Europarecht

Kostenentscheidung bei Erledigung der Hauptsache

Aktenzeichen  AN 17 K 20.50062

Datum:
21.4.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 10590
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwVfG § 43 Abs. 2
VwGO § 161 Abs. 2
Dublin III-VO Art. 29 Abs. 1 UAbs. 1, Abs. 2 S. 1

 

Leitsatz

Wird der Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt, ist über die Verfahrenskosten nach billigem Ermessen und unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands zu entscheiden, wobei es regelmäßig der Billigkeit entspricht, demjenigen die Kosten aufzuerlegen, der ohne die Erledigung voraussichtlich nach summarischer Prüfung unterlegen wäre oder der das erledigende Ereignis aus eigenem Willensentschluss herbeigeführt hat (ebenso BVerwG BeckRS 2006, 21285). (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Das Verfahren wird eingestellt.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Nachdem die Klägerin durch ihre Bevollmächtigte mit Schriftsatz vom 19. April 2021 den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt hat und die Beklagte mit Schriftsatz vom 31. März 2021 der Erledigungserklärung bereits vorab uneingeschränkt zugestimmt hatte, ist das Verfahren in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen und über die Kosten des Verfahrens gemäß § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO nach billigem Ermessen und unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands zu entscheiden.
Dem billigen Ermessen entspricht es in der Regel, demjenigen Beteiligten die Kosten aufzuerlegen, der ohne die Erledigung voraussichtlich, nach summarischer Prüfung, unterlegen wäre oder der das erledigende Ereignis aus eigenem Willensentschluss herbeigeführt hat (BVerwG, B.v. 2.2.2006 – 1 C 4/05 – BeckRS 2006, 21285 Rn. 2; BeckOK VwGO/Zimmermann-Kreher, 51. Edition 2019, § 161 Rn. 13 f.). Eine eingehende Prüfung der Erfolgsaussichten der Klage ist hingegen nicht mehr vorzunehmen (Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 161 Rn. 16).
Das erledigende Ereignis liegt in der Aufhebung des angefochtenen Dublin-Bescheids mit Abschiebungsanordnung nach Griechenland vom 20. Januar 2020 durch Schriftsatz des Bundesamts vom 31. März 2021, eingegangen am 12. April 2021, in Folge des Ablaufs der sechsmonatigen Überstellungsfrist nach Art. 29 Abs. 1 Unterabs. 1, Abs. 2 Satz 1 der Verordnung (EU) 604/2013 (Dublin III-VO). Der Ablauf der Überstellungsfrist für sich genommen würde hingegen nicht automatisch zur Erledigung des Bescheids nach § 43 Abs. 2 VwVfG führen (BayVGH, B.v. 18.5.2020 – 3 ZB 20.50004/50005 – juris Rn. 5) und kann deshalb nicht zeitlicher Bezugspunkt der summarischen Prüfung des hypothetischen Ausgangs des Rechtsstreits sein.
Dies zugrunde gelegt sind die Kosten des Verfahrens der Beklagten aufzuerlegen, weil die Gründe für die Aufhebung des streitgegenständlichen Bescheids in ihrer Sphäre liegen. Ohne die Aufhebung nämlich wäre die Beklagte im nach § 77 Abs. 1 AsylG maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt unterlegen, da nach Ablauf der Überstellungsfrist die Zuständigkeit für das Asylverfahren der Klägerin gemäß Art. 29 Abs. 2 Satz 1 Dublin III-VO auf sie übergeht und damit die Unzulässigkeitsentscheidung nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a AsylG und die auf ihr aufbauenden Folgeentscheidungen rechtswidrig werden. Dieser Rechtsnachteil ist der Beklagten gesetzlich zugewiesen und es besteht kein Anlass die Klägerseite über die Kostenentscheidung am Risiko einer nicht rechtzeitigen Überstellung zu beteiligen, auch weil hier nichts dafür ersichtlich ist, dass die Klägerin die Abschiebung durch Flucht, Untertauchen oder ähnliches obstruiert hätte (vgl. VG Würzburg, B.v. 26.3.2020 – W 10 K 19.50533 – juris Rn. 5). Eine andere Kostenverteilung lässt sich schließlich nicht mit dem Argument rechtfertigen, dass nicht der Beklagten durch das Bundesamt die Durchführung der Überstellung obliege, sondern der zuständigen Ausländerbehörde (etwa VG München, B.v. 11.7.2014 – M 21 K 14.30481 – juris Rn. 7). Zwar vollzieht die Ausländerbehörde bzw. die Polizei der Länder die Überstellung (vgl. § 71 Abs. 1, Abs. 5 AufenthG), jedoch hat das Bundesamt das Abschiebungsverfahren, wie sich § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG entnehmen lässt, während seiner Dauer „unter Kontrolle zu halten“ und dabei zu prüfen, ob sich etwa nachträglich Abschiebungshindernisse ergeben. In dieser Situation wäre es unbillig das Verhalten der Ausländerbehörde als „verlängerter Arm“ des Bundesamts beim Vollzug der Abschiebung der Klägerin zuzurechnen, obwohl die Arbeitsteilung zwischen Ausländerbehörde und Bundesamt stattfindet (BayVGH, B.v. 18.5.2020 – 3 ZB 20.50004/50005 – juris Rn. 7; VG Würzburg, B.v. 26.3.2020 – W 10 K 19.50533 – juris Rn. 4).
Gerichtskosten werden nicht erhoben, § 83b AsylG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 80 AsylG.


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