachtung zugrundeliegenden Entwurf des Bebauungsplans (ggf. zunächst) nicht oberirdisch ausgeführt wird. Entsprechendes erscheint auch nicht realistisch, weil an der ca. 24 m näher am Nachbargrundstück des Antragstellers liegenden Südfassade des (laut Bebauungsplanentwurfs vorgesehenen) Hauses 2 die Immissionsrichtwerte für den Tageszeitraum mit maximalen Beurteilungspegeln von 58 dB(A) sicher eingehalten und für den Nachtzeitraum an einer Stelle mit 46 dB(A) lediglich um 1 dB(A) überschritten werden. Unter Berücksichtigung dieser Werte erscheint es nach der im Verfahren gem. § 80a Abs. 3, § 80 Abs. 5 VwGO gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage unwahrscheinlich, dass aufgrund des Wegfalls einer Abschirmungswirkung eines oberirdisch ausgeführten Hauses 2 am Haus 1 nunmehr Beurteilungspegel oberhalb der Immissionsrichtwerte der Nr. 6.1 Satz 1 Buchst. d der TA Lärm auftreten könnten.
cc) Es ist auch nicht davon auszugehen, dass der Rechtsbehelf in der Hauptsache (Anfechtungsklage gegen die Baugenehmigung vom 19. Dezember 2019 in der Fassung des Ergänzungsbescheids vom 25. Mai 2020) deshalb Erfolg haben könnte, weil für den Bereich der Tagespflege die für Pflegeanstalten (gegenüber dem landwirtschaftlichen Betrieb des Antragstellers ohnehin allenfalls nur entsprechend) geltenden Immissionswerte für Pflegeanstalten gem. Nr. 6.1 Satz 1 Buchst. g TA Lärm von tagsüber 45 dB(A) und nachts 35 dB(A) heranzuziehen wären.
Im Gegensatz zur gebietsbezogenen Betrachtung bei Nr. 6.1 Satz 1 Buchst. a bis f TA Lärm erfolgt für die Lärmbewertung bei Krankenhäusern und Pflegeanstalten i.S. von Nr. 6.1 Satz 1 Buchst. g TA Lärm eine objektbezogene Betrachtung (vgl. BayVGH, B.v. 4.5.2011 – 22 AS 10.40045 – juris Rn. 28 ff.; B.v. 11.4.2012 – 14 CS 12.294 – juris Rn. 30; B.v. 3.6.2016 – 15 BV 15.2441 – juris Rn. 29; VG Ansbach, B.v. 16.1.2012 – AN 3 S 11.01991 – juris Rn. 41 f.). Hierfür spricht der eindeutige Wortlaut der Regelung, der anders als in Buchst. a bis f sowie in der ersten Alternative des Buchst. g („Kurgebiete“) der Nr. 6.1 Satz 1 von Einzelobjekten spricht, die offensichtlich unabhängig von der Gebietseinstufung im Übrigen einem besonderen Lärmschutz unterliegen sollen. Insofern dürfte der Ansicht, wonach ein Krankenhaus oder eine Pflegeanstalt eine gewisse, an ein „Gebiet“ heranreichende Größe bzw. eine für das Gebiet dominierende Größe haben müsse, um den Schutz gem. Nr. 6.1 Satz 1 Buchst. g der TA Lärm beanspruchen zu können (so aber für die Vorgängerregelung Nr. 6.1 Satz 1 Buchst. f TA Lärm a.F. vgl. NdsOVG, B.v. 31.5.2007 – 1 KN 265/05 – BauR 2007, 1840 = juris Rn. 63), der Semantik und der Zielrichtung der Regelung widersprechen (BayVGH, B.v. 4.5.2011 – 22 AS 10.40045 – juris Rn. 28, 30; Maus, Immissionsschutz 2010, 30 ff.).
Andererseits können dem Begriff der „Anstalt“ Anforderungen an die Größe der Einrichtung entnommen werden (BayVGH, B.v. 4.5.2011 a.a.O. juris Rn. 30). Hierbei ist zu berücksichtigen, dass es Kranke, Alte und sonst pflegebedürftige Menschen gibt, denen kein spezielles Schutzregime zuteil wird, weil sie – auch tagsüber – in das gewöhnliche Wohnumfeld integriert sind und bei denen der allgemeine Grundsatz anzuwenden ist, dass besondere Empfindlichkeiten, gesundheitliche Indispositionen und sonstige persönliche Eigenheiten bei der Beurteilung der Zumutbarkeit oder Unzumutbarkeit einer Immissionsbelastung (im Sinne eines typisierenden und generalisierenden Maßstabes) außer Betracht zu bleiben haben (vgl. BVerwG, U.v. 16.3.2006 – 4 A 1075/04 – BVerwGE 125, 116 = juris Rn. 325). Vor diesem Hintergrund kann nicht jede kleinere Einrichtung, die Menschen mit alters- oder krankheitsbedingten (subjektiven) Empfindlichkeiten gegenüber Lärm betreut und diesen ggf. Pflegedienste leistet, das Maß der rechtlich gebotenen Rücksichtnahme auf die Anforderungen der Nr. 6.1 Satz 1 Buchst. g TA Lärm heraufsetzen. Krankenhäuser und Pflegeanstalten beherbergen regelmäßig auf derselben Fläche eine größere Zahl von Menschen als z.B. in großen Mehrfamilienhäusern (BayVGH, B.v. 4.5.2011 a.a.O. juris Rn. 28 u.a. unter Bezugnahme auf die vorher zitierten Entscheidung des BVerwG). Der in dem Schutz einer Ansammlung pflegebedürftiger bzw. kranker Menschen liegende Sinn und Zweck der Nr. 6.1 Satz 1 Buchst. g (3. Alt.) der TA Lärm verlangt demnach im Ergebnis, nur solche Einrichtungen als „Pflegeanstalten“ zu begreifen, die bestimmungsgemäß vorwiegend pflegebedürftige bzw. kranke Menschen und außerdem diese i n g e w i s s e r Z a h l aufnehmen und betreuen (BayVGH, B.v. 4.5.2011 a.a.O. juris Rn. 30; Maus, Immissionsschutz 2010, 30/32). Vor diesem Hintergrund spricht bereits allein schon nach Maßgabe der eher allgemein gehaltenen (mit Stempel der Genehmigung vom 19. Dezember 2019 versehenen) Nutzungsbeschreibung der J* …-Altenheimstiftung vom 8. Juli 2019 Vieles dafür, dass – unabhängig vom jeweiligen Pflegeaufwand und der Pflegebedürftigkeit der Betroffenen – eine Tagespflegestätte für lediglich 15 hilfe- und pflegebedürftige Tagespflegegäste, die zudem ausschließlich tagsüber in der Einrichtung betreut werden, nicht unter den Begriff einer (Pflege-) A n s t a l t i.S. von Nr. 6.1 Satz 1 Buchst. g der TA Lärm zu subsumieren ist. Hierbei ist aus Sicht des Senats auch zu berücksichtigen, dass sich die genehmigte Einheit „Tagespflege“ mit 233,36 m² Nutzungsfläche (+ 14 m² Terrasse) im Rahmen einer Flächengröße eines (Mehrfamilien-) Wohnhauses hält und dass es insgesamt nur eine Teilfläche eines größeren Gebäudekomplexes einnimmt.
Im Übrigen kann vom Wortsinn nur dann von einer „Pflegeanstalt“ gesprochen werden, wenn dort schwerpunktmäßig gepflegt wird (vgl. Maus, Immissionsschutz 2010, 30/31). Eine Pflegeanstalt i.S. von Nr. 6.1 Satz 1 Buchst. g der TA Lärm liegt mithin nicht vor, wenn nicht der Pflegecharakter überwiegt (vgl. VG Ansbach, B.v. 16.1.2012 – AN 3 S 11.01991 – juris Rn. 41 f.; vgl. auch BayVGH, B.v. 11.4.2012 – 14 CS 12.294 – juris Rn. 27), sondern die Einrichtung in erster Linie der (hier zeitweisen) Betreuung von Menschen dient. Letzteres ist aber nach Maßgabe der im Beschwerdeverfahren von den Beigeladenen vorgelegten aktualisierten „Betriebsbeschreibung für die Tagespflege im S* …hof – L* …“ der J* …-Altenheimstiftung vom 14. Mai 2020 der Fall. In dieser Betriebsbeschreibung heißt es auszugsweise:
„Die J* …-Altenheimstiftung beabsichtigt, die Tagespflege unter folgenden Gesichtspunkten zu betreiben:
Öffnungszeiten:
Montag – Freitag 8.00 – 16.00 Uhr
Samstag bis Sonntag geschlossen
Gästeanzahl:
Jahresdurchschnittlich 15 Tagespflegegäste,
betreut durch maximal zwei Mitarbeiter
Buchungszeiten:
Mindestens 1 – maximal 5 Tage pro Woche
(abhängig von der bereits bestehenden Gruppenstärke)
(…)
Tagesstruktur der Gäste / Ziel:
Für unsere Gäste bildet Alltagsnormalität den Rahmen für eine Struktur, die ihnen eine erlebbare Sicherheit und Orientierung gibt. Der gemeinsame Tag gestaltet sich um die Verpflegung (Frühstück, Mittagessen, Kaffeetrinken) herum stets gleich. Die einzelnen Betreuungsangebote wiederum richten die Mitarbeiter individuell an die Bedürfnisse und Wünsche der jeweiligen anwesenden Gäste. Dabei berücksichtigen wir die Persönlichkeit, die Biografie und die Selbstbestimmung jedes Einzelnen. Erzählen, hauswirtschaftliche Tätigkeiten, Spiele, Vorlesen, Musizieren, Lachen und Feiern, aber auch Weinen, Trösten und Getröstet werden gehören zu jedem Tag. Wir wollen miteinander in einer Alltagsnormalität ein Gefühl von Sicherheit und Wertschätzung vermitteln.
Der Gast beginnt seine Besuchstage mit einem herzlichen Willkommen an der Eingangstür, nachfolgend kann ein ausgiebiges Frühstück in Anspruch genommen werden. Anschließend kann je nach Lust und Laune an den Betreuungsangeboten teilgenommen werden. Nach dem Mittagessen besteht die Möglichkeit, sich in einen Ruhebereich zurück zu ziehen, um sich – wahlweise sitzend oder liegend – zu erholen. Natürlich kann die Zeit auch frei gestaltet werden. Nach der Mittagsruhe finden wiederum Betreuungsangebote statt, die im Anschluss mit Kaffee und Kuchen ihren Abschluss finden, bis sich der Besuchstag zum Ende neigt.
Neben diesem Kerngedanken „Alltagsnormalität in Verbindung entsprechender Verpflegung und Betreuung“ bieten wir im Bedarfsfall auch grundpflegerische Hilfestellungen an. Jedoch ist das Ziel, dass die mit einer pflegerischen Leistung verbundene Einschränkung in der Selbständigkeit nicht in den Vordergrund des täglichen Ablaufs rückt. Grund- und behandlungspflegerische Aufgaben und Tätigkeiten erfüllen wir nach Bedarf entsprechend den rechtlichen Anforderungen. Dies bedeutet beispielsweise, dass
– das Waschen, Duschen oder Baden nur bei akutem Bedarf im Einzelfall in der Tagespflegeeinrichtung erbracht wird, da diese Maßnahmen in der Regel im häuslichen Bereich auszuführen sind.
– die Nahrung mundgerecht zubereitet wird sowie Unterstützung bei der Aufnahme von Nahrung und Getränken und die entsprechenden Hygienemaßnahmen vor und nach dem Essen erfolgt.
– alle Maßnahmen geleistet werden, die dem Pflegebedürftigen das körper- und situationsgerechte Liegen und Sitzen ermöglichen sowie das Gehen, Stehen und ggf. Treppensteigen und die Ermunterung zur Bewegung.
Das Ziel der Tagespflegeeinrichtung ist die Schaffung einer Tagesstruktur in Verbindung mit Verpflegung und Betreuung für Menschen in der Situation der Pflegebedürftigkeit nach § 14 SGB XI, um so
– die vorhandene Selbständigkeit des Pflegebedürftigen zu erhalten und zu fördern, Unselbständigkeit zu kompensieren und die Angehörigen zeitweise zu entlasten und 64 o es zu ermöglichen, die Gäste möglichst genau so zu betreuen, wie sie das von zuhause gewohnt sind, um eine positive Routine beizubehalten.“
Für die Entscheidung in der Hauptsache dürften jedenfalls letzte Zweifel daran, dass Nr. 6.1 Satz 1 Buchst. g der TA Lärm nicht (entsprechend) als Zumutbarkeitsmaßstab heranzuziehen ist bzw. dass die Baugenehmigung in der gegenwärtigen Fassung in nachbarrechtsrelevanter Hinsicht in Bezug auf die Frage der (entsprechenden) Anwendbarkeit der Nr. 6.1 Satz 1 Buchst. g TA Lärm hinreichend bestimmt ist (vgl. z.B. BayVGH, B.v. 6.2.2019 – 15 CS 18.2459 – NVwZ 2019, 1136 = juris Rn. 29 m.w.N.), ohne Weiteres dadurch ausgeräumt werden können, dass die von den Beigeladenen im Beschwerdeverfahren nachgereichte Betriebsbeschreibung der J* …-Altenheimstiftung vom 14. Mai 2020 durch einen weiteren Ergänzungsbescheid zum Gegenstand der Baugenehmigung erklärt wird. Können aber im Laufe des noch nicht entschiedenen Hauptsacheverfahrens über einen ergänzenden Genehmigungsbescheid Unklarheiten (auch soweit diese eine ggf. gegenwärtige Nachbarrechtswidrigkeit begründen) mit wenig Aufwand beseitigt werden und entspricht der zu konkretisierende Umstand – wie hier – dem ersichtlichen Nutzungswillen des Bauherrn (hier der Beigeladenen), ist im Rahmen einer nach § 80a Abs. 3, § 80 Abs. 5 VwGO gebotenen Interessenabwägung eine Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Baugenehmigung als inopportun zu bewerten (vgl. BayVGH, B.v. 6.2.2019 – 15 CS 18.2459 – BayVBl. 2019, 485 = juris Rn. 41 m.w.N.).
3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Da die – mangels (anwaltlicher) Vertretung ohnehin nicht gem. § 67 Abs. 4 VwGO postulationsfähigen – Beigeladenen keinen Sachantrag gestellt und sich damit auch keinem Prozesskostenrisiko ausgesetzt haben (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO), tragen diese billigerweise ihre außergerichtlichen Kosten selbst (§ 162 Abs. 3 VwGO). Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47, § 53 Abs. 2 Nr. 2 und § 52 Abs. 1 GKG. Sie orientiert sich an Nr. 9.7.1 und Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (abgedruckt in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, Anhang) und folgt der Streitwertfestsetzung der erstinstanzlichen Entscheidung, gegen die im Beschwerdeverfahren keine Einwände erhoben worden sind.
4. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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