Baurecht

Rücknahme einer rechtswidrigen Baugenehmigung

Aktenzeichen  W 5 K 18.1440

Datum:
8.10.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 29686
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayVwVfG Art. 48 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 S. 1, Abs. 4 S. 1
BayBO Art. 64 Abs. 4 S. 1

 

Leitsatz

Eine Baugenehmigung ist rechtswidrig, wenn die ihr zugrundeliegenden Planzeichnungen unrichtig sind und dies auf der fehlerhaften Darstellung der natürlichen Geländeoberfläche durch den Planersteller beruht. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kläger haben die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner zu tragen.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet, da der Rücknahmebescheid vom 9. Oktober 2018 rechtmäßig ist und die Kläger nicht in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
1. Die materiellen Voraussetzungen nach Art. 48 Abs. 1 bis 4 BayVwVfG für die Rücknahme des Baugenehmigungsbescheids vom 23. März 2015 liegen vor.
1.1. Der Bescheid vom 23. März 2015 erweist sich gemäß Art. 48 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG als rechtswidrig. Die Rücknahme eines Verwaltungsakts nach Art. 48 BayVwVfG setzt voraus, dass der Verwaltungsakt bereits im Zeitpunkt seines Erlasses rechtswidrig war, d.h. gegen geltendes Recht verstoßen wurde (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 20. Aufl. 2019, § 48 Rn. 57). Hierunter ist im Falle der Baugenehmigung nicht nur das Baurecht, sondern das gesamte im bauaufsichtlichen Verfahren zu berücksichtigende öffentliche Recht zu verstehen (Simon/Busse, BayBO, Stand: 137. EL Juli 2020, Art. 68 Rn. 740).
Vorliegend hat sich zur Überzeugung der Kammer aus den Erkenntnissen, die in der mündlichen Verhandlung gewonnen werden konnten, bestätigt, dass die Beklagte zu Recht von der Unrichtigkeit der der Genehmigung vom 23. März 2015 zugrundeliegenden Planzeichnungen ausgegangen ist und dies auf der fehlerhaften Darstellung der natürlichen Geländeoberfläche durch den ersten Planersteller der Kläger im Bauantrag vom Januar 2015 beruht. Damit ist die Beklagte bei der Entscheidung über die Baugenehmigung von einem Sachverhalt ausgegangen, der so nicht vorlag. Daraus folgt des Weiteren die Rechtswidrigkeit der Baugenehmigung vom 23. März 2015, obwohl eine falsche Auslegung oder Anwendung geltenden Rechts unmittelbar nicht zu verzeichnen ist. Vielmehr kann eine Rechtswidrigkeit im Sinne des § 48 VwVfG bzw. Art. 48 BayVwVfG auch darauf beruhen, dass sich ein Sachverhalt als unrichtig erwiesen hat (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 20. Aufl. 2019, § 48 Rn. 53 mit Verweis auf BVerwG, U.v. 30.1.1969 – III C 153.67 – BVerwGE 31, 222 = BeckRS 1969, 30429522).
Dies ist hier der Fall. Aufgrund der Vorlage von Tekturplänen eines neuen Planerstellers und Architekten im Oktober 2017, in welchen die Einzeichnung des Urgeländes erhebliche Korrekturen erfahren hat, hat sich ergeben, dass die ursprüngliche Darstellung des Geländes, die der Baugenehmigung zugrunde lag, in wesentlichen Punkten unzutreffend ist. Dies betrifft – wie sich in der mündlichen Verhandlung in Folge der Ausführungen der Klägerseite zu der neuen Planung gezeigt hat – zum einen die Festlegung der Bezugspunkte für die Höheneinstellung des Gebäudes, zum anderen in unmittelbarer Folge daraus den gesamten Verlauf des natürlichen Geländes. Da der natürliche Geländeverlauf wiederum der für die Berechnung der Wandhöhe und Abstandsflächen beachtliche Ausgangspunkt ist (vgl. Art. 6 Abs. 4 BayBO), ist auch die Aussage der Baugenehmigung zu den abstandsflächenrechtlichen Aspekten nicht zutreffend. Daher sind die der Baugenehmigung vom 23. März 2015 zugrundeliegenden tatsächlichen Annahmen aufgrund bisher unbekannt gewesener Tatsachen erschüttert worden (zu dieser Fallgruppe vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 20. Aufl. 2019, § 48 Rn. 61). Der Verwaltungsakt hätte so nicht ergehen dürfen; er ist deshalb als von Anfang an rechtswidrig anzusehen (Kopp/Ramsauer, a.a.O.). Eine Baugenehmigung ist nämlich auch dann rechtswidrig, wenn die Genehmigungsvoraussetzungen von der Genehmigungsbehörde nicht zutreffend beurteilt wurden, weil die Angaben in den Bauvorlagen in wesentlichen Punkten unrichtig oder unvollständig waren; dies gilt auch, wenn der Behörde die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit nicht bewusst war (Simon/Busse, BayBO, Stand: 137. EL Juli 2020, Art. 64 Rn. 82). Anerkannt ist eine rechtmäßige Rücknahme einer Baugenehmigung in einer ähnlichen Fallkonstellation etwa auch dann, wenn sich aus den genehmigten Bauvorlagen aufgrund unvollständiger oder falscher Angaben ein tatsächlich gegebener Abstandsflächenverstoß nicht erkennen ließ (BeckOK, Bauordnungsrecht Nordrhein-Westfalen, Spannowsky/Saurenhaus, Stand: 1.8.2020, § 74 BauO NRW Rn. 117 mit Verweis auf OVG Münster, B.v. 21.8.2012 – 2 A 2150/11). Der vorliegende Fall ist entsprechend zu behandeln, da durch die fehlerhafte Angabe der Höhenlage und des Urgeländes die Abstandsflächen nach Art. 6 Abs. 1, 4 und 5 BayBO nicht zutreffend bestimmt werden können.
1.2. Die von der Beklagten getroffene Entscheidung über die Rücknahme des rechtswidrig erlassenen, nicht auf Geld- oder Sachleistung gerichteten Verwaltungsaktes, die nach Art. 48 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG im Ermessen der zuständigen Behörde steht, hält einer rechtlichen Prüfung stand. Sie erweist sich – entgegen der Ansicht der Klägerbevollmächtigten – als frei von Ermessensfehlern.
Nach § 114 Satz 1 VwGO prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Nach Art. 40 BayVwVfG hat die Behörde ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten. Ob die Ermessensausübung im Einzelfall pflichtgemäß oder fehlerhaft erfolgte, lässt sich nur anhand der nach Art. 39 Abs. 1 Satz 3 BayVwVfG erforderlichen Begründung ermitteln.
Ein Ermessensfehler liegt zunächst dann vor, wenn die Behörde überhaupt kein Ermessen ausgeübt hat (sog. Ermessensausfall), wenn sie die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten hat (sog. Ermessensüberschreitung), wenn sie nicht alle nach Lage des Falles betroffenen Belange in ihre Ermessensentscheidung eingestellt, sie ihre Entscheidung also auf einer unzureichenden Tatsachengrundlage getroffen hat (sog. Ermessensdefizit) und schließlich wenn von dem durch die Befugnisnorm eingeräumten Ermessen nicht in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist, die Behörde sich von sachfremden Erwägungen hat leiten lassen oder ein Belang willkürlich falsch gewichtet (sog. Ermessensfehlgebrauch) worden ist (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 25. Aufl. 2019, § 114 Rn. 14 ff.).
Bei der von der Behörde im vg. Sinn durchzuführenden Ermessensentscheidung im Rahmen des Art. 48 Abs. 3 BayVwVfG sind nach dem Zweck der Ermächtigung die für die Aufhebung des rechtswidrigen Verwaltungsakts und die für die Aufrechterhaltung des Verwaltungsakts und den Bestandsschutz sprechenden Gründe gerecht abzuwägen. Gegenüber stehen sich das etwaige schutzwürdige Vertrauen des Betroffenen analog Abs. 2 und das öffentliche Interesse an der Herstellung des an sich nach den maßgeblichen Rechtsvorschriften gebotenen Rechtszustandes. Für das Gewicht des Vertrauensschutzes spielt die Möglichkeit eines nach Absatz 3 zu gewährenden Vermögensausgleichs und die Frage, ob ein solcher Ausgleich die für den Betroffenen entstehenden Nachteile aufzuwiegen geeignet ist, eine wichtige Rolle (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 20. Aufl. 2019, § 48 Rn. 136). Maßgebend ist also im vorliegenden Fall die Vorschrift des Art. 48 Abs. 3 BayVwVfG. Wird ein nicht unter Abs. 2 fallender Verwaltungsakt zurückgenommen, hat die Behörde dem Betroffenen auf Antrag den Vermögensnachteil auszugleichen, den dieser dadurch erleidet, dass er auf den Bestand des Verwaltungsakts vertraut hat, soweit sein Vertrauen unter Abwägung mit den öffentlichen Belangen schutzwürdig ist (vgl. Art. 48 Abs. 3 Satz 1 BayVwVfG). Allerdings kann sich der Begünstigte auf Vertrauen nicht berufen, wenn er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte (Art. 48 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. Abs. 2 Satz 3 BayVwVfG). Nach h.M. sind Gesichtspunkte des Vertrauensschutzes nicht nur bei der Entscheidung über die Festsetzung des Vertrauensschadens nach Abs. 3 Satz 4, sondern auch bei der Rücknahmeentscheidung zu berücksichtigen. Das schutzwürdige Vertrauen und in Anlehnung an Abs. 2 Satz 2 insbesondere auch der Schutz der im Vertrauen auf den Bestand des Verwaltungsakts getroffenen Dispositionen, die der Betroffene nicht oder nur unter unzumutbaren Nachteilen wieder rückgängig machen kann, sind i.d.R. gewichtige gegen eine Rücknahme sprechende Gesichtspunkte (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 20. Aufl. 2019, § 48 Rn. 137 unter Bezugnahme auf BVerwG, B.v. 7.11.2000 – 8 B 137/00 – NVwZ-RR 2001, 198).
Hier hat die Beklagte eine Ermessensentscheidung vorgenommen, die den vg. Grundsätzen entspricht. Sie hat erkannt, dass ihr Ermessen eingeräumt ist. Sie hat eine Ermessensentscheidung getroffen und in diese die verschiedenen Belange, insbesondere die für eine Aufhebung sprechenden öffentlichen Belange (vor allem die Durchsetzung des Baurechts) sowie die für die Kläger sprechenden Belange hinreichend eingestellt. Im Ergebnis sind auch die Ausführungen der Beklagten zu einem Entfall des Vertrauensschutzes auf Klägerseite nicht zu beanstanden. Insofern verweist Art. 48 Abs. 3 Satz 2 BayVwVfG auf Art. 48 Abs. 2 Satz 3 BayVwVfG. Demnach kann sich der Begünstigte u.a. dann nicht auf Vertrauensschutz berufen, wenn er den Verwaltungsakt durch Angaben erwirkt hat, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig waren (Nr. 2) oder wenn er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte (Nr. 3). Betroffen sind vorliegend die Aussagen der Bauvorlagen zu den maßgeblichen Bezugspunkten für die Höheneinstellung des Gebäudes sowie die Bestimmung der natürlichen Geländeoberfläche. Die Kläger müssen sich dabei die Mängel der Bauvorlagen zurechnen lassen, da aufgrund der Unterschrift unter die Bauvorlagen und den Bauantrag (Art. 64 Abs. 4 Satz 1 BayBO) sämtliche Inhalte der vom Entwurfsverfasser oder einer anderen Person angefertigten Bauvorlagen Angaben des Bauherrn darstellen (Simon/Busse, BayBO, Stand: 137. EL Juli 2020, Art. 64 Rn. 82). Die Beklagte stellt im streitgegenständlichen Bescheid darauf ab, dass die Baugenehmigung durch Tatsachen erwirkt wurde, die in wesentlicher Beziehung unrichtig waren (Art. 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 BayVwVfG). Voraussetzung eines „Erwirkens“ im Sinne von Art. 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 BayVwVfG ist, dass ein darauf gerichtetes zweck- und zielgerichtetes Handeln vorliegt und die Angaben in diesem Sinne entscheidungserheblich gewesen sind (BayVGH, U.v. 15.3.2001 – 7 B 00.107 – NVwZ 2001, S. 931 ff. = juris Rn. 21). Dabei muss sich die Kausalität auf die Fehlerhaftigkeit des Verwaltungsaktes, nicht auf den Erlass als solchen beziehen. Die Angaben oder das Unterlassen von Angaben müssen deshalb ursächlich dafür sein, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig ist, wobei es ausreicht, dass das Handeln oder Unterlassen für den Mangel mitursächlich war; schuldhaftes Handeln ist nicht erforderlich (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 20. Aufl. 2019, § 48 Rn. 116 ff.).
Im vorliegenden Fall hat der Planersteller der Kläger seiner Planung aus dem Jahr 2015 eine das Vorhaben der Kläger im Hinblick auf die Abstandsflächen günstige natürliche Geländeoberfläche zugrunde gelegt. Die Beklagte hat daraufhin das Vorhaben wie beantragt genehmigt. Dies hat der Planersteller, dessen Verhalten den Klägern insofern zuzurechnen ist, auch bezweckt, so dass die Angaben zielgerichtet auf den Erlass des Genehmigungsbescheids gerichtet waren und diesen auch bedingt haben, womit die Voraussetzungen des Art. 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 BayVwVfG verwirklicht sind.
Ferner kann auch davon ausgegangen werden, dass der Planersteller die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte (Art. 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 BayVwVfG). Grobe Fahrlässigkeit bedeutet die Verletzung der erforderlichen Sorgfalt in einem besonders schweren Maße, was unter anderem dann zu bejahen ist, wenn ein Adressat einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht anstellt (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 20. Aufl. 2019, § 48 Rn. 124). Hierzu ist nicht auf den Horizont eines juristisch Vorgebildeten abzustellen, sondern auf eine Parallelwertung in der Laiensphäre des Betroffenen (Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2015, § 48 Rn. 162). Aufgrund der fachlichen Qualifikation des Planerstellers und Architekten hätte dieser bei der Vermessung des Grundstücks und der Aufnahme der natürlichen Geländeoberfläche in die Baupläne angesichts der Tatsache, dass es sich um ein steiles Hanggrundstück handelt und im Hinblick auf die Abstandsflächen sensible Nachbarrechte betroffen sind, besondere Sorgfalt walten lassen müssen. Es hätte hierbei insbesondere auffallen müssen, dass die Bezugspunkte für die Bestimmung der Höhenlage offensichtlich falsch gewählt wurden. Dies führte zu einer Unrichtigkeit der Planvorlagen und infolge dessen zur Rechtswidrigkeit der Baugenehmigung. Dies musste dem Architekten als sachverständigem Entwurfsverfasser bewusst sein. Auch insofern ist der Vertrauensschutz auf Klägerseite begrenzt.
Auf der anderen Seite hat die Beklagte angemerkt, dass zudem in erheblichem Maße planabweichend gebaut wurde. Dies allein ist zwar kein Gesichtspunkt, der im Rahmen der Rücknahmeentscheidung ausschlaggebend sein kann. Allerdings ist diese Feststellung wohl in einem weiteren Sinne zu verstehen: nämlich dahingehend, dass die anlässlich der Durchführung des Bauvorhabens getroffenen Investitionen der Kläger im Rahmen der Ermessensausübung nicht erheblich ins Gewicht fallen, da die Investitionen gerade nicht getroffen wurden, um das genehmigte Vorhaben zu realisieren, sondern ein in wesentlichen Punkten von den genehmigten Plänen abweichendes Gebäude zu errichten. Daher kann der Aspekt der getätigten Investitionen zumindest nicht umfänglich zugunsten der Kläger wirken.
1.3. Die zeitliche Begrenzung der Rücknahmebefugnis gemäß Art. 48 Abs. 4 BayVwVfG steht der streitgegenständlichen Entscheidung der Beklagten nicht entgegen.
Nach Art. 48 Abs. 4 Satz 1 BayVwVfG ist in dem Fall, in dem die Behörde von Tatsachen Kenntnis erhält, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsakts rechtfertigen, die Rücknahme nur innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme zulässig.
Die Jahresfrist des Art. 48 Abs. 4 Satz 1 BayVwVfG beginnt zu laufen, wenn die Behörde die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts erkannt hat und die für die Rücknahme außerdem erheblichen Tatsachen vollständig bekannt sind. Die Frist zur Entscheidung über die Rücknahme beginnt damit erst mit dem Zeitpunkt, in dem die Behörde Kenntnis von Tatsachen erhält, welche die Rücknahme des rechtswidrigen Verwaltungsakts rechtfertigen. Hierzu gehört zunächst die Kenntnis davon, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig ist, und damit die Kenntnis derjenigen Tatsachen, aus denen sich die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts ihrerseits ergibt. Das sind Tatsachen, die den im Einzelfall unterlaufenen Rechtsanwendungsfehler und die Kausalität dieses Fehlers für den Inhalt des Verwaltungsakts ausmachen (BVerwG, B.v. 19.12.1984 – GrSen 1/84 – BVerwGE 70, 356).
Darüber hinaus verlangt Art. 48 Abs. 4 Satz 1 BayVwVfG nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aber auch, dass der Behörde sämtliche für die Rücknahmeentscheidung erheblichen Tatsachen vollständig bekannt sind. Hierzu gehören alle Tatsachen, die im Falle des Art. 48 Abs. 2 BayVwVfG ein Vertrauen des Begünstigten in den Bestand des Verwaltungsakts entweder nicht rechtfertigen oder ein bestehendes Vertrauen als nicht schutzwürdig erscheinen lassen, sowie die für die Ermessensausübung wesentlichen Umstände. Die Frist beginnt damit erst zu laufen, wenn die Behörde ohne weitere Sachverhaltsaufklärung objektiv in der Lage ist, unter sachgerechter Ausübung ihres Ermessens über die Rücknahme des Verwaltungsakts zu entscheiden (BVerwG, B.v. 19.12.1984 – GrSen 1/84 – BVerwGE 70, 356).
Dies ist hier mit der Einreichung der Pläne zum Tekturantrag am 12. Oktober 2017 der Fall, da erst dann für die Beklagte erkennbar ist, welche Folgen die abweichende Einmessung der maßgeblichen Bezugspunkte für die Bestimmung der Höhenlage insgesamt zeitigt. Aus den vorgelegten Behördenakten ist nichts dafür ersichtlich, dass die Beklagte schon vorher über die maßgeblichen Informationen verfügte. Insbesondere gibt die „Absteckbescheinigung“ vom 25. Juli 2017 (Bl. 133 f. d.A.) über den angenommenen ursprünglichen Geländeverlauf anhand der ermittelten Bezugspunkte hierüber keinen Aufschluss.
Bei Erlass der strittigen Entscheidung am 9. Oktober 2018 war die Jahresfrist demnach noch offen.
2. Da der Bescheid vom 9. Oktober 2018 rechtmäßig ist, ist die Klage abzuweisen.
Die Kostenfolge ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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