Europarecht

Meldebescheinigung, Eigenheimzulage, Maßgeblicher Zeitpunkt, Ständige Verwaltungspraxis, Verwaltungsgerichte, Streitwertfestsetzung, Zuwendungen, Befähigung zum Richteramt, Vorläufige Vollstreckbarkeit, Gerichtliche Überprüfung, Ermessenslenkende Verwaltungsvorschrift, Rechtsmittelbelehrung, Gleichheitssatz, Fördervoraussetzungen, Ablehnungsbescheid, Selbstbindung der Verwaltung, Bewilligungsverfahren, Prozeßkostenhilfeverfahren, Ermessensentscheidung, Antragsfrist

Aktenzeichen  W 8 K 20.970

Datum:
18.1.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 653
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayHO Art. 23
BayHO Art. 44
GG Art. 3
BMG § 17 Abs. 1
BMG § 18 Abs. 2 S. 1
Bayerische Eigenheimzulagen-Richtlinien – EHZR

 

Leitsatz

Tenor

I.    Die Klage wird abgewiesen. 
II.    Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. 
III.    Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet. 

Gründe

Die Klage ist als Verpflichtungsklage in Form der Versagungsklage zulässig.
Die Klage ist unbegründet. Der streitgegenständliche Ablehnungsbescheid vom 30. Juni 2020 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Er hat keinen Anspruch auf die begehrte Eigenheimzulage.
Formfehler des streitgegenständlichen Bescheides sind nicht gegeben. Ein Begründungsmangel wäre – sofern nicht ohnehin die Ausnahme des Art. 39 Abs. 2 Nr. 3 BayVwVfG greift – jedenfalls gemäß Art. 45 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 BayVwVfG geheilt.
Der Kläger hat keinen Rechtsanspruch auf Gewährung einer Zuwendung in Form der Eigenheimzulage in Höhe von 10.000,00 EUR aufgrund ständiger Verwaltungspraxis des Beklagten auf der Basis der Richtlinien. Des Weiteren liegt auch kein typischer Ausnahmefall vor. Genauso wenig ist der Ausschluss des Klägers von der Eigenheimzulage nach den Richtlinien und der Förderpraxis des Beklagten als gleichheitswidriger oder gar willkürlicher Verstoß zu werten.
Denn bei Zuwendungen der vorliegenden Art handelt es sich um freiwillige staatliche Maßnahmen. Eine explizite Rechtsnorm, die konkret einen Anspruch des Klägers auf Bewilligung der beantragten Zuwendung begründet, existiert nicht. Vielmehr erfolgt die Zuwendung auf der Grundlage der einschlägigen Richtlinien im billigen Ermessen der Behörde und im Rahmen der dafür im Haushaltsplan besonders zur Verfügung gestellten Ausgabemittel (Art. 23, 44 BayHO). Ein Rechtsanspruch besteht danach nur ausnahmsweise, insbesondere aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG) durch eine Selbstbindung der Verwaltung aufgrund einer ständigen Verwaltungspraxis auf Basis der einschlägigen Richtlinien. Die Richtlinien begründen als ermessenslenkende Verwaltungsvorschriften nicht wie Gesetze und Rechtsverordnungen unmittelbar Rechte und Pflichten, sondern entfalten erst durch ihre Anwendung Außenwirkung. Das Gericht ist somit grundsätzlich an den Zuwendungszweck gebunden, wie ihn der Zuwendungsgeber versteht. Für die gerichtliche Prüfung einer Förderung ist entscheidend, wie die Behörde des zuständigen Rechtsträgers die Verwaltungsvorschrift im maßgeblichen Zeitpunkt in ständiger Praxis gehandhabt hat und in welchem Umfang sie infolgedessen durch den Gleichheitssatz gebunden ist (vgl. BayVGH, U.v. 11.10.2019 – 22 B 19.840 – BayVBl 2020, 365 – juris Rn. 26; U.v. 28.10.1999 – 19 B 96.3964 – juris Rn. 59; VG München, U.v. 19.11.2009 – M 15 K 07.5555 – juris Rn. 30). Ein Anspruch auf die Förderung besteht im Einzelfall über den Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung und den Gleichheitssatz dann, wenn die in den Richtlinien dargelegten Fördervoraussetzungen vorliegen und vergleichbare Anträge in ständiger Förderpraxis des Beklagten auch positiv verbeschieden werden (BayVGH, U.v. 11.10.2019 – 22 B 19.840 – BayVBl 2020, 365 – juris Rn. 26; vgl. auch ausführlich VG Würzburg, U.v. 25.5.2020 – W 8 K 19.1546 – juris sowie B.v. 18.6.2020 – W 8 E 20.736 – juris).
Dabei dürfen solche Richtlinien nicht – wie Gesetze oder Verordnungen – gerichtlich ausgelegt werden, sondern sie dienen nur dazu, eine dem Gleichheitsgrundsatz entsprechende Ermessensausübung der Behörde zu gewährleisten (BayVGH, B.v. 18.5.2020 – 6 ZB 20.438 – juris). Da Richtlinien keine Rechtsnormen sind, unterliegen sie grundsätzlich keiner richterlichen Interpretation. Eine Überprüfung hat sich darauf zu beschränken, ob aufgrund der einschlägigen Förderrichtlinien überhaupt eine Verteilung öffentlicher Mittel vorgenommen werden kann (Vorbehalt des Gesetzes) und bejahendenfalls, ob bei Anwendung der Richtlinien in Einzelfällen, in denen die begehrte Leistung versagt worden ist, der Gleichheitssatz (Art. 3 GG) verletzt oder der Rahmen, der durch die gesetzliche Zweckbestimmung gezogen ist, nicht beachtet worden ist (vgl. BVerwG, U.v. 26.4.1979 – 3 C 111/79 – BVerwGE 58, 45).
Bei der rechtlichen Beurteilung staatlicher Fördermaßnahmen, die wie hier nicht auf Rechtsnormen, sondern lediglich auf verwaltungsinternen ermessenslenkenden Vergaberichtlinien beruhen, kommt es damit nicht auf eine objektive Auslegung der Richtlinien an, sondern grundsätzlich nur darauf, wie die ministeriellen Vorgaben von der zuständigen Stelle tatsächlich verstanden und praktiziert worden sind (vgl. BayVGH, U.v. 10.12.2015 – 4 BV 15.1830 – juris Rn. 42 m.w.N.). Der Beklagte bestimmt im Rahmen des ihm eingeräumten Ermessens darüber, welche Ausgaben er dem Fördergegenstand zuordnet. Insoweit hat er auch die Interpretationshoheit über die maßgeblichen Verwaltungsvorschriften (vgl. BayVGH, B.v. 17.11.2010 – 4 ZB 10.1689 – juris Rn. 19 m.w.N.), so dass es allein darauf ankommt, wie die administrative Binnenvorschrift im maßgeblichen Zeitpunkt in ständiger Praxis gehandhabt wurde (vgl. auch BayVGH, B.v. 14.9.2020 – 6 ZB 20.1652 – juris; B.v. 22.5.2020 – 6 ZB 20.216 – juris).
Der maßgebliche Zeitpunkt für die Bewertung der Fördervoraussetzungen und der Förderfähigkeit einer Maßnahme ist des Weiteren nicht der Zeitpunkt der Antragstellung durch den Kläger und auch nicht der Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts. Dem materiellen Recht folgend, dass hier vor allem durch die Förderrichtlinien und deren Anwendung durch den Beklagten in ständiger Praxis vorgegeben wird, ist vielmehr auf den Zeitpunkt der Entscheidung der Förderbehörde abzustellen (BayVGH, B.v. 18.5.2020 – 6 ZB 20.438 – juris m.w.N.).
Die Richtlinien setzen Maßstäbe für die Verteilung der staatlichen Hilfen und regeln insoweit die Ermessenshandhabung. Die Ermessensbindung reicht jedoch nur so weit wie die festgestellte tatsächliche ständige Verwaltungspraxis. Die gerichtliche Überprüfung erfolgt nur im Rahmen des § 114 VwGO. Das Gericht hat nicht die Befugnis zu einer eigenständigen oder gar erweiternden Auslegung der Richtlinien (vgl. SaarlOVG, B.v. 28.5.2018 – 2 A 480/17 – juris; OVG SH, U.v. 17.5.2018 – 3 LB 5/15 – juris; OVG NRW, B.v. 29.5.2017 – 4 A 516/15 – juris; HessVGH, U.v. 10 A 1481/11 – juris).
Ausgangspunkt ist die ständige Verwaltungspraxis in vergleichbaren Fällen, sofern sie nicht im Einzelfall aus anderen Gründen zu rechtswidrigen Ergebnissen führt. Spielraum für die Berücksichtigung der Besonderheiten atypischer Fälle muss bleiben (Ramsauer in Kopp/Ramsauer, VwVfG, 21. Aufl. 2020, § 40 Rn. 42 ff.; Schenke/Ruthig in Kopp/Schenke, VwGO 26. Aufl. 2020, § 114 Rn. 41 ff.).
So dürfen im Einzelfall keine sachlichen Gründe für das Abweichen von der Behördenpraxis bestehen. Ermessenslenkende Verwaltungsvorschriften dürfen nur für den Regelfall gelten und müssen Spielraum für die Berücksichtigung der Besonderheiten atypischer Fälle lassen. Ein derartiger atypischer Fall ist dann gegeben, wenn der konkrete Sachverhalt außergewöhnliche Umstände aufweist, deren Besonderheiten von der ermessenslenkenden Vorschrift nicht hinreichend erfasst und von solchem Gewicht sind, dass sie eine von der im Regelfall vorgesehenen Rechtsfolge abweichende Behandlung gebieten (OVG NRW, B.v. 29.5.2017 – 4 A 516/15 – juris).
Mangels gesetzlicher Anspruchsgrundlage steht dem Kläger demnach nur ein Anspruch auf fehlerfreie Ermessensentscheidung zu. Bei der dem Gericht gemäß § 114 VwGO beschränkt möglichen Überprüfung der Ermessensentscheidung ist der ablehnende Bescheid vom 30. Juni 2020 im Ergebnis nicht zu beanstanden. Der Beklagte hat insbesondere den Rahmen, der durch die haushaltsrechtliche Zweckbestimmung gezogen wurde, eingehalten, den erheblichen Sachverhalt vollständig und im Ergebnis zutreffend ermittelt und sich bei der eigentlichen Beurteilung an allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe gehalten, insbesondere das Willkürverbot und das Gebot des Vertrauensschutzes nicht verletzt.
Ausgehend von den dargelegten Grundsätzen und rechtlichen Vorgaben ist festzustellen, dass es der Förderpraxis des Beklagten entspricht, für den Nachweis des Bezugs des Wohnraums und damit des Beginns der Antragsfrist gemäß Nr. 9.2 und Nr. 2 EHZR durchweg auf die im Rahmen der Beantragung geforderte erweiterte Meldebescheinigung abzustellen.
Anhaltspunkte dafür, dass der Beklagte in anderen vergleichbaren Zuwendungsfällen anders verfahren wäre, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich (vgl. auch VG Berlin, B.v. 11.4.2014 – 26 L 23.14 – ZOV 2015, 79).
Konkrete Förderfälle im Sinne der Klägerseite, in denen in der Praxis nicht auf die Meldebescheinigung abgestellt worden sei, wurden nicht benannt. Vielmehr belegen die auch gerichtsbekannten Fälle (vgl. W 8 K 20.549 und W 8 K 20.862) eine Förderpraxis, wonach durchweg und ausnahmslos auf die Angaben in der erweiterten Meldebescheinigung abgestellt wurde und wird. Ein Anspruch auf Förderung kann nur im Wege der Selbstbindung der Verwaltung bestehen. Vorliegend ist nicht ersichtlich, dass zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag des Klägers (vgl. BayVGH, B.v. 18.5.2020 – 6 ZB 20.438 – juris m.w.N.) eine andere Förderpraxis vorlag.
Es ist – wie schon ausgeführt – allein Sache des Zuwendungsgebers, die Modalitäten einer Förderung festzulegen, seine Richtlinien auszulegen – keine Auslegung durch das Gericht – und den Förderzweck zu bestimmen (vgl. BayVGH, B. v. 14.9.2020 – 6 ZB 20.1652 – juris m.w.N.) – und seine Förderpraxis nach seinen Vorstellungen entsprechend auszurichten. Dazu gehört auch, die Modalitäten und die Formalien des Förderverfahrens, einschließlich der zu erbringenden Nachweise, festzulegen.
Im Einklang mit diesen Grundsätzen führt der Beklagte in seiner Klageerwiderung vom 20. August 2020 aus: In den EHZR werde auf den Bezug des Wohnraums abgestellt, ohne den diesbezüglichen Nachweis näher zu regeln. Die BayernLabo als Bewilligungsstelle sei nicht gehindert, in der praktischen Ausgestaltung des ihr übertragenen Bewilligungsverfahrens für den Nachweis des Bezugs des Wohnraums – und damit des Beginns der Antragsfrist – auf die im Rahmen der Beantragung der Förderung geforderte erweiterte Meldebescheinigung abzustellen (vgl. zu den Antragsunterlagen 1. Spiegelstrich im Formblatt EHZ I.).
Zwar steht in den Erläuterungen zum Formblatt – wie die Klägerbevollmächtigte zutreffend anmerkt – nur in Nr. 9 (einjähriger Wohnsitz/Aufenthalt in Bayern) und Nr. 22 (zum Haushalt angehörende Personen) der Bezug auf die erweiterte Meldebescheinigung als Nachweis, nicht jedoch in Nr. 6 zum Bezug des Wohnraums innerhalb von 6 Monaten. Jedoch steht unter dem 1. Spiegelstrich im Formblatt EHZ I, also dem Antragsformular selbst, das Erfordernis der Vorlage einer erweiterten Meldebescheinigung, die auch die Angaben zum „Einzugs- und Auszugsdatum beinhaltet“, wenn auch primär mit Bezug zu den Voradressen, wobei sich allerdings das letzte Auszugsdatum mit dem Einzugsdatum in die streitgegenständliche Wohnung deckt.
Des Weiteren sprechen nicht nur die gerichtsbekannten Verfahren für eine Handhabung in der Praxis mit Rückgriff auf die erweiterte Meldebescheinigung. So macht auch der interne E-Mail-Verkehr vom 7. Mai 2019 im Verfahren W 8 K 20.862 (siehe dazu auch VG Würzburg, U.v. 14.12.2020) deutlich, dass das Abstellen auf die Meldebescheinigung geübte Praxis ist („wir bleiben bei der Berücksichtigung der 1. MB und lehnen diesen Fall ab“) und ein ausnahmsweises Abweichen von dieser Praxis wohl kurz in Erwägung gezogen, aber letztlich abgelehnt worden ist.
Darüber hinaus bestätigt ein Schreiben der BayernLabo vom 1. April 2020 in den Behördenakten des Gerichtsverfahrens W 8 K 20.549, dass in der Verwaltungspraxis der Förderbehörde maßgeblich auf das Einzugsdatum gemäß der Meldebescheinigung abgestellt wird und dass aus Gleichbehandlungsgründen trotz Nachweises eines tatsächlich späteren Einzugs keine Ausnahme gemacht wird und auch keine Abhilfe erfolgt.
Auch aus den Hinweisen zur Antragstellung auf der Homepage der BayernLabo (https://bayernlabo.de/eigenwohnraumfoerderung/eigenheim-zulage/) ergibt sich ausdrücklich, dass das Einzugsdatum über die erweiterte Meldebescheinigung kontrolliert wird.
Weiter hat die Beklagtenseite zutreffend darauf hingewiesen, dass die Angaben zum Einzug am 3. September 2019 in der erweiterten Meldebescheinigung auf der dort explizit erwähnten „persönlichen Meldung“ vom 10. Oktober 2019 beruhen, also auf den persönlichen Angaben des Klägers selbst.
Dass der Beklagte in seiner Förderpraxis den Kläger an seinen Meldedaten festhält und diese zugrunde legt, gerade bei den vorliegenden Massenverfahren von über 10.000 Anträgen, erscheint in der Sache vertretbar und nicht willkürlich, selbst wenn die Daten des Einzugs objektiv nicht stimmen und nur zum Zwecke der Vereinfachung und Vermeidung einer weiteren Ummeldung so erfolgt sein sollten.
Der Beklagte kann sich auch deshalb auf die Meldedaten – als taugliche Grundlage für die Bestimmung des für die Förderung maßgeblichen Einzugsdatums – stützen und von diesen in vertretbarer Weise in seiner Praxis ausgehen, weil die meldende Person grundsätzlich verpflichtet ist, gegenüber den Meldebehörden wahrheitsgemäße Angaben zu machen, und der in der Meldebescheinigung ausgewiesene Einzug die persönlichen Angaben der meldenden Person (hier: des Klägers) zum Bezug der Wohnung im Sinne von § 17 Abs. 1 BMG dokumentiert. Das Melderegister fungiert gerade als zentrale Informationsquelle für eine Vielzahl von Behörden und anderen Nutzern; zudem baut der Vollzug einer großen Anzahl von Bundes- und Landesgesetzen auf den (richtigen) Daten des Melderegisters auf (vgl. Süßmuth, BMG, 37. Erg.-Llfg., 2. Auflage, 7. Lfg. März 2020, § 17, Rn. 13).
Das förderrelevante Beziehen der Wohnung deckt sich mit dem in der Meldebescheinigung genannten Einzug und ist damit ein tauglicher Bezugspunkt. Denn das Beziehen einer Wohnung im Sinne des § 17 Abs. 1 BMG, das als Einzug Gegenstand einer erweiterten Meldebescheinigung gemäß § 18 Abs. 2 BMG ist, ist die tatsächliche Benutzung der Wohnung mit der Absicht, sie für einen nicht unerheblichen Zeitraum zur Verrichtung der Angelegenheiten des täglichen Lebens zu nutzen (VGH BW, B.v.12.7.2018 – 1 S 689/18 – NJW 2018, 2912; Wache in Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, Werkstand: 233 EL Oktober 2020, § 17 BMG Rn. 1 sowie Nr. 17.1.1 BMGVwV – Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Durchführung des Bundesmeldegesetzes vom 28.10.215, BAnz AT 30.10.2015 B 2).
Zum Begriff des Beziehens gehört nach allgemeinem Sprachgebrauch die Inanspruchnahme einer Wohnung in der Weise, dass dort für ständig oder für vorübergehend im Allgemeinen die Angelegenheiten des täglichen Lebens wie z.B. Aufhalten, Essen und Schlafen, verrichtet werden. Die Wohnung muss tatsächlich zum Wohnen ─ sei es auch nur gelegentlich ─ in Anspruch genommen werden. Ob diese Voraussetzung gegeben ist, ist im Einzelfall an Hand der äußeren Umstände zu entscheiden (z.B. Vorhandensein von persönlichen Gegenständen des täglichen Bedarfs, wobei es auf die Besitzverhältnisse an den Einrichtungsgegenständen nicht ankommt). Mietet jemand lediglich eine Wohnung, ohne sie zu benutzen ─ er lässt sie etwa leer stehen ─, liegt kein Beziehen vor. Die Meldepflicht des Wohnungseigentümers oder des Mieters tritt also nicht mit Abschluss des Mietvertrages ein, sondern erst beim tatsächlichen Bezug. Hinzukommen muss die Absicht, die Wohnung für einen nicht völlig unerheblichen Zeitraum zu nutzen. Eine Mindestdauer ist gesetzlich allerdings nicht festgelegt (Süßmuth, BMG, 37. Erg.-Llfg., 2. Auflage, 7. Lfg. März 2020, § 17, Rn. 10).
Wer seine Wohnung nicht selbst benutzt, sondern sie anderen überlässt, hat die Wohnung nicht bezogen (Süßmuth, BMG, 37. Erg.-Llfg., 2. Auflage, 7. Lfg. März 2020, § 17, Rn. 11).
Die Meldebescheinigung nach § 18 BMG dient in aller Regel dem Nachweis gegenüber Behörden und privaten Stellen, dass der Einwohner zum Zeitpunkt ihrer Ausfertigung mit den in den Absätzen 1 und 2 abschließend aufgeführten Daten im Melderegister registriert war. Als öffentliche Urkunde im Sinne der §§ 415 ff. ZPO beweist die Meldebescheinigung lediglich, dass die in ihr enthaltenen Angaben über den Einwohner im Melderegister gespeichert sind. Ob diese zum Zeitpunkt der Ausstellung auch richtig und vollständig waren, kann mit ihr nicht belegt werden. Sie beruht auf den im Melderegister gespeicherten, vom Betroffenen in aller Regel selbst angegebenen Daten zu seiner Person und stellt auf den Kenntnisstand der Meldebehörde im Zeitpunkt der Erteilung der Bescheinigung ab. Ob also der Meldepflichtige die in der Bescheinigung bezeichnete Wohnung tatsächlich bewohnt, wird damit nicht dokumentiert. In aller Regel dürften sich ─ wie die meldebehördliche Praxis zeigt ─ Zweifel am Wahrheitsgehalt der Angaben aber als unbegründet erweisen, zumal der Betroffene ein eigenes Interesse an der Richtigkeit der Daten haben dürfte (Süßmuth, BMG, 37. Erg.-Llfg., 2. Auflage, 7. Lfg. März 2020, § 17, Rn. 3 und 5 f.)
Ausgehend von der dargelegten – im Ergebnis rechtlich nicht zu beanstandenden und von der Klägerseite nicht widerlegten – Förderpraxis mit Rückgriff auf die Daten der erweiterten Meldebescheinigung als geeigneter Beurteilungsgrundlage sind des Weiteren auch Ermessensfehler oder gar Willkür nicht ersichtlich.
Denn eine staatliche Förderung des Wohneigentums ist von Verfassungs wegen nicht zwingend geboten. Vielmehr besteht weitgehende Gestaltungsfreiheit auch im Hinblick auf den Ausschluss eines bestimmten Personenkreises von der Förderung (vgl. Erhard in Blümich, EigZulG, Werkstand: 154. EL Juli 2020, Einleitung Rn. 4 zur früheren Rechtslage).
Vor dem Hintergrund der vorstehend dargelegten Rechtslage unter Berücksichtigung der melderechtlichen Regelungen scheint auch kein atypischer Ausnahmefall gegeben zu sein, der eine Ablehnung der Förderung ermessensfehlerhaft machen würde, weil der Rückgriff auf die erweiterte Meldebescheinigung und die dort enthaltenen Daten ein taugliches und sachgemäßes Instrument zur Beurteilung der Fördervoraussetzungen ist.
Zwar wäre es auch möglich gewesen, die Förderpraxis so auszugestalten, dass nur im Regelfall auf die Meldebescheinigung abzustellen ist, und bei einem anderweitigen Nachweis eines davon abweichenden Einzugsdatums auf dieses abzustellen, aber von Rechts wegen ist dies – abgesehen vielleicht von hier nicht vorliegenden Sonderfällen – nicht zwingend geboten.
In der vorliegenden Konstellation ist kein atypischer Ausnahmefall gegeben, der eine abweichende Entscheidung des Beklagten hätte gebieten müssen (vgl. OVG NRW, B.v. 29.5.2017 – 4 A 516/15 – juris), weil der konkrete Sachverhalt keine außergewöhnlichen Umstände aufweist, die von den Richtlinien und der darauf basierenden Förderpraxis nicht erfasst werden und von solchem Gewicht sind, dass sie eine von der im Regelfall vorgesehenen Rechtsfolge abweichende Behandlung gebieten. Denn das vom Beklagten praktizierte durchgängige Abstellen auf die Meldedaten in der erweiterten Meldebescheinigung ist keine atypische Besonderheit, die eine abweichende Behandlung gebietet, sondern gängige Praxis in einer typischen Fallkonstellation. So liegt kein atypischer Ausnahmefall vor, sondern eine Fallgestaltung, die offenkundig häufiger vorkommt und nach der Ausgestaltung der Förderpraxis und des praktizierten Förderverfahrens – wohl aus Gründen der Praktikabilität und bewusst auch zur Gleichbehandlung – gerade nicht gefördert werden soll.
Auch sonst scheinen die Umstände unter Würdigung aller Aspekte des vorliegenden Einzelfalles auch nicht von einem solchen Gewicht, dass eine Abweichung vom Regelfall zwingend geboten erscheint. Denn die Unrichtigkeit der Meldebescheinigung beruht auf den persönlichen Angaben des Klägers, stammt mithin aus seiner Sphäre, auch wenn dies in Rücksprache mit der Meldebehörde – also eine Stelle, auf die der Beklagte insoweit keinen Einfluss hat – erfolgt ist. Dem Beklagten lagen so widersprüchliche Angaben des Klägers zum Zeitpunkt des Wohnbezugs vor (einerseits in der erweiterten Meldebescheinigung vom 27.3.2020, andererseits in seinen Erklärungen vom 30.3.2020 und vom 7.4.2020 gegenüber dem Beklagten). Unter Einbeziehung auch dieses Aspekts scheint ein Festhalten des Beklagten an den Daten der Meldebescheinigung gesamtbetrachtet nicht sachwidrig und unvertretbar. Ein Ausnahmefall wäre hingegen möglicherweise denkbar gewesen, wenn das Melderegister aus anderen Gründen unrichtig wäre (z.B. bei einem Zahlendreher oder Druckfehler).
Des Weiteren ist der Ausschluss des Klägers nicht willkürlich, weil sachgerechte und vertretbare Gründe von der Beklagten vorgebracht wurden.
Art. 3 Abs. 1 GG gebietet eine gleichmäßige Verwaltungspraxis. Dazu gehört das Verbot einer nicht durch sachliche Unterschiede gerechtfertigten Differenzierung zwischen verschiedenen Sachverhalten bei der Förderung (BayVGH, U.v. 11.10.2019 – 22 B 19.840 – juris Rn. 32). Geboten ist so eine bayernweit gleichmäßige und willkürfreie Mittelverteilung. Nicht erlaubt ist eine uneinheitliche und damit objektiv willkürliche Förderpraxis (vgl. BayVGH, U.v. 25.7.2013 – 4 B 13.727 – DVBl 2013, 1402). Dabei steht dem Richtliniengeber frei, sich für eine bestimmte Verwaltungspraxis zu entscheiden und diese zu handhaben, hier ausnahmslos auf die erweiterte Meldebescheinigung und die dort vom Kläger selbst angegebenen Daten zurückzugreifen. Die Willkürgrenze wird selbst dann nicht überschritten, wenn es auch für eine alternative Förderpraxis gute Gründe gäbe. Eine Verletzung des Willkürverbots liegt mithin nur dann vor, wenn die maßgeblichen Kriterien unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar wären und sich daher der Schluss aufdrängen würde, dass sie auf sachfremden Erwägungen beruhten (vgl. VG Köln, G.v. 17.8.2015 – 16 K 6804/14 – juris m.w.N.; siehe auch VG Würzburg, U.v. 25.5.2020 – W 8 K 19.1546 – juris; vgl. zur Eigenheimzulage auch schon VG Würzburg, U.v. 14.12.2020 – W 8 K 20.862; U.v. 16.11.2020 – W 8 K 20.656 – BeckRS 2020, 33748).
Für den Schluss auf eine willkürliche Fassung oder Handhabung der Förderrichtlinien, gerade hier zur Eigenheimzulage, bestehen keine triftigen Anhaltspunkte. Die – für den Kläger nachteilige – Heranziehung der Daten der erweiterten Meldebescheinigung dient nicht nur der Vereinfachung und Vereinheitlichung des Förderverfahrens in der Verwaltungspraxis, sondern trägt gerade auch einer praktikablen gleichmäßigen Handhabung im Förderalltag bei. Der Kläger wird so nicht anders behandelt als andere Antragsteller, bei denen ebenfalls ausschließlich auf die erweiterte Meldebescheinigung abgestellt wird. Infolgedessen liegt auch keine Ungleichbehandlung, sondern eine Gleichbehandlung wie in vergleichbaren Förderfällen vor. Abgesehen davon gäbe es keine Gleichheit im Unrecht.
Nach alledem war die Klage im vollen Umfang abzuweisen.
Die Entscheidung über die Kosten ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.


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