Europarecht

Eigenheimzulage, Gemeinderatssitzung, Zuwendungen, Freistellungserklärung, Maßgeblicher Zeitpunkt, Verwaltungsgerichte, Streitwertfestsetzung, Stichtagsregelung, Befähigung zum Richteramt, Ständige Verwaltungspraxis, Vereinfachtes Genehmigungsverfahren, Vorläufige Vollstreckbarkeit, Baurechtliche Genehmigung, Ablehnungsbescheid, Ursprüngliche Baugenehmigung, Baukindergeld, Ermessenslenkende Verwaltungsvorschrift, Rechtsmittelbelehrung, Gleichheitssatz, Selbstbindung der Verwaltung

Aktenzeichen  W 8 K 20.1133

Datum:
18.1.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 649
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayHO Art. 23
BayHO Art. 44
GG Art. 3
BayBO Art. 58
Bayerische Eigenheimzulagen-Richtlinien – EHZR

 

Leitsatz

Tenor

I.    Die Klage wird abgewiesen.
II.    Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.    Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Gründe

Die Klage ist als Verpflichtungsklage in Form der Versagungsklage zulässig.
Die Klage ist unbegründet. Der streitgegenständliche Ablehnungsbescheid vom 29. Juli 2020 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Er hat keinen Anspruch auf die begehrte Eigenheimzulage, weil die maßgebliche „Genehmigung“ seines Vorhabens hier in Form der Mitteilung der Gemeinde nach Art. 58 Abs. 3 Satz 4 BayBO darüber, dass es sich um ein genehmigungsfreies Vorhaben handelt, vor dem maßgeblichen Stichtag des 30. Juni 2018 (Nr. 5.1 EHZR) erteilt wurde und deshalb nicht förderfähig ist.
Der Kläger hat keinen Rechtsanspruch auf Gewährung einer Zuwendung in Form der Eigenheimzulage in Höhe von 10.000,00 EUR aufgrund ständiger Verwaltungspraxis des Beklagten auf der Basis der Richtlinien. Des Weiteren liegt auch kein typischer Ausnahmefall vor. Genauso wenig ist der Ausschluss des Klägers von der Eigenheimzulage nach den Richtlinien und der Förderpraxis des Beklagten als gleichheitswidriger oder gar willkürlicher Verstoß zu werten.
Denn bei Zuwendungen der vorliegenden Art handelt es sich um freiwillige staatliche Maßnahmen. Eine explizite Rechtsnorm, die konkret einen Anspruch des Klägers auf Bewilligung der beantragten Zuwendung begründet, existiert nicht. Vielmehr erfolgt die Zuwendung auf der Grundlage der einschlägigen Richtlinien im billigen Ermessen der Behörde und im Rahmen der dafür im Haushaltsplan besonders zur Verfügung gestellten Ausgabemittel (Art. 23, 44 BayHO). Ein Rechtsanspruch besteht danach nur ausnahmsweise, insbesondere aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG) durch eine Selbstbindung der Verwaltung aufgrund einer ständigen Verwaltungspraxis auf Basis der einschlägigen Richtlinien. Die Richtlinien begründen als ermessenslenkende Verwaltungsvorschriften nicht wie Gesetze und Rechtsverordnungen unmittelbar Rechte und Pflichten, sondern entfalten erst durch ihre Anwendung Außenwirkung. Das Gericht ist somit grundsätzlich an den Zuwendungszweck gebunden, wie ihn der Zuwendungsgeber versteht. Für die gerichtliche Prüfung einer Förderung ist entscheidend, wie die Behörde des zuständigen Rechtsträgers die Verwaltungsvorschrift im maßgeblichen Zeitpunkt in ständiger Praxis gehandhabt hat und in welchem Umfang sie infolgedessen durch den Gleichheitssatz gebunden ist (vgl. BayVGH, U.v. 11.10.2019 – 22 B 19.840 – BayVBl 2020, 365 – juris Rn. 26; U.v. 28.10.1999 – 19 B 96.3964 – juris Rn. 59; VG München, U.v. 19.11.2009 – M 15 K 07.5555 – juris Rn. 30). Ein Anspruch auf die Förderung besteht im Einzelfall über den Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung und den Gleichheitssatz dann, wenn die in den Richtlinien dargelegten Fördervoraussetzungen vorliegen und vergleichbare Anträge in ständiger Förderpraxis des Beklagten auch positiv verbeschieden werden (BayVGH, U.v. 11.10.2019 – 22 B 19.840 – BayVBl 2020, 365 – juris Rn. 26; vgl. auch ausführlich VG Würzburg, U.v. 25.5.2020 – W 8 K 19.1546 – juris sowie B.v. 18.6.2020 – W 8 E 20.736 – juris).
Dabei dürfen solche Richtlinien nicht – wie Gesetze oder Verordnungen – gerichtlich ausgelegt werden, sondern sie dienen nur dazu, eine dem Gleichheitsgrundsatz entsprechende Ermessensausübung der Behörde zu gewährleisten (BayVGH, B.v. 18.5.2020 – 6 ZB 20.438 – juris). Da Richtlinien keine Rechtsnormen sind, unterliegen sie grundsätzlich keiner richterlichen Interpretation. Eine Überprüfung hat sich darauf zu beschränken, ob aufgrund der einschlägigen Förderrichtlinien überhaupt eine Verteilung öffentlicher Mittel vorgenommen werden kann (Vorbehalt des Gesetzes) und bejahendenfalls, ob bei Anwendung der Richtlinien in Einzelfällen, in denen die begehrte Leistung versagt worden ist, der Gleichheitssatz (Art. 3 GG) verletzt oder der Rahmen, der durch die gesetzliche Zweckbestimmung gezogen ist, nicht beachtet worden ist (vgl. BVerwG, U.v. 26.4.1979 – 3 C 111/79 – BVerwGE 58, 45).
Bei der rechtlichen Beurteilung staatlicher Fördermaßnahmen, die wie hier nicht auf Rechtsnormen, sondern lediglich auf verwaltungsinternen ermessenslenkenden Vergaberichtlinien beruhen, kommt es damit nicht auf eine objektive Auslegung der Richtlinien an, sondern grundsätzlich nur darauf, wie die ministeriellen Vorgaben von der zuständigen Stelle tatsächlich verstanden und praktiziert worden sind (vgl. BayVGH, U.v. 10.12.2015 – 4 BV 15.1830 – juris Rn. 42 m.w.N.). Der Beklagte bestimmt im Rahmen des ihm eingeräumten Ermessens darüber, welche Ausgaben er dem Fördergegenstand zuordnet. Insoweit hat er auch die Interpretationshoheit über die maßgeblichen Verwaltungsvorschriften (vgl. BayVGH, B.v. 17.11.2010 – 4 ZB 10.1689 – juris Rn. 19 m.w.N.), so dass es allein darauf ankommt, wie die administrative Binnenvorschrift im maßgeblichen Zeitpunkt in ständiger Praxis gehandhabt wurde (vgl. auch BayVGH, B.v. 14.9.2020 – 16 ZB 20.1652 – juris; B.v. 22.5.2020 – 6 ZB 20.216 – juris).
Der maßgebliche Zeitpunkt für die Bewertung der Fördervoraussetzungen und der Förderfähigkeit einer Maßnahme ist des Weiteren nicht der Zeitpunkt der Antragstellung durch den Kläger und auch nicht der Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts. Dem materiellen Recht folgend, dass hier vor allem durch die Förderrichtlinien und deren Anwendung durch den Beklagten in ständiger Praxis vorgegeben wird, ist vielmehr auf den Zeitpunkt der Entscheidung der Förderbehörde abzustellen (BayVGH, B.v. 18.5.2020 – 6 ZB 20.438 – juris m.w.N.).
Die Richtlinien setzen Maßstäbe für die Verteilung der staatlichen Hilfen und regeln insoweit die Ermessenshandhabung. Die Ermessensbindung reicht jedoch nur so weit wie die festgestellte tatsächliche ständige Verwaltungspraxis. Die gerichtliche Überprüfung erfolgt nur im Rahmen des § 114 VwGO. Das Gericht hat nicht die Befugnis zu einer eigenständigen oder gar erweiternden Auslegung der Richtlinien (vgl. SaarlOVG, B.v. 28.5.2018 – 2 A 480/17 – juris; OVG SH, U.v. 17.5.2018 – 3 LB 5/15 – juris; OVG NRW, B.v. 29.5.2017 – 4 A 516/15 – juris; HessVGH, U.v. 10 A 1481/11 – juris).
Ausgangspunkt ist die ständige Verwaltungspraxis in vergleichbaren Fällen, sofern sie nicht im Einzelfall aus anderen Gründen zu rechtswidrigen Ergebnissen führt. Spielraum für die Berücksichtigung der Besonderheiten atypischer Fälle muss bleiben (Ramsauer in Kopp/Ramsauer, VwVfG, 21. Aufl. 2020, § 40 Rn. 42 ff.; Schenke/Ruthig in Kopp/Schenke, VwGO 26. Aufl. 2020, § 114 Rn. 41 ff.).
So dürfen im Einzelfall keine sachlichen Gründe für das Abweichen von der Behördenpraxis bestehen. Ermessenslenkende Verwaltungsvorschriften dürfen nur für den Regelfall gelten und müssen Spielraum für die Berücksichtigung der Besonderheiten atypischer Fälle lassen. Ein derartiger atypischer Fall ist dann gegeben, wenn der konkrete Sachverhalt außergewöhnliche Umstände aufweist, deren Besonderheiten von der ermessenslenkenden Vorschrift nicht hinreichend erfasst und von solchem Gewicht sind, dass sie eine von der im Regelfall vorgesehenen Rechtsfolge abweichende Behandlung gebieten (OVG NRW, B.v. 29.5.2017 – 4 A 516/15 – juris).
Mangels gesetzlicher Anspruchsgrundlage steht dem Kläger demnach nur ein Anspruch auf fehlerfreie Ermessensentscheidung zu. Bei der dem Gericht gemäß § 114 VwGO beschränkt möglichen Überprüfung der Ermessensentscheidung ist der ablehnende Bescheid vom 29. Juli 2020 im Ergebnis nicht zu beanstanden. Der Beklagte hat insbesondere den Rahmen, der durch die haushaltsrechtliche Zweckbestimmung gezogen wurde, eingehalten, den erheblichen Sachverhalt vollständig und im Ergebnis zutreffend ermittelt und sich bei der eigentlichen Beurteilung an allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe gehalten, insbesondere das Willkürverbot und das Gebot des Vertrauensschutzes nicht verletzt.
Ausgehend von den dargelegten Grundsätzen und rechtlichen Vorgaben ist festzustellen, dass es der Förderpraxis des Beklagten entspricht, sich bei der Frage der Wahrung des Stichtags 30. Juni 2018 nach der für ihn verbindlichen Zuwendungsvoraussetzung der Nr. 5.1 EHZR zu richten. Danach können nur Maßnahmen gefördert werden, die nach diesem Zeitpunkt genehmigt wurden bzw. bei einem genehmigungsfreien Vorhaben – wie hier – eine entsprechende Mitteilung der Gemeinde nach Art. 58 Abs. 3 Satz 4 BayBO oder innerhalb eines Monats nach Vorlage der erforderlichen Unterlagen keine Mitteilung der Gemeinde über die Genehmigungsfreistellung erging (Art. 58 Abs. 3 Satz 4 BayBO).
Hier erfolgte die maßgebliche Mitteilung der Gemeinde über die Genehmigungsfreistellung des Neubaus des Einfamilienhauses mit Garage gemäß Art. 58 Abs. 3 Satz 4 BayBO am 7. Juni 2018 und damit vor dem Stichtag.
Nach den Richtlinien und der darauf basierenden Förderpraxis, die auch durch den Fall des VG Ansbach (U.v. 11.5.2020 – An 3 K 20.00109 – juris) belegt wird, sind die Zuwendungsvoraussetzungen beim Kläger nicht erfüllt.
Anhaltspunkte dafür, dass der Beklagte in anderen vergleichbaren Zuwendungsfällen anders verfahren wäre, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich (vgl. auch VG Berlin, B.v. 11.4.2014 – 26 L 23.14 – ZOV 2015, 79).
Konkrete Förderfälle im Sinne der Klägerseite, in denen in der Praxis trotz einer vor dem Stichtag des 30. Juni 2018 liegenden gemeindlichen Genehmigungsfreistellungserklärung und einer gegebenenfalls nachfolgenden Tekturgenehmigung eine Zuwendung in Form der Eigenheimzulage gewährt worden wäre, sind dem Gericht nicht bekannt und wurden auch nicht konkret benannt. Ein Anspruch auf Förderung kann nur im Wege der Selbstbindung der Verwaltung bestehen. Vorliegend ist nicht ersichtlich, dass zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag des Klägers (vgl. BayVGH, B.v. 18.5.2020 – 6 ZB 20.438 – juris m.w.N.) eine andere Förderpraxis vorlag.
Es ist – wie schon ausgeführt – allein Sache des Zuwendungsgebers, die Modalitäten einer Förderung festzulegen, selbst seine Richtlinien auszulegen (keine Auslegung durch das Gericht), den Förderzweck zu bestimmen und seine Förderpraxis nach seinen Vorstellungen entsprechend auszurichten. Dazu gehört auch, die Modalitäten und die Formalien des Förderverfahrens festzulegen und dabei auch eine Stichtagsregelung zu treffen (vgl. BayVGH, B.v. 14.9.2020 – 6 ZB 20.1652 – juris Rn. 12).
Das Vorbringen des Klägers führt zu keiner anderen Beurteilung.
Soweit der Kläger meint, der Stichtag wäre erreicht worden, wenn die Gemeinde die Mitteilung unterlassen hätte, rechtfertigt dies keine andere Beurteilung, weil die ausdrückliche Mitteilung der Gemeinde, dass kein baurechtliches Genehmigungsverfahren durchgeführt werden soll, eine explizit in den EHZR genannte und konkret praktizierte Variante ist. Der Umstand, dass sich die Gemeinde im vermeintlichen Interesse des Klägers beeilt und seinen Antrag noch kurzfristig in der Gemeinderatssitzung am 5. Juni 2018 behandelt hat, weil die nächste Gemeinderatssitzung erst nach dem Ablauf der Monatsfrist (am 4.7.2018) am 10. Juli 2018 angestanden hätte, macht den Förderausschluss nicht rechtswidrig. Unsachliche oder gar willkürliche Gründe für das Vorgehen der Gemeinde sind nicht ersichtlich. Soweit der Kläger pauschal eine Ungleichbehandlung zu den Antragstellern behauptet, bei denen die Gemeinde die Monatsfrist habe verstreichen lassen, hat er nicht konkret dargelegt, ob und gegebenenfalls unter welchen (vergleichbaren?) Umständen dies tatsächlich erfolgt ist, geschweige denn hat er konkrete Beispielsfälle benannt, zumal die konkrete Stichtagsregelung zum Zeitpunkt der gemeindlichen Entscheidung noch nicht bekannt gewesen war. Erst recht ist kein sachwidriges Verhalten des Beklagten ersichtlich. Insbesondere musste – auch nach der Systematik der EHZR – nicht hypothetisch die Monatsfrist herangezogen werden (wie der Kläger begehrt), weil die EHZR in Nr. 5.1 alternativ verschiedene Tatbestände regeln. Vielmehr hat der Kläger als bestimmender „Bauherr“ (vgl. VG Ansbach, U.v. 11.5.2020 – An 3 K 20.00109 – juris Rn. 46) mit der Einreichung der letzten erforderlichen Unterlagen, die der Gemeinde (erst) am 4. Juni 2018 vollständig vorlagen, selbst den Zeitpunkt festgelegt, ab den sich die Gemeinde mit seinem Vorhaben befassen konnte und durfte.
Die vom Kläger angestrebte analoge oder erweiternde Auslegung und Handhabung der Richtlinien zu seinen Gunsten liefe auf eine unzulässige gerichtliche Ausdehnung des Förderzwecks gegen den Willen des Fördergebers hinaus und kommt von vorneherein nicht in Betracht (so ausdrücklich BayVGH, B.v. 14.9.2020 – 6 ZB 20.1652 – juris Rn. 12; B.v. 22.5.2020 – 6 ZB 20.216 – juris Rn. 10).
Das weitere Argument des Klägers, dass er für die spätere Tektur die gemeindliche Freistellungsmitteilung vom 6. Februar 2019 und damit nach dem Stichtag erhalten habe, rechtfertigt keine andere Beurteilung, weil das Vorhaben selbst, der Neubau eines Wohnhauses mit Garage, objektbezogen Gegenstand der Förderung ist. Denn durch den Neubau eines Einfamilienhauses wird Eigenwohnraum zur Selbstnutzung geschaffen (Nr. 2 EHZR „Gegenstand der Zuwendung“). „Zweck der Zuwendung“ (Nr. 1 Satz 1 u. 2 EHZR) ist, die Bildung von Wohneigentum in Bayern zu unterstützen. Damit soll zusätzlicher Wohnraum geschaffen und zugleich die Eigentumsquote angehoben werden. Demnach stellen die Richtlinien und die betreffende Förderpraxis auf den Neubau selbst und die damit verbundene Schaffung von Wohneigentum ab. Letztlich wird nur ein Eigenheim geschaffen und dieses objektbezogen gefördert, ohne dass der Fördertatbestand bei jeder Tektur von Neuem erfüllt würde (vgl. VG Ansbach, U.v. 11.5.2020 – An 3 K 20.00109 – juris Rn. 32 zu nachträglichen Tekturen sowie Rn. 43, wonach Nr. 2 und 5 EHZR im Zusammenhang zu betrachten sind).
Nachfolgende Tekturen sind zudem Änderungen zu einem Bauantrag für ein bestimmtes Bauvorhaben, ohne dass Art und Umfang so wesentlich wären, dass von einem neuen Bauantrag für ein völlig neues, mit dem vorherigen nicht mehr identischen Vorhaben auszugehen wäre. Bei einer Tektur handelt sich um eine Modifikation und nicht um ein Aliud, also um Änderungen und Abweichungen, die nicht so gravierend sind, dass die Genehmigungsfrage grundsätzlich für ein nun gänzlich anderes Vorhaben neu aufgeworfen würde (vgl. VG Ansbach, U.v. 11.5.2020 – An 3 K 20.00109 – juris Rn. 28 mit Bezug auf das Baurecht).
Vielmehr hat die gemeindliche Mitteilung über die Genehmigungsfreistellung vom 7. Juni 2020 – mit dem Inhalt, dass kein Genehmigungsverfahren durchzuführen ist, keine Untersagung beantragt wird und mit dem Bau begonnen werden darf (Art. 58 Abs. 3 S. 3 u. 4 BayBO) – sowohl aus der Sicht der Gemeinde als auch im Interesse des Klägers weiterhin bestand und Rechtswirkungen, auf die sich auch der Kläger weiter verlassen kann. Aufbauend darauf konnten und können einzelne Änderungen (Tekturen) erfolgen.
Die vorliegenden Tekturen sind in dem Sinne identitätswahrende Änderungen eines schon zuvor zugelassenen Bauvorhabens. Der Klägerseite ist zuzugestehen, dass gewisse Veränderungen durch die Tekturen erfolgt sind. Insbesondere habe sich der umbaute Raum und auch die äußere Gestaltung des Einfamilienhauses geändert. So sei die Garage um 50 cm verbreitert worden, wodurch sich das Haus im Grundstück verschoben habe. Die Kinderzimmer seien vergrößert worden und nicht mehr im Spitzboden untergebracht. Die Ankleide sei entfallen, ein Kinderzimmer sei ebenfalls vergrößert und ein Hauswirtschaftsraum geschaffen worden. Durch den Wegfall von Dachfenstern habe sich die Außenansicht geändert. Gleichwohl hat der Beklagtenvertreter zu Recht darauf hingewiesen, dass dies keine wesentlichen Änderungen sind und der Kern des Förderbestandes, nämlich die Realisierung des Bauvorhabens, nicht betroffen ist. Denn die Änderung und der Wegfall von Fenstern, eine geringfügige Verbreiterung der Garage wie auch die Änderung der Raumaufteilung und Raumnutzung lassen das Gesamtvorhaben in seinen Grundzügen unverändert, auch unter Einbezug der Verschiebung des Anteils von Wohn- und Nutzflächen. Ergänzend kann auf die nachvollziehbaren Ausführungen in den beiden Klageerwiderungen Bezug genommen werden (siehe ferner auch VG Ansbach, U.v. 11.5.2020 – An 3 K 20.00109 – juris Rn. 24 ff., 29 ff.).
Wie schon angedeutet, hat der Kläger offensichtlich auch gegenüber der Gemeinde nicht dargelegt, dass er von dem ursprünglichen von ihr für genehmigungsfrei erklärten Vorhaben in einer Weise abrücken will, dass er nicht mehr daran festhalten und damit ohne Rücksicht auf den Bestand ein völlig neues Vorhaben zur Prüfung stellen will. Vielmehr belegen die vorgelegten Pläne, dass ausgehend von der ursprünglichen Eingabeplanung vom Mai 2018 und aufbauend auf dieser die Änderungen vorgenommen. Des Weiteren sind die Änderungen vom Januar 2019 ausdrücklich als „Tekturplanung“ bezeichnet, was zusätzlich ein Indiz ist, dass es sich insoweit nicht um etwas völlig Neues, ein gänzlich anderes Vorhaben, handelt, sondern um eine Änderung eines schon geplanten und für genehmigungsfrei erklärten Bauvorhabens.
Soweit der Kläger auf die Erklärung des Bayerischen Ministerpräsidenten vom April 2018 verweist, in der dieser sowohl die Bayerische Eigenheimzulage als auch das Bayerische Baukindergeld Plus parallel angesprochen habe, und der Kläger darauf vertraut habe, dass beides parallel ab 1. Januar 2018 gelte, begründet dies keinen rechtlich durchsetzbaren Anspruch. Vielmehr sind beide Förderungen entsprechend der jeweiligen Richtlinien und der darauf basierenden Förderpraxis getrennt voneinander eigenständig geregelt und je für sich zu beurteilen (siehe schon VG Würzburg, U.v. 16.11.2020 – W 8 K 20.656 – BeckRS 2020, 33748 Rn. 50). Des Weiteren besteht – abgesehen davon, dass die politische Erklärung keine rechtsverbindliche Zusage einer bestimmten Förderung beinhaltet und sich auch nicht zur Schaffung eines konkreten Vertrauenstatbestandes eignet – jedenfalls kein nachträglicher Herstellungsanspruch im Verwaltungsrecht (vgl. VG Würzburg, U.v. 16.11.2020 – W 8 K 20.656 – BeckRS 2020, 33748 Rn. 49 mwN).
Schließlich sind auch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Richtlinien und/oder die Förderpraxis ermessensfehlerhaft oder willkürlich wären. Vielmehr erfolgt durch den Rückgriff auf den Zeitpunkt der Genehmigungsfreistellungsmitteilung der Gemeinde betreffend das Bauvorhaben selbst ohne Rücksicht auf nachfolgende Tekturen – wie schon ausgeführt – eine Gleichbehandlung mit anderen Antragstellern in parallelen Fallgestaltungen nach sachgerechten Kriterien.
Denn eine staatliche Förderung des Wohneigentums ist von Verfassungs wegen nicht zwingend geboten. Vielmehr besteht weitgehende Gestaltungsfreiheit auch im Hinblick auf den Ausschluss eines bestimmten Personenkreises von der Förderung (vgl. Erhard in Blümich, EigZulG, Werkstand: 154. EL Juli 2020, Einleitung Rn. 4 zur früheren Rechtslage).
Vor dem Hintergrund der vorstehend dargelegten Rechtslage unter Berücksichtigung der gemeindlichen Freistellungserklärung ist auch kein atypischer Ausnahmefall gegeben, der eine Ablehnung der Förderung ermessensfehlerhaft machen würde, weil die gemeindliche baurechtliche Freistellungserklärung ein taugliches Instrument zur Beurteilung des Vorliegens der Zuwendungsvoraussetzungen ist, hier konkret mit Blick auf die Wahrung des Stichtags gemäß Nr. 5.1 EHZR.
Zwar wäre es auch möglich gewesen, die Bayerischen Eigenheimzulagen-Richtlinien und die darauf fußende Förderpraxis anders auszugestalten oder eine andere Stichtagsregelung zu treffen, aber von Rechts wegen ist dies nicht zwingend geboten gewesen.
In der vorliegenden Konstellation ist kein atypischer Ausnahmefall gegeben, der eine abweichende Entscheidung des Beklagten hätte gebieten müssen (vgl. OVG NRW, B.v. 29.5.2017 – 4 A 516/15 – juris), weil der konkrete Sachverhalt keine außergewöhnlichen Umstände aufweist, die von den Richtlinien und der darauf basierenden Förderpraxis nicht erfasst werden und von solchem Gewicht sind, dass sie eine von der im Regelfall vorgesehenen Rechtsfolge abweichende Behandlung rechtfertigen. Denn das vom Beklagten praktizierte durchgängige Abstellen auf die Baugenehmigung bzw. die Mitteilung über die baurechtliche Freistellung ist keine atypische Besonderheit, die eine abweichende Behandlung gebietet, sondern gängige Praxis in einer typischen Fallkonstellation. So liegt kein atypischer Ausnahmefall vor, sondern eine Fallgestaltung, die offenkundig häufiger vorkommt und nach der Ausgestaltung der Förderpraxis und des praktizierten Förderverfahrens – auch aus Gründen der Praktikabilität und Gleichbehandlung – gerade nicht gefördert werden soll.
Des Weiteren ist der Ausschluss des Klägers nicht willkürlich, weil sachgerechte und vertretbare Gründe von der Beklagten vorgebracht wurden.
Art. 3 Abs. 1 GG gebietet eine gleichmäßige Verwaltungspraxis. Dazu gehört das Verbot einer nicht durch sachliche Unterschiede gerechtfertigten Differenzierung zwischen verschiedenen Sachverhalten bei der Förderung (BayVGH, U.v. 11.10.2019 – 22 B 19.840 – juris Rn. 32). Geboten ist so eine bayernweit gleichmäßige und willkürfreie Mittelverteilung. Nicht erlaubt ist eine uneinheitliche und damit objektiv willkürliche Förderpraxis (vgl. BayVGH, U.v. 25.7.2013 – 4 B 13.727 – DVBl 2013, 1402). Dabei steht dem Richtliniengeber frei, sich für eine bestimmte Verwaltungspraxis zu entscheiden und diese zu handhaben, hier auf die baurechtliche Freistellungserklärung zurückzugreifen. Die Willkürgrenze wird selbst dann nicht überschritten, wenn es auch für eine alternative Förderpraxis gute Gründe gäbe. Eine Verletzung des Willkürverbots liegt mithin nur dann vor, wenn die maßgeblichen Kriterien unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar wären und sich daher der Schluss aufdrängen würde, dass sie auf sachfremden Erwägungen beruhten (vgl. VG Köln, G.v. 17.8.2015 – 16 K 6804/14 – juris m.w.N.; siehe auch VG Würzburg, U.v. 25.5.2020 – W 8 K 19.1546 – juris; vgl. zur Eigenheimzulage auch schon VG Würzburg, U.v. 14.12.2020 – W 8 K 20.862; U.v. 16.11.2020 – W 8 K 20.656 – BeckRS 2020, 33748).
Für den Schluss auf eine willkürliche Fassung oder Handhabung der Förderrichtlinien, gerade hier zur Eigenheimzulage, bestehen keine triftigen Anhaltspunkte. Die – für den Kläger nachteilige – Heranziehung des Datums der gemeindlichen baurechtlichen Freistellungserklärung gemäß Art. 58 Abs. 3 Satz 4 BayBO dient nicht nur der Vereinfachung und Vereinheitlichung des Förderverfahrens in der Verwaltungspraxis, sondern trägt gerade auch zu einer praktikablen gleichmäßigen Handhabung im Förderalltag bei. Der Kläger wird so nicht anders behandelt als andere Antragsteller, bei denen ebenfalls auf die gemeindliche Mitteilung über die Freistellung abgestellt wird. Infolgedessen liegt auch keine Ungleichbehandlung, sondern eine Gleichbehandlung wie in vergleichbaren Förderfällen vor. Die vom Beklagten gewählte Stichtagsregelung begegnet auch mit Blick auf den Gleichheitsgrundsatz keinen rechtlichen Bedenken (so BayVGH, B.v. 14.9.2020, 6 ZB 20.1652 – juris Rn. 12 zu den Bayerischen Baukindergeld-Plus-Richtlinien).
Nach alledem war die Klage im vollen Umfang abzuweisen.
Die Entscheidung über die Kosten ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.


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