Baurecht

Nutzungsänderung einer Lagerhalle im Außenbereich

Aktenzeichen  1 ZB 17.2406

Datum:
15.11.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 30418
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB § 35 Abs. 3 S. 1 Nr. 1, Nr. 5, Nr. 7, Abs. 4
VwGO § 121, § 124 Abs. 2 Nr. 1, § 124a Abs. 5 S. 2

 

Leitsatz

Ist ein Sachverhalt, der im Zusammenhang mit einem beantragten Vorbescheid an den Voraussetzungen für das Vorliegen einer Teilprivilegierung zu messen war, rechtskräftig entschieden, und ist auch hinsichtlich eines nachfolgenden Antrags auf Erlass einer Baugenehmigung erneut an diesen Voraussetzungen zu messen, so greift für dieses Begehren § 121 Abs. 1 Nr. 1 VwGO ein. (Rn. 5) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 11 K 16.2070 2017-09-28 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 20.000 Euro festgesetzt.

Gründe

Die Klage des Vaters des Klägers und früheren Eigentümer des Grundstücks FlNr. …, Gemarkung S. (nachfolgend: Baugrundstück) auf Erteilung eines Vorbescheids für die Nutzungsänderung einer landwirtschaftlichen Lager- und Bergehalle in eine gewerbliche Lagerhalle auf dem Grundstück hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 8. Mai 2014 (M 11 K 13.2614) abgewiesen. Den dagegen gerichteten Antrag auf Zulassung der Berufung hat der Senat mit Beschluss vom 16. November 2015 (1 ZB 14.1498) abgelehnt. Mit erneutem Antrag begehrt der Kläger die Erteilung einer Baugenehmigung für die Nutzungsänderung der landwirtschaftlichen Lager- und Bergehalle in eine gewerbliche Lager- und Produktionshalle auf dem Grundstück. Mit Bescheid vom 20. April 2016 lehnte das Landratsamt den Antrag ab.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor bzw. sind nicht dargelegt (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO).
1. Aus der Antragsbegründung ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Das Verwaltungsgericht hat einen Anspruch des Klägers auf Erteilung einer Baugenehmigung zu Recht verneint. Dass sich das von der geplanten Umnutzung betroffene landwirtschaftliche Nebengebäude im Außenbereich befindet, öffentliche Belange im Sinn von § 35 Abs. 3 Satz 1 Nrn. 1, 5 und 7 BauGB beeinträchtigt und eine Teilprivilegierung nach § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 BauGB nicht in Betracht kommt, da es an einem räumlich-funktionalen Zusammenhang mit der Hofstelle fehlt (§ 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 Buchst. e BauGB), ergebe sich weitgehend bereits aus der Bindungswirkung des Urteils vom 8. Mai 2014 (M 11 K 13.2614).
Dagegen wendet der Kläger ein, das Verwaltungsgericht habe nicht ausreichend gewürdigt, dass das Landratsamt über einen (nicht beantragten) Vorbescheid entschieden habe. Die Begründung dieses Bescheids sei im Wesentlichen inhaltsgleich mit der Begründung des Bescheids, mit dem der von seinem Vater beantragte Vorbescheid abgelehnt worden sei. Auch im Rubrum des angefochtenen Urteils sei als Verfahrensgegenstand ein Vorbescheid aufgeführt worden. Der Bescheid des Landratsamts bedürfe daher auch aus Gründen der Rechtsklarheit und der Rechtssicherheit der Aufhebung. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils ergeben sich hieraus nicht.
Nach § 121 Nr. 1 VwGO binden rechtskräftige Urteile die Beteiligten und ihre Rechtsnachfolger, soweit über den Streitgegenstand entschieden wurde. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann § 121 Nr. 1 VwGO über seinen Wortlaut hinaus auch bei unterschiedlichen Streitgegenständen Bindungswirkung erzeugen (vgl. BVerwG, U.v. 10.5.1994 – 9 C 501.93 – BVerwGE 96, 24). § 121 Nr. 1 VwGO dient dem Rechtsfrieden und dem Schutz des Vertrauens in die Beständigkeit des Rechts (vgl. BVerwG, U.v. 8.12.1992 – 1 C 12.92 – BVerwGE 91, 256). Die Vorschrift will eine wiederholte Inanspruchnahme der Justiz in derselben Sache sowie widersprechende gerichtliche Entscheidungen verhindern. Was durch eine gerichtliche Entscheidung klargestellt worden ist, soll nicht erneut zum Gegenstand eines Streits unter den Beteiligten gemacht werden (vgl. BVerwG, U.v. 21.9.1984 – 8 C 137.81 – BVerwGE 70, 158). Durch die Entscheidung des Verwaltungsgerichts vom 8. Mai 2014 (M 11 K 13.2614) ist mit bindender Wirkung für den Kläger (und den Beklagten) festgestellt, dass der Kläger (auch) keinen Anspruch auf Erteilung einer Baugenehmigung für die Nutzungsänderung einer landwirtschaftlichen Lager- und Bergehalle in eine gewerbliche Lager- und Produktionshalle auf dem Grundstück hat (§ 121 VwGO i.V.m. Art. 54 Abs. 2 Satz 3 BayBO). Denn der Sachverhalt, der im Zusammenhang mit dem beantragten Vorbescheid an den Voraussetzungen für das Vorliegen einer Teilprivilegierung zu messen war, ist auch hinsichtlich des Antrags auf Erlass einer Baugenehmigung erneut an diesen Voraussetzungen zu messen. Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang unter Hinweis auf seine Rechtsauffassung moniert, das Verwaltungsgericht habe den dargelegten Betriebsentwicklungs- und -aussiedlungsplan nicht gewürdigt, wird auf die Ausführungen im Beschluss des Senat vom 16. November 2015 (1 ZB 14.1498) verwiesen. Entgegen der Auffassung des Klägers ergibt die Auslegung des Wortlauts und der Begründung des Bescheids (S. 3) des Landratsamts (§ 133, § 157 BGB analog), dass der Beklagte über den beantragten Bauantrag entschieden hat (vgl. BVerwG, U.v. 26.7.2006 – 6 C 20.05 – BVerwGE 126, 254). Nichts anderes gilt für den weiteren Einwand zum Rubrum des angegriffenen Urteils, der als Verfahrensgegenstand einen Vorbescheid anführt. Da die Voraussetzungen des § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 BauGB kumulativ vorliegen müssen, kommt es entgegen der Auffassung des Klägers auch nicht darauf an, ob inzwischen die 7-Jahresfrist im Sinn von § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 Buchst. d BauGB erfüllt ist oder die Voraussetzungen des § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a bis c BauGB gegeben sind.
Die Bindungswirkung ist auch nicht durch eine nachträgliche Veränderung der Sach- oder Rechtslage entfallen (vgl. Clausing in Schoch/Schneider/Bier, Verwaltungsgerichtsordnung, Stand Februar 2019, § 121 Rn. 53). Die Änderung der Verhältnisse vor Ort durch die Neubebauung im angrenzenden Gewerbegebiet führt nicht zu einer Durchbrechung der Rechtskraft dieser Entscheidung. Unabhängig davon, dass das Nebengebäude weiterhin von der im Ort bei der Kirche befindlichen Hofstelle rund 700 m Luftlinie entfernt ist und besondere Umstände, die diesen erheblichen Abstand gegebenenfalls in irgendeiner Weise kompensieren könnten, weder vorgetragen noch erkennbar sind, ist die (neue) gewerbliche Bebauung südlich des N. Wegs nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts im Augenscheintermin erkennbar auf den Bereich südlich des Weges beschränkt. Der nicht näher substantiierte Einwand des Klägers unter Hinweis auf die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 26. Mai 1978 (4 C 9.77), die zur Bestimmung der näheren Umgebung des § 34 Abs. 1 BauGB ergangen ist, prägend auf das Baugrundstück könne auch die Bebauung der weiteren Umgebung wirken bzw. die neue Gewerbebebauung sei als in der weiteren Umgebung befindlich als prägend zu würdigen, ist nicht geeignet, die Feststellung des Verwaltungsgerichts, dass eine Prägung des nördlich des Weges befindlichen und deutlich abgesetzten Grundstücks des Klägers durch die vorhandene Gewerbebebauung im vorliegenden Fall nicht in Betracht kommt, zu erschüttern. Im Übrigen unterscheidet sich die vorliegende (Außenbereichs-)Situation gerade von der Situation im unbeplanten Innenbereich dadurch, dass es im Außenbereich an einer Prägung durch eine umgebende Bebauung fehlt (vgl. BVerwG, U.v. 22.6.1990 – 4 C 6.87 – NVwZ 1991, 64).
Ernstliche Zweifel ergeben sich auch nicht aus der Beanstandung des Klägers, das Verwaltungsgericht habe von ihm benannte Bauakten, die der Genehmigung eines anderen (vergleichbaren) Vorhabens zugrunde lagen, nicht beigezogen. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht darauf abgestellt, dass es sich dabei weder um eine Änderung der Sachlage handelt noch um einen für die Erteilung einer Baugenehmigung maßgeblichen Gesichtspunkt. Der Kläger kann sich nicht mit Erfolg auf eine etwaig erteilte Baugenehmigung berufen. Er hat, da die Voraussetzungen einer Teilprivilegierung hier nicht vorliegen, keinen Anspruch auf Erteilung der Baugenehmigung. Im Übrigen besteht selbst bei anderweitig rechtswidrig erteilter Genehmigung kein Anspruch unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung nach Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 118 Abs. 1 BV („keine Gleichheit im Unrecht“, vgl. BVerwG, U.v. 22.3.1972 – IV C 121.68 – BayVBl 1972, 557; BayVGH, U.v. 27.7.2018 – 15 B 17.1169 – juris Rn. 42).
2. Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich zugleich, dass die Streitsache keine besonderen tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten im Sinn von § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO aufweist, die eine Zulassung der Berufung erforderlich machen würden. Die von dem Kläger aufgeworfenen Fragen zur Notwendigkeit von Erhebungen im Hinblick auf die begonnene und vollständig durchgeplante Aussiedlung des landwirtschaftlichen Betriebs und der Änderung der Sachlage im Zusammenhang mit der neu entstandenen gewerblichen Bebauung sind nicht entscheidungserheblich bzw. können ohne Weiteres anhand der einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen und der Rechtsprechung bereits im Zulassungsverfahren geklärt werden.
Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen, da sein Rechtsmittel erfolglos geblieben ist (§ 154 Abs. 2 VwGO). Es entspricht der Billigkeit, dass die Beigeladene ihre außergerichtlichen Kosten selbst trägt, da sie sich im Zulassungsverfahren nicht geäußert hat (§ 162 Abs. 3 VwGO). Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG und entspricht dem vom Verwaltungsgericht festgesetzten Betrag. Einwände gegen die Höhe des Streitwerts wurden im Zulassungsverfahren nicht erhoben.
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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