Europarecht

Berücksichtigung von Lebensversicherungen bei der Agrarinvestitionsförderung

Aktenzeichen  RO 5 K 17.2231

Datum:
18.10.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 36266
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GG Art. 3 Abs. 1
VVL § 169 Abs. 1
ALG § 85 Abs. 3 Nr. 3

 

Leitsatz

Eine Verwaltungspraxis, die Lebensversicherungen mit Kapitalausschüttung bei der  Agrarinvestitionsförderung als Eigenkapital berücksichtigt, andere Lebensversicherungen und Rentenversicherungen aber nicht, verstößt nicht gegen den Gleichheitssatz. (Rn. 34) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist in Ziffer II vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Das Gericht konnte ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden, da die Parteien damit einverstanden waren (§ 101 Abs. 2 VwGO).
Die zulässige Klage ist unbegründet.
I.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Festsetzung der beantragten Zuwendungen i.H.v. bis zu 171.703,04 € aus dem Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG.
1. Maßnahmen im Bereich der Leistungsverwaltung sind durch die Gerichte nur eingeschränkt überprüfbar. Insbesondere können die Gerichte die einer bestimmten Vergabepraxis zugrunde liegenden Verwaltungsvorschriften nicht unmittelbar überprüfen, da diesen als bloßes Innenrecht der Verwaltung keine anspruchsbegründende Außenwirkung zukommt (BVerwG, Urteil vom 26. April 1979 – 3 C 111/79, BVerwGE 58, 45).
Die Gerichte haben aber darüber zu entscheiden, ob die Behörde bei der Subventionsvergabe ihr Ermessen richtig ausgeübt hat (§ 114 S. 1 VwGO). Insbesondere darf die Behörde gleich gelagerte Fälle nicht willkürlich ungleich behandeln (Art. 3 Abs. 1 GG). Deshalb kann ein Anspruch auf eine bestimmte Subventionsvergabe entstehen, wenn die Behörde in gleich gelagerten Fällen einer Subventionsvergabe stattgegeben hat (Selbstbindung der Verwaltung).
Ermessenslenkende Verwaltungsvorschriften unterliegen aber nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts keiner eigenständigen richterlichen Kontrolle. Maßgebend für die Selbstbindung der Verwaltung ist die tatsächliche Handhabung in der Verwaltungspraxis zur maßgeblichen Zeit und in welchen Umfang sie infolgedessen durch den Gleichheitssatz gebunden sind, so BVerwG vom 17.01.1996 -11 C 5/95 Rn.21 u. BVerwG vom16.05.2015-10 C 15/14 Rn.24, juris).
2. Nach der damals bei der Bewilligung der Förderung maßgeblichen Verwaltungspraxis waren Lebensversicherungen mit Kapitalausschüttung anzugeben und der Rückkaufswert als Eigenkapital anzusehen. Andere Lebensversicherungen und Rentenversicherungen aber nicht. Diese Verwaltungspraxis war rechtmäßig. Es ist nicht zu beanstanden, wenn der Beklagte i.R.d. Prosperitätsprüfung maßgeblich darauf abstellt, ob es sich um eine Lebensversicherung mit Kapitalausschüttung handelt oder nicht. Auch ist eine förderrechtliche Gleichbehandlung aller den Befreiungstatbestand des § 85 Abs. 3 Nr. 3 ALG erfüllenden Versicherungsverträge nicht aus Rechtsgründen geboten.
a) Die Verwaltung steht bei der Ausgestaltung der Prosperitätsprüfung vor der Aufgabe, anhand objektivierbarer und sachgerechter Kriterien festzulegen, welche Art Lebensversicherungen nach Sinn und Zweck der Prosperitätsprüfung in diese einzustellen sind und welche nicht.
b) Die Berücksichtigung der Vermögensprosperität beschränkt den Kreis möglicher Förderungsempfänger unter dem Gesichtspunkt der vermögensmäßigen Leistungsfähigkeit. Sie steht insoweit in Einklang mit und konkretisiert Art. 28 Abs. 3 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 1698/2005 des Rates vom 20. September 2005 über die Förderung der Entwicklung des ländlichen Raums durch den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER), demnach Förderungen zur Erhöhung der Wertschöpfung der landwirtschaftlichen Erzeugnisse auf Kleinst- und Kleinbetriebe sowie mittlere Unternehmen zu begrenzen sind. Im nationalen Recht hat die Prosperitätsprüfung ihre Rechtsgrundlage in Art. 23 und 24 der Bayerischen Haushaltsordnung. Danach ist für die Veranlagung und Bewilligung von Zuwendungen neben dem erheblichen Staatsinteresse weitere Voraussetzung, dass die geplante Investitionen ohne die Zuwendung nicht oder nicht im notwendigen Umfang getätigt werden kann (so genanntes Subsidiaritätsprinzip). Die Leistungen des Staates haben insoweit nur subsidiären Charakter. Auch aus dem Grundsatz der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit ihrer Verwendung folgt, dass die Leistungsfähigkeit des Zuwendungsempfängers im Rahmen der Förderung generell zu berücksichtigen ist.
c) Es wäre zwar rechtlich möglich gewesen, auch andere Lebensversicherungen, bei denen bei Kündigung des Vertrages ein Auszahlungsanspruch bereits vorzeitig besteht, im Rahmen der Vermögensprosperität anzurechnen.
Bei wirtschaftlicher Betrachtung hat prinzipiell jede Form der Lebensversicherung einen bestimmten, im gegenwärtigen Vermögen vorhandenen Gegenwartswert. Dieser entspricht finanzmathematisch der Summe der auf den gegenwärtigen Tag abgezinsten erwarteten positiven Zahlungsströme. Hierfür macht es keinen Unterschied, ob der Eintritt des Versicherungsfalls gewiss oder ungewiss ist, ob bei Fälligkeit eine Einmalzahlung oder eine periodische Rente geschuldet ist, und ob die Summe der Rentenzahlungen abhängig oder unabhängig von der Summe der eingezahlten Beiträge ist. Gewissheitsgrad und Auszahlungsmodalität wirken sich lediglich auf die Höhe des jeweiligen Gegenwartswerts aus, nicht aber darauf, ob es einen Gegenwartswert gibt oder nicht.
Der Gegenwartswert einer Lebensversicherung kann aber je nach Ausgestaltung des Versicherungsvertrags ein bloß kalkulatorischer oder ein tatsächlich realisierbarer Vermögenswert sein. Von einem bloß kalkulatorischen Wert ist insbesondere auszugehen, wenn einer Realisierung des Gegenwartswerts rechtliche Gründe entgegenstehen. Das ist für solche Verträge der Fall, die für die Altersvorsorge bestimmt sind und für die Versicherungsnehmer und Versicherer eine Verwertung vor dem Eintritt in den Ruhestand unwiderruflich ausgeschlossen haben (§ 168 Abs. 3 VVG). Dasselbe gilt für Verträge, bei denen der Eintritt der Verpflichtung des Versicherers ungewiss ist und in denen sich der Versicherungsnehmer kein Recht zur vorzeitigen Kündigung mit Rückerstattungsansprüchen ausbedungen hat (arg. e contr. § 169 Abs. 1 VVG). Alle anderen Lebensversicherungen sind jederzeit für den Schluss der laufenden Versicherungsperiode kündbar (§ 168 Abs. 1, 2 VVG) und vom Versicherer mit dem Rückkaufswert abzugelten (§ 169 Abs. 1 VVG). Solche Lebensversicherungen haben also einen realisierbaren Gegenwartswert in Höhe ihres Rückkaufswerts.
Auch Rentenersatzversicherungen ohne Kapitalausschüttung können einen realisierbaren Rückkaufwert haben. § 169 Abs. 1 VVG gilt insbesondere auch für solche Rentenersatzversicherungen ohne Kapitalausschüttung, die im Todesfall Hinterbliebene begünstigen, etwa durch eine Beitragsrückgewähr, eine Garantiezeit für die Rentenzahlung oder eine sonstige Todesfallleistung (vgl. BaFin, Private Rentenversicherung auf einen Blick, zuletzt geändert am 1. April 2016, abrufbar unter https://www.bafin.de/DE/Verbraucher Finanzwissen/VA/PrivateRentenversicherung/ Private_Rentenversicherung_node.html). Denn für solche Verträge ist der Eintritt der Verpflichtung des Versicherers nicht “ungewiss” i.S.d. § 169 Abs. 1 VVG. Ungewissheit liegt bei Rentenersatzversicherungen ohne Kapitalausschüttung nur vor, wenn im Falle des Versterbens des Versicherten vor Rentenbeginn keinerlei Leistung fällig wird. Bei Versicherungen, bei denen der Eintritt der Zahlungsverpflichtung des Versicherers gewiss ist, steht dem Versicherungsnehmer nach der Kündigung ein Rückkaufswert zu. Dabei muss der Versicherungsnehmer aber in der Regel Abschläge in Kauf nehmen.
Indem der Beklagte bei „Rentenersatzversicherungen ohne Kapitalausschüttung” nicht zwischen solchen mit und solchen ohne realisierbaren Gegenwartswert differenziert, hat der Beklagte in dem Umfang, in dem er in anderen Fällen Rentenersatzversicherungen ohne Kapitalausschüttung mit Todesfallleistung i.R.d. Prosperitätsprüfung nicht angerechnet hat, eine Verwaltungspraxis begründet, der nach Lebensversicherungen ohne Kapitaluauschüttung, aber mit prinzipiell realisierbarem Gegenwartswert nicht anzurechnen sind. Das begründet aber keinen Anspruch des Klägers auf insoweitige Gleichbehandlung aus Art. 3 Abs. 1 GG.
Es kann dahin gestellt bleiben, ob einer Gleichbehandlung nicht bereits der Grundsatz entgegen steht, dass eine Gleichbehandlung im Unrecht nicht verlangt werden kann (BVerwG, Urteil vom 6. Februar 1975 – II C 68/73, BVerwGE 47, 330; Urteil vom 21. Juli 1994 – 2 WD 6/94, BVerwGE 103, 143). Denn für die unterschiedliche Behandlung dieser Versicherungen besteht ein sachlicher Grund, siehe dazu auch Bundesverwaltungsgericht vom16.05.2015-10 C 15/14 Rn.24, juris.
Das Ergebnis würde eine neue Ungleichbehandlung begründen, indem sie Antragstellern mit Kapitallebensversicherungen ermöglichen würde, eigentlich verfügbares Vermögen förderungsgünstig der Anrechnung zu entziehen. Diese Möglichkeit stünde allen Antragstellern gleichermaßen offen. Ihr wäre durch eine entsprechende Änderung der Vergabepraxis oder Behandlung i.R.d. Missbrauchsprüfung entgegenzuwirken. Zudem bestünde eine Ungleichbehandlung zur Anrechnung von im Betriebsvermögen geführten Finanzanlagen, Wertpapieren und Guthaben und Spareinlagen. Lebensversicherungen mit Kapitalausschüttung sind ebenso wie diese Anlagen leicht verfügbar und wurden früher auch häufig in anderen Bereichen zur Baufinanzierung als Eigenkapital eingesetzt. Es besteht kein sachlicher Grund diese dann im Vergleich zu diesen Anlagen unterschiedlich zu behandeln. Außerdem wäre in der Verwaltungspraxis auch noch eine schwierige Unterscheidung zwischen vorzeitig kündbar Lebensversicherungen, bei denen der Eintritt der Zahlungspflicht des Versicherers gewiss ist, erforderlich. Es besteht somit ein sachlicher Grund für die hier strittige Verwaltungspraxis.
d) Die übrigen Argumente des Klägers greifen auch nicht durch. Sinn und Zweck der Prosperitätsprüfung gebieten es nicht, Wertungen anderer Regelungsbereiche zu berücksichtigen. Insbesondere gebieten Sinn und Zweck der Prosperitätsprüfung keine Gleichbehandlung aller der Altersvorsorge dienenden Lebensversicherungen.
So differenzierte zwar das Bundessozialgericht in seiner Rechtsprechung zur Anrechnung von Lebensversicherungen i.R.d. Bedürftigkeitsprüfung im Zusammenhang mit der Bewilligung von Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe maßgeblich nach der Zweckbindung der Versicherung und schied unter dem Kriterium der Zumutbarkeit der Verwertung alle Versicherungen aus, die nach den Verhältnissen des Einzelfalls allein der Altersvorsorge des Bedürftigen zu dienen bestimmt waren und nicht darüber hinausgehendes Vermögen ansparten (BSG, Urteil vom 29. Januar 1997 – 11 RAr 21/96, NZS 1997, 491; Urteil vom 24. April 1997 – 11 RAr 23/96, NZW 1998, 92). Doch ist die Zumutbarkeit der Verwertung ein Kriterium, das dem Sinn und Zweck der Bedürftigkeitsprüfung geschuldet ist, und sich nicht verallgemeinernd und zwingend auf die förderrechtliche Prosperitätsprüfung übertragen lässt. Eine allein der Altersvorsorge dienende Lebensversicherung vorrangig vor einer Inanspruchnahme der Solidargemeinschaft zu verwerten ist aus der Erwägung heraus unzumutbar, dass Arbeitslosenunterstützung nur bis zum Renteneintritt greift und eine für den späteren Zeitraum zweckgebundene Vermögensanlage daher nach Sinn und Zweck der Bedürftigkeitsprüfung nicht zur Bestreitung des Lebensunterhalts während des Erwerbs(losen) lebens zur Verfügung steht. Vergleichbare Erwägungen greifen im Subventionsrecht nicht Platz. Käme es auf die Zweckbindung der Lebensversicherung als Altersvorsorge an, und nicht auf die Realisierbarkeit ihres Gegenwartswerts, würde bei wirtschaftlicher Betrachtung im Ergebnis die Altersvorsorge der Zuwendungsempfänger mitgefördert. Das entspricht nicht dem Zweck des Agrarinvestitionsprogramms.
Auch war der Beklagte nicht verpflichtet, die ab dem Jahre 2015 erfolgte Änderung der Prosperitätsprüfung in eine Einkommensprosperitätsprüfung anhand von Steuerbescheiden der letzten drei Jahre durch die Richtlinie zur einzelbetrieblichen Investitionsförderung ab 2015 auch auf Altfälle anzuwenden. Die Förderberechtigten haben keinen Anspruch auf Förderung. Sie können sich nicht auf Artikel 14 Abs. 1 GG berufen. Deshalb war der Beklagte auch nicht verpflichtet, eine für die meisten Förderberechtigte günstige Regelung auf Altfälle anzuwenden.
II.
Die Kostenentscheidung erging aufgrund §§ 154 Abs. 1, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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