Europarecht

Kein Anspruch aus § 852 BGB bei vom Diesel-Abgasskandal betroffenem Neuwagen

Aktenzeichen  3 U 269/21

Datum:
22.9.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 39169
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
Bamberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 31, § 195, § 199, § 818 Abs. 4, § 819 Abs. 1, § 823 Abs. 2, § 826, § 852 S. 1
OWiG § 17 Abs. 4

 

Leitsatz

1. Auch dem Käufer eines mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung („Umschaltlogik“) ausgestatteten Neufahrzeugs steht, nachdem seine deliktische Schadensersatzforderung nach § 826 BGB gegen den Fahrzeughersteller verjährt ist, kein Herausgabeanspruch aus § 852 Satz 1 BGB gegen die Herstellerseite zu (Anschluss an OLG Düsseldorf, Urteil vom 20.05.2021, 5 U 57/20, Rn. 56; OLG Oldenburg, Beschluss vom 05.01.2021, 2 U 168/20, BeckRS 2021, 1641 Rn. 17 ff.; OLG Koblenz, Urteil vom 25.06.2021, 15 U 19/21, bisher unveröffentlicht, sowie OLG Frankfurt, Beschluss vom 21.01.2021, 19 U 170/21, Rn. 17; entgegen OLG Koblenz, Urteil vom 29.07.2021, 6 U 934/20, juris Rn. 57; Urteil vom 31.03.2021, 7 U 1602/20, juris Rn. 46; OLG Karlsruhe, Urteil vom 09.07.2021, 13 U 168/21, juris Rn. 73; OLG Stuttgart, Urteil vom 12.05.2021, 9 U 17/21, juris Rn. 61, juris; Urteil vom 09.03.2021, 10 U 339/20, juris Rn. 36; OLG Hamm, Urteil vom 03.05.2021, 17 U 196/20, juris Rn. 4; OLG Oldenburg, Urteil vom 22.04.2021, 14 U 225/20, juris Rn. 42; Urteil vom 02.03.2021, 12 U 161/20, BeckRS 2021, 3326 Rn. 33; OLG Düsseldorf, Urteil vom 13.04.2021, 23 U 143/20, juris Rn. 28 und OLG München, Urteil vom 26.07.2021 – 3 U 1705/21, Rn.39ff.). (Rn. 32)
2. Das Regelungsziel des § 852 Satz 1 BGB, dass ein deliktischer Schädiger auch nach dem Verjährungseintritt nicht im Genuss des unrechtmäßig erlangten Tatvorteils bleiben soll (BGH NJW 1978, 1377 Rn. 62), ist zugleich Ausdruck eines Schutzgedankens, der auf exemplarische Sachverhalte einer signifikant erschwerten Anspruchsdurchsetzung ausgelegt ist und damit zugleich den Anwendungsbereich der Vorschrift im Sinn einer Ausnahmeregelung begrenzt. (Rn. 36 – 38)
3. Dieser Normzweck passt offenkundig nicht auf den typischen Rahmensachverhalt eines sog. Dieselskandalfalls, bei dem der Käufer ein nach dem Maßstab der Vertragsäquivalenz an sich voll funktionstüchtiges Fahrzeug erworben hat. (Rn. 42)
4. In Einklang damit setzt der Tatbestand des § 852 Satz 1 BGB nicht nur einen iSd § 826 BGB ersatzfähigen Schaden, sondern zudem eine dem Schadenseinschlag entsprechende Bereicherung auf Seiten des Anspruchsgegners – hier also des Herstellers – voraus. Daran fehlt es von vornherein, wenn der reklamierte Schadenseinschlag wie hier keinen messbaren wirtschaftlichen Vermögensnachteil, sondern lediglich einen normativen Schaden darstellt (Anschluss an OLG Oldenburg, Beschluss vom 05.01.2021, 2 U 168/20, BeckRS 2021, 1641 Rn. 17 ff.; OLG Koblenz, Urteil vom 25.06.2021, 15 U 19/21, bisher unveröffentlicht). (Rn. 49)
5. Hat bereits in einem Bußgeldverfahren gegen den verklagten Herstellerkonzern eine Gewinnabschöpfung in erheblichem Umfang (hier in Höhe von 995.000.000,00 Euro) stattgefunden, so sind die Auswirkungen und die Tragweite einer solchen Geldbuße bei der durch den Schutzzweck gebotenen Prüfung der klägerischen Anspruchsberechtigung nach Zumutbarkeitskriterien ebenfalls mitzuberücksichtigen. (Rn. 59 – 60)
6. Unabhängig vom teleologisch reduzierten Anwendungsbereich des § 852 S.1 BGB ist der Anspruchsumfang bei einem Neuwagenverkauf ohnehin auf den sog. Herstellergewinn – also den um die Produktions-, Herstellungs- und Lieferkosten sowie die Händlermarge gekürzten Betrag des Netto-Verkaufspreises – begrenzt (Anschluss insoweit an OLG Stuttgart, Urteil vom 12.05.2021, 9 U 17/21, dort Rn.70ff. und OLG Frankfurt a.a.O., Rn. 16 sowie Fortführung von BGHZ 221, 342 Rn. 26; entgegen OLG Karlsruhe, Urteil vom 09.07.2021, 13 U 168/21, juris Rn. 78ff.; OLG Stuttgart, Urteil vom 09.03.2021, 10 U 339/20, juris Rn. 62ff; und OLG München a.a.O. Rn. 51ff.). (Rn. 33)
7. Auch dazu hat die klagende Käuferseite schlüssig vorzutragen. (Rn. 33 – 35)

Verfahrensgang

23 O 679/20 2021-06-28 Endurteil LGSCHWEINFURT LG Schweinfurt

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Schweinfurt vom 28.06.2021 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
2. Das Urteil des Landgerichts Schweinfurt ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Das Senatsurteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des aufgrund des Senatsurteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
3. Die Revision zum Bundesgerichtshof wird zugelassen, soweit der Rechtsstreit die Frage aufwirft, ob der Klägerin, nachdem ihre deliktische Schadensersatzforderung aus §§ 826, 31 BGB verjährt ist, als Käuferin eines von der Beklagten hergestellten und in der Motorsteuerung mit einer „Umschaltlogik“ ausgestatteten Neufahrzeugs ein Herausgabeanspruch nach § 852 Satz 1 BGB zustehen kann.

Gründe

I.
Die Klägerin nimmt die beklagte Fahrzeugherstellerin auf Schadensersatz wegen Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung für die Abgasreinigung in Anspruch.
1. Die Klägerin erwarb am 21.09.2012 von einem Autohaus einen Neuwagen der Marke …, Typ … zum Kaufpreis von 23.600,00 € (Anlage K 1). Am 21.09.2021 belief sich die Laufleistung auf 100.632 km.
Das Fahrzeug ist mit einem von der Beklagten hergestellten Dieselmotor der Baureihe … der Schadstoffklasse Euro 5 ausgestattet. Zum Zeitpunkt des Erwerbs enthielt dieser eine Steuerungssoftware, die erkannte, ob das Fahrzeug auf einem Prüfstand den Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) durchlief oder sich im normalen Fahrbetrieb befand. Im Prüfstandsbetrieb bewirkte die Software eine im Vergleich zum Normalbetrieb erhöhte Abgasrückführungsrate, wodurch die Grenzwerte für Stickoxidemissionen der Abgasnorm Euro 5 (nur) auf dem Prüfstand eingehalten werden konnten. Das Kraftfahrtbundesamt (KBA) sah die genannte Software als unzulässige Abschalteinrichtung an und verpflichtete die Beklagte mit Bescheid vom 15.10.2015, die Abschalteinrichtung zu „entfernen“ und „geeignete Maßnahmen zur Wiederherstellung der Vorschriftmäßigkeit zu ergreifen“. Die Beklagte entwickelte daraufhin ein Software-Update, das das KBA als geeignet zur Herstellung der Vorschriftsmäßigkeit auch des hier streitgegenständlichen Fahrzeugtyps ansah. Die Klägerin ließ das Software-Update in der Folge durchführen.
Bereits im Laufe des Jahres 2016 hatte die Klägerin ein – nach Lage der Dinge im Februar 2016 versandtes – Anschreiben erhalten, mit dem die Beklagte über das mit dem Kraftfahrtbundesamt abgestimmte Software-Update und den entsprechenden Zeit- und Maßnahmenplan informierte.
2. Mit der Begründung, in dem von ihr erworbenen Fahrzeug habe die Beklagte eine unzulässige Abschalteinrichtung implementiert und eine weitere unzulässige Abschalteinrichtung in Form eines „Thermofensters“ im Rahmen des Software-Updates zur Beseitigung der „Umschaltlogik“ aufgespielt, verlangt die Klägerin – soweit noch von Interesse – die Erstattung des Kaufpreises unter Anrechnung einer auf Basis einer Gesamtlaufleistung von 300.000 km errechneten Nutzungsentschädigung in Höhe von 7.158,67 € (vgl. S. 30 der Klageschrift = Bl. 30 d. A.), Feststellung des Annahmeverzugs und Freistellung von außergerichtlich angefallenen Rechtsanwaltsgebühren.
Mit ihrer am 28.08.2020 beim Landgericht eingegangenen Klage vom 27.08.2020 hat die Klägerin in erster Instanz zuletzt beantragt,
1.Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerschaft 16.441,33 € zzgl. Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs … … mit der Fahrzeug-Identifizierungsnummer ….
2.Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Entgegennahme des im Klageantrag zu Ziffer 1. genannten Fahrzeugs in Annahmeverzug befindet.
3.Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerschaft von vorgerichtlichen Kosten für die Rechtsverfolgung in Höhe von 2.094,40 € freizustellen.
3.Die Beklagte hat in erster Instanz die Implementierung von unzulässigen Abschalteinrichtungen im Zusammenhang mit dem Aufspielen des Software-Updates bestritten und die Einrede der Verjährung erhoben.
Die Beklagte hat in erster Instanz Klageabweisung beantragt.
4. Das Landgericht hat die Klage mit Endurteil vom 28.06.2021 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 16.07.2021 abgewiesen und – soweit für das Berufungsverfahren von Interesse – zur Begründung ausgeführt:
Ansprüche der Klägerin gegen die Beklagte nach §§ 826, 31 BGB und § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 Abs. 1 StGB seien verjährt. Die Klägerin habe bereits im Jahr 2015 von den anspruchsbegründenden Umständen Kenntnis erlangt, sodass Verjährung mit Ablauf des Jahres 2018 eingetreten sei und die erst im Jahr 2020 erhobene Klage keine Hemmung der Verjährung mehr habe herbeiführen können.
Ein Anspruch nach § 852 Satz 1 BGB bestehe nicht, weil allein das Autohaus aus dem Verkauf des Autos etwas erlangt habe.
Ansprüche wegen des Software-Updates bestünden ebenfalls nicht, weil das Handeln der Beklagten nach dem 22.09.2015 nicht mehr als sittenwidrig anzusehen sei. Zudem fehle es an einem kausalen Schaden. Jedenfalls aber seien die Voraussetzungen einer deliktischen Haftung insoweit nicht dargelegt.
Wegen des Sach- und Streitstands in erster Instanz im Übrigen wird Bezug genommen auf die Feststellungen im angegriffenen Urteil (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO).
5. Gegen das der Klägerin am 30.06.2021 zugestellte Endurteil vom 28.06.2021 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 16.07.2021 richtet sich deren am 29.07.2021 eingelegte und am 30.08.2021 begründete Berufung, mit der die Klägerin ihre bisherigen Sachanträge weiterverfolgt und dazu vorbringt:
Ihre Ansprüche seien nicht verjährt. Zu Unrecht habe das Landgericht Kenntnis bzw. grob fahrlässige Unkenntnis bereits im Jahr 2015 angenommen. Zudem habe eine unsichere Rechtslage bestanden, sodass der Beginn der Verjährung hinausgeschoben worden sei.
Jedenfalls aber bestehe ein Anspruch nach § 852 Satz 1 BGB. Der Restschadensersatzanspruch sei nach dem Kaufpreis abzüglich der Händlermarge (vgl. Augenhofer, VuR 2019, 83), die marktüblich bei 5% liege, zu bemessen.
Die Beklagte habe sie auch nach der Veröffentlichung des Skandals am 22.09.2015 durch das Aufspielen des Software-Updates weiterhin in vorsätzlich sittenwidriger Weise geschädigt. Dadurch habe sich das sittenwidrige Verhalten der Beklagten perpetuiert.
Die Klägerin beantragt,
unter Abänderung des am 28.06.2021 verkündeten Urteils des Landgerichts Schweinfurt, AZ 23 O 679/20, zu erkennen:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerschaft 16.441,33 € zzgl. Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs … … mit der Fahrzeug-Identifizierungsnummer ….
2. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Entgegennahme des im Klageantrag zu Ziffer 1. genannten Fahrzeugs in Annahmeverzug befindet.
3. Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerschaft von vorgerichtlichen Kosten für die Rechtsverfolgung in Höhe von 2.094,40 € freizustellen.
6. Die Beklagte verteidigt das angegriffene Urteil und hält der Berufung entgegen:
Die Ansprüche der Klägerin seien verjährt. In jedem Fall habe die Klägerin aber ab dem Jahr 2016 von den anspruchsbegründenden Umständen, insbesondere der Betroffenheit ihres Fahrzeugs Kenntnis erlangt. Selbst wenn die Klagepartei die breite Medienberichterstattung im Jahr 2015 nicht wahrgenommen haben sollte, so habe sie spätestens durch das Kundenanschreiben der Beklagten im Februar 2016 positive Kenntnis von der Betroffenheit des Fahrzeugs erlangt.
Ein Anspruch nach § 852 Satz 1 BGB bestehe nicht. § 852 Satz 1 BGB werde durch den wirtschaftlichen Schaden der Klagepartei limitiert, der hier nicht feststellbar sei. Damit werde der Anwendung der Vorschrift von vornherein der Boden entzogen (vgl. OLG Oldenburg, Beschluss vom 05.01.2021, 2 U 168/20). Zur Beurteilung einer etwaigen Vermögensverschiebung im Sinne von § 852 Satz 1 BGB sei eine wirtschaftliche Betrachtung maßgebend und jedenfalls ein Vermögensverlust beim Geschädigten erforderlich. Ein solcher liege hier nicht vor. Die von der Klagepartei eingegangene „ungewollte Verbindlichkeit“ stelle nur einen normativen Schaden dar.
Jedenfalls aber diene § 852 Satz 1 BGB der Gewinnabschöpfung, weshalb es maßgeblich auf den Vermögenszuwachs bei der Beklagten durch das schadenstiftende Ereignis ankomme. Es sei evident, dass dieser Nettogewinn nicht mit dem Kaufpreis übereinstimme. Denn das Vermögen der Beklagten wachse nur insoweit, wie sie einen Gewinn nach Abzug ihrer Kosten erziele. Auch der Bundesgerichtshof lege im Rahmen von § 852 Satz 1 BGB eine Überschussbetrachtung zugrunde, welche die Kosten in Abzug bringe (BGH, Urteil vom 29.05.1962, I ZR 132/60, GRUR 1962, 509, 512; BGH, Urteil vom 26.03.2019, X ZR 109/16, GRUR 2019, 496, Rn. 26). Entsprechend sei die Staatsanwaltschaft vorgegangen. Der Bußgeldbescheid der Staatsanwaltschaft Braunschweig schöpfe einen Gewinn von EUR 995 Mio. ab, wobei sich diese Summe auf 10,7 Mio. Fahrzeuge verteile. Auf den Einzelfall entfielen damit rund 93,00 €; dieser Betrag sei auch hier anzusetzen.
Angesichts der dargelegten greifbaren Anhaltspunkte für die Ermittlung des gerade durch die Umschaltlogik erzielten Gewinns sei es nicht erforderlich, auf durchschnittliche Herstellermagen zurückzugreifen, zumal die Beklagte das Datum „Gewinn pro Fahrzeug“ für …-Fahrzeuge auf dem deutschen Markt nicht gesondert erhoben habe. Ein „Gewinn pro Fahrzeug“ werde in den Rechnungslegungssystemen der Beklagten nicht ermittelt. Es finde auch keine systematische Erhebung des Gewinns für einzelne Fahrzeugmodelle und Motorisierungen statt. Das sei darauf zurückzuführen, dass an der Entwicklung und Herstellung einzelner Fahrzeugkomponenten sowie der Produktion und des Vertriebs eines Fahrzeugs zahlreiche Konzerngesellschaften in verschiedenen Ländern beteiligt seien. Insbesondere hinsichtlich der dabei konzernweit entstehenden Kosten und Aufwendungen gebe es in den Finanzsystemen keine verlässliche Grundlage, sie bestimmten Fahrzeugmodellen und Motorisierungen zuzuordnen. Auf einzelne Fahrzeuge umgelegte Gewinndaten könnten wegen dieser Komplexität in den Rechnungslegungssystemen der Beklagten nicht dargestellt werden.
Unabhängige Dritte ermittelten zudem durchschnittliche Gewinnzahlen aufgrund öffentlich verfügbarer Informationen. So ließen sich beispielsweise Studien von Prof. Ferdinand Dudenhöffer heranziehen. Dudenhöffer sei zur Zeit seiner in Bezug genommenen Studien Direktor des CAR-Center Automotive Research an der Universität Duisburg-Essen sowie Inhaber des Lehrstuhls für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Automobilwirtschaft an der Universität Duisburg-Essen gewesen. Aufgrund seiner Expertise in der Automobilbranche werde er in den Medien auch als „Autopapst“ bezeichnet. Er habe in seinen Studien die durchschnittlichen EBIT-Werte pro …-Pkw in den für die …-Fahrzeuge im Schwerpunkt maßgeblichen Verkaufsjahre 2012 bis 2015 ermittelt. Nach seinen Studien sei in diesen Jahren ein durchschnittlicher Gewinn von unter EUR 600,00 pro …-Fahrzeug erwirtschaftet worden (vgl. Anlage).
Sofern man einen Anspruch nach § 852 Satz 1 BGB überhaupt dem Grunde nach annehmen wolle, seien schließlich diverse bereicherungsmindernde Abzugsposten in Ansatz zu bringen, die den Anspruch „auf Null reduzieren“ würden. Die Beklagte könne sich bezüglich ihrer Aufwendungen zur Schadensbeseitigung im Zusammenhang mit den technischen Maßnahmen zur Entfernung der Umschaltlogik auf den Entreicherungseinwand nach § 818 Abs. 3 BGB berufen. Die Aufwendungen der Beklagten für Schadensbegrenzung, -beseitigung und -abwicklung seien zumindest anteilig in Abzug zu bringen.
Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Berufung.
Wegen des sonstigen Vorbringens der Parteien im Berufungsverfahren wird Bezug genommen auf das Senatsprotokoll vom 22.09.2021 (Bl. 345 ff. d. A.) sowie die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze samt Anlagen.
II.
Die zulässige Berufung der Klägerin hat in der Sache keinen Erfolg und ist daher zurückzuweisen. Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.
1. Das Landgericht hat zunächst zutreffend angenommen, dass die Ansprüche der Klägerin gegen die Beklagte nach §§ 826, 31 BGB oder § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 Abs. 1 BGB verjährt sind.
Dabei kann offenbleiben, ob – wie das Landgericht annimmt – die Klägerin bereits Ende 2015 positive Kenntnis hatte oder ihr zu diesem Zeitpunkt zumindest grob fahrlässige Unkenntnis zur Last zu legen ist. Denn die Klägerin hatte, wie ihre Angaben vor dem Landgericht (Bl. 205 d. A.) bestätigen, im Laufe des Jahres 2016 durch ein Anschreiben der Beklagten aus dem Februar 2016 Kenntnis im Sinne des § 199 BGB erlangt. Spätestens aufgrund dieses Schreibens war der Klägerin auch die individuelle Betroffenheit des von ihr erworbenen Dieselfahrzeugs bekannt (vgl. OLG Koblenz, Urteil vom 15.06.2021, 3 U 183/21, juris Rn. 32).
Hiernach steht fest, dass die Klägerin von dem Dieselskandal allgemein sowie von der konkreten Betroffenheit ihres Dieselfahrzeugs jedenfalls noch im Jahr 2016 Kenntnis erhalten hatte. Das reicht aus, um die Verjährung am 31.12.2016 beginnen zu lassen (vgl. BGH, Urteil vom 17.12.2020, VI ZR 739/20, NJW 2021, 918 Rn. 17).
Unabhängig davon wäre der Klägerin wenigstens grob fahrlässige Unkenntnis zur Last zu legen, wenn sie den Inhalt des ihr übersandten Schreibens nicht verstanden hätte und gleichwohl untätig geblieben wäre, also beispielsweise Nachfragen bei der Beklagten oder dem Autohaus, in dem sie das Fahrzeug erworben hat, unterlassen hatte.
Demzufolge war der Klägerin aufgrund der ihr bekannten Umstände eine Klageerhebung jedenfalls noch im Jahre 2016 zumutbar gewesen (vgl. nur BGH, Urteil vom 17.12.2020, VI ZR 739/20, NJW 2021, 918, Rn. 20).
2. Wie das Landgericht im Ergebnis zutreffend annimmt, steht der Klägerin auch der hilfsweise geltend gemachte Herausgabeanspruch aus § 852 Satz 1 BGB nicht zu.
a) So ist der klägerische Sachvortrag zur Anspruchshöhe schon nicht daran orientiert, dass ein etwaiger Herausgabeanspruch aus § 852 BGB von vorneherein darauf begrenzt ist, den von der Herstellerseite aus dem Kaufvertrag erlangten Gewinn abzuschöpfen. Denn es geht hierbei allein um eine Schadenskompensation durch Herausgabe des „Verletzergewinns“ (BGH, Urteil vom 26.03.2019, X ZR 109/16, BGHZ 221, 342 Rn. 20). Als unrechtmäßig erlangter Vermögensvorteil aus einem Neuwagenverkauf kommt somit nur der sogenannte Herstellergewinn, also der um die Produktions-, Herstellungs- und Lieferkosten (vgl. dazu im einzelnen Riehm NJW 2021,1625, 1628, 1629 Rn. 14 ff. und 20 im Anschluss an Martinek jM 2021, 9, 13 sowie des OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 21.01.2021, 19 U 170/20, juris Rn.16) und die Händlermarge gekürzte Betrag des Netto-Verkaufspreises in Betracht (insoweit zutreffend OLG Stuttgart, Urteil vom 12.05.2021, 9 U 17/21, juris Rn. 70 ff.; Riehm a.a.O.; Martinek a.a.O.). Auf eben diese Begrenzung laufen auch die Vorgaben der vorgenannten Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGHZ 221, 342 Rn. 26) zum Aussagewert der „Gestehungskosten“ für die Berechnung des „Verletzergewinns“ hinaus.
Die Gegenansicht (vgl. etwa OLG Stuttgart, Urteil vom 09.03.2021, 10 U 339/20, juris Rn. 58; OLG Karlsruhe, Urteil vom 09.07.2021, 13 U 168/21, juris Rn. 82 f. und OLG München, Urteil vom 26.07.2021, 3 U 1705/21, juris Rn. 51 ff.) ist schlechthin nicht nachvollziehbar, weil sie bereits elementare Grundsätze der Betriebswirtschaftslehre einschließlich der Bilanzanalyse ausblendet. Denn erst dann, wenn anhand dieser Vorgaben eine tragfähige Beurteilungsgrundlage erarbeitet worden ist, kann überhaupt zu der Frage vorgedrungen werden, ob und in welchem Umfang auch die Voraussetzungen einer verschärften Haftung nach den §§ 818 Abs. 4, 819 Abs. 1 BGB vorliegen.
b) Auf diese Schlüssigkeitsmängel kommt es jedoch nicht streitentscheidend an, weil die vorliegende Fallgestaltung schon nicht in den Anwendungsbereich des § 852 Satz 1 BGB fällt. Das folgt bereits aus dem klaren Sinn und Zweck der Norm.
aa) Nach der Vorschrift des § 852 Satz 1 BGB soll ein deliktischer Schädiger, der durch eine gegen fremdes Vermögen gerichtete Tathandlung sein eigenes Vermögen vermehrt hat, auch nach dem Eintritt der Verjährung nicht im Genuss des unrechtmäßig erlangten Vorteils bleiben (BGH, Urteil vom 14.02.1978, X ZR 19/76, NJW 1978, 1377 Rn. 62). Dieses Regelungsziel ist jedoch zugleich Ausdruck eines konkreten und damit den Geltungsbereich der Norm begrenzenden Schutzzwecks.
(1) Wie die Reformdiskussion um die ersatzlose Streichung des § 852 Abs. 3 BGB a.F. bestätigt hat, ist diese Bestimmung auf besondere Fallgruppen zugeschnitten, in denen dem Geschädigten schon wegen der extremen Eingriffstiefe und/oder des Umfangs oder der Art und Weise der deliktischen Vermögensverschiebung nicht zuzumuten ist, das Fortbestehen der auf Seiten des Schädigers eingetretenen Bereicherung nur deshalb hinzunehmen, weil die allgemeine Verjährungsfrist schon abgelaufen ist oder ihr Ablauf bevorsteht.
Im Vordergrund stehen dabei die außergewöhnlichen Schwierigkeiten bei der Nachverfolgung einer Beute aus schweren Straftaten wie Lösegelderpressungen (wie etwa in dem Entführungsfall „Oetker“ mit dem „Auftauchen“ eines Teils der Millionenbeute in England nach der Haftentlassung des Täters), Raubdelikten oder (Groß-)Einbrüchen; in zweiter Linie soll die oft schon aus Rechtsgründen aufwendige Abschöpfung von ergaunerten Vermögensvorteilen aus Patent- und anderen Schutzrechtsverletzungen erleichtert werden (vgl. BT-Drucks. 14/6040, S. 270; Staudinger/Vieweg, 2014, § 852 Rn. 5; zu den mit der Ermittlung des Verletzergewinns verbundenen Besonderheiten im Patentrecht siehe nunmehr BGHZ 221, 342 Rn. 23 ff.). Die Vorschrift des § 852 Satz 1 BGB verfolgt somit einen auf exemplarische Sachverhalte einer signifikant erschwerten Anspruchsdurchsetzung begrenzten Schutzzweck und hat insoweit den Charakter einer Ausnahmeregelung.
(2) Das in den Gesetzesmaterialien (BT-Drucks. 14/6040 a.a.O.) sorgfältig nachgezeichnete Abwägungsergebnis lässt sich also keineswegs, wie das OLG München (Urteil vom 26.07.2021, 3 U 1705/21, juris Rn. 40, 41) offenbar meint, auf das Fazit reduzieren, dass sich die Befürworter einer Streichung nicht durchgesetzt hätten. Ebensowenig lässt sich der teleologische Auslegungsbefund eines auf typische Konstellationen einer – bereits nach dem Schadensbild – erheblich bis außergewöhnlich erschwerten Anspruchsverwirklichung ausgelegten Schutzzwecks mit der substanzlosen Erwägung beiseiteschieben, die erwähnte Reformdiskussion zu § 853 Abs. 3 BGB a.F. habe bestätigt, dass „der Deliktsschuldner … im Allgemeinen nicht schutzwürdig“ sei (so jedoch OLG Koblenz, Urteil vom 29.07.2021, 6 U 934/20, juris Rn. 61). Dass ein deliktischer Schädiger grundsätzlich einen geringeren Schutzstatus als ein sonstiger Schuldner zu beanspruchen hat, ist nur ein Bezugspunkt des zweigleisigen Schutzkonzepts.
(3) Erst recht nicht kann der Versuch überzeugen, in den (ohnehin missverstandenen) Normzweck auch noch das mit der aktuellen Einführung einer Musterfeststellungsklage nach § 606 ZPO verfolgte Anliegen eines verbesserten Verbraucherschutzes hineinzulesen (so ausdrücklich OLG Oldenburg, Urteil vom 22.04.2021, juris Rn. 49; OLG Koblenz a.a.O. Rn. 62): Ein solcher Ansatz verbietet sich bereits auslegungsmethodisch, weil das neu geschaffene Institut einer Musterfeststellungsklage ausschließlich dazu gedacht ist, als ad hoc-Instrument der prozessualen Durchsetzung von Verbraucherinteressen zu fungieren.
Wenn überhaupt, so lässt sich an den Gesichtspunkt eines insoweit nun auch prozessual optimierten Verbraucherschutzes nur mit der entgegengesetzten Blickrichtung anknüpfen: Denn inzwischen ist auch geklärt, dass selbst eine erst nach Ablauf der ursprünglichen Verjährungsfrist erfolgte Anmeldung zum Klageregister eine auf den Zeitpunkt der Erhebung der Musterfeststellungsklage zurückwirkende Hemmung der Verjährung auszulösen geeignet ist (vgl. BGH, Urteil vom 27.07.2021, VI ZR 1118/20, juris Rn. 27 ff.). Somit hatte eine betroffene Käuferseite wie hier sogar die Möglichkeit, auch noch die – vorübergehende – Teilnahme am Musterklageverfahren für eine Hinausschiebung des Verjährungseintritts zu nutzen. Der Umstand, dass durch die Einführung der Musterfeststellungsklage zugleich eine prozesstaktische Option in der Verjährungsfrage eröffnet wurde, veranschaulicht daher auch unter diesem Blickwinkel eine geradezu institutionelle Begünstigung von Verbraucherbelangen. Daraus kann sich jedenfalls nicht auch noch ein Argument dafür ergeben, selbst eine (gleichwohl) erst nach Eintritt der Verjährung klagende Käuferseite noch in den Schutzbereich des § 852 BGB aufzunehmen. Vielmehr liegt die umgekehrte Folgerung nahe.
(4) Der somit in die Regelung des § 852 BGB eingegangene Schutzgedanke passt offenkundig nicht auf den typischen und auch hier vorliegenden Rahmensachverhalt eines Dieselskandalfalls (so im Ergebnis bereits OLG Düsseldorf, Urteil vom 20.05.2021, 5 U 57/20, juris Rn. 56 sowie Senatsurteil vom 04.08.2021, 3 U 110/21, juris Rn. 11 = BB 2021, 1986):
Der Käufer hat ein nach dem Maßstab der Vertragsäquivalenz an sich voll funktionstüchtiges Fahrzeug erworben, für dessen Nutzung er sich daher im Rahmen der Schadensbemessung eine der Fahrleistung entsprechende Gebrauchsentschädigung anrechnen zu lassen hat mit der Folge, dass das vom Käufer geschuldete Nutzungsentgelt den ursprünglich in Höhe des Kaufpreises bestehenden Erstattungsanspruch sogar vollständig aufzehren kann. Für die Käuferseite besteht also von vornherein die Aussicht, bereits durch eine bestimmungsgemäße Nutzung – des in tatsächlicher Hinsicht voll funktionstauglichen (BGH, Versäumnisurteil vom 06.07.2021, VI ZR 1146/20, juris Rn. 11) – Fahrzeugs eine weitgehende und gegebenenfalls auch vollständige Kompensation zugunsten der beim Erwerb in ihrem Selbstbestimmungsrecht beeinträchtigten Käuferseite herbeiführen zu können. Denn allein die vertragskonforme Nutzung kann zu einem vollständigen Wegfall des Schadens des Erwerbers führen (BGH, Urteil vom 30.07.2020, VI ZR 354/19, BGHZ 226, 322, Rn. 11, 15).
Hierbei ist noch nicht berücksichtigt, dass eine Bemessung der Nutzungsentschädigung nach der durchweg praktizierten linearen Wertabschreibung bei bestimmten Fallgestaltungen auch noch zu einer zusätzlichen Begünstigung der Käuferseite führt (vgl. etwa OLG Frankfurt, Urteil vom 21.04.2021, 17 U 477/19, juris Rn. 30 ff.).
Schon vor diesem Hintergrund ist es mit dem dargelegten Schutzzweck des § 852 Satz 1 BGB nicht in Einklang zu bringen, dass der geschädigte Erwerber von Anfang an in die Lage versetzt ist, (1.) den Ablauf und Umfang der nutzungsabhängigen Kompensation grundsätzlich selbst zu bestimmen, (2.) sich dabei jederzeit zugleich die zusätzliche Option eines Weiterverkaufs offenzuhalten (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 20.07.2021, VI ZR 575/20, juris Rn. 25; Urteil vom 20.07.2021, VI ZR 533/20, juris Rn. 24) und (3.) schließlich in der Verjährungsfrage auch noch mit der Möglichkeit einer vorübergehenden Beteiligung an der Musterfeststellungsklage zu taktieren.
bb) Dieses Einordnungsergebnis einer besonderen und daher aus dem Anwendungsbereich des § 852 BGB herausfallenden Schadensstruktur wird durch den weiteren Gesichtspunkt bestätigt, dass es hierbei um einen rein normativen Schaden geht (ohne dass dadurch der vom Gesetzgeber angestrebte Geltungsbereich für das gesamte allgemeine Deliktsrecht [vgl. BT-Drucks. 14/6040, S. 270] in Frage gestellt wird).
Der Käuferseite ist nämlich durch den von ihr im Nachhinein ungewollten Vertragsschluss nur ein normativer, kein nach der Differenzmethode messbarer wirtschaftlicher Schaden entstanden (vgl. BGH, Urteil vom 25.05.2020, VI ZR 252/19, NJW 2020, 1962 Rn. 45 ff.). Auch wenn der Bundesgerichtshof inzwischen klargestellt hat, dass sich nach Erfüllung der ungewollt eingegangenen Verbindlichkeit der „Vermögensschaden“ des Erwerbers in seiner Kaufpreiszahlung fortgesetzt habe (BGH, Urteil vom 20.07.2021, VI ZR 575/20, juris Rn. 17; Urteil vom 20.07.2021, VI ZR 533/20, juris Rn. 16, Urteil vom 20.07.2021, VI ZR 152/20, juris Rn. 24), verbleibt es dabei, dass es sich um einen normativen und nicht um einen wirtschaftlichen Schaden handelt.
(1) Allerdings wird von einem Teil der obergerichtlichen Rechtsprechung angenommen, die Anwendbarkeit von § 852 Satz 1 BGB könne nicht allein deshalb verneint werden, weil dem Erwerber nur ein normativer Schaden entstanden sei; denn der Anspruch nach § 852 Satz 1 BGB behalte die Rechtsnatur des originären deliktischen Schadensersatzanspruchs, weshalb das Vorliegen eines gemäß § 826 BGB zu ersetzender Schaden genügen müsse (so etwa OLG Koblenz, Urteil vom 29.06.2021, 6 U 934/20, juris Rn. 59; OLG Hamm, Urteil vom 03.05.2021, 17 U 196/20, juris Rn. 4; OLG Oldenburg, Urteil vom 22.04.2021, 14 U 225/20, juris Rn. 43 ff.; OLG Düsseldorf, Urteil vom 13.04.2021, 23 U 143/20, juris Rn. 30; OLG Stuttgart, Urteil vom 09.03.2021, 10 U 339/20, juris Rn. 46).
Diese Gegenmeinung ist jedoch nur im Ausgangspunkt noch schlüssig. Sie verkennt nämlich, dass die Anwendung von § 852 Satz 1 BGB nicht nur einen nach § 826 BGB zu ersetzenden Schaden, sondern nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs außerdem eine mit dem eingetretenen Schaden korrespondierende Bereicherung auf Seiten des Anspruchsgegners – hier: des verklagten Herstellers – voraussetzt. Denn nur dann, wenn und soweit der Vermögensverlust beim Geschädigten einen entsprechenden Vermögenszuwachs beim Schädiger zur Folge gehabt hat, dieser also „bereichert“ wurde, ist das Erlangte herauszugeben (so ausdrücklich BGH NJW 1978, 1377 Rn. 63). Jedenfalls an diesem Erfordernis fehlt es denknotwendig, wenn der reklamierte Vermögensnachteil keinen messbaren wirtschaftlichen Schadenseinschlag, sondern nur einen normativen Schaden darstellt (so bereits OLG Oldenburg, Beschluss vom 05.01.2021, 2 U 168/20, BeckRS 2021, 1641 Rn. 17 ff.; nunmehr auch OLG Koblenz, Urteil vom 25.06.2021, 15 U 19/21, bisher unveröffentlicht).
(2) Sodann und vor allem setzt sich die Gegenansicht darüber hinweg, dass § 852 Satz 1 BGB keineswegs nur den Geschädigten – und diesen nicht einmal vorbehaltlos, sondern nur mit einem auf die Fälle einer erschwerten Anspruchsdurchsetzung begrenzten Regelungszweck -, sondern zugleich den Anspruchsgegner schützt, dem immerhin die Einrede der Verjährung aus der Hand genommen wird.
Nach dem Schutzkonzept des § 852 Satz 1 BGB braucht nämlich der Schädiger nach Ablauf der Regelverjährungsfrist der §§ 195, 199 BGB nicht (mehr) sein eigenes Vermögen für den Ausgleich des Schadens einsetzen (BGHZ 221, 342 Rn. 23; MüKo-BGB/Wagner, 8. Aufl. 2020, § 852 Rn. 2). Ihm wird lediglich noch zugemutet, dasjenige herauszugeben, was ihm an fremdem Vermögen zugeflossen und weiterhin in seinem Vermögen vorhanden ist; er muss also nicht mehr für einen Schaden einstehen, dem kein eigener wirtschaftlicher Vorteil entspricht (so ausdrücklich BGHZ a.a.O.). In den Fällen jedoch, in denen lediglich ein normativer Schaden vorliegt, ist regelmäßig notwendig, dass der Schädiger sein eigenes Vermögen einsetzen müsste, um den wirtschaftlich gar nicht messbaren Schaden auszugleichen.
(3) Zudem muss der auch aus dem Gesichtspunkt eines „lediglich“ normativen Schadens folgende Ausnahmecharakter des vorliegenden Schadenseinschlags gesehen und konsequent zu Ende gedacht werden (Senatsurteil vom 04.08.2021 a.a.O., Rn. 15):
Zunächst hat der den geltend gemachten Dispositionsschaden der Käuferseite auslösende Sachmangel einer – latenten, regelmäßig (nur) bis zur Nachrüstung bestehenden – Gefahr einer Betriebsuntersagung (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 21.07.2021, VIII ZR 254/20, juris Rn. 33 bis 35) nicht nur keine Auswirkungen auf die Funktionstüchtigkeit des betroffenen Fahrzeugs. Die Klagepartei hat vielmehr, wie dargelegt, als Gegenleistung für die Kaufpreiszahlung ein in tatsächlicher Hinsicht voll nutzbares Fahrzeug erhalten (BGH, Versäumnisurteil vom 06.07.2021, VI ZR 1146/20, dort Rn. 11).
Darüber hinaus wird der Mangel aufgrund der durchgeführten Nachrüstung in den allermeisten Fällen einer nach Eintritt der Verjährung erfolgten Klageerhebung bis dahin auch längst behoben worden sein. Hierbei ist es zur Vermeidung eines Nutzungsausfalls der Käuferseite auch grundsätzlich zuzumuten, sich (zunächst) auf die vom Hersteller angebotene Nachbesserung durch ein vom Kraftfahrtbundesamt genehmigtes Software-Update einzulassen (so ausdrücklich BGH, Beschluss vom 13.04.2021, VIII ZR 195/20, juris Rn. 3).
Schließlich gibt es im Bereich des Fahrzeugleasings sogar Fälle, in denen aufgrund der Vertragsgestaltung in Kombination mit der bestimmungsgemäßen Nutzung des Fahrzeugs nicht einmal ein normativer Schaden entsteht, weil dieser stets „Null“ beträgt (vgl. dazu nunmehr BGH, Urteil vom 16.09.2021, VII ZR 192/20).
(4) Erst recht ist nicht ist eine Erwerberseite schutzbedürftig, wenn sie den Wagen bereits (weit) vor Klageerhebung wieder veräußert hatte – etwa nach einem Unfall oder bei der Inzahlunggabe des Pkws im Rahmen der Anschaffung eines anderen Wagens. In solchen Fällen stellt sich zudem regelmäßig heraus, dass im Zeitpunkt des Weiterverkaufs die konkrete Betroffenheit des Fahrzeugs noch gar nicht bemerkt worden war und daher auch bei den Verhandlungen über den Kaufpreis von vornherein keine Rolle gespielt hatte. Die nachträgliche „Erkenntnis“ eines dem ursprünglichen Erwerb anhaftenden „Dispositionsschadens“ ändert somit nichts daran, dass die vorausgegangene Disposition ohne jeden motivatorischen Zusammenhang mit einem wirtschaftlich spürbaren Schadenseinschlag erfolgt war.
cc) Schließlich kann bei der Erörterung des Normzwecks nicht außer Betracht bleiben, dass § 852 Satz 1 BGB der Sache nach einen „lediglich“ einen Anspruch auf Gewinnabschöpfung begründet.
(1) Wie bereits dargelegt, bleibt der Anspruchsumfang inhaltlich darauf begrenzt, dass der Schädiger aus übergeordneten Gründen der materiellen Gerechtigkeit auch nach Verjährungseintritt die wirtschaftlichen Vorteile seines rechtswidrigen Handelns nicht behalten darf (BGHZ 221, 342 Rn. 23; OLG Düsseldorf, Urteil vom 13.04.2021, 23 U 143/20, Rn. 29; OLG Stuttgart, Urteil vom 12.05.2021, 9 U 17/21, juris Rn. 70; vgl. auch Martinek, jM 2021, 56: „Gewinnabschöpfungsfunktion“; Bruns, NJW 2021, 1121, 1122: „Vorteilsabschöpfung“; Riehm, NJW 1625, 1626: „Abschöpfungsprinzip“). Hierbei ist das in § 852 Satz 1 BGB umgesetzte Abschöpfungsprinzip zugleich ein eigenständiger Hinweis darauf, dass eine einmal eingetretene Verjährung der Anspruchsdurchsetzung grundsätzlich (nur dann) nicht entgegensteht, wenn und soweit dem Geschädigten ein endgültiger Verbleib des Tatvorteils beim Schädiger nach einem übergeordneten Maßstab der Güterzuordnung nicht zuzumuten ist. Damit ist auch unter diesem Blickwinkel die Möglichkeit einer Verjährungsdurchbrechung daran gekoppelt, dass die Grenzen des Zumutbaren überschritten sind.
(2) Im gleichen Zusammenhang verweist die Beklagtenseite zu Recht auf den Ausgang des gegen sie auch wegen der Verwendung der vorliegend einschlägigen „Umschaltlogik“ in Motoren des Typs … eingeleiteten Ordnungswidrigkeitenverfahrens. Ihr dahingehender Vortrag ist unbestritten geblieben. Danach hatte die Staatsanwaltschaft Braunschweig gegen den …-Konzern bereits mit Bescheid vom 13.06.2018 ein Bußgeld von einer Milliarde Euro verhängt, welches fast ausschließlich – in Höhe von 995.000.000,00 € – zur Abschöpfung des unrechtmäßig vereinnahmten Gewinns (§ 17 Abs. 4 OWiG) bestimmt war.
Allerdings erfolgt eine solche Gewinnabschöpfung nach dem OWiG – anders als die Einziehung von Tatvorteilen nach den Vorschriften des StGB – nicht vorrangig im Interesse des oder der Geschädigten und wird der abgeschöpfte Betrag nicht – auch nicht anteilig – an konkrete Tatopfer ausgekehrt. Das nimmt der Tragweite der vorliegenden Sanktion jedoch keineswegs jede Bedeutung für die hier vorzunehmende Bewertung.
Zunächst einmal bleibt festzuhalten, dass eine Abschöpfung gemäß § 17 Abs. 4 OWiG der Sache nach auf dieselben Ziele ausgerichtet ist wie die auf denselben Rechtsgedanken beruhenden Institute des StGB (vgl. BT-Drucks 18/11640, dort S. 83).
Zudem geht es, wie dargelegt, bei der Bestimmung der tatbestandlichen Grenzen einer Verjährungsdurchbrechung vor allem um eine Abwägung nach Zumutbarkeitskriterien. Daran kann jedoch auch bei einer im Sanktionswege bewirkten Abschöpfung unmittelbar angeknüpft werden. Denn es lässt sich nicht ernsthaft bestreiten, dass auch die Verhängung einer vorrangig der Gewinnabschöpfung dienenden Geldbuße wie hier nicht lediglich den privativen Charakter eines bloßen Vermögensabflusses hat, sondern zugleich als eine Maßnahme mit distributivem Gerechtigkeitsgehalt wahrgenommen wird.
Dementsprechend hat bereits im Bußgeldverfahren gegen die Beklagte eine Gewinnabschöpfung stattgefunden, deren Auswirkungen und Tragweite auch für die vorliegende Einordnung Gewicht haben. Wie offenbar auch die Klägerseite nicht ernsthaft anzweifelt, ist die Größenordnung des Bußgeldes hinreichend aussagekräftig, um darauf die Annahme zu stützen zu können, dass aufgrund dieser Sanktion die von der Beklagten generierten Tatvorteile zu einem wesentlichen Teil, zumindest aber in einem den (Billigkeits-)Vorgaben einer abschließenden Güterzuordnung genügenden Umfang in Wegfall gekommen sind. Infolgedessen ist auch für den Streitfall – sofern es darauf wegen der ohnehin fehlenden Schutzwürdigkeit der Klägerseite überhaupt noch ankommt – von einer so weitreichenden Verschiebung der tatbestandlichen Zumutbarkeitsgrenze auszugehen, dass der Klagepartei auch aus diesem Grund ein Rückgriff auf den Hilfsanspruch aus § 852 Satz 1 BGB verwehrt bleiben muss.
3. Ein Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte wegen der angeblichen Implementierung einer unzulässigen Abschalteinrichtung in Form eines „Thermofensters“ durch das Software-Update besteht, wie das Landgericht zutreffend erkannt hat, ebenfalls nicht. Für den vorliegend – nur – geltend gemachten Kaufpreiserstattungsanspruch ist eine etwaige weitere Täuschungshandlung nach Vertragsschluss nicht kausal (ebenso OLG München, Beschluss vom 28.05.2021, 8 U 6521/20, juris Rn. 50). Soweit die Klägerin vorträgt, ihr sei durch das Software-Update ein „weiterer Schaden“ entstanden (Seite 26 der Klageschrift = Bl. 26 d. A., Seite 13 der Replik = Bl. 139 d. A.), bleibt sie jede Darlegung schuldig, worin dieser Schaden bestehen soll.
Die Verwendung eines „Thermofensters“ ist zudem nicht per se, sondern nur unter – hier nicht dargelegten – weiteren Voraussetzungen sittenwidrig (BGH, Beschluss vom 09.03.2021, VI ZR 889/20, juris Rn. 25 ff.). Überdies ist der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidungsserie vom 16.09.2021 (Urteile des BGH vom 16.09.2021, VII ZR 190/20, 286/20, 321/20 und 322/20) unabhängig vom konkret verwendeten Typ des Dieselmotors und herstellerübergreifend nunmehr zu dem Ergebnis gelangt, dass es im Hinblick auf die – bis heute bestehende – unsichere Rechtslage bei der Beurteilung der Zulässigkeit des Thermofensters sowohl an einem besonders verwerflichen Verhalten des Herstellers als auch an dem erforderlichen Schädigungsvorsatz fehlt: Danach kann bei einer Abschalteinrichtung wie hier, die im Grundsatz auf dem Prüfstand in gleicher Weise arbeitet wie im realen Fahrbetrieb und bei der sich die Frage der Zulässigkeit nicht eindeutig und unzweifelhaft beantworten lässt, bei Fehlen sonstiger Anhaltspunkte nicht ohne Weiteres unterstellt werden, dass die für die Beklagte handelnden Personen in dem Bewusstsein handelten, eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden, und den darin liegenden Gesetzesverstoß billigend in Kauf nahmen. Eine möglicherweise nur fahrlässige Verkennung der Rechtslage genügt für die Feststellung der besonderen Verwerflichkeit des Verhaltens der Beklagten nicht. Allein aus der – unterstellten – objektiven Unzulässigkeit der Abschalteinrichtung in Form des Thermofensters folgt ferner kein Vorsatz hinsichtlich der Schädigung der Fahrzeugkäufer. Im Hinblick auf die unsichere Rechtslage – hinsichtlich des unstreitig in den Fahrzeugen der Kläger verbauten Thermofenster fehlt es bis heute an einer behördlichen Stilllegung oder einem Zwang zu Umrüstungsmaßnahmen – ist nicht dargetan, dass sich den für die Beklagte tätigen Personen die Gefahr einer Schädigung des Klägers hätte aufdrängen müssen.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Anordnung der vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10; 711 ZPO.
Die Revision ist zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung und in dem im Tenor umschriebenen Umfang zuzulassen. Der Senat weicht, indem er die Anwendbarkeit des § 852 Satz 1 BGB (auch) in den Fällen des Neuwagenkaufs grundsätzlich verneint, von der Rechtsprechung mehrerer Oberlandesgerichte ab (vgl. OLG Koblenz, Urteil vom 29.07.2021, 6 U 934/20, juris Rn. 57; Urteil vom 31.03.2021, 7 U 1602/20, juris Rn. 46; OLG Karlsruhe, Urteil vom 09.07.2021, 13 U 168/21, juris Rn. 73; OLG Stuttgart, Urteil vom 12.05.2021, 9 U 17/21, juris Rn. 61, juris; Urteil vom 09.03.2021, 10 U 339/20, juris Rn. 36; OLG Hamm, Urteil vom 03.05.2021, 17 U 196/20, juris Rn. 4; OLG Oldenburg, Urteil vom 22.04.2021, 14 U 225/20, juris Rn. 42; Urteil vom 02.03.2021, 12 U 161/20, BeckRS 2021, 3326 Rn. 33; OLG Düsseldorf, Urteil vom 13.04.2021, 23 U 143/20, juris Rn. 28).


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