Europarecht

Sicherheitsleistung des Systembetreibers zur Sammlung und Verwertung restentleerter Verpackungen

Aktenzeichen  M 17 S 20.2411

Datum:
9.7.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 19495
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 5
VerpackG § 18 Abs. 4, § 22

 

Leitsatz

1. Die Anordnung der Sicherheit nach § 18 Abs. 4 VerpackG ist gerichtlich nur daraufhin überprüfbar, ob die Behörde bei ihrer Entscheidung den zutreffenden Maßstab zugrunde gelegt hat und ob die Prognose der voraussichtlichen Entsorgungskosten vertretbar ist. (Rn. 41 – 42) (redaktioneller Leitsatz)
2. Mögliche Erlöse aus der Verwertung können nicht bereits vorab die Sicherheitsleistung vermindern, da bei Eintritt des worst-case-Szenarios im Sicherungsfall die Gefahr einer Unterdeckung bestünde. (Rn. 56) (redaktioneller Leitsatz)
3. Im Lichte des Gesetzeszwecks, die Erfassung von Leichtverpackungsabfällen abzusichern, ist es zumutbar, als Datengrundlage die Abfallmengen des aktuellsten Kalenderjahres, zu dem sämtliche entscheidungserhebliche Daten vorliegen, zu Grunde zu legen. (Rn. 61) (redaktioneller Leitsatz)
4. Es muss nicht prognostisch abschließend bewertet werden, mit welcher Sicherheit ein teilweiser oder vollständiger Ausfall der Systeme droht. Es genügt, dass ein solcher Ausfall auf Grund der Konstruktion der Entsorgung von Verpackungsabfällen im Bereich des Möglichen liegt. (Rn. 66) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 30.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin begehrt die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen einen Bescheid des Antragsgegners, mit dem die zu leistende Sicherheit für den Fall von Pflichtverstößen in neuer Höhe festgesetzt wurde.
Die Antragstellerin betreibt eines von acht bundesweit genehmigten Systemen zur regelmäßigen Abholung von als Abfall anfallenden restentleerter Verkaufsverpackungen beim privaten Endverbraucher gemäß § 3 Abs. 16 des Gesetzes über das Inverkehrbringen, die Rücknahme und die hochwertige Verwertung von Verpackungen (Verpackungsgesetz – VerpackG – vom 5. Juli 2017, BGBl. I S. 2234). Aufgabe der Systembetreiber ist die flächendeckende Organisation und Durchführung der Sammlung, Sortierung und Verwertung von Verkaufsverpackungen.
Die für die Tätigkeit als Systembetreiber erforderliche Systemfeststellung wurde der Antragstellerin mit Bescheid des Bayerischen Staatsministerium für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz vom 14. Dezember 2007, geändert durch den ersten Änderungsbescheid vom 30. August 2011, erteilt. Ziffer 2.10 des Tenors in seiner durch Bescheid vom 30. August 2011 geänderten Fassung lautet: „Die Antragstellerin hat Sicherheit für den Fall zu leisten, dass, falls der Systembetrieb eingestellt wird, die in den Sammeleinrichtungen des Systems tatsächlich erfassten Verpackungen entsorgt werden und hierfür die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger oder die zuständigen Behörden Kostenerstattung wegen Ersatzvornahme verlangen können. Die Sicherheitsleistung ist in Form einer selbstschuldnerischen Bankbürgschaft auf erstes Anfordern einer deutschen Sparkasse oder einer Großbank unwiderruflich und unbefristet zu erbringen. Die Bankbürgschaft ist gegenüber dem Freistaat Bayern, vertreten durch das Bayerische Staatsministerium für Umwelt und Gesundheit als Gläubiger zu übernehmen und im Staatsministerium im Original zu hinterlegen. Die Höhe der Sicherheitsleistung wird jährlich an den erreichten Marktanteil des Systembetreibers auf Grundlage der Mengenstromnachweise angepasst. Die Rückgabe der Bankbürgschaft erfolgt Zug um Zug gegen Hinterlegung der neuen Bürgschaftsurkunde.“
Am 1. Januar 2019 trat das VerpackG in Kraft und löste die bis dahin geltende Verordnung über die Vermeidung und Verwertung von Verpackungsabfällen (VerpackV vom 21. August 1998 BGBl. I S. 2379, zuletzt geändert durch Artikel 11 Abs. 10 des Gesetzes zur Durchführung der Verordnung (EU) Nr. 910/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Juli 2014 über elektronische Identifizierung und Vertrauensdienste für elektronische Transaktionen im Binnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 1999/93/EG vom 18. Juli 2017, BGBl. I S. 2745), ab. Im VerpackG wurde die Rechtsvorschrift zur Festsetzung einer Sicherheitsleistung gegenüber der bisherigen Regelung dahingehend geändert, dass ein Rückgriff auf die Sicherheitsleistung nunmehr auch bei Verstößen gegen Pflichten aus der Abstimmungsvereinbarung nach § 22 Abs. 1 VerpackG oder gegen Pflichten aus einseitigen Vorgaben nach § 22 Abs. 2 VerpackG möglich ist.
Mit Schreiben vom 22. Mai 2019 und 2. Juli 2019 hörte das Bayerische Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz (im Folgenden: StMUV) die Antragstellerin unter Vorlage eines Bescheidentwurfs zur beabsichtigten Änderung des Feststellungsbescheids in Form einer Anpassung der Sicherheitsleistung an die aktuelle Rechtslage an. Diese bat mit Schreiben vom 13. Juni 2019 um einen Aufschub der Erhöhung der Sicherheitsleistung bis zum 1. Januar 2020. Weiterhin wandte sie ein, dass sie die nahezu Verfünffachung des zu hinterlegenden Betrags für unverhältnismäßig halte. Auch halte sie die Zugrundelegung eines Marktanteils aus dem Kalenderjahr 2017, dessen Meldung noch auf den Regeln des privatrechtlich geschlossenen Clearing-Vertrags basiere, für die Berechnung der Sicherheitsleistung für nicht sachgerecht. Der Marktanteil der Antragstellerin habe sich zwischenzeitlich deutlich reduziert.
Mit öffentlich bekannt gemachtem Bescheid vom 29. Juli 2019 änderte das StMUV die Nebenbestimmung in Ziffer 2.10 des Feststellungsbescheids vom 14. Dezember 2007 in der Fassung des ersten Änderungsbescheids vom 30. August 2011 (erneut) ab und gab ihr folgende Fassung: „Die Sicherheitsleistung gemäß § 18 Abs. 4 VerpackG wird auf 1.204.500,00 € festgesetzt. Die Sicherheitsleistung ist spätestens zum 1. Januar 2020 durch Vorlage einer selbstschuldnerischen Bankbürgschaft auf erste Anforderung einer deutschen Sparkasse, Großbank oder Kreditversicherung unwiderruflich und unbefristet zu erbringen. Soweit die Sicherheit durch Einzahlung von Geld erbracht werden soll, ist spätestens zum 1. Januar 2020 die Eröffnung eines Kontos zu beantragen. Wird die Sicherheitsleistung erhöht, ist bei einer Hinterlegung von Geld der Differenzbetrag zu überweisen, bei einer Bankbürgschaft eine neue Bürgschaftsurkunde vorzulegen.“ Die zuständige Behörde könne gemäß § 18 Abs. 4 VerpackG jederzeit verlangen, dass ein System eine angemessene, insolvenzfeste Sicherheit für den Fall leiste, dass es oder die von ihm beauftragten Dritten Pflichten nach dem VerpackG, aus der Abstimmungsvereinbarung nach § 22 Abs. 1 VerpackG oder aus den Vorgaben nach § 22 Abs. 2 VerpackG nicht, nicht vollständig oder nicht ordnungsgemäß erfülle und den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern oder den zuständigen Behörden dadurch zusätzliche Kosten oder finanzielle Nachteile entstünden. Die Sicherheitsleistung zur Absicherung der Kosten bei Leistungsausfällen sei entsprechend den Pflichten aus § 14 VerpackG so zu bemessen, dass bei einer Nichtabholung der Verpackungsabfälle die Kosten des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers für die Abholung und Entsorgung dieser Abfälle abgedeckt werde. Den Verpackungsabfällen komme in aller Regel ein negativer Marktwert zu, sodass im Fall einer Systemeinstellung Kosten für die Abholung und Entsorgung entstünden, ohne dass die durch die Systembetreiber vereinnahmten Entgelte zur Verfügung stünden. Demzufolge würden der Berechnung der Höhe der Sicherheitsleistung, die eine Prognoseentscheidung darstelle, die Menge der nicht abgeholten Verpackungsabfälle, die Kosten der Erfassung der nicht abgeholten Verpackungsabfälle bei den privaten Endverbrauchern und die Kosten der Entsorgung der Verpackungsabfälle zugrunde gelegt. Alle zur Berechnung der Sicherheitsleistung für diesen Bescheid herangezogenen Daten würden aus dem Jahr 2017 stammen. Dies sei das derzeit aktuellste Bezugsjahr, zu dem für alle Berechnungspositionen Daten verfügbar seien. Grundlage der Ermittlung der Menge nicht abgeholter Verpackungsabfälle sei die tatsächlich von den Systembetreibern in einem regelmäßigen Zeitraum realisierte Sammelmenge. Sie werde in den Mengenstromnachweisen der Systembetreiber als materialbezogene Erfassungsmenge pro Kalenderjahr und Bundesland ausgewiesen. Hieraus ergebe sich die näherungsweise maximal mögliche Verpackungsmenge, die aufgrund eines Verstoßes des Systembetreibers gegen die flächendeckende Abholung von den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger zu entsorgen sein könne. Zum Schutz des Gebührenzahlers und der öffentlichen Hand könne von einem worst-case-Szenario ausgegangen werden. Als Zeitraum für prospektiv anfallende Kosten der Ersatzvornahme unter Berücksichtigung des Zeitbedarfs für Androhung und Vollziehung der Ersatzvornahme könne ein Monat als verhältnismäßig und für den Systembetreiber zumutbar in Ansatz gebracht werden. Das StMUV habe sich zur Prognose der Erfassungskosten von drei Systembetreibern, die unterschiedlich stark am Markt vertreten seien, zusammen jedoch ein Lizenzmengenanteil von etwa 65% im Jahr 2017 aufwiesen, insgesamt neun Erfassungsverträge für die Fraktion Leichtverpackung (LVP) vorlegen lassen. Hiervon bildeten jeweils drei Verträge die Kosten für die Erfassung in einer städtischen bzw. großstädtischen, in einer ländlich-dichten und einer ländlichen Strukturklasse ab. Der daraus errechnete Durchschnittswert in Höhe von 166,69 € pro Tonne werde als Erfassungskosten der Berechnung der Sicherheitsleistung zugrunde gelegt, wobei die Strukturklassen entsprechend ihrer Häufigkeit in Bayern gewichtet worden seien (Groß-/städtische Gebiete: 23, ländlich-dichte Gebiete: 35, ländliche Gebiete: 38). Die Schätzung der Kosten der Entsorgung der Verpackungsabfälle fuße auf den Verbrennungskosten, die jährlich in der Fachzeitschrift EUWID publiziert würden. Sie entsprächen näherungsweise den Kosten für Sortierung und Verwertung der gesammelten Verpackungsabfälle. In der Zeitschrift EUWID, Ausgabe 50/2018 sei für die Region „Süden“ eine Preisspanne für die Verbrennung der kommunalen Abfälle in Höhe von 60,00-150,00 € pro Tonne ausgewiesen. Daraus ergebe sich ein Mittelwert von 105,00 € pro Tonne. Grundlage für die Berechnung sei die Menge der in einem Monat erfassten Verpackungsabfälle, berechnet auf Basis der Daten der Mengenstromnachweise. Diese Menge werde mit dem Durchschnitt der prognostizierten Erfassungskosten und dem Mittelwert der Kosten der Verbrennung multipliziert und entsprechend der Lizenzmengen auf die einzelnen Systembetreiber umgelegt. Für das Bundesland Bayern errechne sich entsprechend seinem Anteil an den im Kalenderjahr 2017 insgesamt erfassten Leichtverpackungen, bezogen auf eine einmonatige Erfassungsmenge eine Sicherheitsleistung in Höhe von 6.120.641,38 €:
LVP-Erfassungsmenge Bayern gesamt
270.336,4
t/a
Erfassungsmenge Bayern bezogen auf 1 Monat
22.528,03
t
Kosten der Erfassung
166,69
€/t
Kosten der Verbrennung
105
€/t
Kosten der Erfassung und Verbrennung
271,69
€/t
Gesamt
6.120.641,38

Zusätzlich seien in die Berechnung der Sicherheitsleistung aber auch Zahlungsverpflichtungen der Systembetreiber gegenüber den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern für Kosten der Abfallberatung, Errichtung, Bereitstellung, Unterhaltung sowie Sauberhaltung von Flächen (Nebenentgelte) und für die Mitbenutzung der kommunalen Wertstoffhöfe und des kommunalen PPK-Sammelsystems (Mitbenutzungsentgelte) eingeflossen. Die Absicherung dieser Zahlungsverpflichtungen sei nach § 18 Abs. 4 VerpackG möglich und erforderlich, um sicherzustellen, dass finanzielle Verluste bei Zahlungsunfähigkeit eines Systembetreibers nicht von der Allgemeinheit getragen werden müssten. Zur Ermittlung der Höhe der Sicherheitsleistung für die Zahlung vereinbarter Mitbenutzungs- und Nebenentgelte werde maßgeblich auf die zwischen den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern und den Systembetreibern vereinbarten Mitbenutzungs- und Nebenentgelte abgestellt. Die Mitbenutzungs- und Nebenentgeltansprüche seien gemäß § 22 Abs. 3, 4 und 9 VerpackG seit dem 1. Januar 2019 nach den Vorgaben des Bundesgebührenrechts zu kalkulieren. Hierzu lägen jedoch noch keine Daten vor. Es sei deshalb angemessen, auf die noch aufgrund der VerpackV zwischen den Systembetreibern und öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern ausgehandelten Entgelte als Berechnungsgrundlage zurückzugreifen. Aus der ermittelten Gesamtsumme berechne sich die Sicherheitsleistung anhand der prognostizierten Dauer eines Leistungsausfalls und im Verhältnis zum Marktanteil des Systembetreibers. Ein Absicherungszeitraum von einem Monat sei angemessen. Es unterliege der Vertragsgestaltung der öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger und Systembetreiber, die Ausfallrisiken bei Mitbenutzungs- und Nebenentgelten durch geeignete Zahlungsmodalitäten zu begrenzen. Zur Ermittlung dieser Daten seien alle Landratsämter und kreisfreien Städte im Freistaat um Übermittlung der Höhe der Entgelte für das Kalenderjahr 2017 gebeten worden. Hieraus errechne sich ein Gesamtbetrag für unmittelbare Zahlungsverpflichtungen der Systembetreiber gegenüber den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern in Höhe von 51.045.050,67 €, hiervon entfalle ein Betrag in Höhe von 27.475.940,10 € auf die Mitbenutzungsentgelte und 23.569.110,57 € auf die Nebenentgelte. Unter Zugrundelegung eines Marktanteils der Antragstellerin von 11,61% im Kalenderjahr 2017 errechne sich eine Sicherheitsleistung in Höhe von 1.204.500,00 € gerundet auf die vollen Hundert:
Gesamtkosten aller Systeme = (Erfassungskosten + Verbrennungskosten) x Erfassungsmenge/Monat
6.120.641,38 €
Marktanteil des Systems
11,61%
Sicherheitsleistung des Systems unter Berücksichtigung des Marktanteils für LVP
710.606,46 €
Sicherheitsleistung bzgl. Nebenentgelten
Berechnungszeitraum Absicherung Nebenentgelte
1 Monat
Gesamtsumme der Nebenentgelte
23.569.110,57 €
Marktanteil des Systems
11,61%
Anteil an den Nebenentgelten gemessen am Marktanteil für den Berechnungszeitraum als Sicherheitsleistung
228.031,14 €
Sicherheitsleistung bezüglich Mitbenutzungsentgelten
Berechnungszeitraum Absicherung Mitbenutzungsentgelte
1 Monat
Gesamtsumme der Mitbenutzungsentgelte
27.475.940,10 €
Marktanteil des Systems
11,61%
Anteil an den Mitbenutzungsentgelten gemessen am Marktanteil für den Berechnungszeitraum als Sicherheitsleistung
265.829,72 €
Gesamtsumme Sicherheitsleistung
1.204.467,33 €
Da die die Höhe der Sicherheitsleistung bestimmenden Faktoren variabel seien, sich insbesondere die Marktanteile der dualen Systeme verändere, werde die Höhe der Sicherheitsleistung jährlich überprüft, um die Angemessenheit der Sicherheitsleistung sicherzustellen. Die erste turnusmäßige Überprüfung werde im Laufe des Jahres 2020 stattfinden. Die angeordnete Form der Sicherheitsleistung stütze sich auf § 18 Abs. 4 VerpackG, wonach eine insolvenzfeste Sicherheit zu erbringen sei. Die derzeit geleistete Sicherheit, die aufgrund der Rechtslage nach der VerpackV festgesetzt worden sei, werde bis zur Erbringung der nach diesem Bescheid zu leistenden Sicherheit für alle Sicherungsfälle nach § 18 Abs. 4 VerpackG verwendet werden.
Hiergegen erhob die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 26. August 2019, eingegangen am gleichen Tag, Klage beim Bayerischen Verwaltungsgericht München (Az. M 17 K …). Der Bescheid von 29. Juli 2019 sei ermessensfehlerhaft ergangen. Das StMUV lege seine Entscheidung veraltetes Datenmaterial zu Grunde. Der aktuelle Marktanteil der Klägerin liege zwischen 8 und 9%, dies seien 4% weniger als in 2017. Darüber hinaus lege der Beklagte seinen Berechnungen ermessensfehlerhaft die von ihm ermittelten mutmaßlichen Kosten einer Ersatzvornahme zu Grunde, ohne die Erlöse aus der Verwertung der im Wege der Ersatzvornahme entsorgten Verpackungen davon in Abzug zu bringen. Entgegen der Auffassung des Beklagten komme in aller Regel den Verpackungsabfällen ein positiver Marktwert zu. Weiterhin lege der Beklagte bei den von ihm für die Ersatzvornahme ermittelten Kosten die mutmaßlichen Kosten der Erfassung und Verbrennung zu Grunde. Dabei übersehe er, dass der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger mit der Entsorgung auch verpflichtet sei, die Abfallhierarchie des § 6 Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG) einzuhalten. In erster Linie müsse er danach die Abfälle dem Recycling zuführen bevor er eine „sonstige Verwertung“, insbesondere energetischer Art oder gar die Beseitigung ansteuere. Weiterhin sei ermessensfehlerhaft, dass der Beklagte bei seiner Berechnung den – zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses bereits angekündigten – Markteintritt von zwei weiteren dualen Systemen zum 1. Januar 2020 außer Acht gelassen habe. Darüber hinaus sei die Festsetzung der Sicherheitsleistung auch unverhältnismäßig. Es gebe bundesweit kein einziges Beispiel dafür, dass ein Erfassungsbehältnis ganz oder zu Teilen am Straßenrand stehen geblieben sei, weil eines der Systeme seine Leistungen gegenüber dem von ihm (mit-)beauftragten und für ihn die Erfassungsleistung erbringenden Entsorger eingestellt habe, auch nicht in der „System-Krise“ des Jahres 2014 oder im Falle der Insolvenz eines Systems im Jahr 2018. Die gemeinsame Erfassung in einem Sammelbehältnis durch alle Systeme führe dazu, dass der Entsorger (beauftragte Dritte) bei Zahlungseinstellung eines Systems gleichwohl allen anderen Systemen zur Erbringung der vereinbarten Leistung verpflichtet bleibe und ein „Aussondern“ von Anteilen eines Systembetreibers vertraglich nicht zulässig und faktisch unmöglich sei. Wie auch das Bundeskartellamt in einem – als Anlage K5 beigefügten – Schreiben vom 19. Juni 2019 ausführe, sei ein Ausgleich der Zahlungsausfälle über Sicherheiten, die von den dualen System bei den Ländern hinterlegt würden, dadurch unwahrscheinlich, dass es – außer im Fall der Insolvenz (auch) des Entsorgungsunternehmens oder der Insolvenz aller dualen Systeme – faktisch nie zu einer Einstellung der Erfassung kommen dürfte, da die Entsorger und Kommunen den übrigen Systemen zur Leistung verpflichtet blieben. Damit sei nur in Ausnahmefällen denkbar, dass bei Insolvenz eines dualen Systems eine Ersatzvornahme eingeordnet werden müsse. Aufgrund der bestehenden gesetzlichen Verpflichtung sämtlicher am Markt tätigen Systeme zur flächendeckenden Sammlung aller restentleerter Verpackungen (§ 14 Abs. 1 Satz 1 VerpackG) bei den privaten Endverbrauchern komme eine Ersatzvornahme nicht in Betracht. Vielmehr habe der von den Systemen beauftragte Entsorger auch im Fall der Insolvenz eines Systembetreibers die Erfassungsleistung gegenüber allen verbleibenden Systemen zu bringen. Weiterhin sei die von der Klägerin geforderte Sicherheitsleistung aber auch nicht erforderlich. Für die Klägerin wäre es weniger belastend gewesen, wenn sie zumindest alternativ die Möglichkeit erhalten hätte, die Sicherheit in anderer Weise als in Form einer Bankbürgschaft, etwa in Gestalt eines kollektiven Sicherheitsfonds, insolvenzsicher zu erbringen. Die Systeme seien derzeit intensiv bemüht, die kartellrechtlichen Voraussetzungen einer solchen Lösung zu schaffen. Schließlich stünden die Nachteile, die der Bescheid vom 29. Juli 2019 bei der Klägerin auslöse, völlig außer Verhältnis zu den Vorteilen, die sich der Beklagte aus seinem Verwaltungsakt erwarte. Der Beklagte fordere mit seinem Bescheid zwischenzeitlich eine um das Sechsfache erhöhte Sicherheitsleistung als die bisher erbrachte. Eine Sicherheitsleistung in dieser Größenordnung „auf einen Schlag“ zu einem bestimmten Zeitpunkt zu hinterlegen, bringe die Klägerin in existenzielle wirtschaftliche Schwierigkeiten.
Mit Bescheid vom 1. April 2020 erklärte das StMUV den Bescheid vom 29. Juli 2019 zur Festsetzung der Sicherheitsleistung gemäß § 18 Abs. 4 VerpackG nach entsprechender Anhörung der Antragstellerin für sofort vollziehbar. Die noch nach der VerpackV geleistete Sicherheit in Höhe von 192.000,00 € sei für den aus Billigkeitsgründen gewährten Interimszeitraum vom Erlass des letzten Änderungsbescheids bis zum 1. Januar 2020 unter Würdigung des Insolvenzrisikos in eben diesem Zeitraum gerade noch ausreichend gewesen. Nachdem nicht absehbar sei, wann mit einer Entscheidung des Verwaltungsgerichts München zu rechnen und das Hauptsacheverfahren rechtskräftig abgeschlossen sei, bestehe ein besonderes öffentliches Interesse am Sofortvollzug, da die derzeit vorhandene Sicherheit für den Sicherungsfall nach § 18 Abs. 4 VerpackG nicht auf weiterhin unbestimmte Zeit auskömmlich sei. Die derzeit vorhandene Sicherheitsleistung beruhe auf der alten Rechtslage nach der VerpackV. Der Absicherungsrahmen sei deutlich erweitert worden, sodass die derzeit geleistete Sicherheit für einen Sicherungsfall nach der neuen Gesetzeslage nicht mehr auf unabsehbare Zeit ausreichend sei.
Mit Schriftsatz vom 3. Juni 2020, beim Verwaltungsgericht München eingegangen am gleichen Tag, beantragte die Antragstellerin,
die aufschiebende Wirkung Klage vom 26. August 2019 gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 29. Juli 2019 in der Fassung der Anordnung des Sofortvollzugs vom 1. April 2020 wiederherzustellen.
Die Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung sei bereits unzulänglich. Diese lege zwar dar, dass die Anordnung der sofortigen Vollziehung im besonderen Interesse stehe, verliere jedoch kein Wort darüber, warum dies so sei und verbleibe sodann lediglich im formelhaften Satz „Das Interesse am Sofortvollzug überwiegt das Aussetzungsinteresse“. Auch materiell fehle es an einem besonderen öffentlichen Vollzugsinteresse im Sinne des § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO. Es sei nicht ersichtlich, dass sich das Insolvenzrisiko zwischen Erlass des Bescheids vom 29. Juli 2019 und Anordnung des Sofortvollzugs erhöht habe, dies gehe auch aus der Begründung nicht hervor. Würde eine nicht absehbare, dem rechtsstaatlichen Verfahren geschuldete Verfahrensdauer eine Abweichung von der Regel der aufschiebenden Wirkung der Klage rechtfertigen, müsste jeder Verwaltungsakt, an dessen Vollziehung die Behörde ein Interesse habe, die Anordnung des Sofortvollzugs nach sich ziehen. Es sei darauf hinzuweisen, dass zwar der Absicherungsrahmen durch § 18 Abs. 4 VerpackG erweitert worden sei, die Eintrittswahrscheinlichkeit der mit dem Betrieb eines dualen Systems verbundenen Risiken jedoch kleiner geworden sein. Der Gesetzgeber habe durch eine ganze Reihe von Maßnahmen, die in das VerpackG aufgenommen worden seien, erheblich zu einer Verkleinerung der Risiken beigetragen, die die Inanspruchnahme der Sicherheitsleistung auslösen könnten. So seien etwa Hersteller von systembeteiligungspflichtigen Verpackungen vor dem erstmaligen Inverkehrbringen von Verpackungen zur Registrierung bei der Zentralen Stelle verpflichtet, auch müssten sie die bei einer Systembeteiligung gemachten Angaben zu ihren Verpackungen unverzüglich auch der Zentralen Stelle übermitteln. Die Systeme seien künftig zu umfassenden Meldungen ihrer erwarteten und abgeschlossenen Beteiligung an die Zentrale Stelle verpflichtet und hätten ihre Sammelleistungen in einem offenen, transparenten Ausschreibungsverfahren zu vergeben, das hinsichtlich seines Ablaufs eng an das öffentliche Vergabeverfahren nach dem Gesetz gegen die Wettbewerbsbeschränkungen und der Vergabeverordnung angelehnt sei. Mit der Errichtung einer Zentralen Stelle würden künftig wesentliche Aufgaben der Marktüberwachung sowohl im Hinblick auf die Pflichten der Hersteller von systembeteiligungspflichtigen Verpackungen als auch im Hinblick auf die Pflichten der Systeme bei einer Bundesbehörde gebündelt und somit effektiver wahrgenommen werden können als bisher. Sachverständige und sonstige Prüfer, die Prüfaufgaben im Rahmen des VerpackG durchführen wollten, hätten sich bei der Zentralen Stelle in einem öffentlichen Prüfregister eintragen zu lassen. Diese Maßnahmen hätten, um den materiellen Anforderungen an das besondere öffentliche Interesse zu genügen, vom Antragsgegner bewertet werden müssen. Weiterhin lassen sich in den Entscheidungsgründen zur Anordnung des Sofortvollzugs keine einzige Zeile entnehmen, die auf eine Abwägung zwischen öffentlichen Interessen am Sofortvollzug und den Interessen der Antragstellerin schließen lasse. Weiterhin müsse sich der Bescheid vom 29. Juli 2019 bei summarischer Betrachtung als rechtswidrig erweisen, auf die Klagebegründung in der Hauptsache werde hierzu verwiesen.
Der Antragsgegner beantragte mit Schriftsatz vom 30. Juni 2020,
den Antrag abzuweisen.
Die Anordnung der sofortigen Vollziehung sei formell rechtmäßig ergangen, das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung sei hinreichend schriftlich begründet worden. Auch der Bescheid vom 29. Juli 2020 sei rechtmäßig ergangen. Die Absicherungsmöglichkeit des § 18 Abs. 4 VerpackG sei über die Möglichkeiten in der VerpackV hinaus erweitert worden. Weder die Registrierungspflicht in § 9 VerpackG noch die Meldepflicht in § 20 VerpackG ließen das zugrunde gelegte Szenario eines Ausfalls aller Systeme so weit außerhalb jeglicher Wahrscheinlichkeit liegen, dass ein Abstellen hierauf unverhältnismäßig wäre. Ausweislich der Gesetzesbegründung zum VerpackG diene die Registrierungspflicht der besseren Überwachungsgrundlage für die Zentrale Stelle. Zudem solle die Veröffentlichung der Registerdaten im Internet eine Selbstkontrolle des Marktes und eine Überprüfungsmöglichkeit für jedermann eröffnen. Schutzgedanke sei damit der faire Wettbewerb als Ganzes, jedoch weder die Verhinderung einzelner Insolvenzen noch ein unmittelbarer Einfluss auf die Möglichkeit, eine Sicherheitsleistung zu verlangen. Gleiches gelte für die in § 20 VerpackG geregelte Meldepflicht, zumal diese durch das VerpackG nicht neu geschaffen, sondern um Zwischenmeldungen erweitert worden sei. Es bestehe auch ein öffentliches Interesse am Vollzug des Bescheids. Ein Zuwarten bis zur Bestandskraft des Bescheids sei nicht geboten. Die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger seien auf das Sicherungsmittel angewiesen. Die Anordnung des Sofortvollzugs sei notwendig, um nunmehr zeitnah eine für den Sicherungsfall nach VerpackG auskömmliche Sicherheit zu erlangen. Würde sich im Fall der jährlichen Überprüfung eine höhere Sicherheitsleistung ergeben und der Änderungsbescheid erlassen, würde sich in diesem Zeitpunkt der aktuelle Rechtsstreit erledigen. Würde der neue Bescheid dann wiederum angefochten und Verfahrensdauer den Aktualisierungszeitraum überschreiten, würde zu keinem Zeitpunkt eine aktuell auskömmliche Sicherheit bestehen. Dies könne auch mit Blick auf die gesetzgeberische Intention nicht hingenommen werden.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichts- und Behördenakten in diesem Verfahren sowie im Verfahren M 17 K … verwiesen.
II.
Der Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage vom 26. August 2019 gegen den Bescheid vom 29. Juli 2019 ist zulässig, aber unbegründet.
1. Die Klage gegen Ziffer I. des Bescheids vom 29. Juli 2019 hat keine aufschiebende Wirkung, weil der Antragsgegner mit Bescheid vom 1. April 2020 die sofortige Vollziehung des Bescheids vom 29. Juli 2019 angeordnet hat, § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO. Ziffer III. des Bescheids, die bestimmt, dass die Kosten des Bescheids von der Antragstellerin zu tragen sind, ist nicht Gegenstand des Rechtsschutzbegehrens der Antragstellerin. Die dort getroffene Kostengrundentscheidung verweist auf einen gesonderten Kostenbescheid und enthält damit (noch) keine eigenständig anfechtbare Beschwer der Antragstellerin.
2. Eine Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung oder zumindest eine Aufhebung der Vollziehungsanordnung wegen unzureichender Begründung des Vollziehungsinteresses (§ 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO) kommt nicht in Betracht. Formelle Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit der Vollziehungsanordnung ist, dass für das besondere Interesse an der Anordnung der sofortigen Vollziehung eine schriftliche Begründung gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO gegeben worden ist. Der Sinn und Zweck dieses Begründungserfordernisses besteht darin, dass sich die Behörde den Ausnahmecharakter der Vollziehungsanordnung bewusstmacht und mit besonderer Sorgfalt prüft, ob vorrangige öffentliche Interessen eine Vollziehung bereits vor Eintritt der Unanfechtbarkeit des Verwaltungsakts notwendig erscheinen lassen. Pauschale, formelhafte und für eine beliebige Vielzahl von Fallgestaltungen anwendbare Formulierungen genügen deshalb den gesetzlichen Anforderungen im Regelfall nicht. Bei gleichartigen Tatbeständen können allerdings auch typisierte Begründungen ausreichen.
Vorliegend geht aus der Begründung der Anordnung des Sofortvollzugs hinreichend hervor, dass für den Antragsgegner handlungsleitend die Gefahr einer Insolvenz der Antragstellerin war, die bei privatwirtschaftlichen Unternehmen stets besteht und, je mehr Zeit vergeht, umso wahrscheinlicher wird. Der Antragsgegner hat in der Begründung weiterhin auf die Erweiterung des Absicherungsrahmens mit Inkrafttreten des VerpackG zum 1. Januar 2019 hingewiesen, die dazu führe, dass die derzeit geleistete Sicherheit für einen Sicherungsfall nach der neuen Gesetzeslage nicht mehr auf unabsehbare Zeit ausreichend sei. Die von der Antragstellerin noch nach der VerpackV geleistete Sicherheit in Höhe von 192.000,00 € sei für den aus Billigkeitsgründen gewährten Interimszeitraum vom Erlass des letzten Änderungsbescheids bis zum 1. Januar 2020 unter Würdigung des Insolvenzrisikos in eben diesen Zeitraum gerade noch ausreichend gewesen. Die vorhandene Sicherheit sei jedoch nicht auf weiterhin unbestimmte Zeit auskömmlich. Wann mit einer Entscheidung des Verwaltungsgerichts München in der Hauptsache zu rechnen sei, könne derzeit nicht abgeschätzt werden. Damit hat der Antragsgegner fallbezogen die von ihm als maßgeblich angesehenen Umstände angegeben.
Der Umstand, dass der Antragsgegner der Antragstellerin auf ihren Antrag hin einen Aufschub zur Leistung der neu festgesetzten Sicherheit bis zum 1. Januar 2020 gewährt hat, kann auch nicht dazu führen, dass nun die Notwendigkeit des Sofortvollzugs generell zu verneinen sei. Der Antragsgegner hat dem wirtschaftlichen Interesse der Antragstellerin für einen befristeten Zeitraum Vorrang gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Absicherung des Insolvenzrisikos eingeräumt. Er ist jedoch nicht verpflichtet, dies auf unbestimmte Zeit, bis zu einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren, aufrechtzuerhalten. Zu beachten ist, dass Leistungsstörungen im dualen System weitreichende Folgeprobleme auslösen können, die nicht nur die wirtschaftliche Existenz von Entsorgern, sondern auch die Funktionsfähigkeit der Verpackungsentsorgung insgesamt gefährden können. Ein Aufschub der Hinterlegung einer angemessenen insolvenzfesten Sicherheitsleistung kann dazu führen, dass die öffentliche Hand bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache über Jahre hinweg dem Risiko der Kostentragung für die Abholung und Entsorgung von Verpackungsabfällen und Verlusten aus der Nichtzahlung vereinbarter Mitbenutzungs- und Nebenentgelte ausgesetzt ist. Es liegt deshalb im öffentlichen Interesse, die Entsorgung der Verpackungsabfälle im Falle der Nichtabholung und von Zahlungsausfällen der Systembetreiber für Mitbenutzungs- und Nebenentgelte finanziell ausreichend abzusichern und damit nicht den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger und insoweit die Allgemeinheit zu belasten. Unter Berücksichtigung dieser Umstände ist das Zurücktreten des Interesses der Antragstellerin am Erhalt der aufschiebenden Wirkung im Falle der Erhebung einer Anfechtungsklage seitens des Antragsgegners ausreichend begründet worden.
3. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung einer Klage nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 i.V.m. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO hängt von einer Abwägung der widerstreitenden Interessen an der Suspendierung der angefochtenen Maßnahme einerseits und der Vollziehung des Verwaltungsakts andererseits ab. Bei der Abwägung sind insbesondere die Erfolgsaussichten des eingelegten Rechtsbehelfs zu berücksichtigen. Ergibt die im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotene summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage, dass der sofort vollziehbare Verwaltungsakt rechtswidrig ist, überwiegt das private Aufschubinteresse des Antragstellers. Denn an der Vollziehung einer rechtswidrigen hoheitlichen Maßnahme kann kein öffentliches Interesse bestehen. Ist hingegen der angegriffene Bescheid rechtmäßig und besteht ein besonderes Interesse an der sofortigen Vollziehung, überwiegt regelmäßig das öffentliche Interesse am Bestand der sofortigen Vollziehbarkeit. Sind die Erfolgsaussichten hingegen offen, ist eine von der Einschätzung der Erfolgsaussicht des Hauptsacheverfahrens unabhängige Interessenabwägung vorzunehmen.
Vorliegend ergibt die Abwägung des Interesses der Antragstellerin einerseits – vorläufig von der Pflicht zur Stellung einer Sicherheit verschont zu bleiben – mit dem widerstreitenden öffentlichen Interesse andererseits – Absicherung zusätzlicher Kosten oder finanzieller Verluste der öffentlichen Hand infolge von bis zur Entscheidung in der Hauptsache entstehenden Zahlungsausfällen eines oder mehrerer Systembetreiber -, dass dem öffentlichen Interesse am Vollzug des Bescheids vom 29. Juli 2019 der Vorrang einzuräumen ist. Denn die in der Hauptsache angefochtene Festsetzung einer Sicherheitsleistung in Ziffer I. des Bescheids vom 29. Juli 2019 in Höhe von insgesamt 1.204.500,00 € erweist sich nach der gebotenen summarischen Prüfung als voraussichtlich rechtmäßig.
3.1 Ermächtigungsgrundlage der Festsetzung der Sicherheitsleistung ist § 18 Abs. 4 VerpackG. Danach kann die für die Genehmigung eines Systems zuständige Landesbehörde jederzeit verlangen, dass ein System eine angemessene, insolvenzfeste Sicherheit für den Fall leistet, dass es oder die von ihm beauftragten Dritten Pflichten nach dem VerpackG, aus der Abstimmungsvereinbarung nach § 22 Abs. 1 VerpackG oder aus den Vorgaben nach § 22 Abs. 2 VerpackG nicht, nicht vollständig oder nicht ordnungsgemäß erfüllen und den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern oder den zuständigen Behörden dadurch zusätzliche Kosten oder finanzielle Verluste entstehen.
Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des § 18 Abs. 4 VerpackG bestehen nicht.
Insbesondere genügt § 18 Abs. 4 VerpackG dem Gebot der hinreichenden inhaltlichen Bestimmtheit von Gesetzen (VG München, B.v. 29.6.2020 – M 17 S 20.1883, vgl. auch VG Gelsenkirchen, B.v. 2.6.2020 – 9 L 1960/19 – juris Rn. 13 ff. und B.v. 2.6.2020 – 9 L 1924/19 – Rn. 13 f.).
Es bestehen bei summarischer Prüfung auch keine durchgreifenden Bedenken, dass § 18 Abs. 4 VerpackG dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügt. Die Beibringung einer Sicherheitsleistung beeinträchtigt ein duales System im Verhältnis zu dem öffentlichen Interesse, die flächendeckende Sammlung und Verwertung von Verpackungen sicherzustellen, nicht unverhältnismäßig. Der Absicherung der Verpflichtungen aus dem VerpackG dient die nach § 18 Abs. 4 VerpackG zu erbringende Sicherheitsleistung, die – insbesondere weil sie nicht in der Leistung eines Entgelts besteht – im Verhältnis zu der abfallwirtschaftlichen Tätigkeit der Systeme angemessen ist, um die Erfassung und Verwertung von Verpackungen auch bei Liquiditätsengpässen und Zahlungsausfällen sicherzustellen und die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger vor auf Pflichtverstößen beruhenden Zahlungsausfällen zu schützen (Vgl. hierzu mit ausführlicher Begründung: VG Gelsenkirchen, B.v. 2.6.2020 – 9 L 1960/19 – juris Rn. 41 ff.).
3.2 Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 18 Abs. 4 VerpackG liegen vor.
3.2.1 Das StMUV ist nach Art. 29 Abs. 2 Bayerisches Abfallwirtschaftsgesetz (BayAbfG) in Verbindung mit § 1a Abfallzuständigkeitsverordnung (AbfZustV) Genehmigungsbehörde i.S.d. § 18 Abs. 1 VerpackG und daher auch zuständige Behörde zur Festsetzung der Sicherheitsleistung gemäß § 18 Abs. 4 VerpackG.
3.2.2 Die Entscheidung über die Sicherheitsleistung steht gemäß § 18 Abs. 4 VerpackG sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach im Ermessen des Antragsgegners. Nach § 114 Satz 1 VwGO prüft das Gericht bei Ermessensentscheidungen, ob der Verwaltungsakt rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht wurde.
Zweck der nach § 18 Abs. 4 VerpackG festzusetzenden Sicherheitsleistung ist die kostenmäßige Absicherung der öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger oder zuständigen Behörden für den Fall, dass das System Pflichten nach diesem Gesetz, aus der Abstimmungsvereinbarung nach § 22 Abs. 1 VerpackG oder aus den Vorgaben nach § 22 Abs. 2 VerpackG nicht, nicht vollständig oder nicht ordnungsgemäß erfüllen und den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern oder den zuständigen Behörden dadurch zusätzliche Kosten oder finanzielle Verluste entstehen. Wie sich aus der Gesetzesbegründung ergibt (vgl. BT-Drs 18/11274, S. 103) werden auch weiterhin die Kosten der Ersatzvornahme abgesichert, nunmehr für die Verpflichtungen aus § 14 Abs. 1 und Abs. 2 VerpackG. In dieser Hinsicht deckt sich die neue Rechtslage mit der alten Rechtslage gemäß § 6 Abs. 5 Satz 3 VerpackV a.F. Die hierzu ergangene Rechtsprechung, nach der die Behörde zur Sicherung für den Fall berechtigt war, dass der Systembetreiber seine Pflichten nach der VerpackV ganz oder teilweise nicht erfüllt und daher eine Ersatzvornahme erforderlich wird, lässt sich insoweit übertragen. Auch eine teilweise Zahlungseinstellung mit der Folge der Einstellung der Entsorgung durch den Auftragnehmer stellt eine Pflichtverletzung des Systembetreibers dar (vgl. zur alten Rechtslage: VG Stuttgart, U. v. 14. Dezember 2017 – 14 K 2860/15 -, juris Rn. 88).
Die Prüfung der Ermessensausübung durch den Antragsgegner beschränkt sich im vorliegenden Fall auf die Bemessung der Höhe der Sicherheitsleistung. Denn eine Ermessensentscheidung darüber, ob eine und welche Sicherheitsleistung von der Antragstellerin verlangt wird, d.h. über das Ob und die Art einer Sicherheitsleistung, hat der Antragsgegner im angegriffenen Bescheid nicht getroffen. Vielmehr hat er insoweit bereits mit der Nebenbestimmung in Ziffer 2.10 des Feststellungsbescheides vom 14. Dezember 2007, geändert durch den ersten Änderungsbescheid vom 30. August 2011, von dem ihm durch § 18 Abs. 4 VerpackG eingeräumten Ermessen Gebrauch gemacht. Denn mit dieser Nebenbestimmung hat der Antragsgegner geregelt, dass die Antragstellerin eine angemessene, insolvenzsichere Sicherheit für den Fall zu leisten hat, dass, falls der Systembetrieb eingestellt wird, die in den Sammeleinrichtungen des Systems tatsächlich erfassten Verpackungen entsorgt werden und hierfür die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger oder die zuständigen Behörden Kostenerstattung wegen Ersatzvornahme verlangen können. Er hat bereits in diesem Bescheid geregelt, dass die Sicherheit in Form einer unwiderruflichen und unbefristeten selbstschuldnerischen Bankbürgschaft auf erstes Anfordern einer deutschen Sparkasse oder einer Großbank zu erbringen ist. Da der Bescheid vom 14. Dezember 2007, geändert durch den ersten Änderungsbescheid vom 30. August 2011, bestandskräftig ist, ist diese getroffene Ermessensentscheidung des Antragsgegners über das „Ob“ und die Art der Festsetzung einer Sicherheitsleistung unanfechtbar und daher nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.
Der Antragsgegner hat in dem hier gegenständlichen Bescheid vom 29. Juli 2019 auch weder erneut eine Ermessensentscheidung über das „Ob“ noch über die Art einer Sicherheitsleistung getroffen. Vielmehr setzte er in Ziffer I. dieses Bescheids die Sicherheitsleistung auf 1.204.500,00 € fest und bestimmte, dass diese bis spätestens zum 1. Januar 2020 – wie schon im Feststellungsbescheid vom 14. Dezember 2007, geändert durch den ersten Änderungsbescheid vom 30. August 2011, verfügt – in Form einer unwiderruflichen und unbefristeten selbstschuldnerischen Bankbürgschaft auf erstes Anfordern einer deutschen Sparkasse oder einer Großbank oder Kreditversicherung zu erbringen ist. Alternativ ist – wie sich aus Satz 3 der Neufassung der Nebenbestimmung ergibt – die Einzahlung von Geld möglich.
Hat die zuständige Behörde bestandskräftig über die Sicherheitsleistung dem Grunde nach entschieden, kann der Festsetzung der Sicherheitsleistung der Höhe nach nicht entgegengehalten werden, der Eintritt des Sicherungsfalls sei aufgrund der gewählten Vertragsgestaltungen zwischen den jeweiligen Systemen und den einzelnen Erfassungsunternehmen äußerst unwahrscheinlich, so dass aus diesem Grund ein Ermessensfehler vorliege. Denn mit diesem Einwand wird vorgetragen, die Gefahr einer Ersatzvornahme durch einen öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger oder der Realisierung sonstiger Sicherungstatbestände sei ausgeschlossen. Der Einwand greift somit die Entscheidung an, trotz der behaupteten Unwahrscheinlichkeit des Eintritts des Sicherungsfalls überhaupt eine Sicherheitsleistung festgesetzt zu haben (VG Gelsenkirchen, B. v. 2.6.2020 – 9 L 1960/19 – juris Rn. 52 ff., so auch im Zusammenhang mit § 6 Abs. 5 Satz 3 VerpackV a.F.: VG Stuttgart, U.v. 14.12.2017 – 14 K 2860/15 – juris Rn. 78). Hierüber wurde aber bereits – wie ausgeführt – mit Bescheid vom 14. Dezember 2007, geändert durch den ersten Änderungsbescheid vom 30. August 2011, unanfechtbar entschieden. Im Übrigen wäre in der Festsetzung der Art der Sicherheitsleistung in Form der Erbringung einer selbstschuldnerischen Bankbürgschaft auf erstes Anfordern bzw. in Form einer Einzahlung von Geld ohnehin kein Ermessensfehler des Antragsgegners erkennbar. Soweit die Antragstellerin darauf verweist, dass die Erbringung einer Sicherheitsleistung auch durch die Errichtung eines kollektiven Sicherheitsfonds möglich wäre, trägt sie selbst in ihrer Klagebegründung vor, dass die Systeme derzeit intensiv bemüht seien, die kartellrechtlichen Voraussetzungen einer solchen Lösung zu schaffen. Dies bedeutet jedoch im Umkehrschluss, dass jedenfalls im Zeitpunkt des Bescheiderlasses eine solche Lösung zur Erbringung der Sicherheitsleistung noch nicht bestand. Folglich musste der Antragsgegner diese mögliche Art der Sicherheitsleistung auch in seiner Entscheidung (noch) nicht berücksichtigen. Der Antragstellerin bleibt es unbenommen, sobald die rechtlichen Grundlagen der Errichtung eines Sicherheitsfonds geklärt sind, einen Antrag bei der Antragsgegnerin auf Zulassung der Erbringung der Sicherheitsleistung in dieser Form zu stellen.
Im Hinblick auf die Ermessensausübung bezüglich der Höhe der Sicherheitsleistung ist zwischen der festgesetzten Sicherheitsleistung zur Absicherung der Kosten der Abholung und Entsorgung der Abfälle (Kosten der Ersatzvornahme) und der Sicherheitsleistung für Mitbenutzungs- und Nebenentgelte zu unterscheiden.
Die Ermessensausübung ist fehlerhaft, wenn die behördliche Entscheidung nicht auf einer zutreffenden tatsächlichen Grundlage beruht oder die Behörde den Sachverhalt in wesentlicher – d.h. entscheidungserheblicher – Hinsicht nicht vollständig und zutreffend ermittelt hat. Dabei überlässt es § 24 Abs. 1 und 2 i.V.m. § 26 Abs. 1 VwVfG in den vom Gegenstand des Verfahrens gezogenen Grenzen jedoch grundsätzlich der nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffenden Entscheidung der Behörde, welche Mittel sie zur Erforschung des Sachverhalts anwendet.
Sofern sich die Behörde auf Schätzungen stützt, muss die Schätzung im Licht des Zwecks der Ermächtigungsgrundlage (§ 40 VwVfG) plausibel und in sich schlüssig sein. Bei der Ermittlung von Daten ist dabei u.a. zu berücksichtigen, dass ein möglichst wirklichkeitsgetreues Ergebnis erzielt wird. Die Behörde hat ihr Ermessen nach § 40 VwVfG entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen einzuhalten. Eine Schätzung ohne Rückgriff auf verfügbare Anhaltspunkte (andere vorhandene oder bekannte Daten) wäre unverhältnismäßig.
a) Nach summarischer Prüfung ist nach diesen Maßstäben die Festsetzung der Höhe der Sicherheitsleistung auf 710.606,46 € für die Kosten der Abholung und Entsorgung der Abfälle nicht zu beanstanden.
Bezüglich der Ersatzvornahme hat das VG Stuttgart (U. v. 14.12.2017 – 14 K 2860/15 – juris Rn. 73 f.) zum Maßstab der Überprüfung der Ermessensausübung bei der Festsetzung der Höhe der Sicherheitsleistung im Zusammenhang mit § 6 Abs. 5 Satz 3 VerpackV a.F. ausgeführt:
„Die gerichtliche Kontrolle bei behördlichen Ermessensentscheidungen ist daher auf die Überprüfung von Ermessensfehlern beschränkt. Das bedeutet, dass das Gericht nur eine Rechtmäßigkeits- und keine Zweckmäßigkeitskontrolle durchführen darf. Zudem liegt der Festsetzung einer Sicherheitsleistung eine Prognose der Kosten einer künftigen Ersatzvornahme zugrunde, die im gerichtlichen Verfahren nur eingeschränkt überprüfbar ist. Die Anordnung betrifft in der Zukunft liegende Pflichten, und die Behörde muss abschätzen, ob und in welchem Umfang diese Pflichten entstehen werden. Eine solche Prognose ist schon ihrem Wesen nach stets mit Unwägbarkeiten hinsichtlich ungewisser zukünftiger Entwicklungen belastet. Die Anordnung der Sicherheit ist daher nur daraufhin überprüfbar, ob der Beklagte bei seiner Entscheidung den zutreffenden Maßstab zugrunde gelegt hat und ob die Prognose der voraussichtlichen Entsorgungskosten vertretbar ist.“
Dieser Maßstab ist hinsichtlich der gerichtlichen Kontrolldichte auf § 18 Abs. 4 VerpackG übertragbar (VG Gelsenkirchen, B. v. 2.6.2020 – 9 L 1960/19 – juris Rn. 68).
Die vorliegend nunmehr auf Grundlage des § 18 Abs. 4 VerpackG gestellte Prognose der voraussichtlichen Kosten der Abholung und Entsorgung der Abfälle erweist sich nach summarischer Prüfung als vertretbar.
Das Ermessen des Antragsgegners ist nicht auf eine bestimmte Berechnungsmethode der Sicherheitsleistung reduziert. Die Behörde hat der Berechnung der Sicherheitsleistung im Hinblick auf den Eintritt des Sicherungsfalls plausible und nachvollziehbare Maßstäbe zu Grunde zu legen, die auf der Ermittlung aller relevanten Tatsachen für die Berechnung gestützt sind. Bei der Berechnung der Sicherheitsleistung hat sich der Antragsgegner, wie sich aus der Begründung des Bescheids vom 29. Juli 2019 ergibt, an der Notwendigkeit orientiert, dass bei einer Nichtabholung der Verpackungsabfälle die Kosten des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers für die Abholung und Entsorgung dieser Abfälle abgedeckt werden. Dieser Ansatz ist vor dem Hintergrund des § 14 Abs. 1, Abs. 2 VerpackG vertretbar und nicht zu beanstanden.
Vertretbar ist vor dem Hintergrund der Maßgaben des § 14 Abs. 1, 2 VerpackG auch, dass der Antragsgegner nicht das sogenannte „cyclos-Modell“ als Berechnungsgrundlage gewählt hat (VG Gelsenkirchen, B. v. 2.6.2020 – 9 L 1960/19 – juris Rn. 72 ff. juris).
Die Wahl des Berechnungsmodells beruht auf einem Ansatz der länderoffenen Arbeitsgruppe „Festsetzung von Sicherheiten nach § 18 Abs. 4 VerpackG und Beibringung von Sicherheiten“, nach welchem die Erfassungs- und Verbrennungskosten je Tonne mit der Erfassungsmenge im jeweiligen Berechnungszeitraum multipliziert wird. Die Kosten werden dann entsprechend dem Marktanteil auf die dualen Systeme verteilt und als Sicherheitsleistung festgesetzt. Der Berechnungszeitraum soll mit einem Monat hinreichend lange Ausfallzeiträume abdecken (vgl. Arbeitspapier der länderoffenen Arbeitsgruppe „Festsetzung von Sicherheiten nach § 18 Abs. 4 VerpackG und Beibringung von Sicherheiten“ vom 21.12.2018 (Bl. … der Behördenakte – BA), S. …).
Der Ansatz entspricht zudem dem Zweck des Gesetzes. Vorrangig zu sichern ist nicht die Verarbeitung einer regulär anfallenden Stichtagsmenge, sondern die flächendeckende Sammlung aller restentleerten Verpackungen bei den privaten Endverbrauchern (Holsystem) oder in deren Nähe (Bringsystem) oder durch eine Kombination beider Varianten in ausreichender Weise (§ 14 Abs. 1 VerpackG) und deren Zuführung zu einer Verwertung (§ 14 Abs. 2 VerpackG). Folgerichtig hat sich der Antragsgegner an diesen Kriterien als Parameter für die Berechnung der Sicherheitsleistung orientiert.
Hiervon ausgehend sind daher, wie von dem Antragsgegner in der Begründung des Bescheids (Seite 4) zu Grunde gelegt, Grundlage der Berechnung der Sicherheitsleistung die Menge der nicht abgeholten Verpackungsabfälle, die Kosten der Abholung der erfassten Verpackungsabfälle bei den privaten Verbrauchern und die Kosten der Entsorgung der erfassten Verpackungsabfälle.
Die herangezogenen Berechnungsparameter sind nicht zu beanstanden.
Der Antragsgegner durfte die ihm aus den Mengenstromnachweisen der dualen Systeme bekannten Gesamterfassungsmengen von Leichtverpackungen aus dem Kalenderjahr 2017 heranziehen. Von der so ermittelten Gesamterfassungsmenge ausgehend begegnet es keinen Bedenken, dass für die Kosten der Erfassung und Verwertung von Leichtverpackungsabfällen rechnerisch gemittelte Werte angesetzt wurden und die Berechnung der Höhe der Sicherheitsleistung damit im Ergebnis eine Schätzung darstellt.
Vertretbar gewählte Grundlage der Schätzung sind die bei dem Antragsgegner durch Mengenstromnachweise der dualen Systeme bekannten Gesamterfassungsmengen von Leichtverpackungen in Bayern. Die Gesamterfassungsmenge der Verpackungen im Kalenderjahr 2017 beträgt nach Auskunft des Bayerischen Landesamts für Umwelt vom 20. November 2018 (Bl. … … der BA) einen Wert im Bereich von 266.008,23 bis 272.044,69 Tonnen. Zwar müssten die Erfassungsmengen der Dualen Systeme eigentlich in allen Mengenstromnachweisen identisch sein. Da jedoch die Dualen Systeme die Daten aus der Stromdatenbank der … … (…) separat und vermutlich zu unterschiedlichen Zeiten auswerten würden, würden sich geringfügige Unterschiede bei den nachgewiesenen Erfassungsmengen ergeben. Vor diesem Hintergrund ist die Vorgehensweise des Antragsgegners, als Gesamterfassungsmenge einen Durchschnittswert der von den Dualen Systemen jeweils übermittelten und voneinander abweichenden Erfassungsmengen in Höhe von 270.336,40 Tonnen heranzuziehen, nicht zu beanstanden.
Dass der Antragsgegner den insgesamt abzusichernden Betrag für die Erfassung von Leichtverpackungen aus der so ermittelten Menge, multipliziert mit den geschätzten Kosten der Erfassung je Tonne, ermittelt hat, begegnet ebenfalls keinen Bedenken. Der Antragsgegner hat auf Seite 4 seines Bescheids dargelegt, dass er sich zur Schätzung der Erfassungskosten von drei Systembetreibern, die unterschiedlich stark am Markt vertreten seien, zusammen jedoch einen Lizenzanteil von etwa 65% im Jahr 2017 aufwiesen, insgesamt neun Erfassungsverträge für die Fraktion LVP vorlegen habe lassen, hiervon jeweils drei in einer städtischen bzw. großstädtischen, in einer ländlich-dichten und einer ländlichen Strukturklasse. Der daraus errechnete Durchschnittswert in Höhe von 166,69 €/t werde als Erfassungskosten der Berechnung der Sicherheitsleistung zugrunde gelegt, wobei die Strukturklassen entsprechend ihrer Häufigkeit in Bayern gewichtet worden sei (vgl. Tabelle auf … … der BA).
Der rechnerisch gebildete Schätzwert von 166,69 €/t ist vertretbar ermittelt worden. Die ermittelte Varianzbreite des Tonnenpreises von 139,09 €/t bis 190,42 €/t (vgl. Tabelle auf Bl … der BA) lässt den Mittelwert von 166,69 €/t plausibel erscheinen, ohne dass zu erwarten wäre, dass weitere oder sämtliche Erfassungsverträge ausgewertet werden müssten. Es ist nicht ersichtlich, dass die Hochrechnung dieses Werts auf die dem Antragsgegner bekannte Gesamterfassungsmenge zu einem Betrag führt, der den Sicherungsfall nicht abdecken kann.
Hinsichtlich der Kosten der Verwertung zieht der Antragsgegner die Verbrennungskosten heran. Dies erscheint im Hinblick darauf, dass bei dem Ausfall eines oder mehrerer Systeme mit unvorhersehbar großen Mengen Leichtverpackungen gerechnet werden muss, für die Entsorgungskapazitäten erforderlich werden würden, vertretbar. Auch gegen den Rückgriff auf die in EUWID 50/2018, S. 18 ff. publizierten Preisspannen für die Verbrennung von Leichtverpackungen, aus denen der Antragsgegner aus einer Bandbreite von 60 €/t bis 150 €/t für die Region Süden und das Kalenderjahr 2017 den Mittelwert von 105 €/t gebildet hat, ist nichts einzuwenden. Die Bandbreite gibt die im Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung bekannte Marktlage wieder und führt zu einer vertretbaren Kalkulation des Sicherungsfalls.
Der Bemessung der Sicherheitsleistung nach den Kosten der Verbrennung kann auch nicht, wie die Antragstellerin meint, entgegengehalten werden, dass diese Grundannahme nicht der nach § 6 Abs. 1 des Kreislaufwirtschaftsgesetzes – KrWG – geltenden Abfallhierarchie folgt (VG Gelsenkirchen, B. v. 2.6.2020 – 9 L 1960/19 – juris Rn. 91 ff.). Danach sind die Vorbereitung zur Wiederverwendung und Recycling gegenüber der sonstigen Verwertung von Abfällen, insbesondere der energetischen Verwertung und Verfüllung, für Maßnahmen der Abfallbewirtschaftung vorrangig (§ 6 Abs. 1 Nr. 2, 3 und 4 KrWG). Es handelt sich um eine Zielhierarchie, die ein Abwägungsprogramm für Einzelfallentscheidungen bei der Erfüllung der Verwertungspflicht nach Maßgabe des § 8 Abs. 1 KrWG vorgibt. Hieraus folgt, dass für den Fall eines Systemausfalls aus § 6 KrWG keine feststehenden Maßstäbe zu gewinnen sind, wie die anfallenden Leichtverpackungen zu entsorgen sind. Bei realistischer Betrachtung, auf die es für die Abschätzung der von dem öffentlich-rechtlichen Träger zu tragenden Kosten der kurzfristigen und effizienten Verwertung der anfallenden Leichtverpackungen ankommen dürfte, kann nicht – wie mitunter im „cyclos-Modell“ – angenommen werden, dass im Fall einer Ersatzvornahme – wie im Normalfall üblich – stoffliche Wiederverwertung oder Recycling in Betracht kommen. Es dürfte zutreffend sein, dass die gefahrenabwehrrechtliche Handlungspflicht von der öffentlichen Hand verlangt, die gesammelten Leichtverpackungen zeitnah einer Verwertung zuführen zu können. Vor diesem Hintergrund konnte der Antragsgegner ermessensfehlerfrei die Verbrennung der kurzfristig anfallenden Leichtverpackungen in Betracht ziehen.
Ermessensfehler ergeben sich nicht daraus, dass etwaige Erlöse aus der Verwertung von Leichtverpackungen nicht auf die Sicherheitsleistung angerechnet werden. Zwar haben manche Verpackungsabfälle, wie beispielsweise PET-Flaschen, einen positiven Marktwert (vgl. EUWID 41/2019, S. 18 f.). Jedoch ist nicht im Vorhinein abstrakt bestimmbar, für welche Abfallfraktionen sich in welcher Größenordnung Erlöse ergeben. In der abzusichernden Notsituation des Systemausfalls ist die öffentliche Hand auch nicht in erster Linie verpflichtet, solche Erlöse zu generieren. Ergeben sich solche dennoch, so mindert das die Inanspruchnahme der Sicherheit erst im Nachhinein. Mögliche Erlöse können aber nicht bereits vorab die Sicherheitsleistung vermindern, da bei Eintritt des insoweit zutreffend angenommenen worst-case-Szenarios ansonsten die Gefahr einer Unterdeckung im Sicherungsfall bestünde.
Zudem sind im Zusammenhang mit der Festsetzung der Sicherheit etwaige Erlöse grundsätzlich nicht relevant. Bezogen auf den Betrieb von Abfallentsorgungsanlagen hat das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen klargestellt, dass Abfälle, die einen sog. positiven Marktwert haben, nicht zu berücksichtigen sind; denn es ist nicht Sinn der Sicherheitsleistung, dass der Staat zum Erhalt des Sicherungsmittels am Markt teilnimmt, um bei dem Verkauf von auf dem Betriebsgrundstück verbliebenem Abfall möglichst günstige Preise zu erzielen. Ebenso wenig kann eine etwaige Abfallbehandlung durch den von der Sicherheitsleistung betroffenen Betreiber (oder einen Dritten) mit der Folge einer Erhöhung des Marktwerts unterstellt werden. Vielmehr ist bei der Bestimmung des Marktwerts der Abfall im Augenblick der Anlieferung maßgeblich. Dies folgt aus Sinn und Zweck der Sicherheitsleistung, die der präventiven Durchsetzung der Nachsorgepflichten nach endgültiger Betriebsstilllegung dient, also den Fall der faktischen Einstellung aller Handlungen – auch etwaiger Behandlungsmaßnahmen – meint (OVG NRW, B. v. 2.2.2011 – 8 B 1675/10 -, juris Rn. 39). Dieser Gedanke lässt sich hinsichtlich der Beurteilung der Ermessensausübung des Antragsgegners auf die vorliegende Fallkonstellation übertragen. Es ist nicht Aufgabe der öffentlichen Hand, im Falle eines Systemausfalls für die Systeme die bestmöglichen Konditionen am Markt zu erzielen und das den Systemen im Falle der gemäß § 18 Abs. 4 VerpackG abgesicherten Pflichtverletzung zuzurechnende Schadensausmaß zu minimieren.
Es ist auch sachgerecht, die Kosten für die Menge der anfallenden Verpackungen auf Grundlage der Mengenstromnachweise der Systembetreiber nach den Marktanteilen der Systeme in Bayern zu gewichten. Denn die Gesamtkosten für die Entsorgung der Verpackungsmengen müssen im Fall des Ausfalls der Systembetreiber abgesichert sein.
Der Antragsgegner durfte bei der Festsetzung der Sicherheitsleistung auf die Marktanteile der Antragstellerin im Kalenderjahr 2017 abstellen. Es ist insoweit nicht zu beanstanden, dass der Antragsgegner, um rechnerische Verzerrungen und Ungleichgewichtungen zu vermeiden, für die Grundlage seiner Berechnung der Sicherheitsleistung nur Daten aus demselben Kalenderjahr heranziehen wollte. Vollständige Daten hinsichtlich aller Berechnungspositionen (insbesondere Gesamterfassungsmengen und vereinbarte Mitbenutzungs- und Nebenentgelte aller Landratsämter und kreisfreien Städte) lagen dem Antragsgegner im Zeitpunkt des Bescheiderlasses ausweislich der Behördenakte jedoch nur hinsichtlich des Kalenderjahres 2017 vor. Da sich insbesondere die Abfrage der vereinbarten Mitbenutzungs- und Nebenentgelte aller Landratsämter und kreisfreien Städte in Bayern sehr aufwendig gestaltete und viel Zeit in Anspruch nahm, durfte von einer Aktualisierung der Daten auf das dem Bescheiderlass vorangehende Kalenderjahr 2018 abgesehen werden, zumal eine erneute Abfrage bei allen Landratsämtern und kreisfreien Städten hinsichtlich der im Jahr 2018 vereinbarten Mitbenutzungs- und Nebenentgelte den Erlass des Bescheids auf einen unbestimmten Zeitpunkt verschoben hätte, zu dem die Daten voraussichtlich wiederum durch neue aus dem nächsten Kalenderjahr überholt gewesen wären.
Der Antragsgegner war auch nicht gehalten, die ermittelten Marktanteile in kurzen Zeitabständen, mitunter quartalsweise, zu aktualisieren. Gewisse Abweichungen von den tatsächlichen Marktanteilen oder späteren Veränderungen sind hinzunehmen. Weil in dieser Hinsicht der Zweck des § 18 Abs. 4 VerpackG, eine effektive und möglichst realitätsnahe Sicherheitsleistung zu erreichen, nicht verfehlt wird, hat das Gericht gemäß § 114 Satz 1 VwGO keine Zweckmäßigkeitskontrolle durchzuführen.
Im Lichte des Gesetzeszwecks, die Erfassung von Leichtverpackungsabfällen abzusichern, ist es der Antragstellerin zumutbar, dass der Antragsgegner als verlässliche Datengrundlage die Abfallmengen des aktuellsten Kalenderjahres, zu dem sämtliche entscheidungserhebliche Daten vorliegen, zu Grunde legt. Da die Marktanteile im Jahr 2017 noch nicht von der zentralen Stelle ermittelt wurden, durfte der Antragsgegner mangels anderer Möglichkeiten auch auf die Daten des rein privatrechtlich organisierten Clearing-Prozesses der Dualen Systeme zurückgreifen.
Die Heranziehung eines Marktanteils aus dem Jahr 2017 als Berechnungsgrundlage für die Sicherheitsleistung belastet die Antragstellerin darüber hinaus auch nicht über Gebühr, weil der Bescheid vom 29. Juli 2019 eine jährliche Anpassung der Sicherheitsleistung an die geänderten Marktanteile vorsieht (Seite 7 des Bescheids). Wenn auch verzögert, bildet die jährlich festgesetzte Sicherheitsleistung somit stets die jeweiligen Marktverhältnisse ab.
Schließlich ist für das Gericht auch hinsichtlich der konkreten Dauer der Absicherung von einem Monat ein Ermessensfehler nicht erkennbar. Insbesondere handelt es sich nicht um einen unverhältnismäßig langen Zeitraum und damit nicht um eine Ermessensüberschreitung. Vielmehr hält sich der Antragsgegner hiermit im Rahmen seines Ermessensspielraumes. Denn es ist nicht ausgeschlossen, dass gerade im Falle von Zahlungsschwierigkeiten eines Systembetreibers eine Ersatzvornahme über einen längeren Zeitraum erforderlich werden kann, wobei ein Zeitraum von einem Monat sich zumindest noch innerhalb des Möglichen bewegt (vgl. insoweit ebenso VG Stuttgart, U. v. 14.12.2017 – 14 K 2860/15 -, juris Rn. 102).
Mit der Besicherung der Gesamterfassungsmenge wird ein sogenanntes worst-case-Szenario, der Totalausfall aller Systeme, zu Grunde gelegt. Bereits unter § 6 Abs. 5 Satz 3 VerpackV a.F. war es zum Schutz der Gebührenzahler zulässig, auf das worst-case-Szenario des Ausfalls aller Systeme abzustellen, um in einem solchen Extremfall die Erfassung und Verwertung der anfallenden Verpackungsabfälle durch Ersatzvornahme der öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger aus den Mitteln der geleisteten Sicherheiten zu garantieren. Denn bereits die Vielzahl der beteiligten Akteure und die im Jahr 2014 aufgetretenen rechtlichen Differenzen zwischen den Systembetreibern, die dazu führten, dass ausweislich des Berichts des Bundeskartellamts vom 15. Juni 2015 (BT-Drucksache 18/5210, S. 85) die vollständige Bezahlung der bereits beauftragten Entsorgungsunternehmen zumindest für den Zeitraum von einem Monat zu scheitern drohte, lässt nicht den Schluss zu, dass es sich nur um ein theoretisches Szenario handelt.
Ob die Erfassungsunternehmen (möglicherweise) aufgrund der bestehenden Verträge nicht zur Verweigerung der Leistung berechtigt sind, die Erstinverkehrbringer ihre Mengenanteile (möglicherweise) zeitnah bei anderen Systembetreibern lizenzieren oder die übrigen Systembetreiber die Zahlungen kurzfristig übernehmen würden, um nicht selbst die Flächendeckung zu verlieren, kann letztlich dahinstehen. Denn bereits die Vielzahl der beteiligten Akteure und die Vielzahl der rechtlichen bzw. tatsächlichen Möglichkeiten stützen eher die Annahme eines Risikos für eine Funktionsstörung bei der Abholung der in „gelben Säcken“ oder Tonnen bereitgestellten Verkaufsverpackungen und lassen jedenfalls nicht den Schluss zu, dass die vom Antragsgegner getätigte Prognose nur rein theoretisch denkbar und damit der Zeitraum von einem Monat unverhältnismäßig ist (VG Gelsenkirchen, B. v. 2.6.2020 – 9 L 1960/19 – juris Rn. 114; vgl. zu § 6 Abs. 5 Satz 3 VerpackV a.F.: VG Stuttgart, U. v. 14.12.2017 – 14 K 2860/15 – juris Rn. 101, 103).
Vor diesem Hintergrund entspricht die Zugrundelegung des worst-case-Szenarios gerade nach der Ausweitung der Sicherungstatbestände in § 18 Abs. 4 VerpackG dem Gesetzeszweck. Eine Prüfung, wie die zwischen den Systemen und den Entsorgungsunternehmen bestehenden Vertragsverhältnisse zivilrechtlich im Hinblick auf die Wahrscheinlichkeit eines worst-case-Szenarios oder des Ausmaßes des Sicherungsfalls zu bewerten sind, bedarf – zumal im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes – keiner abschließenden zivilrechtlichen Bewertung. Insbesondere braucht nicht entschieden zu werden, ob die Annahme des Antragsgegners zutrifft, im Fall von Zahlungsschwierigkeiten oder der Insolvenz auch nur eines Systems würden die beauftragten Entsorgungsunternehmen ihre Erfassungsleistungen einstellen. Es muss nicht prognostisch abschließend dahin bewertet werden, mit welcher Sicherheit ein teilweiser oder vollständiger Ausfall der Systeme droht. Es genügt, dass ein solcher Ausfall auf Grund der Konstruktion der Entsorgung von Verpackungsabfällen im Bereich des Möglichen liegt. Jedenfalls führt die Insolvenz eines Systems zu Zahlungsausfällen im Verhältnis zwischen dem System und dem von ihm beauftragten Entsorgungsunternehmen. Eine Ungewissheit, ob ein solcher Fall flächendeckende Auswirkungen auf die Entsorgung von Verpackungsabfällen hat, kann nicht den Zufälligkeiten abfallwirtschaftlicher Marktmechanismen und dem Verhalten der Akteure überlassen werden.
Es kann dem von dem Antragsgegner zu Grunde gelegten worst-case-Szenario auch nicht entgegenhalten werden, dass es im Falle der ELS-Insolvenz weder überhaupt noch flächendeckend zu einer abzusichernden Ersatzvornahme gekommen, weil die anderen Systeme Unterstützungsleistungen in Gestalt einer freiwilligen Einzahlung in die Insolvenzmasse auf Grund der Massebeteiligungsvereinbarung vom 31. Mai 2018 erbracht hätten. Dieser Geschehensablauf im Einzelfall der ELS-Insolvenz bietet keine dauerhafte Gewähr dafür, dass nicht in künftigen, vergleichbaren Fällen insbesondere die sich aus § 14 Abs. 1 und 2 VerpackG ergebenden Verpflichtungen im Falle eines Systemausfalls zuverlässig erfüllt werden. Vielmehr verdeutlicht der Umstand, dass im Fall der ELS-Insolvenz ein Massebeteiligungsvertrag geschlossen wurde, den seinerzeit entstandenen Handlungsbedarf. Im Übrigen kann aus dem Einzelfall der ELS-Insolvenz keine gesicherte Prognose auf die Stabilität der Dualen Systeme hergeleitet werden. Hinzu treten mit dem System der Clearing-Verträge im Zusammenhang stehende Finanzierungsrisiken. Schließlich führen auch die von der Antragstellerin angeführten gesetzgeberischen Maßnahmen (insbesondere Transparenz- und Registrierungspflichten sowie Marktüberwachung der Zentralen Stelle) nicht dazu, dass die Gefahr einer Insolvenz eines Systembetreibers nunmehr gänzlich ausgeschlossen wäre. Die gesetzgeberischen Maßnahmen können dieses Risiko lediglich reduzieren, nicht jedoch gänzlich aufheben. Insoweit verweist auch der Antragsgegner zu Recht darauf, dass ausweislich der Gesetzesbegründung zum VerpackG (Drs. 18/11274, S. 91 ff.) die Registrierungspflicht der besseren Überwachungsgrundlage für die Zentrale Stelle dient. Zudem soll die Veröffentlichung der Registerdaten im Internet eine Selbstkontrolle des Marktes und eine Überprüfungsmöglichkeit für jedermann eröffnen. Schutzgedanke ist damit der faire Wettbewerb als Ganzes, jedoch weder die Verhinderung einzelner Insolvenzen noch ein unmittelbarer Einfluss auf die Möglichkeit, eine Sicherheitsleistung zu verlangen. Gleiches gilt für die in § 20 VerpackG geregelte Meldepflicht, zumal diese durch das VerpackG nicht neu geschaffen, sondern um Zwischenmeldungen erweitert worden ist.
Besteht hinsichtlich komplexer rechtlicher und abfallwirtschaftlicher Fragen und deren Folgen eine erhebliche Unsicherheit, bedarf es einer Sicherheitsleistung, die den insoweit in Betracht kommenden Sicherungsfall wirksam abbildet. Ermessensgerecht ist daher vor dem Hintergrund des Zwecks des § 18 Abs. 4 VerpackG, insbesondere in Verbindung mit § 14 Abs. 1 und 2 VerpackG, die Absicherung eines umfassenden Systemausfalls (VG Gelsenkirchen, B. v. 2.6.2020 – 9 L 1960/19 – juris Rn. 123 ff.).
Folgerichtig und rechnerisch richtig erfolgt die Berechnung der Sicherheitsleistung nach der tatsächlich von den Systembetreibern realisierten Sammelmenge, ausgewiesen in den Mengenstromnachweisen der Systembetreiber als materialbezogene Erfassungsmenge pro Kalenderjahr und Bundesland. Aus der Jahresabfallmenge hat der Antragsgegner die maximal mögliche Verpackungsmenge gebildet, die wegen des Verstoßes eines oder mehrerer Systembetreiber gegen die Pflicht zur flächendeckenden Abholung von dem öffentlich-rechtlichen Versorgungsträger zu entsorgen sein könnte. Für den Freistaat Bayern errechnet sich entsprechend seinem Anteil an dem in dem Kalenderjahr 2017 erfassten Leichtverpackungen eine Erfassungsmenge von 270.336,4 t (s.o.) pro Jahr, was 22.528,03 t pro Monat entspricht. Bei Erfassungs- und Verwertungskosten von insgesamt 271,69 €/t ergeben sich 6.120.641,38 €. Bei einem Marktanteil der Antragstellerin im Kalenderjahr 2017 von 11,61% entfällt auf diese ein Betrag von 710.606,46 € als zu leistende Sicherheit für die Entsorgung der Fraktion Leichtverpackungen.
Die Festsetzung der Sicherheitsleistung ist in dieser Höhe auch verhältnismäßig. Vor dem Hintergrund, dass die Antragstellerin keine Vermögenswerte, etwa Geld oder Wertpapiere (§ 232 Abs. 1 Nr. 1 BGB) zu hinterlegen, sondern eine Bankbürgschaft beizubringen hat, steht die angeordnete Sicherheitsleistung nicht außer Verhältnis zu der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Antragstellerin. Denn der Betrag muss nicht sofort und real zur Verfügung gestellt werden, sondern sichert lediglich zu gegebener Zeit den Rückgriff auf einen Teil der gemäß § 18 Abs. 4 VerpackG absicherbaren Kosten.
b) Auch die Berechnung der Höhe der Sicherheitsleistung für die Absicherung der Mitbenutzungs- und Nebenentgeltansprüche ist ermessensfehlerfrei erfolgt.
Der Antragsgegner darf die Neben- und Mitbenutzungsentgelte auf Grundlage einer plausiblen Schätzung berechnen. Dass er diesen Ansatz gewählt hat, ist nicht zu beanstanden, weil, wie er ausführt, für das Jahr 2019 keine verlässlichen Orientierungswerte für Mitbenutzungs- und Nebenentgeltansprüche, die gemäß § 22 Abs. 3, 4 und 9 VerpackG in der seit dem 1. Januar 2019 geltenden Fassung nach den Vorgaben des Bundesgebührenrechts zu kalkulieren sind, vorlagen.
Der Antragsgegner hat sich bei der Prognose über den Kostenausfall vertretbar an den noch aufgrund der VerpackV zwischen den Systembetreibern und öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern ausgehandelten Entgelten orientiert. Zur Ermittlung dieser Daten hat er bei sämtlichen Landratsämtern und kreisfreien Städten im Freistaat für das Kalenderjahr 2017 die durchschnittliche Höhe der Mitbenutzungs- und Nebenentgelte für ein Duales System im Landkreis/in der kreisfreien Stadt bzw. die Gesamthöhe der im Jahr von allen Systembetreibern gezahlten Mitbenutzungs- und Nebenentgelte abgefragt (Bl. … … der BA). Diese Abfrage ergab einen Gesamtbetrag in Höhe von 27.475.940,10 € (durchschnittlich 39.985,23 € im Jahr je System pro Landkreis/kreisfreie Stadt) an in Bayern im Kalenderjahr 2017 gezahlten Mitbenutzungsentgelten (vgl. Tabellen auf Bl. … der BA) sowie 23.569.110,57 € (durchschnittlich 28.957,26 € im Jahr je System pro Landkreis/kreisfreie Stadt) an in Bayern im Kalenderjahr 2017 gezahlten Nebenentgelten (vgl. Tabellen auf Bl. …) der Systembetreiber.
Für die Berechnung der konkreten, auf die Absicherung der vereinbarten Mitbenutzungs- und Nebenentgelte entfallenden Sicherheitsleistung für die Antragstellerin legte der Antragsgegner erneut einen Marktanteil von 11,61% im Kalenderjahr 2017 sowie einen Absicherungszeitraum von einem Monat zugrunde. Dies ist nach dem oben ausgeführten nicht zu beanstanden. Vor dem Hintergrund, dass die Zahlung der Mitbenutzungs- und Nebenentgelte an die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger häufig halbjährlich vereinbart wird (vgl. Spalte „Zahlungsfristen“ der Tabellen auf Bl. … und … der BA), erscheint die Wahl eines Absicherungszeitraums von lediglich einem Monat ohnehin großzügig gewählt.
Insgesamt errechnet sich für die Antragstellerin damit ein Betrag in Höhe von 228.031,14 € (23.569.110,57 € ./. 12 x 11,61%) als Sicherheitsleistung für die Nebenentgeltansprüche der öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger und 265.829,72 € (27.475.940,10 € ./. 12 x 11,61%) als Sicherheitsleistung für die Mitbenutzungsentgeltansprüche der öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger.
Die Sicherheitsleistung in Höhe von insgesamt 1.204.467,33 € (710.606,46 € für Kosten der Abholung und Entsorgung von Abfällen + 228.031,14 € für Nebenentgelte + 265.829,72 € für Mitbenutzungsentgelte), gerundet auf volle Hundert 1.204.500,00 €, ist damit korrekt berechnet worden. Nach summarischer Prüfung bestehen keine Bedenken hinsichtlich der Rechtmäßigkeit des Bescheids vom 29. Juli 2019.
3.3 Es besteht auch ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung der festgesetzten Sicherheitsleistung. An der Verfügbarkeit der Sicherheitsleistung besteht ein hinreichend gewichtiges fiskalisches Interesse, weil sie die Finanzierbarkeit des Entsorgungssystems sicherstellen soll und damit der Gefahrenabwehr dient, ohne auf allgemeine öffentliche Mittel zurückgreifen zu müssen. Die sofortige Vollziehbarkeit dient damit dem Schutz der öffentlichen Hand und letztendlich der Gesamtheit der Gebührenzahler. Dass die Festsetzung der Höhe der Sicherheitsleistung erst im Juli 2019 und somit etwa zehn Monate nach Inkrafttreten des § 18 Abs. 4 VerpackG erfolgt ist, steht der Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit nicht entgegen. Es ist offensichtlich, dass der Antragsgegner mit einer gewissen Übergangszeit die Anpassung an die neue, seit dem 1. Januar 2019 geltende Rechtslage vorgenommen hat, ohne dass ersichtlich ist, dass er grundlos mit der Festsetzung der Sicherheitsleistung zugewartet und mit der zuvor festgesetzten niedrigeren, nur die Fälle des § 6 Abs. 5 Satz 3 VerpackV a.F. abdeckenden Sicherheitsleistung eine Untersicherung der Entsorgung von Verpackungsabfällen hingenommen hätte. Ein etwaiges Vertrauen der Antragstellerin, von einer höheren Sicherheitsleistung auf Dauer verschont zu bleiben, ist bei der vorliegenden Sachlage jedenfalls nicht schützenswert.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 des Gerichtskostengesetzes (GKG). Nach § 52 Abs. 1 GKG ist in Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Die Bedeutung der behördlich verfügten Erhöhung der von einem Bankinstitut zu gewährleistenden Bürgschaftssumme bemisst sich im Wesentlichen nach den jährlichen Finanzierungsmehrkosten, die der Antragstellerin durch die Erhöhung der Bürgschaftssumme entstehen (VGH Baden-Württemberg, B. v. 9.1.2020 – 10 S 1579/18 – juris Rn. 2). Die Mehrkosten durch die Auferlegung einer Sicherheitsleistung liegen im Wesentlichen in den Bankkosten für die Bereitstellung der Sicherheit (hier in Gestalt einer Bürgschaft); denn durch die Beibringung der auferlegten Sicherheit wird lediglich verhindert, dass sich der Anlagenbetreiber (beispielsweise durch Insolvenz) seinen ihn ohnehin treffenden (mit der Bürgschaftssumme monetarisierten) Entsorgungspflichten entziehen kann, ohne dass ihm aber in der Höhe der Bürgschaftssumme zusätzliche (Zahlungs- oder Entsorgungs-)Pflichten auferlegt würden (VGH Baden-Württemberg, B. v. 9.1.2020 – 10 S 1579/18 – juris Rn. 3). Die jährlichen Kosten für die Finanzierung der erhöhten Sicherheitsleistung schätzt das Gericht mangels Angaben der Antragstellerin hierzu auf 20.000,00 €. Von den Kosten ist der dreifache Jahresbetrag anzusetzen (§ 52 Abs. 3 Satz 2 GKG), mithin 60.000,00 €. Dieser Wert war im vorliegenden Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG und Ziffer 1.5 des Streitwertkatalogs 2013 für die Verwaltungsgerichtsbarkeit zu halbieren.


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