Baurecht

Rückversetzung des Vergabeverfahrens

Aktenzeichen  Z3-3-3194-1-33-08/16

Datum:
5.10.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 122459
Gerichtsart:
Vergabekammer
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
§ 114 Abs. 2 S. 2 GWB a.F.
§ 20 EG Abs. 1 VOL/A a.F.

 

Leitsatz

1. Eine Rückversetzung des Vergabeverfahrens richtet sich nach den Regelungen über eine (teilweise) Aufhebung des Vergabeverfahrens. Bei der rechtlichen Überprüfung einer vollständigen oder auch nur teilweisen Aufhebung eines Vergabeverfahrens ist zwischen der Wirksamkeit und der Rechtmäßigkeit der (Teil-) Aufhebungsentscheidung öffentlicher Auftraggeber zu unterscheiden. (Rn. 109)
2. Sowohl für eine wesentliche Änderung der Grundlagen des Vergabeverfahrens nach § 20 Abs. 1 lit. b) EG VOL/A als auch für andere schwerwiegende Gründe nach § 20 Abs. 1 lit. d) EG VOL/A können aber nur Gründe angeführt werden, die nicht der Vergabestelle zurechenbar sind und nicht in die Risikosphäre des Auftraggebers fallen. Ein vom Auftraggeber fehlerhaft erstelltes Leistungsverzeichnis liegt eindeutig in dessen Risikobereich. (Rn. 115)
3. Eine wettbewerbsbeschränkende Leistungsbestimmung, für die der Auftraggeber keine sachlichen Gründe, die tatsächlich gegeben sind, vorbringen kann, verletzt einen dadurch an der Teilnahme am Vergabeverfahren gehinderten Bieter in seinen Rechten.
4. Lediglich Änderungen der Leistungsbeschreibung, die auf unvorhersehbaren nachträglich eingetretenen Ereignissen beruhen, fallen nicht in die Risikospähre des Auftraggebers. Da der Umfang der Straßenräumpflichten, die vorhandenen und zu beschaffenden Aufbauten und ihre Stellmöglichkeiten bekannt sein mussten, liegen hier keine solchen Ereignisse vor. (Rn. 116) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1.Es wird gemäß § 114 Abs. 2 S. 2 GWB festgestellt, dass die am 11.08.2016 erfolgte Zurückversetzung der ursprünglichen Ausschreibung in den Stand vor Aufforderung zur Abgabe der Angebote und die daraufhin erfolgten Änderungen an der Leistungsbeschreibung rechtswidrig waren und die Antragstellerin in ihren Rechten aus § 97 Abs. 5 GWB verletzt haben.
2.Im Übrigen wird das Nachprüfungsverfahren eingestellt.
3.Der Antragsgegner hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Er ist von der Zahlung der Gebühr befreit. Auslagen sind nicht angefallen.
4.Für das Verfahren wird eine Gebühr in Höhe von 0,0… Euro festgesetzt.
5.Die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung der Antragstellerin notwendigen Aufwendungen trägt der Antragsgegner zur Hälfte.
6.Die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten für die Antragstellerin zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung wird für notwendig erklärt.   

Gründe

I. Der Antragsgegner beabsichtigt die Vergabe von 13 LKW-Fahrgestellen (10 Stück 3-Achs-LKW-Fahrgestellte und 3 Stück 4-Achs-LKW-Fahrgestelle) für den Einsatz im Straßenbetriebsdienst. Eine entsprechende Veröffentlichung erfolgte am 26.03.2016 im Rahmen einer EU-weiten Bekanntmachung (im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften im Wege eines offenen Verfahrens nach den Bestimmungen der VOL/A.
Dem jetzigen Nachprüfungsverfahren vorausgegangen war ein Nachprüfungsantrag der Antragstellerin in dieser Angelegenheit, in dem dieser sich gegen einen Ausschluss seines Angebotes aus dem Vergabeverfahren wegen aus Sicht des Antragsgegners fehlender Nachweise wehrte. Da der Antragsgegner im Folgenden jedoch schriftlich erklärte, dem diesbezüglichen Begehren der Antragstellerin abzuhelfen und die Wertung unter Einbeziehung des Angebots der Antragstellerin zu wiederholen, erklärte diese den Antrag für erledigt (Beschluss der VK Südbayern vom 28.06.2016, Az. Z3-3-3194-1-25-06/16).
In einem am 03.08.2016 geführten Telefonat erklärte ein Mitarbeiter des Antragsgegners auf Nachfrage des Bevollmächtigten der Antragstellerin, dass das Verfahren zurückgesetzt werde, um „kleine Korrekturen am Leistungsverzeichnis vorzunehmen“. Die Vergabestelle habe nämlich nunmehr erkannt, dass das nach der bisherigen Leistungsbeschreibung zulässige (und von der Antragstellerin angebotene) sog. „lange Fahrerhaus“ nicht kompatibel zu den zu verwendenden Aufbauten sei.
Die Antragstellerin rügte diese geplante Änderung beim Antragsgegner mit Schreiben vom selben Tage und schlug ein Aufklärungsgespräch vor.
Der Antragsgegner hat die Abhilfe mit Schreiben vom 04.08.2016 verweigert. Er ist der Auffassung, dass die Zurückversetzung des Vergabeverfahrens wegen eines behebenden Fehlers in der Leistungsbeschreibung geboten gewesen sei.
Sodann informierte der Antragsgegner mit Schreiben vom 04.08.2016 sowohl alle Bieter und alle Interessenten, die die Vergabeunterlagen von der Vergabeplattform heruntergeladen hatten, über die Zurückversetzung in den Stand vor Angebotsabgabe. Die neuen Vergabeunterlagen stellte er unter Kenntlichmachung der Änderungen am 12.08.2016 (nur) für diesen Personenkreis erneut auf der Vergabeplattform zur Verfügung.
In einem internen Vermerk vom 11.08.2016 rechtfertigt der Antragsgegner die Zurückversetzung wie folgt: Das in der Ausschreibung enthaltene Leistungsverzeichnis sei fehlerhaft gewesen, da einige diesem entsprechende Angebote nicht die auf den Lkw-Fahrgestellen anzubringenden Aufbauten zuließen. Diese Aufbauten müssten ein bestimmtes, vorgegebenes Volumen für Streugut und Salz haben. Die bisherigen Vergabeunterlagen seien insofern fehlerhaft, als auch ein sog. langes Fahrerhaus zulässig sei, das jedoch notwendigerweise zu kleineren bzw. zu einer geringeren Menge an Aufbauten führe, was dem Beschaffungsbedarf nicht genügen würde.
Hinzu komme, dass die Lkw-Fahrgestelle und die Aufbauten unabhängig voneinander im Laufe ihrer Verwendungszeit an verschiedene Autobahnmeistereien verlegt werden und für diese Fälle gewährleistet sein müsse, dass die Lkw-Fahrgestelle und die Aufbauten untereinander auch mit Fahrgestellen und Aufbauten von anderen Autobahnmeistereien kompatibel seien.
Die Antragstellerin beantragte mit Schreiben vom 12.08.2016, bei der Vergabekammer eingegangen am 16.08.2016, das Folgende:
1. Ein Nachprüfungsverfahren einzuleiten,
2.festzustellen, dass die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt ist,
3.die geeigneten Maßnahmen zur Beseitigung der festgestellten Rechtsverletzungen zu treffen, bspw. dem Antragsgegner aufzugeben, die Angebote unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung der Vergabekammer neu zu bewerten, insbesondere das Angebot der Antragstellerin nicht mehr mit der vorliegenden unzutreffenden Begründung auszuschließen,
4.Akteneinsicht zu gewähren,
5.festzustellen, dass der Antragsgegner die Verfahrenskosten zu tragen hat,
6.festzustellen, dass für die Antragstellerin die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten notwendig war,
7.festzustellen, dass für den Antragsgegner die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten nicht notwendig war.
Der Nachprüfungsantrag sei zulässig und begründet.
So habe sich die Antragstellerin am Vergabeverfahren beteiligt und schlüssig dargelegt, dass sie bei Beibehaltung der Leistungsbeschreibung im laufenden Verfahren ohne unzulässige Änderung und ohne erneute Aufforderung zur Angebotsabgabe bei zutreffender Wertung den Zuschlag hätte erhalten müssen.
Weiter führte sie aus, dass sich ihre Zuschlagschancen verschlechtern bis unmöglich gemacht werden würden, wenn der Antragsgegner mit der unzulässigen Änderung der Leistungsbeschreibung die aktuellen Bieter erneut zur Angebotsabgabe auffordern würde. Es sei Zielsetzung des Nachprüfungsantrags, klären zu lassen, dass sie den Zuschlag zu erhalten habe. Vorliegend handele es sich um eine wesentliche und wettbewerbsrelevante Änderung des Leistungsverzeichnisses. Diese sei unzulässig, weil sie die Grundlagen des Wettbewerbs und der Preisbildung grundlegend verändern und den Entschluss der Unternehmen zur Beteiligung oder zur Nichtbeteiligung am Wettbewerb berühren würde. Sie habe im laufenden Verfahren nicht erfolgen dürfen.
Der Antragsgegner habe im Wege einer autonomen Entscheidung den Beschaffungsbedarf nun anders definiert. Derartige Motivationsänderungen habe ein Auftraggeber stets zu vertreten, da es seine Aufgabe sei, den Beschaffungsbedarf vor Beginn des Vergabeverfahrens sorgfältig zu bestimmen. Der Antragsgegner Kenntnis von den verschiedenen Aufbauten etc. weit vor Ausschreibungsbeginn haben müsse und mit der angeblich eingetretenen Situation rechnen müssen.
Da die rechtswidrige Zurückversetzung wie eine rechtswidrige Aufhebung zu werten sei, kämen ferner Schadensersatzansprüche sowohl auf das negative wie auch auf das positive Interesse gerichtet in Betracht.
Die Vergabekammer informierte den Antragsgegner über den Nachprüfungsantrag mit Schreiben vom 12.08.2016 (zugegangen am 16.08.2016). Dieser legte die Vergabeunterlagen vor.
In der neuen Leistungsbeschreibung mit Stand vom 12.08.2016 hat der Antragsgegner die folgenden Punkte hinzugefügt bzw. geändert:
A. Fahrzeugbeschaffung für 3-Achs-Lastkraftwagen 26 Tonnen:
– „Gesamtlänge von Frontanbauplatte bis Rahmenende inkl. Rahmenüberhang ohne Unterfahrschutz 7800 mm“ [neu …],
– „Komplett nutzbare Rahmenlänge für Aufbau 5600 mm“ [neu …],
– „Überhang hinten (theoretische Hinterachsenmitte bis Rahmenende) in Abhängigkeit des technischen Radstandes min. 800 mm max. 900 mm“ [vorher: „min 60% des technischen Radstandes“…],
– „hoher Lastschwerpunkt“ [neu] für Vorderachse sowie beide Hinterachsen,
– Fahrerhauslänge min. 1750 mm und max. 2000 mm [beides neu],
– „Korrosionsschutz-Garantie für 10 Jahre bei zusammengesetztem System oder modifizierter Fahrerhausverlängerung“ [neu],
– Rückleuchten und Nummernschild auf separaten Leuchten Träger [neu],
– „Alle am Fahrgestell zusätzlich verbauten Komponenten müssen mit Original Ersatzteilnummer beim Fahrzeughersteller beschafft werden können.“ [neu],
– „Garantieverpflichtung für Mängel am Korrosionsschutz für modifiziertes Fahrerhaus mind. 120 Monate“ [vorher: nur „für Mängel aufgrund Durchrostung mind. 60 Monate“];
B) Fahrzeugbeschaffung für 4-Achs-Lastkraftwagen 32 Tonnen:
– „Gesamtlänge von Frontanbauplatte bis Rahmenende inkl. Rahmenüberhang ohne Unterfahrschutz 9000 mm“ [neu …]
– „Komplett nutzbare Rahmenlänge inkl. Dieseltank (B = ca. 800, H = ca. 620 mm, L = ca. 1350 mm) hinter dem Fahrerhaus für Kipper und WD Geräte min. 6450 mm“ [neu …],
– korrosionsbeständiger Kraftstoffkombitank („B mit Halter = ca. 800 mm, H = ca. 620mm, L = ca. 1350 mm“) [Maßangaben neu],
– „Hauptschalldämpfer [der Abgasanlage] hinter dem Fahrerhaus stehend mit Berührungsschutz“ [Platzangabe neu],
– Ergänzung, dass Stabilisator an „beiden Achsen“ verstärkt sein muss sowie für alle Achsen „hoher Lastschwerpunkt“,
– Ergänzung, dass Aufstiegsleiter für Kombinationstank „ausziehbar“ sein muss,
– Fahrerhauslänge min. 1750 mm und max. 2000 mm [beides neu]
– Korrosionsschutz-Garantie für 10 Jahre bei zusammengesetztem System oder modifizierter Fahrerhausverlängerung [neu]
– Rückleuchten und Nummernschild auf separaten Leuchten Träger [neu]
– „Alle am Fahrgestell zusätzlich verbauten Komponenten müssen mit Original Ersatzteilnummer beim Fahrzeughersteller beschafft werden können.“ [neu],
– „Garantieverpflichtung für Mängel am Korrosionsschutz für modifiziertes Fahrerhaus mind. 120 Monate“ [vorher: nur „für Mängel aufgrund Durchrostung mind. 60 Monate“].
Nach der Akteneinsicht rügte die Antragstellerin mit Schreiben vom 18.08.2016 beim Auftraggeber weiter, dass angesichts der weiteren Änderungen Vergabeunterlagen eine unzulässige diskriminierende Leistungsbeschreibung vorliege.
Mit Schreiben vom 18.08.2016 führt sie dazu aus, dass sich die Antragstellerin die Vergabeunterlagen angesichts der weiteren geänderten Punkte gar nicht mehr aussichtsreich am Verfahren beteiligen könne. Eine ausnahmsweise Zulässigkeit der Beschreibung scheide aus, da die technischen Merkmale nicht objektiv auftrags- oder sachbezogen seien und der Auftraggeber seine Entscheidung in der Vergabeakte nachvollziehbar begründet habe.
Der Antragsgegner nahm mit Schriftsatz vom 22.08.2016 zum Nachprüfungsantrag Stellung und beantragte,
1.Der Vergabenachprüfungsantrag der Antragstellerin vom 12.08.2016 wird als unzulässig verworfen, hilfsweise als unbegründet zurückgewiesen.
2.Die Hinzuziehung des Verfahrensbevollmächtigten durch den Antragsgegner wird für erforderlich erklärt.
3.Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen des Antragsgegners.
Der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin sei bereits unzulässig.
Nach Auffassung des Antragsgegners enthalten die im Nachprüfungsantrag gestellten Anträge nicht das tatsächliche Begehren der Antragstellerin. Dieses ziele auf die Unwirksamkeit der Zurückversetzung und den Zuschlag auf deren bisheriges Angebot ab. Zu diesem Begehren fehle es dem Nachprüfungsantrag jedoch an Ausführungen wie der Sachverhaltsdarstellung sowie Rechtsausführungen und damit an einer hinreichenden Begründung im Sinne des § 108 Abs. 2 GWB.
Jedenfalls fehle es an der Begründetheit des Antrags.
Ein Rechtsanspruch der Antragstellerin auf Erteilung des Zuschlags bestehe nicht, da die Zurückversetzung, die wie eine Teilaufhebung zu werten sei, wirksam erfolgt sei. Der Antragsgegner sei jederzeit in der Lage und auch berechtigt gewesen, ein gestartetes Vergabeverfahren sogar aufzuheben und damit zu beenden. Ob ein Grund für die Aufhebung im Sinne des § 20 VOL/A EG vorliege, sei insoweit irrelevant.
Der Beschaffungsbedarf, auf den die Antragstellerin angeboten habe, existiere nicht länger. Der Antragsgegner habe seinen Bedarf nicht nach den Vorstellungen eines Bieters auszurichten und könne hierzu auch nicht gezwungen werden. Die Entscheidung zur Zurückversetzung eines Vergabeverfahrens könne auch noch nach Angebotseröffnung getroffen werden. Neben inhaltlichen Änderungen sei auch das Zurückversetzen in ein vorangegangenes Stadium in jedem Verfahrensabschnitt möglich. Hier sei die Zurückversetzung des Vergabeverfahrens in den Stand vor Angebotsabgabe als milderes Mittel in Abgrenzung zur kompletten Aufhebung des Vergabeverfahrens gewählt worden. Die Zurückversetzung sei hier nicht willkürlich erfolgt, sondern aufgrund sachlicher Gründe.
Der Antragsgegner führt als Begründung für die Zurückversetzung und Änderungen an der Leistungsbeschreibung weiter aus:
Bei einem langen Fahrerhaus würden die verbleibende Nutzfläche des Fahrgestells nicht für die Streumittel-Aufbauten sowie die Kran-Kipper-Aufbauten ausreichen oder aber diese so weit nach hinten verschoben werden müssen, dass sich die Fahrzeuge wegen der geänderten Achslast nicht mehr sicher beladen und nutzen ließen.
Er trägt vor, dass die Autobahnmeistereien gemäß dem Leistungsheft für den Straßenbetriebsdienst auf Bundesstraßen bei winterlicher Straßenglätte unter Umständen rund um die Uhr alle 2 Stunden streuen müssen. Daraus sowie aus den Abständen der Salzladestationen ergäben sich die Größen der erforderlichen Aufbauten.
Eine Berichtigungsmöglichkeit der Vergabeunterlagen sei in jedem Vergabestadium zulässig. Der Vergabestelle könne es nicht zugemutet werden, „sehenden Auges“ ein fehlerhaftes oder auch nur mit Fehlerrisiken behaftetes Vergabeverfahren fortzusetzen, ohne korrigierend einzugreifen. Eine Aufhebung der Aufhebung komme daher nicht in Betracht.
Die Zurückversetzung sei nicht nur wirksam, sondern auch rechtmäßig geschehen, da die Vergabeunterlagen gem. § 20 EG Abs. 1 lit. d) VOL/A aufgrund anderer schwerwiegender Gründe geändert und das Vergabeverfahren zurückversetzt hätten werden müssten. Die Gründe, welche die Änderung der Vergabeunterlagen erforderlich machen würden, seien ausweislich des Vergabevermerks vom 11.08.2016 erst nach Beginn des ursprünglichen Verfahrens erkannt worden.
Es sei der Antragstellerin auch möglich, an der Vergabe mit den geänderten Vergabeunterlagen teilzunehmen, da auch ein geändertes oder modifiziertes Fahrerhaus angeboten werden könne.
Da alle Interessenten und alle Bieter nachweislich über die Zurückversetzung informiert worden und an der geänderten Vergabe teilnehmen können, liege keine Beeinträchtigung der Auftragschancen der Bieter und speziell der Antragstellerin vor.
Mit Schriftsatz vom 25.08.2016 bestritt die Antragstellerin den Vortrag des Antragsgegners zu den Gründen der Zurückversetzung vom 22.08.2016 in sämtlichen Punkten.
Ferner trägt sie vor, dass die Vergabestelle bereits vor Eingang der Angebote angebliche Fehler hätte feststellen müssen, zumal bereits ein „Änderungspaket 1“ erfolgt sei, mit dem die maximale Entfernung der Werkstatt zur Autobahnmeisterei von 30 km auf 40 km verlängert worden ist. Dieser Punkt sei zudem gleichzeitig Ausschlusskriterium sowie Wertungskriterium, da die Distanz auch Teil der Berechnungsformel in Anlage B-03-A sei.
Eine Verschiebung der Aufbauten nach hinten sei auch bei langem Fahrerhaus nicht nötig. Dies habe die Antragstellerin bei den 3-Achs-LKWs inklusive Kipperaufbau und Kranaufbau berechnet, bei den 4-Achs-LKWs fehle ihm die Information dazu, welche Aufbauten für diese geplant seien.
Die neue Forderung des Antragsgegners, den Hauptschalldämpfer stehend hinter dem Fahrerhaus zu montieren, sei gänzlich widersprüchlich, da sich hierdurch der Aufbau sowie die Kran-Kipper-Aufbauten um zusätzliche 60 cm nach hinten verschieben würden.
Zudem weist er unter Beifügung der früheren Leistungsverzeichnisse daraufhin, dass die Ausschreibungen des Antragsgegners in den Jahren 2013, 2014, 2015 der ursprünglichen Leistungsbeschreibung des jetzigen Verfahrens entsprachen.
Der Nachprüfungsantrag werde zu Recht auf die Beanstandung gestützt, der Antragsgegner hätte das Vergabeverfahren nicht in den Stand vor Angebotsabgabe zurückversetzen dürfen. Ihr Begehren ziele primär auf die Unwirksamkeit der Zurückversetzung und den Zuschlag auf das bisherige Angebot ab.
Hilfsweise sei die Vergaberechtswidrigkeit der Aufhebung festzustellen und der Antragsgegnerin aufzugeben, die die diskriminierende Neuausschreibung nichtdiskriminierend zu gestalten.
Die Zurückversetzung sei unwirksam und rechtswidrig gewesen. Es sei eine Änderung/Neudefinition des Beschaffungsbedarfs erfolgt. Ein vergaberechtskonformer Abschluss des ursprünglichen Vergabeverfahrens und ein Zuschlag auf ihr ursprüngliches Angebot seien geboten. Da die Fehlerhaftigkeit der Vergabeunterlagen dem Auftraggeber zuzurechnen sei, könne dies die Antragstellerin nicht um den Zuschlag bringen. Es habe kein Aufhebungsgrund vorgelegen. Die Weiterführung des Vergabeverfahrens komme wegen rechtlich zu missbilligender Weise der Zurückversetzung in Betracht, zudem kämen Schadensersatzansprüche in Betracht.
Der ehrenamtliche Beisitzer hat die Entscheidung über eine evtl. Beiladung, den Umfang der Akteneinsicht sowie im Falle eines Rücknahmebeschlusses auf den Vorsitzenden und die hauptamtliche Beisitzerin übertragen.
Am 31.08.2016 legten der Vorsitzende und die hauptamtliche Beisitzerin den Umfang der Akteneinsicht fest. Es wurde der Antragstellerin nur Einsicht in die Unterlagen des Antragsgegners gewährt, die überhaupt streitgegenständlich und relevant für das Nachprüfungsverfahren sind.
Die Vergabekammer hat mit Schreiben vom 31.08.2016 die Beteiligten zur mündlichen Verhandlung am 12.09.2016, um 10.30 Uhr geladen.
Mit zwei Schreiben vom 02.09.2016 schlug die Antragstellerin vor, über sämtliche von ihr an der Begründung der Änderungen bestrittenen Punkte sowie den von ihm vorgetragenen Sachverhalt durch Sachverständigengutachten bzw. der Einvernahme seiner Mitarbeiterin Frau B… als Zeugin Beweis zu erheben, u.a. zu den folgenden Punkten:
Die Räum- und Streuschleifen könnten auch mit kleineren Aufbauten bewerkstelligt werden. Auch betriebstechnischen Gründen stünden dem langen Fahrerhaus nicht entgegen.
Dem Antragsgegner sei insbesondere vor Änderung der Vergabeunterlagen bekannt gewesen, dass die Antragstellerin keinen Hauptschalldämpfer anbieten kann, der hinter den Fahrerhaus steht. Diese Vorgabe sei widersprüchlich, da sich der Aufbau um 50 cm und damit noch mehr als durch das lange Fahrerhaus nach hinten verschiebe, und sei technisch nicht zu rechtfertigen, da ein von der Antragstellerin anbietbarer Hauptschalldämpfer am Rahmen mit Abgasrohr nach oben hinter dem Fahrerhaus unproblematisch sei.
Die Antragstellerin trägt vor, dass der Antragsgegner die Ausschreibung wegen angeblicher neuer Erkenntnisse an einer Stelle und auf eine Art und Weise zu ändern versuche, indem die technischen Daten wie u.a. der Ausschluss der langen Kabine und der stehende Schalldämpfer an der Abgasanlage sowie die Maße des Fahrerhauses so geändert wurden, dass die Antragstellerin sich sicher nicht mehr beteiligen könne. Es gehe schlicht darum, die Antragstellerin aus dem Verfahren zu drängen und einen anderen Mitbewerber nicht ausschließen zu müssen.
Der Werkstattmeister der Autobahnmeisterei in M…, Herr S…, habe mit dem IV.-Mitarbeiter der Vertragswerkstatt P…telefoniert und sich über die entsprechenden Daten des angebotenen Modells IV. Trakker erkundigt. Hierüber solle die Vergabekammer durch Einvernahme der beiden Beweis erheben.
Eine mittellange Kabine könne anders als die lange Kabine von IV. nicht serienmäßig geliefert werden und bedürfe eines besonderen Korrosionsschutzes. Die Antragstellerin schlägt dazu die Einvernahme von Herrn H…der IV. M… sowie von Frau von L…, Herrn S…und Frau B…von Seiten der Antragsgegnerin vor.
Es sei der Antragstellerin daher nicht mehr möglich, an der Vergabe mit den geänderten Vergabeunterlagen teilzunehmen.
Der Antragsgegner habe zudem nicht vorgetragen, warum ihm die angeblichen Änderungsnotwendigkeiten bzw. Unzulänglichkeiten jetzt erst auffallen bzw. aufgefallen seien.
Es werde in Abrede gestellt, dass die nunmehr geänderten Leistungsdaten, technischen Daten etc. erforderlich seien, um dem angeblich berechtigten Interesse des Antragsgegners Rechnung zu tragen.
Zu bestreiten sei weiter, dass die Vergabeunterlagen respektive die bestimmten markierten Leistungsdaten, technischen Daten etc. genau so geändert werden mussten, wie sie geändert worden seien, um den oben genannten Erfordernissen bezüglich der Aufbauten Rechnung zu tragen und den nach dem Leistungsheft für den Straßenbetriebsdienst auf Bundesstraßen vorgegebenen Anforderungen an den Aufbauten Rechnung zu tragen.
Der Antragsgegner belege zudem nicht ausreichend, dass für die Verlegung und Verwendung der LKW-Fahrgestelle an verschiedenen anderen Autobahnmeistereien gewährleistet sein müsse, dass die LKW-Fahrgestelle die bestimmten markierten Leistungsdaten, technischen Daten etc. eingehalten werden müssen. Dies werde bestritten.
Der Antragsgegner verstoße durch die detaillierten Vorgaben gegen den Grundsatz der Produktneutralität und habe keine genügende Rechtfertigung hierfür vorgebracht.
Er habe schon gar nicht ausreichend in den Vergabeakten dokumentiert, dass er sich mit den notwendigen technischen oder sonstigen Anforderungen an die Fahrzeuge und den sich daraus ergebenden Schlussfolgerungen für die Forderung nach der Einhaltung welcher Leistungsdaten auseinandergesetzt habe.
Daher sei nicht nachvollziehbar, weshalb die vom Antragsgegner aufgestellten, teilweise sehr dezidierten Anforderungen an die Abmessung der Fahrzeuge gerade so gewählt worden seien, teilweise bis auf Dezimalstellen genau. Insoweit fehle es an einer ordnungsgemäßen Dokumentation der vorbereitenden Arbeiten. Ohne ausreichenden Vergabevermerk könne nicht ausgeschlossen werden, dass der Antragsgegner durch die Gestaltung der Verdingungsunterlagen in der vorliegenden Weise seine Dispositionsfreiheit überschritten und dadurch die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt habe.
Der Antragsgegner müsse daher das Verfahren in den Stand vor der Aufforderung zur Angebotsabgabe zurückzuversetzen und entweder im Rahmen der Dokumentation und/oder durch Überarbeitung der Datenblätter für die Fahrzeuge die Leistung so beschreiben, dass der Wettbewerb nicht derartig eingeschränkt werde, ohne dass dies durch die zu vergebende Leistung gerechtfertigt wäre.
In seinem zweiten Schreiben vom 02.09.2016 trug die Antragstellerin vertiefend dazu vor, warum aus ihrer Sicht die Räum- und Streupflichten auch mit kleineren Aufbauten erfüllbar seien:
Der Winterdienst werde nur auf hoch belasteten Bundes- und Staatsstraßen rund um die Uhr erfüllt, im Übrigen zwischen 6 Uhr und 22 Uhr, wobei bei Bedarf immer innerhalb von 3 Stunden geräumt und innerhalb von 2 Stunden gestreut sein müsse. Eine mit acht Fahrzeugen bei vier Autobahnmeistereien neu eingesetzte Technologie ermögliche Kombistreuer, die neben Feststoff Salzsole versprühen. Hierfür sei durch ein engmaschigeres Netz von Ladestellen ermöglicht worden, dass auch kleinere Aufbauten einsetzbar seien. Das System erfordere nur geringe Änderungen der Streulogistik ohne die Erfüllung der Straßendienste zu gefährden.
Zudem würden bei starkem Schneefall zusätzliche Fahrzeuge eingesetzt.
Weiter könnten durch das computergestützte System des sog. „Winterdienstkoffers“ zentral alle Einsätze einer Autobahnmeisterei gesteuert werden, weswegen auch bei kleineren Aufbauten ein rechtzeitiges Erreichen der Ladestation gesichert werde.
Ferner werde über das 2015/2016 erstmals bei 16 Straßen- und 15 Autobahnmeistereien eingesetzte Winterdienstmanagementprogramm eine jeweils streckenbezogene individuelle Prognose erstellt. Es wurden zudem 11 zusätzliche Zentralhallen für Streugut errichtet. Beides erleichtere ebenfalls den Einsatz kleinerer Aufbauten zulasse.
Die Antragstellerin beantragte mit Schreiben vom 02.09.2016, festzustellen:
1. Der Nachprüfungsantrag mit den gestellten Anträgen gerichtet auf die Feststellung der Rechtsunwirksamkeit der Zurücksetzung/Aufhebung hilfsweise Feststellung der Rechtswidrigkeit der Zurücksetzung/Aufhebung ist zulässig und begründet.
2. Die Zurücksetzung/Aufhebung ist als Missbrauch der Gestaltungsmöglichkeit des Auftraggebers zu betrachten, da nach wie vor die Vergabeabsicht der Vergabestelle besteht. Sie wird daher ihrerseits zurückgesetzt/aufgehoben.
3. Die Vergabestelle wird angewiesen unverzüglich, spätestens aber bis zum 1.10.2016, unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer erneut über ihre Zurücksetzung/Aufhebung zu entscheiden.
4. Der Nachprüfungsantrag ist trotz des Abschlusses des Vergabeverfahrens durch die Zurücksetzung/Aufhebung der Ausschreibung zulässig. Anders als die Zuschlagserteilung wirkt die Zurücksetzung/Aufhebung der Ausschreibung nicht als absolute Zäsur, die Primärrechtsschutz ausschließt.
Der Antragsgegner trägt mit Schreiben vom 08.09.2016 weiter vor:
Nachdem nun von der Antragstellerin die erneute Zurückversetzung/Aufhebung des Vergabeverfahrens und die Neuentscheidung über die Zurücksetzung/Aufhebung des Vergabeverfahrens unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer begehrt werde, sei davon auszugeben, dass nunmehr nur noch über diese Anträge entschieden werden solle. Die mit Nachprüfungsantrag vom 12.08.2016 gestellten Anträge mit dem Begehr, der Antragstellerin den Zuschlag auf das bisherige Angebot zu erteilen, seien insoweit offensichtlich zurückgenommen worden.
Zu dem Begehren, den Zuschlag auf das bisherige Angebot zu erhalten, fehle es sämtlichen Schriftsätzen der Antragstellerin an Ausführungen. Es fehle daher eine hinreichende Begründung im Sinne des § 108 Abs. 2 GWB. Bereits dies führe zu Unzulässigkeit des Nachprüfungsantrags. Auch den weiteren Schriftsätzen vom 01.09.2016 sowie 02.09.2016 lasse sich nicht entnehmen, wieso sich die Antragstellerin nicht mehr bzw. nicht mehr aussichtsreich am Verfahren beteiligen könne. Auch zu diesem Begehren fehle es dem Nachprüfungsantrag an jeglichen Ausführungen. In diesem Punkt fehle eine hinreichende Begründung im Sinne des § 108 Abs. 2 GWB.
Der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin sei auch unter Berücksichtigung des ergänzten Vortrags unzulässig und sowie jedenfalls unbegründet.
Eine diskriminierende Leistungsbeschreibung liege nicht vor.
Die Antragstellerin stelle darauf ab, eine Diskriminierung ergebe sich aus den im Schriftsatz vom 18.08.2016 auf den Seiten 2 bis 9 rot markierten Positionen. Die Antragstellerin schweige sich jedoch dazu aus, worin hier eine Diskriminierung liegen solle. Es sei nicht ersichtlich, aus welchem Grund die Antragstellerin ein derartiges Angebot nicht abgegeben könne. Unstrittig habe die Antragstellerin auf die ursprünglichen Vergabeunterlagen ein Angebot abgegeben. Bereits hierdurch sei der Vortrag der Antragstellerin widerlegt.
Bzgl. der Maße (Mindest- und Gesamtlänge) des Fahrerhauses sei ein Hinweis in den geänderten Vergabeunterlagen enthalten, dass auch ein zusammengesetztes System oder eine modifizierte Fahrerhausverlängerung angeboten werden könne, wenn der Korrosionsschutz für mindestens 10 Jahre garantiert werde.
Die Antragstellerin rüge eine fehlende Produktneutralität nur unsubstantiiert, da nicht genannt werde, welches Produkt tatsächlich gefordert bzw. gefördert werden solle. Der jetzige Vertrag ziele darauf ab, die Ausschreibung in Richtung der Antragstellerin zu ändern. Für ein Verstoß gegen § 8 Abs. 7 VOL/A EG fehle zudem jeglicher Ansatz. Es werde weder eine bestimmte Produktion oder Herkunft, noch ein besonderes Verfahren, noch Marken, Patente oder Typen eines bestimmten Ursprungs oder einer bestimmten Produktion vorgeschrieben. Die Produktneutralität sei daher gegeben. Ergänzend werde auf die Ausnahme des § 8 Abs. 7 VOL/A EG hingewiesen, wonach der Auftraggeber sogar von einer produktneutralen Leistungsbeschreibung absehen könne, sofern das „durch den Auftragsgegenstand“ gerechtfertigt sei, § 8 Abs. 7 Satz 1 VOL/A EG. In Betracht komme hier etwa die Notwendigkeit, die Kompatibilität der Leistung mit einer bereits bestehenden Anlage sicherzustellen. Derartige Kompatibilitätserwägungen seien auch hier gegeben. Auf die in der Stellungnähme vom 22.08.2016 bereits erwähnten Erfordernisse an die Aufbauten, betreffend die kalkulierte Räumschleifen, die nötigen Streumittelkapazitäten, die erforderliche Kran-Kipper-Aufbauten usw. werde verwiesen.
Nach dem Vortrag der Antragstellerin, dass bereits in den Ausschreibungen der Jahre 2013, 2014 und 2015 die Maße verwendet worden seien, wie sie jetzt in den Ausschreibungsunterlagen nach Zurückversetzung verwendet werden, würde bedeuten, dass die Ausschreibungen der genannten Jahre bereits diskriminierend gewesen wären. Eine Rüge sei seitens der Antragstellerin in diesen Jahren jedoch nicht erfolgt. Die Antragstellerin sei somit im Hinblick auf die behauptete Diskriminierung präkludiert. Auch an der streitgegenständlichen Ausschreibung nach Zurückversetzung hätten sich nach dem Submissionsergebnis mehrere Bieter beteiligt und dem LV entsprechende Angebote abgegeben. Auch hieraus ergebe sich, dass die Ausschreibung produktneutral sei. Eine entsprechende Rüge hätte auch das angeblich – versteckt – ausgeschriebene Produkt benennen müssen. Dies sei nicht erfolgt. Die Antragsgegnerin müsse auch nicht erklären, warum die Änderungsnotwendigkeiten erst jetzt aufgefallen seien.
Die Antragstellerin ziele mit dem jetzigen Vertrag alleine darauf ab die Ausschreibung in ihre Richtung zu ändern. Der Auftraggeber könne aber grundsätzlich die von ihm gewünschte Leistung frei bestimmen. Diese der Ausschreibung vorgelagerte Entscheidung habe alleine nachvollziehbar zu sein, müsse auf auftragsbezogenen Gründen basieren und dürfe keine sachfremden oder diskriminierenden Erwägungen zur Grundlage haben. Das Bestreiten der Antragstellerin sei insoweit lediglich unsubstantiiert und nicht ausreichend, um substantielle Zweifel zu wecken. Eine sachliche Rechtfertigung liege insoweit vor und werde im Vergabevermerk ausreichend dokumentiert. Hinzuweisen sei auch nochmals auf den zu beachtenden Beurteilungsspielraum des Auftraggebers, dessen Verletzung oder Überschreitung noch nicht einmal behauptet werde.
Im Rahmen dieser Spielräume bestehe keinesfalls die – nun offenbar der Sache nach von der Antragstellerin in den Raum gestellte – Pflicht die Ausschreibung so zu gestalten, dass sie den Produkten bestimmter Anbieter, vorzugsweise der Antragstellerin, entspreche. Vielmehr müssen die Fahrgestelle die erforderlichen Aufbauten ordnungsgemäß transportieren können. Bei den Aufbauten auf die Fahrgestelle handele es sich um eine gesonderte Ausschreibung. Die Aufbauten bestehen aus verschiedenen Aufbausystemen, die auf jedes Fahrzeug passen müssten. Es gebe keine Fahrzeuge für den Einsatz zu speziellen Zwecken. Daher müssen die Fahrgestelle und Aufbausysteme untereinander kompatibel sein. Aufgrund der u. a. durch den Winterdienst vorgegebenen Aufbauten könne nur ein Fahrerhaus von bestimmten Maßen zum Einsatz kommen. Hier könne nur ein mittellanges oder kurzes Fahrerhaus mit Anbau verwendet werden.
Ein Nachschieben von Gründen sei der Antragsgegnerin auch möglich. Die von der Antragstellerin zitierte Rechtsprechung des OLG Düsseldorf vom 17.03.2004 – Verg 1/04 sei durch die Entscheidung des BGH vom 08. 02. 2011 (X ZB 04/10) überholt. Nach Auffassung des BGH können öffentliche Auftraggeber im Nachprüfungsverfahren nicht mehr per se mit allen Aspekten und Argumenten präkludiert werden, die nicht im Vergabevermerk zeitnah niedergelegt worden sind. Vielmehr sei zu unterscheiden zwischen den Informationen, welche gemäß § 24 VOL/A EG im Vergabevermerk als Mindestinformationen niederzulegen seien und solchen Umständen/Gesichtspunkten, mit denen die sachliche Richtigkeit einer angefochtenen Vergabeentscheidung näher erläutert bzw. verteidigt werde. Letztere Vorgehensweise könne einer Vergabestelle nicht wegen einer fehlenden zeitnahen Dokumentation abgeschnitten werden. Etwaige Dokumentationsmängel, die hier jedoch gar nicht vorlägen, würden daher nur zu einer Wiederholung des Vergabeverfahrens führen, wenn zu besorgen sei, dass die Berücksichtigung der nachgeschobenen Dokumentation lediglich im Nachprüfungsverfahren nicht ausreichen könne, um eine wettbewerbskonforme Auftragserteilung zu gewährleisten. Dies sei auch die ständige Rechtsprechung der Vergabekammer Südbayern. Gleiches ergebe sich aus dem Beschluss des OLG Düsseldorf vom 21.07.2010 sowie aus dem Beschluss der Vergabekammer des Bundes (VK 2-41/15).
Die Antragsgegnerin sei auch nicht dazu verpflichtet, Anpassungen der Streulogistik vorzunehmen, damit die Fahrzeuge der Antragstellerin auf den Bedarf passen. Die Ausschreibung habe sich am Bedarf zu orientieren, nicht der Bedarf an den möglichen Angeboten der Antragstellerin.
Gefordert werde deshalb die Möglichkeit, am Fahrgestell einen Seitenpflug anzubringen und aufgrund der geänderten Gesetzeslage ein Euro 6 Motor. Dieser besitze eine größere Abgasanlage, was auch Auswirkungen auf die Mindestmaße für das Fahrerhaus habe. Die Auspuffanlage sei aufgrund der notwendigen Partikelfilterung größer und nehme daher mehr Platz ein. Der Tank und die Auspuffanlage seien somit hinter dem Fahrerhaus anzubringen. Aus technischen Gründen komme hierfür beim 4-Achs-Modell keine andere Stelle am Fahrzeug in Betracht. Eine Anbringung an der Seite sei nicht möglich, da dort der seitliche Schneepflug nebst hierfür erforderlicher Hydraulik anzubringen sei. Bei der Thematik Abgasrohr/ Hauptschalldämpfer/ Katalysator handele es sich um ein komplexes System, welches im Zusammenhang mit dem erforderlichen Kombinationstank und der Auspuffanlage stehe. Aus technischen Gründen bleibe hier nur die Möglichkeit, Auspuffanlage und Tank hinter dem Fahrerhaus anzubringen. Um die weiteren Systemaufbauten mit ausreichender Kapazität unterbringen zu können, könne nur ein kurzes mit Anbau oder ein mittellanges Fahrerhaus verwendet werden.
Der von der Antragstellerin behauptete Widerspruch zwischen den Außenmaßen des Fahrerhauses, das nicht zu lang sein dürfe, und der Platzierung der Tank- und Auspuffanlage (Katalysator, Schalldämpfer und Rußfilter) hinter dem Fahrerhaus sei keiner. Für die Tank- und Auspuffanlage bleibe nur diese Stelle aus technischen Gründen möglich. Diese Einrichtungen müssen sich unabhängig vom Fahrerhaus immer dort befinden. Gerade deswegen dürfe das Fahrerhaus nicht zu lange sein, um die Aufbauten nicht nach hinten verschieben zu müssen, was zu einer falschen Achslastverteilung führen würde. Im Übrigen hätte die Antragstellerin auch die Möglichkeit, dies umzusetzen.
Beim 3- Achs-Modell hingegen könne der Kran-Kipper-Aufbau nicht angebracht werden, wenn ein langes Führerhaus zum Einsatz komme. Dieser hätte zwischen Fahrerhaus und Aufbauten auf dem Fahrgestell keinen Platz mehr. Maßgeblich sei stets die Achslastverteilung. Aufgrund der Aufbausysteme seien die Aufbauten vorgegeben. Das zulässige Maß an Aufbauten sei ausgeschöpft und die Aufbauten seien auf die zulässige Achslastverteilung zugeschnitten. Die Achslastverteilung auf dem Fahrgestell müsse zwingend eingehalten werden. Andernfalls würde das Fahrzeug außerhalb der technischen Zufassung benutzt werden. Auch die geforderten Leuchten können unproblematisch von der Antragstellerin technisch umgesetzt werden.
Nach Abhilfe des ersten Nachprüfungsantrags der Antragstellerin durch die Antragsgegnerin sei tatsächlich seitens der Autobahnmeisterei M… ein Fahrzeug der Antragstellerin mit kurzem Führerhaus besichtigt worden. Die Vertragswerkstatt, in der die Besichtigung stattgefunden habe, habe mitgeteilt, dass auch ein kurzes Fahrerhaus mit Anbau seitens der Antragstellerin möglich sei.
Die mündliche Verhandlung fand am 12.09.2016 in den Räumen der Regierung von Oberbayern statt. Die Beteiligten hatten Gelegenheit zum Vortrag. Die Sach- und Rechtslage wurde erörtert. Dem Antragsgegner wurde eine Schriftsatzfrist bis 21.09.2016 gewährt, um sich zu den Gründen für die Zurückversetzung sowie zu den Gründen für die Änderungen in der neuen Leistungsbeschreibung detaillierter zu äußern. Der Antragstellerin wird zur Äußerung auf den nachgelassenen Schriftsatz des Antragsgegners eine Schriftsatzfrist bis 29.09.2016 gewährt. Die Frist zur Entscheidung der Vergabekammer wurde wegen besonderer tatsächlicher und rechtlicher Schwierigkeiten entsprechend § 113 Abs. 1 S. 2 GWB bis zum 14.10.2016 verlängert. Die Antragstellerin beantragte, festzustellen, dass Vergabeverstöße vorliegen und geeignete Maßnahmen zu treffen, um diese abzustellen. Der Antragsgegner beantragte die Zurückweisung der Anträge der Antragstellerin.
Mit Schreiben vom 21.09.2016 erklärte der Antragsgegner, dass er den durch die Antragstellerin gerügten Verstößen, die Gegenstand des Nachprüfungsverfahrens sind, abhelfen werde. Über den Fortgang des Verfahrens oder dessen Aufhebung werde er zeitnah entscheiden.
Die Antragstellerin verlangte mit Schriftsatz vom 22.09.2016, dass der Antragsgegner ausführen solle, welchen Rügen er auf welche Weise abzuhelfen gedenke. Erst dann könne sie entscheiden, ob und inwieweit auch sie die Sache als erledigt ansehe.
Darauf trug der Antragsgegner mit Schriftsatz vom 27.09.2016 ergänzend vor, dass jedenfalls kein Zuschlag mehr auf Grundlage der gerügten Leistungsbeschreibung mehr erfolgen werde. Er werde das Vergabefahrens entweder (abermalig) in den Stand vor Aufforderung zur Angebotsabgabe zurückversetzen oder aber aufheben. Er werde dabei prüfen, welche Änderungen am Leistungsverzeichnis ggf. erforderlich wären, um seinen Beschaffungsbedarf mit den berechtigten Belangen der Bieter in Einklang zu bringen.
Daraufhin erklärte die Antragstellerin das Nachprüfungsverfahren mit Schriftsatz vom 29.09.2016 ebenfalls für erledigt.
Die Beteiligten wurden durch den Austausch der jeweiligen Schriftsätze informiert. Im Einzelnen wird auf deren Inhalt sowie auf die weiteren vorgelegten Unterlagen Bezug genommen.
II. Gemäß § 186 Abs. 2 GWB werden Vergabeverfahren, die vor dem 18.04.2016 begonnen haben, einschließlich der sich an diese anschließenden Nachprüfungsverfahren sowie am 18.04.2016 anhängige Nachprüfungsverfahren nach dem Recht zu Ende geführt, das zum Zeitpunkt der Einleitung des Verfahrens galt. Da das verfahrensgegenständliche Vergabeverfahren vor dem 18.04.2016 begonnen wurde, ist die alte Fassung des GWB anzuwenden. Auf eine gesonderte Nomenklatur „a. F.“ wird im Folgenden jedoch verzichtet.
Die Vergabekammer Südbayern ist für die Überprüfung des streitgegenständlichen Vergabeverfahrens zuständig.
Die sachliche und örtliche Zuständigkeit der Vergabekammer Südbayern ergibt sich aus § 104 Abs. 1, 106 Abs. 2 GWB i.V.m. §§ 1 Abs. 2 und 2 Abs. 2 BayNpV, § 106a Abs. 3 S. 1 GWB.
Denn Gegenstand der Vergabe ist ein öffentlicher Lieferauftrag i.S.d. § 99 Abs. 2 GWB. Weiter ist der Antragsgegner als Gebietskörperschaft Öffentlicher Auftraggeber gemäß § 98 Nr. 1 GWB. Die Vergabestelle ist nicht dem Bund zurechenbar und hat ihren Sitz im F… im Regierungsbezirk Oberbayern. Der geschätzte Gesamtauftragswert überschreitet zudem den gemäß § 100 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 GWB i.V.m. § 2 Abs. 1 S. 1 VgV i.V.m. Art. 7 der Richtlinie 2004/18/EG maßgeblichen Schwellenwert in Höhe von Euro deutlich.
Eine Ausnahme nach §§ 107 – 109 GWB liegt nicht vor.
1. Da die Parteien das Nachprüfungsverfahren auf Basis der Zusicherung des Antragsgegners, auf Grundlage des angegriffenen Leistungsbeschreibung keinen Zuschlag mehr zu erteilen, sondern den Rügen der Antragstellerin abzuhelfen, übereinstimmend für erledigt erklärt haben, hat sich dieses im Sinne des § 114 Abs. 2 S. 2 auf sonstige Weise erledigt. Wenn wie hier beide Parteien des Nachprüfungsverfahrens die Sache als erledigt ansehen, muss die Vergabekammer nicht mehr überprüfen und entscheiden, ob tatsächlich eine Erledigung eingetreten ist, sondern diese tritt kraft Gesetzes ein (Thiele in: Kulartz/Kus/Portz/Prieß, Kommentar zum GWB-Vergaberecht, 4. Auflage, Köln 2016, § 168 GWB, Rn. 58).
Damit war gemäß § 114 Abs. 2 S. 2 GWB nur noch über den von der Antragstellerin zunächst im Wege des Hilfsantrags erhobenen Feststellungsantrag zu befinden.
2.1 Der Feststellungsantrag ist zulässig.
Denn neben einer Erledigung liegen die Zulässigkeit des ursprünglichen Nachprüfungsantrags sowie ein Feststellungsinteresse der Antragstellerin vor.
Sowohl der ursprüngliche Nachprüfungsantrag der Antragstellerin vom 16.08.2016, festzustellen, dass die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt ist, und die geeigneten Maßnahmen zur Beseitigung der festgestellten Rechtsverletzungen zu treffen, als auch die späteren Fassungen, die sich alle gegen die die als vergaberechtswidrig gerügte Zurückversetzung des Verfahrens in den Stand vor Aufforderung zur Abgabe der Angebote und die als rechtsmissbräuchlich bzw. diskriminierend gerügten Änderungen an der Leistungsbeschreibung wendeten, waren zulässig.
Die Antragstellerin war antragsbefugt. Gemäß § 107 Abs. 2 GWB ist ein Unternehmen antragsbefugt, wenn es ein Interesse am Auftrag hat, eine Verletzung in seinen Rechten nach § 97 Abs. 6 GWB durch Nichtbeachtung von Vergabevorschriften und zumindest einen drohenden Schaden darlegt. Die Antragstellerin hat ihr Interesse am Auftrag durch die Abgabe eines Angebots auf die ursprüngliche Leistungsbeschreibung passendes Angebot nachgewiesen. Darüber hinaus hat sie hinreichend vorgetragen, dass sie bestimmte Anforderungen in der neuen Leistungsbeschreibung technisch nicht erfüllen kann (Hauptschalldämpfer hinter Fahrerhaus stehend) oder aufgrund dieser nicht mehr wirtschaftlich anbieten kann (nutzbare Rahmenlänge i.V.m. Fahrzeuggesamtlänge, Fahrerhauslänge, Korrosionsschutz-Garantie für zusammengesetztes Fahrerhaus). Es war nicht erkennbar, dass sie mit dem Nachprüfungsantrag einen anderen Zweck verfolgte, als den, den strittigen Auftrag zu erhalten. Da sie ursprünglich der Bestbieter war und nach diesem Vortrag durch die neue Leistungsbeschreibung faktisch keine Chancen mehr hatte, den Zuschlag zu erhalten, drohte ihr ein finanzieller Schaden. Da nach ihrem Vortrag die Zurückversetzung und die neue Leistungsbeschreibung als unwirksam bzw. wegen Rechtsmissbrauchs und die Diskriminierung als vergaberechtswidrig zu sehen waren, drohte ihr dieser Schaden auch durch behauptete Vergaberechtsverstöße.
Die Antragstellerin hatte ferner ihrer Rügeobliegenheit gemäß § 107 Abs. 3 S. 1 GWB genügt. Es war auch die 15-tägige Rechtsbehelfsfrist nach § 107 Abs. 3 Nr. 4 GWB gewahrt. Denn nach der Mitteilung der Nichtabhilfe der Rüge mit Schreiben vom 04.08.2016 hatte die Antragstellerin am selben Tage den Antrag auf Nachprüfung gestellt. Weiteren Vortrag und weitere Rügen, die sich aus der am 31.08.2016 gewährten Akteneinsicht ergaben, hat sie mit Schreiben vom 02.09.2016 und damit ebenfalls rechtzeitig angeführt.
Die Antragstellerin besitzt das für einen Antrag nach § 114 Abs. 2 S. 2 GWB nach allgemeiner Auffassung (siehe bspw. OLG München, Beschluss vom 19.07.2012, Verg 8/12; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 19.06.2013, VII-Verg 55/12) erforderliche Feststellungsinteresse wegen möglicher Schadensersatzansprüche gegen den Antragsgegner. Als Feststellungsinteresse genügt jedes anzuerkennende Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Art, wobei die beantragte Feststellung geeignet sein muss, die Rechtsposition der Antragstellerin in einem der genannten Bereiche zu verbessern und eine Beeinträchtigung seiner Rechte auszugleichen oder wenigstens zu mildern (Weyand, IBR-online-Kommentar Vergaberecht, Stand 14.09.2015, § 114 GWB, Rn. 251).
Es ist jedenfalls gegeben, wenn die Feststellung zur Vorbereitung eines Schadensersatzanspruchs dient und ein solcher Prozess mit hinreichender Sicherheit zu erwarten ist und nicht offenbar aussichtslos erscheint (OLG München, Beschluss vom 19.07.2012, Verg 8/12; OLG Celle, Beschluss vom 04.03.2010, 13 Verg 1/10; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 30.04.2014, VII-Verg 35/13). Dies ist hier der Fall, da die vorliegende Zurückversetzung nicht von einem der in § 20 Abs. 1 EG VOL/A genannten Gründe gedeckt und damit rechtswidrig, womit sie gegebenenfalls Schadenersatzansprüche der Antragstellerin begründet.
Der Antragstellerin könnte aufgrund der von ihr als rechtswidrig gerügten Zurückversetzung i.V.m. Änderungen jedenfalls der Ersatz des Vertrauensschadens gem. §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2 Nr. 1, 241 Abs. 2 BGB zustehen. Für die Kausalität genügt hier das Bestehen einer „echten Zuschlagschance“ im Sinn von § 126 S.1 GWB (OLG Celle, Beschluss vom 30.10.2014, 13 Verg 8/14; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 19.06.2013, VII-Verg 55/12). Bei einer schuldhaft rechtswidrigen Aufhebung kann der Antragstellerin sogar dann der Schadensersatz erwachsen, wenn ihr Angebot im Verfahren hätte ausgeschlossen werden müssen, dies aber nicht erfolgte (OLG Naumburg, Urt. v. 27.11.2014, Az.: 2 U 152/13).
Ob ein Schadensersatzbegehren tatsächlich erfolgreich sein wird, braucht die Vergabekammer nicht zu prüfen, da dies allein dem zuständigen ordentlichen Gericht obliegt (OLG Düsseldorf, Beschlüsse vom 11.11.2010, VII-Verg 29/10 und vom 02.10.2008, VII-Verg25/08).
2.2 Der Feststellungsantrag ist vollumfänglich begründet.
Die von der Antragstellerin angegriffene Zurückversetzung war rechtswidrig und verletzte die Antragstellerin in ihren Rechten aus § 97 Abs. 7 GWB.
Zwar kann ein öffentlicher Auftraggeber bei Vorliegen der Voraussetzungen für eine Aufhebung aus Gründen der Verhältnismäßigkeit sich stattdessen entscheiden, das Vergabeverfahren lediglich in ein früheres Stadium zurückzuversetzen. Dies kann ihn aber nicht davon entbinden, dass auch dieser Schritt an strenge Voraussetzungen zurückzusetzen ist. Eine Zurückversetzung ist in der Regel so wie eine teilweise Aufhebung zu bewerten(VK Nordbayern, Beschluss vom 29.10.2015, 21.VK-3194-34/15; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 12.01.2015, Verg 29/14). Dies gilt erst recht, wenn die Zurückversetzung wie hier einer Aufhebung sehr ähnlich ist, weil sie mit der Neuerstellung/Änderung der Leistungsbeschreibung in ein sehr frühes Stadium zurückgeht und die Bieter in erheblichem Maße beeinträchtigt. Die Rechtmäßigkeit der Zurückversetzung ist indes wie bei der Aufhebung von deren Wirksamkeit zu unterscheiden, für welche schon das Vorliegen eines sachlichen Grundes genügt.
Die Zurückversetzung war nur dann rechtmäßig, wenn und soweit ein Aufhebungsgrund nach § 20 EG Abs. 1 VOL/A sie rechtfertigte.
Für die Abhilfe des rechtswidrigen Ausschlusses der Antragstellerin im Wege des ersten Nachprüfungsverfahrens wäre eine Rückversetzung in die Lage vor Wertung der Angebote unter Einbeziehung des Angebots der Antragstellerin angezeigt gewesen. Stattdessen hat der Antragsgegner noch weiter bis vor die Aufforderung zur Abgabe von Angeboten zurückversetzt und die Leistungsbeschreibung in zahlreichen Punkten geändert. Diese Maßnahme war von keinem Aufhebungsgrund des § 20 Abs. 1 EG VOL/A gedeckt.
Entgegen dem Vortrag des Antragsgegners lag kein die Zurückversetzung rechtfertigender Grund nach § 20 Abs. 1 EG VOL/A vor.
Der Antragsgegner hat ausgeführt, dass die ursprüngliche Leistungsbeschreibung keine Vorgaben zur nutzbaren Rahmenlänge der Fahrzeuge machte und damit unter Umständen zu Angeboten von Fahrzeugen führen konnte, welche die für die Straßenräumung etc. nötigen Aufbauten der Antragstellerin nicht genügen. Ferner hat er vorgetragen, dass bei einer zu großen Gesamtlänge der Fahrzeuge die vorhandenen Garagen nicht für die Unterbringung der Fahrzeuge ausreichen würden.
Dies führt dazu, dass dem Antragsgegner wegen seines abweichenden Beschaffungsbedarfs kein Festhalten an der ursprünglichen Leistungsbeschreibung zuzumuten war (vgl. BGH, Beschluss vom 20.03.2014 – Az.: X ZB 18/13) und die Antragstellerin mit ihrem Begehr auf Rückgängigmachung der Rückversetzung nicht durchdringen kann.
Sowohl für eine wesentliche Änderung der Grundlagen des Vergabeverfahrens nach § 20 Abs. 1 lit. b) EG VOL/A als auch für andere schwerwiegende Gründe nach § 20 Abs. 1 lit. d) EG VOL/A können aber nur Gründe angeführt werden, die nicht der Vergabestelle zurechenbar sind und nicht der Risikosphäre des Auftraggebers zuzuordnen sein (Weyand, Rn. 53 f.; OLG Düsseldorf, B. v. 16.11.2010 – Az.: VII-Verg 50/10; B. v. 10.11.2010 – Az.: VII-Verg 28/10; VK Westfalen, B. v. 06.05.2015 – Az.: VK 1 – 11/15; VK Südbayern, B. v. 20.07.2015 – Az.: Z3-3-3194-1-17-03/15). Ein vom Auftraggeber fehlerhaft erstelltes Leistungsverzeichnis liegt eindeutig in dessen Risikobereich (VK Köln, B. v. 03.01.2007 – Az.: VK VOB 44/2006).
Vorliegend scheidet ein Aufhebungsgrund aus, da es die Aufgabe des Antragsgegners war, vor der Ausschreibung seinen Beschaffungsbedarf vor Verfahrensbeginn sorgfältig zu bestimmen, die daraus folgenden Anforderungen zu ermitteln und auf dessen Grundlage eine passende Leistungsbeschreibung zu erarbeiten. Die Vergabestelle hat vor Ausschreibung mit der gebotenen und ihr möglichen Sorgfalt zu prüfen, ob alle erkennbaren Eventualitäten berücksichtigt sind. Änderungen der Leistungsbeschreibung fallen daher nur nicht in die Risikosphäre des Auftraggebers, wenn sie auf unvorhersehbaren nachträglich eintretenden Ereignissen beruhen (VK Südbayern, B. v. 20.07.2015 – Az.: Z3-3-3194-1-17-03/15; B. v. 22.05.2015 – Az.: Z3-3-3194-1-63-12/14; Weyand, Rn. 53 f.; OLG Düsseldorf, B. v. 08.03.2005 – Az.: VII – Verg 40/04; 2. VK Bremen, B. v. 23.1.2002 – Az.: VK 11/01). Da die Vergabestelle sowohl den Umfang ihrer Straßenräumpflichten sowie auch die vorhandenen oder zu beschaffenden Aufbauten und ihre Stellmöglichkeiten kennen musste, kann hiervon nicht die Rede sein.
Die Antragstellerin wurde daher durch die nicht von einem der Gründe des § 20 VOL/A gedeckte – gleichwohl aber wirksame – Rückversetzung ihren Rechten verletzt.
3. Die Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer hat gemäß § 128 Abs. 3 S. 1 GWB derjenige zu tragen, der im Verfahren vor der Vergabekammer unterlegen ist. Wenn dadurch eine Erledigung eintritt, dass der Antragsgegner im Nachprüfungsverfahren dem Rechtsschutzbegehren der Antragstellerin abhilft, dann ist dies kostenrechtlich wie ein Obsiegen der Antragstellerin zu werten (Hardraht/Schulz in: Willenbruch/Wieddekind, Vergaberecht Kompaktkommentar, 3. Auflage, Köln 2014, § 128 GWB, Rn. 26; VK Bund, Beschluss vom 17.01.2006, VK 2-162/05). Nichts anderes kann gelten, wenn die Parteien wie vorliegend geschehen das Nachprüfungsverfahren übereinstimmend für erledigt erklären, weil der Antragsgegner eine solche Abhilfe zusichert.
Nach dem bisherigen Sachstand waren die Rügen der Antragstellerin in Zusammenhang mit den Änderungen an der Leistungsbeschreibung der Fahrzeuge überwiegend begründet. Denn der Antragsgegner hat zahlreiche Änderungen an der Leistungsbeschreibung vorgenommen, ohne hierfür trotz mehrfacher Aufforderung ausreichende sachliche Gründe vorzubringen und diese zu dokumentieren.
Für die neu eingeführte Maximallänge des gesamten Fahrzeugs hat der Antragsgegner trotz Aufforderung keinen sachlichen Grund vorgetragen. Die vage Vermutung des Mitarbeiters des Antragsgegners in der mündlichen Verhandlung, die Garagen könnte zu kurz sein, hätte mit Tatsachenvortrag untermauert werden müssen.
Sowohl für die neue Minimallänge als auch für die neue Maximallänge des Fahrerhauses hat der Antragsgegner trotz Aufforderung keinen sachlichen Grund vorgetragen. Dabei ist zu beachten, dass das sog. lange Fahrerhaus der Antragstellerin nur 10 cm länger ist, als das nunmehr gewollte mittlere Fahrerhaus.
Unerklärt blieb auch, warum in der neuen Leistungsbeschreibung nur für den Fall des kombinierten Fahrerhauses ein besonderer Korrosionsschutz und eine besondere Garantie hierfür verlangt wird, und warum diese für einen doppelt so langen Zeitraum wie der übrige Rostschutz gelten solle.
Sachlich nicht ausreichend begründet ist zudem die Forderung, dass der Hauptschalldämpfer der Abgasanlage stehend hinter dem Fahrerhaus angebracht werden soll, obwohl es nach dem Vortrag in der mündlichen Verhandlung ausreicht, wenn alleine das Abgasrohr hinter dem Fahrerhaus nach oben führt. Die Prämissen des Antragsgegners haben sich insoweit als unzutreffend erwiesen.
Dass hierfür keine sachlichen Gründe vorgetragen wurden, wiegt umso schwerer, als einige dieser Kriterien in auffälliger Weise genau das Angebot der Antragstellerin als ehemaliger Bestbieterin ausschließen, welches zudem auch ohne entsprechende Vorgabe in der Leistungsbeschreibung die notwendige nutzbare Rahmenlänge erfüllte. So wird nur noch ein (10 cm kürzeres) mittleres Fahrerhaus akzeptiert, dass die Antragstellerin (wirtschaftlich) nur als kombinierte Form liefern kann. Für diese Form – und nur für diesewird aber der erhöhte Korrosionsschutz gefordert. Außerdem ist der Antragstellerin technisch nicht möglich, den Hauptschalldämpfer wie nunmehr gewünscht zu positionieren.
Die Gebührenfestsetzung beruht auf § 128 Abs. 2, Abs. 3 S. 4 GWB. Diese Vorschrift bestimmt einen Gebührenrahmen zwischen 2.500 Euro und 25.000 Euro, der aus Gründen der Billigkeit auf ein Zehntel der Gebühr ermäßigt und im Einzelfall auf 50.000 Euro erhöht werden kann. Im Einzelfall kann, wenn der Aufwand oder die wirtschaftliche Bedeutung außergewöhnlich hoch sind, bis zu einem Betrag vom 100.000 Euro erhöht werden. Die Höhe der Gebühr richtet sich nach dem personellen und sachlichen Aufwand der Vergabekammer unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Bedeutung des Gegenstands des Nachprüfungsverfahrens. Die Gebühr von wurde nach § 128 Abs. 3 S. 4 GWB auf ¾ ermäßigt, da sich der Hauptantrag der Antragstellerin erledigt hatte, aber die Entscheidung über den Feststellungsantrag verblieb, und die beiden Anträge in etwa gleich zu gewichten waren.
Von der Antragstellerin wurde bei Einleitung des Verfahrens ein Kostenvorschuss in Höhe von 0,0… Euro erhoben. Dieser Kostenvorschuss wird nach Bestandskraft erstattet.
Die Entscheidung zur Tragung der notwendigen Aufwendungen der Parteien ergibt sich aus § 128 Abs. 4 S. 1, Abs. 4 S. 4 GWB i.V.m. Art. 80 Abs. 1 S. 5, Abs. 2 S. 1 BayVwVfG. Nach § 128 Abs. 4 S. 1 GWB hat die unterliegende Partei die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung bzw. Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der anderen zu tragen.
Auch wenn sich das zuletzt hauptsächlich verfolgte Rechtsschutzziel der Antragstellerin auf Beseitigung der diskriminierenden Vorgaben in der Leistungsbeschreibung erledigt hatte, war dennoch über den hilfsweise gestellten Feststellungsantrag in der Sache zu entscheiden. Da beide Anträge als gleichwertig zu gewichten waren, hat der Antragsgegner die Hälfte der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nach § 128 Abs. 4 S. 1 GWB Aufwendungen zu tragen.
Die andere Hälfte der Aufwendungen der Antragstellerin zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung trägt sie selbst. Eine Überbürdung dieses Teils der Anwaltskosten der Antragstellerin auf den Antragsgegner kommt nach für das Verfahren maßgeblicher Rechtslage nicht in Betracht.
Der Bundesgerichtshof hat im Rahmen einer Divergenz Vorlage nach § 124 Abs. 2 GWB am 25.01.2012 – Az. X ZB 3/11 – entschieden, dass es auch nach der Neuregelung des § 128 GWB durch das Gesetz zur Modernisierung des Vergaberechts im Jahr 2009 dabei geblieben ist, dass in § 128 Abs. 3 GWB die Gebühren und Auslagen der Vergabekammer und in § 128 Abs. 4 GWB die notwendigen Aufwendungen geregelt sind. Diese Trennung ist strikt einzuhalten; eine Heranziehung von § 128 Abs. 3 Satz 5 GWB auf die Erstattung von notwendigen Aufwendungen ist daher ausgeschlossen. Das bedeutet, dass auch dann, wenn die Erledigung des Nachprüfungsverfahrens auf einer Korrektur eines vergaberechtswidrigen Verhaltens der Vergabestelle beruht, der bei Stellung des Nachprüfungsantrags in seinen Rechten verletzte Bieter – wie hier die Antragstellerin – eine Erstattung seiner notwendigen Aufwendungen nicht im Kostenfestsetzungsverfahren verlangen kann (siehe auch OLG München, Beschluss v. 07.01.2014 – Az. Verg 16/13).
Diese Regelung erscheint unbillig, kann aber – wie der BGH betont hat – nur vom Gesetzgeber geändert werden. Dies ist in § 182 Abs. 3 und 4 GWB n.F. auch realisiert worden, kann aber auf den vorliegenden Fall noch keine Anwendung finden.
Die Zuziehung eines Bevollmächtigten der Antragstellerin wird als notwendig angesehen. Die Entscheidung über die Notwendigkeit der Zuziehung eines Rechtsanwalts durch die Antragstellerin beruht auf § 128 Abs. 4 S. 3 GWB i.V. m. Art. 80 Abs. 3 S. 2 und Abs. 2 S. 3 BayVwVfG. Die anwaltliche Vertretung war erforderlich, da eine umfassende Rechtskenntnis und damit eine zweckentsprechende Rechtsverfolgung im Rahmen des Nachprüfungsverfahrens nach dem GWB von ihr nicht erwartet werden kann. Zur Durchsetzung ihrer Rechte ist die Antragstellerin hier aufgrund der komplexen Rechtsmaterie auf anwaltliche Vertretung angewiesen.


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