IT- und Medienrecht

Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht

Aktenzeichen  M 6 K 16.1721

Datum:
7.12.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
RBStV RBStV § 2 Abs. 1, Abs. 2, § 7 Abs. 3, 3 10 Abs. 5, Abs. 7
RFinStV § 8
BayRundfunkbeitragssatzung § 11 Abs. 1
BayVwVfG BayVwVfG Art. 2 Abs. 1 S. 2, Art. 35, Art. 37 Abs. 5 S. 1, Art. 58 Abs. 1

 

Leitsatz

1. Der Umstand, dass der Bayerische Rundfunk gem. Art. 2 Abs. 1 S. 2 BayVwVfG vom direkten Anwendungsbereich des BayVwVfG ausgenommen ist, steht nicht der Befugnis entgegen, Rundfunkbeiträge durch Erlass eines Verwaltungsakts zu erheben. (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Rundfunkbeitragsstaatsvertrag ist aufgrund seiner Ratifizierung durch den Bayerischen Landtag unmittelbar geltendes bayerisches Landesrecht geworden. (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Rundfunkbeitragspflicht entsteht kraft (Landes-)Gesetzes und nicht auf der Grundlage eines öffentlich-rechtlichen Vertrags iSv Art. 58 Abs. 1 BayVwVfG. (redaktioneller Leitsatz)
4. Die Rundfunkbeitragspflicht begegnet keinen rechtlichen Bedenken. (redaktioneller Leitsatz)
5. Ein Rundfunkbeitragsbescheid bedarf keiner Unterschrift; es reicht ein Hinweis aus, dass er maschinell erstellt worden und deshalb ohne Unterschrift gültig ist. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

1. Über den Rechtsstreit konnte aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 7. Dezember 2016 entschieden werden, obwohl auf Seiten des Beklagten niemand erschienen ist. Der Beklagte wurde ausweislich des Empfangsbekenntnisses vom … November 2016 ordnungsgemäß geladen, wobei in der Ladung darauf hingewiesen wurde, dass beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann.
2. Soweit der Kläger die Aufhebung der Festsetzungsbescheide des Beklagten vom 1. April 2015 und vom 1. September 2015 und insbesondere die Feststellung begehrt, dass diese Bescheide keine Verwaltungsakte sind, ist die Klage teilweise bereits unzulässig und im Übrigen unbegründet.
2.1 Soweit die Klage auf die Aufhebung des Festsetzungsbescheids vom 1. April 2015 abzielt, ist sie bereits unzulässig.
Zwar ist die Anfechtungsklage statthafte Klageart, weil es sich bei dem Bescheid des Beklagten vom 1. April 2015 – ebenso wie bei demjenigen vom 1. September 2015 – um einen Verwaltungsakt im Sinne von § 42 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – i. V. m. Art. 35 Satz 1 des Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetzes – BayVwVfG – (analog) handelt. Der Umstand, dass der Beklagte gemäß Art. 2 Abs. 1 Satz 2 BayVwVfG vom direkten Anwendungsbereich des Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetzes ausgenommen ist, steht dem nicht entgegen. Denn der Beklagte hat gegenüber dem Kläger nicht nur in der äußeren Form eines (Leistungs-)Bescheids gehandelt, sondern auch inhaltlich eine hoheitliche, einzelfallbezogene Regelung auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts mit Außenwirkung getroffen und damit einen Verwaltungsakt erlassen. Soweit der Kläger unter Hinweis auf den Beschluss des Landgerichts Tübingen vom 16. September 2016 (5 T 232/16 – juris) die Behördeneigenschaft des Beklagten und damit das Vorliegen eines der Merkmale eines Verwaltungsakts bezweifelt, kann dem im Ergebnis nicht gefolgt werden. Als Anstalt des öffentlichen Rechts übt zwar der Beklagte jedenfalls nicht primär eine Verwaltungstätigkeit im herkömmlichen Sinne aus – und ist dementsprechend grundsätzlich auch vom Anwendungsbereich des Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetzes ausgenommen -, sondern er soll ein freies und ausgewogenes öffentlich-rechtliches Rundfunkprogramm gewährleisten. Im Rahmen dieser ihm kraft Gesetzes zugewiesenen Aufgabe ist er aber insbesondere zur Festsetzung und Vollstreckung von (rückständigen) Rundfunkbeiträgen und damit auch zu einem Verwaltungshandeln befugt. Insoweit wird der Beklagte hoheitlich und damit jedenfalls im Grundsatz wie eine Behörde im Sinne von Art. 35 Satz 1 BayVwVfG tätig.
Die Anfechtungsklage gegen den Festsetzungsbescheid des Beklagten vom 1. April 2015 ist aber deshalb unzulässig, weil der Kläger nicht innerhalb der Frist des § 70 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – Widerspruch erhoben hat und der Bescheid damit bereits bestandskräftig geworden ist. Ausweislich der sog. History-Aufstellung des Beklagten hat dieser den Bescheid vom 1. April 2015 am … April 2015 zu Post aufgegeben. Eine förmliche Zustellung ist dabei keine Voraussetzung für die Bekanntgabe des Bescheids (vgl. bereits VG München, B. v. 1.8.2016 – M 6 S 16.1722). Widerspruch hat der Kläger jedoch erst mit seinem Schreiben vom … Juni 2015 und damit nach Ablauf der Monatsfrist des § 70 Abs. 1 VwGO erhoben.
2.2 Die Anfechtungsklage gegen den Festsetzungsbescheid vom 1. September 2015 ist zwar zulässig, aber unbegründet.
Der Bescheid des Beklagten vom 1. September 2015 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Der Bescheid findet seine Rechtsgrundlage in § 10 Abs. 5 i. V. m. § 2 Abs. 1, § 2 Abs. 2 des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags – RBStV – und ist sowohl formell als auch materiell rechtmäßig.
2.2.1 Rechtsgrundlage für die Erhebung des Rundfunkbeitrags ist seit dem 1. Januar 2013 der Rundfunkbeitragsstaatsvertrag. Der Fünfzehnte Staatsvertrag zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge (Fünfzehnter Rundfunkänderungsstaatsvertrag – 15. RÄStV), der in seinem Art. 1 den Rundfunkbeitragsstaatsvertrag umfasst, wurde im Zeitraum vom 15. bis 21. Dezember 2010 von den Ministerpräsidenten der 16 Bundesländer unterzeichnet. Der Bayerische Landtag hat dem 15. Rundfunkänderungsstaatsvertrag mit Beschluss vom 17. Mai 2011 zugestimmt. Mit Bekanntmachung vom 7. Juni 2011 ist der Staatsvertrag im Gesetz- und Verordnungsblatt vom 30. Juni 2011 (S. 258) veröffentlicht worden und nach Zustimmung aller Landesparlamente gemäß seinem Art. 7 Abs. 2 – soweit hier von Interesse – am 1. Januar 2013 in Kraft getreten (GVBl 2012, S. 18). Der Rundfunkbeitragsstaatsvertrag ist somit aufgrund seiner Ratifizierung durch den Bayerischen Landtag unmittelbar geltendes – bayerisches – Landesrecht geworden.
Daher kann der Kläger mit seinen grundsätzlichen Bedenken gegen die Wirksamkeit des RBStV im Ergebnis keinen Erfolg haben. Soweit er sinngemäß vorbringt, dass dessen Geltungsbereich nicht hinreichend bestimmt geregelt sei, weil der Staatsvertrag für Rundfunk und Telemedien (Rundfunkstaatsvertrag – RStV) nach seinem § 1 Abs. 1 für die Veranstaltung und Verbreitung von Rundfunk in „Deutschland“ gelte, und Deutschland nach dem SHAEF-Gesetz Nr. 52 Art. VII Nr. 9 Buchst. e dasjenige in den Grenzen von 1937 sei, so dass auch in Polen Rundfunkbeiträge erhoben werden müssten, ist dies rechtlich unerheblich, weil der Rundfunkbeitragsstaatsvertrag – wie oben dargelegt – nicht als Bundesrecht, sondern im vorliegenden Fall als bayerisches Landesrecht zur Anwendung kommt. Aus dem gleichen Grund bedarf auch die vom Kläger aufgeworfene Frage, ob das „vereinte Deutschland“, auf das in der Präambel des Rundfunkstaatsvertrags Bezug genommen wird, rechtswirksam zustande gekommen sei, keiner weiteren Vertiefung, zumal der Kläger in der mündlichen Verhandlung klargestellt hat, dass er jedenfalls die Bundesrepublik Deutschland als Staat anerkenne. Im Übrigen sei angemerkt, dass aus Sicht der erkennenden Kammer angesichts des inzwischen seit Jahrzehnen gelebten Konsenses auf nationaler, europäischer und internationaler Ebene am Verlauf der Außengrenzen insbesondere im Osten und damit an der räumlichen Ausdehnung des Staatsgebiets der Bundesrepublik Deutschland im Ergebnis keine Zweifel bestehen.
Entgegen der Auffassung des Klägers steht der Wirksamkeit des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags auch nicht entgegen, dass der 15. Rundfunkänderungsstaatsvertrag zunächst zwischen dem 15. und 21. Dezember 2010 von den Ministerpräsidenten der Länder unterzeichnet und ihm erst anschließend von den Länderparlamenten – in Bayern mit Beschluss vom 17. Mai 2011 – zugestimmt worden ist. Denn der 15. Rundfunkänderungsstaatsvertrag ist erst nach Zustimmung des Bayerischen Landtags bekanntgemacht worden und in Kraft getreten und damit auch erst nach dessen Zustimmung im Sinne des Art. 72 Abs. 2 der Bayerischen Verfassung – BV – abgeschlossen worden.
Der Rundfunkbeitragsstaatsvertrag ist auch nicht mangels Zustimmung der Beitragsschuldner gemäß Art. 58 Abs. 1 des Bayrischen Verwaltungsverfahrensgesetzes – BayVwVfG – unwirksam. Denn der Staatsvertrag ist, wie oben dargelegt, in Landesrecht umgesetzt worden, entfaltet also seine Rechtswirkungen gegenüber den Beitragsschuldnern nicht schon aufgrund seiner Unterzeichnung durch die Ministerpräsidenten, sondern erst aufgrund der Zustimmung der jeweiligen Landesparlamente, hier des Bayerischen Landtags. Die Rundfunkbeitragspflicht entsteht somit kraft (Landes-)Gesetzes und nicht auf der Grundlage eines öffentlich-rechtlichen Vertrags im Sinne von Art. 58 Abs. 1 BayVwVfG (vgl. auch BayVerfGH, U. v. 15.05.2014, Vf. 8-VII-12; Vf. 24-VII-12 – juris Rn. 54).
Der Rundfunkbeitrag begegnet auch im Übrigen keinen durchgreifenden, auch keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Das hat nach der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs Rheinland-Pfalz vom 13. Mai 2014 und der für Bayern grundlegenden Entscheidung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs vom 15. Mai 2014 (Vf. 8-VII-12 und Vf. 24-VII-12) sowie zahlreichen Urteilen von Verwaltungsgerichten (z. B. VG München, U. v. 26.2.2015 – M 6a K 14.877; U. v. 8.6.2016, M 6 K 16.20) und Oberverwaltungsgerichten, darunter auch des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (st. Rspr. seit U. v. 19.6.2015 – 7 BV 14.1707 -, U. v. 19.6.2015 – 7 BV 14.2488), nunmehr auch das Bundesverwaltungsgericht mit mehreren Urteilen vom 18. März 2016 bestätigt (BVerwG 6 C 6.15 u. a.). Danach ist der Rundfunkbeitrag eine rundfunkspezifische nichtsteuerliche Abgabe, die in die Gesetzgebungszuständigkeit der Länder für das Rundfunkrecht fällt (amtlicher Leitsatz Nr. 1). Die vorrangige Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks durch den Rundfunkbeitrag trägt der Programmfreiheit des Rundfunks und dem Verfassungsgebot eines die Vielfalt sichernden Programms angemessen Rechnung (amtlicher Leitsatz Nr. 2). Der Rundfunkbeitrag stellt die Gegenleistung für den Vorteil der Rundfunkempfangsmöglichkeit dar. Dieser Vorteil kann Wohnungsinhabern individuell zugerechnet werden, weil Wohnungen nahezu vollständig mit Rundfunkempfangsgeräten ausgestattet sind (amtlicher Leitsatz Nr. 3). Die Ersetzung der gerätebezogenen Rundfunkgebühr durch den wohnungsbezogenen Rundfunkbeitrag war wegen des drohenden strukturellen Defizits der Gebührenerhebung zulässig, um die Belastungsgleichheit der Rundfunkteilnehmer zu wahren (amtlicher Leitsatz Nr. 4). Die Belastungsgleichheit (Art. 3 Abs. 1 GG) verlangt nicht, Wohnungsinhaber, die bewusst auf eine Rundfunkempfangsmöglichkeit verzichten, von der Rundfunkbeitragspflicht zu befreien (amtlicher Leitsatz Nr. 5). Die Anknüpfung des Rundfunkbeitrags an die Wohnung benachteiligt die alleinigen Inhaber einer Wohnung nicht gleichheitswidrig gegenüber Personen, die zusammen mit anderen in einer Wohnung leben. (amtlicher Leitsatz Nr. 6). Seine Rechtsauffassung hat das Bundesverwaltungsgericht nochmals mit Urteil vom 15. Juni 2016 bekräftigt (Az. 6 C 35/15 – juris). Der Rundfunkbeitrag verstößt auch gegen keine anderen Normen wie etwa die EMRK oder EU-Recht.
2.2 2 Der Bescheid des Beklagten vom 1. September 2015 ist formell rechtmäßig.
Er ist leidet insbesondere nicht deshalb an einem formellen Mangel, weil er vom nicht rechtsfähigen ARD ZDF Deutschlandradio Beitragsservice (Beitragsservice) für den Beklagten erlassen worden ist.
Gemäß § 10 Abs. 5 RBStV werden rückständige Rundfunkbeitrage grundsätzlich durch die jeweils zuständige Landesrundfunkanstalt – hier also durch den Beklagten – festgesetzt. Die Zuständigkeit (und die Befugnis) zum Erlass von Festsetzungsbescheiden ergibt sich damit aus dieser Vorschrift. Der Umstand, dass der Beklagte keine Behörde im herkömmlichen Sinn und dementsprechend aus dem direkten Geltungsbereich des Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetzes herausgenommen ist, steht dem nicht entgegen, zumal sich Zuständigkeit und Befugnis zum Erlass eines Verwaltungsaktes ohnehin nicht aus Art. 35 BayVwVfG, sondern stets aus einer materiellen Ermächtigungsgrundlage – hier aus § 10 Abs. 5 i. V. m. § 2 Abs. 1 und Abs. 2 RBStV -, ggf. in Verbindung mit entsprechenden Zuständigkeitsvorschriften ergeben.
Hinsichtlich des ARD ZDF Deutschlandradio Beitragsservice ist anzumerken, dass die Erledigung von Verwaltungsaufgaben, wozu auch die Erstellung von Bescheiden gehört, ihre Rechtsgrundlage in § 10 Abs. 7 RBStV i. V. m. § 2 der Satzung des Bayerischen Rundfunks über das Verfahren zur Leistung der Rundfunkbeiträge – Rundfunkbeitragssatzung – findet. Auf der Grundlage dieser Vorschriften haben die Landesrundfunkanstalten eine nicht rechtsfähige öffentlich-rechtliche Verwaltungsgemeinschaft gebildet, die in ihrem Namen und ihrem Auftrag den Einzug von Rundfunkbeiträgen vornimmt und auch Beitragsbescheide sowie Widerspruchsbescheide erstellt, die jedoch rechtlich ausdrücklich der jeweiligen Landesrundfunkanstalt zugeordnet und zugerechnet werden. Dieses organisatorische Vorgehen der Landesrundfunkanstalten ist rechtlich nicht zu beanstanden.
Der streitgegenständliche Bescheid ist auch nicht deshalb (formell) rechtswidrig, weil er nicht unterschrieben ist. Er enthält in entsprechender Anwendung des Art. 37 Abs. 5 BayVwVfG den Hinweis, dass er maschinell erstellt worden und deshalb ohne Unterschrift gültig ist. In Anbetracht der Tatsache, dass es gerade in Massenverfahren wie demjenigen der Rundfunkbeiträge und schon vormals der Rundfunkgebühren ohne enormen Verwaltungsaufwand kaum noch möglich wäre, jeden einzelnen Bescheid durch einen Sachbearbeiter unterschreiben zu lassen, gebietet es der Grundsatz der Sparsamkeit der Verwaltung, die bestehenden technischen Möglichkeiten zu nutzen, um den Verwaltungsaufwand möglichst gering zu halten, der andernfalls zulasten der Rundfunkbeitragszahler umgelegt werden müsste. Dem hat der Gesetzgeber entsprochen, indem er es für zulässig erklärt hat, Bescheide maschinell zu erstellen und auch ohne Unterschrift für formell wirksam zu erklären. Für den Beklagten kann insoweit nichts anderes gelten, auch wenn er von dem direkten Anwendungsbereich des BayVwVfG nach dessen Art. 2 Abs. 1 Satz 2 ausgenommen ist. Auch der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat in dieser Hinsicht bislang noch in keiner seiner Berufungsentscheidungen zum Rundfunkbeitragsrecht jemals rechtliche Bedenken geäußert (VG München, U. v. 6.7.2016 – M 6 K 16.2047 – juris). Dieses Ergebnis wird entgegen der Auffassung des Klägers auch nicht durch das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 17. Dezember 2008 (7 BV 06.3364 – juris) in Frage gestellt, wenn dort zur Frage der analogen Anwendung von Art. 80 BayVwVfG folgendes ausgeführt wird:
„Zwar wird teilweise für den Bereich der Rundfunkgebührenfestsetzung und der Entscheidung über Anträge auf Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht trotz landesrechtlicher Ausnahmeregelungen wie in Art. 2 Abs. 1 Satz 2 BayVwVfG der Rückgriff auf die Grundsätze des allgemeinen Verwaltungsverfahrensrechts befürwortet und etwa eine Verpflichtung zur Beachtung der Grundgedanken der §§ 24 – 27, 28, 30 und 39 VwVfG angenommen (Bonk/Schmitz in: Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 7. Aufl. 2008, § 2 RdNr. 22, Ohliger in: Beck’scher Kommentar zum Rundfunkrecht, 2. Aufl. 2008, RdNr. 42 zu § 7 RGebStV). Gleichwohl hält der Verwaltungsgerichtshof für die Frage der Kostenerstattung im isolierten Vorverfahren an seiner im Urteil vom 10. Oktober 1985 vertretenen Auffassung fest (ebenso VGH BW vom 19.6.2008 NVwZ-RR 2008, 750, und OVG LSA vom 5.3.2007 Az. 3 O 97/06 , für vergleichbare landesrechtliche Regelungen in Baden-Württemberg und Sachsen-Anhalt). Auch bei einer Bindung der Rundfunkanstalten an allgemeine Grundsätze eines rechtsstaatlichen Verwaltungsverfahrens kann eine Verpflichtung zur Erstattung der Anwaltskosten im isolierten Vorverfahren nicht angenommen werden. Diese ist nicht notwendiger Bestandteil eines rechtsstaatlichen Verwaltungsverfahrens, sondern bedarf einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung (vgl. auch Kallerhoff in: Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 7. Aufl. 2008, § 80 RdNrn. 5 – 10).“
Die entsprechende Anwendung von Art. 80 BayVwVfG hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof damit letztlich deshalb abgelehnt, weil diese Vorschrift nicht notwendiger Bestandteil eines rechtsstaatlichen Verfahrens sei. Die Frage der Bindung des Beklagten an allgemeine Grundsätze eines rechtsstaatlichen Verfahrens hat er hingegen offengelassen. Im Ergebnis bestehen daher keine durchgreifenden Bedenken dagegen, die Beitragsbescheide des Beklagten grundsätzlich den inhaltlichen Anforderungen des Art. 37 BayVwVfG zu unterwerfen und ihnen daher auch die in Art. 37 Abs. 5 BayVwVfG vorgesehene Erleichterung für maschinell erstellte Bescheide zugutekommen zu lassen (so im Ergebnis auch VG Augsburg, U. v. 3.5.2016 – Au 7 K 16.130 – juris). Hierfür spricht auch die Vorschrift des Art. 7 Satz 3 des Gesetzes zur Ausführung des Rundfunkstaatsvertrag, des Jugendmedienschutz-Staatsvertrags und des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags (AGStV Rundf, Jumedsch, Rundfbeitr). Danach können bei einer Vollstreckungsanordnung, die mit Hilfe automatischer Einrichtungen erlassen worden ist, Unterschrift und Dienstsiegel fehlen. Wenn nach dem gesetzgeberischen Willen selbst im Vollstreckungsverfahren nur geringe Anforderungen an die Schriftform von maschinell erstellten Vollstreckungsanordnungen zu stellen sind, ist davon auszugehen, dass dies auch im Festsetzungsverfahren für Beitragsbescheide gelten soll.
Darin liegt auch kein Verstoß gegen den prinzipiellen Vorbehalt des Gesetzes (Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes – GG). Denn die Bildung von Analogien, d. h. die entsprechende Heranziehung von Rechtsnormen oder von in diesen enthaltenen allgemeinen Rechtsgedanken im Fall von planwidrigen Regelungslücken ist seit jeher anerkannt und stellt keinen Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip dar. Selbst wenn man das Vorliegen einer solchen planwidrigen Regelungslücke hier verneinen wollte, mit der Folge, dass Art. 37 Abs. 5 Satz 1 BayVwVfG nicht entsprechend heranzuziehen wäre, läge hier kein zur Aufhebung des Bescheids führender formeller Mangel vor. Denn dann wäre aus demselben Grund auch die entsprechende Anwendung des Art. 37 Abs. 3 Satz 1 BayVwVfG mit den darin enthaltenen Formerfordernissen ausgeschlossen. Nichts anderes ergibt sich, wenn man zwar die Einhaltung der in Art. 37 Abs. 3 BayVwVfG enthaltenen Formerfordernisse als Ausprägung eines rechtsstaatlichen Verfahrens für geboten hielte, nicht aber die Ausnahmen hiervon in Art. 37 Abs. 5 Satz 1 BayVwVfG. Denn der dann an sich zu bejahende formelle Fehler würde entsprechend dem in Art. 46 BayVwVfG enthaltenen Rechtsgedanken nicht zur Aufhebung des Bescheides führen.
2.2.3 Der streitgegenständliche Bescheid ist auch materiell rechtmäßig. Als Inhaber einer Wohnung hat der Kläger für den darin festgesetzten Zeitraum den Rundfunkbeitrag in der festgesetzten Höhe einschließlich des Säumniszuschlags zu zahlen.
Im privaten Bereich ist nach § 2 Abs. 1 RBStV grundsätzlich für jede Wohnung von deren Inhaber (Beitragsschuldner) ein Rundfunkbeitrag in Höhe von 17,98 EUR (§ 8 Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrag; seit 1.4.2015: 17,50 EUR) im Monat zu entrichten. Inhaber einer Wohnung ist jede volljährige Person, die die Wohnung selbst bewohnt, § 2 Abs. 2 Satz 1 RBStV. Als Inhaber wird jede Person vermutet, die dort nach dem Melderecht gemeldet ist oder im Mietvertrag für die Wohnung als Mieter genannt ist, § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 und 2 RBStV.
Dass der Kläger hierzu der persönlichen Auffassung ist, nicht Inhaber einer Wohnung zu sein, weil er ein Mensch und keine Person sei, ist rechtlich unerheblich. Nach der geltenden Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland ist er ein Mensch und damit eine natürliche Person im Sinne der §§ 1 ff. Bürgerliches Gesetzbuch – BGB -, im Gegensatz zu den sog. juristischen Personen (§ 21 ff. BGB) oder Sachen und Tieren (§§ 90 ff. BGB). In diesem Sinne ist auch der Begriff der „Person“ in § 2 Abs. 2 RBStV zu verstehen (VG München, U. v. 6.7.2016 – M 6 K 16.2047 – juris). Andernfalls wäre der Kläger womöglich auch nicht nach § 61 Nr. 1 VwGO als fähig anzusehen gewesen, Beteiligter des vorliegenden Verfahrens zu sein, und hätte überhaupt nicht um verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutz nachsuchen können. Hiervon ging das Gericht zugunsten des Klägers nicht aus.
Der Kläger hat auch Anlass für die erfolgte Festsetzung der Rundfunkbeiträge durch den Beklagten mit dem streitgegenständlichen Bescheid geboten (§ 10 Abs. 5 Satz 1 RBStV). Nach § 7 Abs. 3 Satz 1 RBStV ist der Rundfunkbeitrag monatlich geschuldet. Er ist nach § 7 Abs. 3 Satz 2 RBStV in der Mitte eines Dreimonatszeitraums für jeweils drei Monate zu leisten.
Der Kläger hat die Rundfunkbeiträge für den hier streitgegenständlichen Zeitraum jedoch trotz deren Fälligkeit – unstreitig – nicht gezahlt, obwohl er ausreichend Informationen vom Beitragsservice über die Fälligkeit und die möglichen Zahlungsweisen erhalten hatte.
Auch die Festsetzung des Säumniszuschlags in Höhe von EUR c… ist rechtlich nicht zu beanstanden.
Rechtsgrundlage für die Erhebung eines Säumniszuschlags ist seit Einführung des Rundfunkbeitrags ab 1. Januar 2013 § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 Alt. 3 RBStV i. V. m. § 11 Abs. 1 der Satzung des Bayerischen Rundfunks über das Verfahren zur Leistung der Rundfunkbeiträge – Rundfunkbeitragssatzung – vom 19. Dezember 2012, in Kraft getreten am 1. Januar 2013 (veröffentlicht im Bayerischen Staatsanzeiger vom 21.12.2012, StAnz Nr. 51-52/2012, S. 3). Danach wird, wenn Rundfunkbeiträge nicht innerhalb von vier Wochen nach Fälligkeit in voller Höhe entrichtet werden, ein Säumniszuschlag in Höhe von einem Prozent der rückständigen Beitragsschuld, mindestens aber ein Betrag von EUR 8,00 fällig, ohne dass es eines vorherigen „Beitragsbescheids“ bedürfte. Der Säumniszuschlag wird zusammen mit der Rundfunkbeitragsschuld durch Bescheid nach § 10 Abs. 5 RBStV festgesetzt. Mit jedem Bescheid kann nur ein Säumniszuschlag festgesetzt werden (§ 11 Abs. 1 Satz 3 Rundfunkbeitragssatzung).
Vorliegend hatte der Kläger für den in dem streitgegenständlichen Bescheid benannten Zeitraum die Rundfunkbeiträge – unstreitig – nicht bei Fälligkeit bezahlt, so dass der Beklagte den Säumniszuschlag festsetzen durfte. Dieser war mit EUR c… auch der Höhe nach zutreffend bemessen.
3. Soweit der Kläger hilfsweise begehrt, wegen unbilliger Härte von der Rundfunkbeitragspflicht befreit zu werden, ist die Klage bereits mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig. Denn nach Aktenlage hat der Kläger beim Beklagten bislang keinen – gemäß § 4 Abs. 6 Satz 1 RBStV gesondert zu stellenden – Antrag auf Befreiung nach § 4 Abs. 6 RBStV gestellt.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung und die Abwendungsbefugnis haben ihre Rechtsgrundlage in § 167 Abs. 2 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. Zivilprozessordnung (ZPO).
Rechtsmittelbelehrung:
Nach §§ 124, 124 a Abs. 4 VwGO können die Beteiligten die Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil innerhalb eines Monats nach Zustellung beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,
Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder
Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München
beantragen. In dem Antrag ist das angefochtene Urteil zu bezeichnen. Dem Antrag sollen vier Abschriften beigefügt werden.
Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist bei dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,
Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München, oder
Postanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München
Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach
einzureichen, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist.
Über die Zulassung der Berufung entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Rechtslehrern mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4 und 7 VwGO sowie in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf EUR 122,44 festgesetzt. (§ 52 Abs. 3 Satz 1 Gerichtskostengesetz -GKG-).
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes EUR 200,– übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde. Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,
Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder
Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München
einzulegen.
Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
Der Beschwerdeschrift eines Beteiligten sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.


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