IT- und Medienrecht

Beschwerde, Berufung, Werbung, Erledigung, Beschwerdeverfahren, Verfahren, Kostenerstattungsanspruch, Beteiligung, Vollziehung, Antragsteller, Unterlassung, Hauptsacheerledigung, Anspruch, Hauptsache, sofortige Beschwerde, Kosten des Verfahrens, Kosten des Beschwerdeverfahrens

Aktenzeichen  18 W 1247/21

Datum:
4.4.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 6930
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Gegen die Zurückweisung des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung im Beschlusswege ist die sofortige Beschwerde auch dann zulässig, wenn sie mit dem Ziel eingelegt wird, die nach Abschluss der ersten Instanz eingetretene Erledigung der Hauptsache festzustellen, und der Gegner am Verfahren nicht förmlich beteiligt worden war.

Verfahrensgang

13 O 1421/21 2021-08-10 Bes LGKEMPTEN LG Kempten

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Landgerichts Kempten (Allgäu) vom 10.08.2021, Az: 13 O 1421/21, wie folgt abgeändert:
Es wird festgestellt, dass sich das einstweilige Verfügungsverfahren in der Hauptsache erledigt hat.
2. Die Kosten des einstweiligen Verfügungsverfahrens trägt die Antragsgegnerin.
3. Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf bis zu 1.000 € festgesetzt.
4. Die Streitwertfestsetzung für die erste Instanz wird von Amts wegen dahin abgeändert, dass der Streitwert auf 2.500 € festgesetzt wird.

Gründe

I.
Der Antragsteller hatte am 09.08.2021 beim Landgericht Kempten (Allgäu) den Erlass einer einstweiligen Verfügung beantragt, durch welche der Antragsgegnerin unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel untersagt werden sollte, die am 20.07.2021 verhängte Sperrung seines Facebook-Accounts „T. W.“ für das Posten, Kommentieren und „Live-Gehen“ aufrechtzuerhalten. Hinsichtlich der Begründung des Antrags wird auf die Antragsschrift vom 09.08.2021 (Bl. 1/5 d.A.) Bezug genommen.
Ohne die Antragsgegnerin am Verfahren zu beteiligen, hat das Landgericht mit Beschluss vom 10.08.2021 (Az: 13 O 1421/21 Pre) den Antrag auf Erlass der begehrten einstweiligen Verfügung zurückgewiesen und dem Antragsteller die Kosten des Verfahrens auferlegt. Zur Begründung seiner Entscheidung führt es im Wesentlichen aus, es könne dahinstehen, ob dem Antragsteller der geltend gemachte Anspruch zustehe; denn es fehle an dem erforderlichen Verfügungsgrund. Das Begehren des Antragstellers sei auf den Erlass einer Leistungsverfügung gerichtet, die mangels einer nachvollziehbaren Darlegung der hierfür erforderlichen Voraussetzungen zu einer unzulässigen Vorwegnahme der Hauptsache führen würde.
Die auf Erfüllung gerichtete Leistungsverfügung setze neben dem Bestehen des geltend gemachten Anspruchs ein dringendes Bedürfnis für die begehrte Eilmaßnahme voraus. Der Gläubiger müsse darlegen und glaubhaft machen, dass er auf die sofortige Erfüllung seines Anspruchs dringend angewiesen sei. Alternativ sei eine Leistungsverfügung auch dann zulässig, wenn die geschuldete Handlung so kurzfristig zu erbringen sei, dass die Erwirkung eines Vollstreckungstitels im ordentlichen Verfahren nicht möglich sei und die Verweisung des Gläubigers auf die Erhebung der Hauptsacheklage praktisch einer Rechtsverweigerung gleichkäme.
Der Antragsteller habe keine Tatsachen vorgetragen, aus denen hervorgehe, dass er auf die dringende Erfüllung seines Anspruchs angewiesen sei. Er trage selbst vor, dass die Sperrung auf 30 Tage – scil: für das Posten und Kommentieren – bzw. 90 Tage – scil: für das „Live-Gehen“ – beschränkt sei. Bei dieser Sachlage müsse sich der Antragsteller auf die Möglichkeit verweisen lassen, die Antragsgegnerin im Rahmen einer Hauptsacheklage auf Unterlassung einer Sperrung in Anspruch zu nehmen.
Gegen den ihm am 10.08.2021 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller mit Schriftsatz vom 20.08.2021, beim Landgericht eingegangen am selben Tage, sofortige Beschwerde eingelegt und gleichzeitig den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt.
Zur Begründung führt er im Wesentlichen aus, die von der Antragsgegnerin verhängte Sperre sei nach 30 Tagen abgelaufen. Die 90tägige Sperre für Werbung und das „Live-Gehen“ bestehe jedenfalls seit dem 20.08.2021 nicht mehr fort. Bei Einreichung der Antragsschrift seien die vorgenannten Sanktionen dagegen noch in Kraft gewesen. Da der Antrag bei Einreichung zulässig und begründet gewesen sei, seien der Antragsgegnerin unter Abänderung des angefochtenen Beschlusses die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
Die von der Antragsgegnerin verhängten Sanktionen seien rechtswidrig gewesen. Der Bundesgerichtshof habe mit zwei Urteilen vom 29.07.2021 (Az: III ZR 179/20 und III ZR 192/20) entschieden, dass die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Antragsgegnerin zur Kontensperrung bei Verstößen gegen die in den Bedingungen festgelegten Kommunikationsstandards unwirksam seien. Dies gelte auch im vorliegenden Fall, weil sich die Antragsgegnerin in ihren aktuellen Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht dazu verpflichtet habe, den Nutzer über eine beabsichtigte Sperrung seines Nutzerkontos vorab zu informieren, ihm den Grund dafür mitzuteilen und eine Möglichkeit zur Gegenäußerung mit anschließender Neubescheidung einzuräumen. Werde das Konto eines Nutzers aufgrund unwirksamer Geschäftsbedingungen vorübergehend mit einer Teilsperrung belegt, habe der Nutzer unter bestimmten Voraussetzungen einen Anspruch auf Unterlassung einer erneuten Kontosperrung.
Da die Antragsgegnerin den zunächst gelöschten Beitrag freiwillig wiederhergestellt habe, sei unstreitig, dass dieser nicht zu beanstanden gewesen sei. Eine abweichende Bewertung sei auch unerheblich, weil die Antragsgegnerin den Beitrag nach der aktuellen höchstrichterlichen Rechtsprechung wegen der Unwirksamkeit ihrer diesbezüglichen Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht hätte löschen dürfen. Eine Strafbarkeit des streitgegenständlichen Beitrags könne nicht ernsthaft diskutiert werden.
Das Landgericht habe das Vorliegen eines Verfügungsgrundes zu Unrecht verneint. Nach der ständigen Rechtsprechung des 18. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München habe ein Verfügungsgrund bestanden, solange die von der Antragsgegnerin verhängten Sanktionen noch andauerten. Dies sei bei Einreichung des Antrags – die im Eilverfahren bereits die Rechtshängigkeit begründe – der Fall gewesen.
Die Antragsgegnerin widerspricht der Erledigungserklärung des Antragstellers und beantragt,
die sofortige Beschwerde als unzulässig zu verwerfen,
hilfsweise: als unbegründet zurückzuweisen.
Zur Begründung ihrer Anträge führt sie im Wesentlichen aus, die sofortige Beschwerde des Antragstellers sei bereits unzulässig. Angesichts der abgegebenen Erledigungserklärung verfolge der Antragsteller mit seinem Rechtsmittel allein das Ziel, eine für ihn vorteilhafte Kostenentscheidung zu erwirken. Die Antragsgegnerin sei jedoch in erster Instanz nicht am Verfahren beteiligt gewesen. In derartigen Fällen sei nach der Rechtsprechung und Literatur die sofortige Beschwerde aufgrund des Charakters des einstweiligen Verfügungsverfahrens als Eilverfahren nicht statthaft. Entscheidungen über die Frage der Erledigung der Hauptsache, bei denen es vorrangig um die Klärung der Frage gehe, wer die Verfahrenskosten zu tragen habe, seien ihrer Natur nach nicht dringlich.
Zusätzlich sei zu bedenken, dass in einem Fall, in dem der Antragsgegner erst mit der Erledigungserklärung des Antragstellers im Beschwerdeverfahren konfrontiert werde, die Parteistellung des Antragsgegners nicht wirksam begründet worden sei. Vor diesem Hintergrund könne eine Erledigung der Hauptsache, welche eine vorherige förmliche Verfahrensbeteiligung des Gegners erfordere, nicht eintreten. Die Einlegung einer sofortigen Beschwerde könne damit nicht dazu dienen, eine einseitige Erledigungserklärung des Antragstellers zu ermöglichen.
Hilfsweise berufe sich die Antragsgegnerin auf die Unbegründetheit der sofortigen Beschwerde. Zum einen habe es an einem Verfügungsanspruch gefehlt, weil die Antragsgegnerin entgegen dem Vortrag des Antragstellers noch am 21.07.2021 und damit fast drei Wochen vor Eingang des Antrags auf Erlass der begehrten einstweiligen Verfügung die Nutzungsbeschränkung vollständig aufgehoben habe. Zum anderen hätten ein Verfügungsgrund und die strengen Voraussetzungen für den Erlass der begehrten Leistungsverfügung zu keinem Zeitpunkt vorgelegen.
Die Antragsgegnerin habe den streitgegenständlichen Beitrag am 20.07.2021 wegen eines vermeintlichen Verstoßes gegen ihre Gemeinschaftsstandards entfernt und die Nutzung des Kontos des Antragstellers hinsichtlich bestimmter Funktionen für 30 bzw. 90 Tage beschränkt. Der Antragsteller habe der Entfernung des Beitrags und der Nutzungsbeschränkung noch am selben Tag widersprochen. Die Antragsgegnerin habe daraufhin den Sachverhalt am selben Tag erneut überprüft, den Beitrag umgehend wiederhergestellt, dies dem Antragsteller mitgeteilt und sich für die zu Unrecht vorgenommene Maßnahme entschuldigt. Gleichzeitig habe sie die Nutzungsbeschränkung vollumfänglich aufgehoben. Dass die Nutzungsbeschränkung am 20.07.2021 aufgehoben worden sei, lasse sich dem als Anlage AG 2 vorgelegten Screenshot entnehmen. In der Zeile „actions“ der beiden Screenshots heiße es jeweils: „ActionUnlimitFeature“, was als „Nutzungssperre aufheben“ zu übersetzen sei. Zudem heiße es in den Zeilen „reason“: „Removing feature limit from Actor sanctions based on (…)“, was Folgendes bedeute: „Beseitigung der Nutzungsbeschränkung von Sanktionen des Akteurs gestützt auf (…)“. Schließlich sei in der oberen rechten Ecke der Screenshots als Datum der Maßnahme der 20.07.2021 angegeben.
Es entspreche bei der Antragstellerin dem grundsätzlich vorgesehenen Prozessablauf, bei Rückgängigmachung einer zu Unrecht erfolgten Beitragsentfernung auch die hieran anschließende Nutzungsbeschränkung aufzuheben. Der Antragsteller, dem insoweit die Last der Darlegung und Glaubhaftmachung obliege, habe seine unzutreffende Behauptung, dass die Nutzungsbeschränkung nicht aufgehoben worden sei, auch nicht ausreichend glaubhaft gemacht. Den vorgelegten Anlagen A 3 bis A 5 lasse sich nicht entnehmen, dass diese sich auf die streitgegenständlichen Maßnahmen bezögen.
Ausweislich des gestellten Verfügungsantrags sei es dem Antragsteller allein darum gegangen, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Leistungsverfügung dazu zu verpflichten, die am 20.07.2021 vorgenommene, angeblich noch andauernde Nutzungsbeschränkung zu beseitigen. Dagegen habe er die Antragsgegnerin nicht dazu verpflichten wollen, künftige Entfernungen des streitgegenständlichen Beitrags und daran anknüpfende Nutzungsbeschränkungen zu unterlassen. Daraus folge, dass das Vorliegen eines Verfügungsanspruchs und -grundes nicht mit Blick auf die vermeintliche Gefahr derartiger Maßnahmen in der Zukunft beurteilt werden dürfe.
Der vom Antragsteller geltend gemachte Verfügungsanspruch habe jedenfalls seit dem 20.07.2021, als der streitgegenständliche Beitrag wiederhergestellt und die streitgegenständliche Nutzungsbeschränkung aufgehoben worden sei, nicht mehr bestanden. Auf die Rechtmäßigkeit der Nutzungsbeschränkung komme es demnach nicht an, weshalb die Antragstellerin auf weitere Ausführungen dazu verzichte, warum die kurzzeitige Entfernung und Nutzungsbeschränkung nicht vertragswidrig gewesen sei.
Unabhängig davon fehle es im vorliegenden Fall auch an dem erforderlichen Verfügungsgrund. Selbst wenn man unterstellte, dass die Nutzungssperre über den 20.07.2021 angedauert habe, gebe es keine Hinweise darauf, dass die Angelegenheit für den Antragsteller in irgendeiner Weise eilbedürftig sein könnte oder eine Rechtsvereitelung gedroht habe. Der Antragsteller habe nicht dargelegt, dass er auf die Nutzung seines Facebook-Kontos dringend angewiesen sei. Der alleinige Umstand, dass die Nutzungsbeschränkung zeitlich beschränkt gewesen sei und eine Rechtsverfolgung im Hauptsacheverfahren nach Zeitablauf unter Umständen nicht mehr möglich gewesen wäre, genüge für die Annahme eines Verfügungsgrundes nicht. Dieser Fall sei nicht anders zu bewerten als jede andere Konstellation, in welcher der Antragsteller die Antragsgegnerin auf die Erfüllung einer vertraglichen Leistungspflicht in Anspruch nehme.
Die strengen Voraussetzungen für den Erlass einer Leistungsverfügung seien nicht gegeben. Der Antrag habe unzulässigerweise darauf abgezielt, den angeblichen Anspruch des Antragstellers in der Hauptsache vollständig zu befriedigen.
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien im Beschwerdeverfahren wird auf die Schriftsätze des Antragstellers vom 20.08.2021 (Bl. 13/18 d.A.) und 25.11.2021 (Bl. 54/58 d.A.) sowie die Schriftsätze der Antragsgegnerin vom 13.10.2021 (Bl. 28/29 d.A.) und 12.11.2021 (Bl. 32/53 d.A.), jeweils mit den zugehörigen Anlagen, Bezug genommen.
Das Landgericht hat mit Beschluss vom 23.08.2021 (Bl. 19/20 d.A.), auf dessen Gründe Bezug genommen wird, der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und diese dem Oberlandesgericht München zur Entscheidung vorgelegt. Der gemäß § 568 Abs. 1 Satz 1 ZPO zuständige Einzelrichter hat das Beschwerdeverfahren mit Beschluss vom 04.04.2022 wegen grundsätzlicher Bedeutung dem Senat zur Entscheidung übertragen.
II.
Die sofortige Beschwerde ist zulässig.
1. Ihre Statthaftigkeit folgt aus § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO.
Da der Antragsteller das einstweilige Verfügungsverfahren in der Hauptsache für erledigt erklärt hat, verfolgt er mit seinem Rechtsmittel in der Sache das Ziel, dass die Verfahrenskosten der Antragsgegnerin auferlegt werden. Auf eine Beschwerde mit diesem Rechtsschutzziel dürfte die für Kostenbeschwerden geltende Vorschrift des § 567 Abs. 2 ZPO entsprechende Anwendung finden. Das kann aber dahinstehen, weil die Voraussetzungen der Vorschrift erfüllt sind. Das Landgericht hat den Streitwert auf 7.500 € festgesetzt; die Beschwer des Antragstellers übersteigt deshalb die maßgebliche Wertgrenze von 200 €.
2. Gegen die Zurückweisung des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung im Beschlusswege ist die sofortige Beschwerde auch dann zulässig, wenn sie mit dem Ziel eingelegt wird, die nach Abschluss der ersten Instanz eingetretene Erledigung der Hauptsache festzustellen, und der Gegner am Verfahren nicht förmlich beteiligt worden war.
a) Die Frage ist in der obergerichtlichen Rechtsprechung und Kommentarliteratur allerdings umstritten. Eine Klärung der Streitfrage durch den Bundesgerichtshof kann gemäß § 574 Abs. 1 Satz 2, § 542 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht herbeigeführt werden.
aa) Mehrere Oberlandesgerichte halten eine sofortige Beschwerde unter den eingangs genannten Voraussetzungen für unzulässig (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 25.10.1984 – 4 W 143/84, WRP 1985, 227; OLG Stuttgart, Beschluss vom 15.01.2001 – 6 W 60/00; OLG Bamberg, Beschluss vom 18.04.2002 – 3 W 36/02; OLG Koblenz, Beschluss vom 18.12.2002 – 4 W 747/02, OLG Celle, Beschluss vom 09.03.2009 – 13 W 20/09, NJW-RR 2009, 1074). Dieser Ansicht hat sich auch – meist ohne eigene Begründung – ein Teil der Kommentarliteratur angeschlossen (vgl. Stein/Jonas-Bruns, ZPO, 23. Aufl., § 922 Rn. 19; MüKoZPO-Drescher, 6. Aufl., § 922 Rn. 16 a.E.; Musielak/Voit-Huber, ZPO, 18. Aufl., § 922 Rn. 10a; zweifelnd Baumbach/Lauterbach-Becker, ZPO, 79. Aufl., § 922 Rn. 28).
Die Vertreter dieser Ansicht betonen vor allem die Besonderheiten des einstweiligen Verfügungsverfahrens: Das Eilverfahren diene nicht dem Zweck, vorläufig oder gar endgültig über die Kostenerstattung nach einem vorzeitig beendeten, einseitig gebliebenen Verfahren zu befinden (OLG Hamm a.a.O.). Die Frage, wer die Verfahrenskosten zu tragen habe, sei ihrer Natur nach niemals dringlich; es fehle daher an einem rechtlichen Interesse an einer Eilentscheidung nur wegen der Kosten (OLG Stuttgart a.a.O., Rn. 17, sämtl. Entscheidungen, falls nicht anders angegeben, zitiert nach juris; OLG Bamberg a.a.O., Rn. 6; OLG Koblenz a.a.O., Rn. 7).
Das Oberlandesgericht Stuttgart misst dem Umstand entscheidendes Gewicht zu, dass der Beschwerdeführer das angestrebte Ziel, nämlich eine inzidente Prüfung, ob und in welchem Umfang der geltend gemachte Verfügungsanspruch bestanden habe, und eine Entscheidung darüber, wer die Kosten des erledigten einstweiligen Verfügungsverfahrens endgültig zu tragen habe, im Beschwerdeverfahren gar nicht erreichen könne (a.a.O., Rn. 18). Denn die endgültige Klärung sowohl bezüglich des materiell-rechtlichen Anspruchs als auch bezüglich der Kosten des einstweiligen Verfügungsverfahrens sei nur im Hauptsacheverfahren möglich. Streitgegenstand des einstweiligen Verfügungsverfahrens sei lediglich das vorläufige Sicherungsbegehren des Antragstellers, nicht der materiellrechtliche Anspruch. Die Entscheidung darüber, wer endgültig die Kosten des einstweiligen Verfügungsverfahrens zu tragen habe, hänge allein vom Ergebnis des Hauptsacheverfahrens ab (a.a.O., Rn. 19; ebenso OLG Celle a.a.O., Rn. 11).
Außerdem setze die Erledigung der Hauptsache die förmliche Verfahrensbeteiligung des Antragsgegners voraus. Zwar begründe bereits die Einreichung des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung die Rechtshängigkeit und damit ein Prozessrechtsverhältnis zwischen den Parteien. Seine Parteistellung erhalte der Antragsgegner jedoch erst mit seiner Beteiligung am Verfahren (OLG Bamberg a.a.O., Rn. 3).
§ 922 Abs. 3 ZPO sehe in den Fällen, in denen der Antragsgegner wegen der Zurückweisung des Arrestgesuchs nicht beteiligt worden sei, eine förmliche Beteiligung ausdrücklich nicht vor. Die Zulässigkeit einer im Wege der sofortigen Beschwerde erklärten Hauptsacheerledigung hätte aber zur Folge, dass der Antragsgegner aktiv am Verfahren als Partei beteiligt werden müsste. Dadurch würde von dem gesetzlich vorgesehenen Verfahrensgang abgewichen, was einen Systembruch darstellen würde (OLG Celle a.a.O., Rn. 6 f.; OLG Koblenz a.a.O., Rn. 6; OLG Bamberg a.a.O., Rn. 3).
Schließlich sei mit der Zurückweisung des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung durch Beschluss zunächst gar kein Verfahren mehr anhängig, in dem eine Erledigung hätte eintreten können (OLG Stuttgart a.a.O., Rn. 15; OLG Celle a.a.O., Rn. 8). Zwar sei nach herrschender Meinung anerkannt, dass eine Berufung mit dem Ziel eingelegt werden könne, die Erledigung der Hauptsache feststellen zu lassen. Diese von den Vertretern der Gegenansicht gezogene Parallele spreche aber nicht für die Zulässigkeit einer mit diesem Ziel eingelegten Beschwerde; denn die Ausgangssituation sei unterschiedlich: Berufungen seien nur gegen Urteile möglich, setzten also notwendigerweise eine Beteiligung des Gegners bereits in erster Instanz voraus. Viel näher liege die Parallele zum Fall der einseitigen Erledigung zwischen Klageerhebung und Eintritt der Rechtshängigkeit. Auch in diesem Fall fehle es an der Beteiligung des Gegners, weshalb nach ganz überwiegender Meinung eine Feststellung der Erledigung ausscheide (OLG Stuttgart a.a.O., Rn. 16; OLG Bamberg a.a.O., Rn. 4 f.; OLG Celle a.a.O., Rn. 12).
bb) Das Oberlandesgericht Frankfurt (Beschluss vom 21.03.1991 – 6 W 17/91, NJW-RR 1992, 493) und das Kammergericht (Beschluss vom 07.04.2009 – 9 W 96/08, MDR 2009, 765) halten dagegen die Einlegung einer sofortigen Beschwerde mit dem Ziel, die Erledigung des Eilverfahrens in der Hauptsache feststellen zu lassen, auch dann für zulässig, wenn der Gegner am erstinstanzlichen Verfahren nicht förmlich beteiligt worden war (zustimmend: Zöller-G. Vollkommer, ZPO, 34. Aufl., § 922 Rn. 5; wohl auch Smid/Hartmann in Wieczorek/Schütze, ZPO, 5. Aufl., § 91a Rn. 84, Rn. 3).
Das Oberlandesgericht Frankfurt hält dem Argument, eine Erledigung der Hauptsache komme nur bei einer Beteiligung des Gegners am Verfahren in Betracht, entgegen, dass das Prozessrechtsverhältnis zwischen den Parteien des Eilverfahrens nach ganz herrschender Meinung bereits mit Eingang des Antrags bei Gericht begründet werde (a.a.O., S. 493). Für die Parteirolle des am erstinstanzlichen Verfahren nicht beteiligten Antragsgegners müsse es genügen, dass diesem in der Beschwerdeinstanz rechtliches Gehör gewährt werde und er dadurch im Hinblick auf die Erledigungserklärung förmlich in das Verfahren einbezogen werde (a.a.O., S. 494).
Im Übrigen weise die prozessuale Behandlung von Erledigungserklärungen im einstweiligen Verfügungsverfahren grundsätzlich keine Besonderheiten gegenüber dem Klageverfahren auf. Für die Klage erkenne die herrschende Meinung aber mittlerweile die Möglichkeit an, Berufung allein mit dem Ziel einzulegen, den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt zu erklären. Es erscheine deshalb nicht gerechtfertigt, dem Beschwerdeführer diese Möglichkeit abzuschneiden (OLG Frankfurt a.a.O.).
Für die Zulässigkeit der sofortigen Beschwerde in den genannten Fällen spreche insbesondere der Grundsatz der Prozessökonomie. Wollte man den Antragsteller auf die Möglichkeit verweisen, die ihm entstandenen Kosten als materiellen Schaden im ordentlichen Verfahren geltend zu machen, würde man nicht nur diesen mit neuen prozessualen Mühen und Kosten belasten, sondern auch den Antragsgegner (OLG Frankfurt a.a.O.).
b) Der Senat schließt sich aus folgenden Gründen der letztgenannten Auffassung an:
aa) Die Zulässigkeit einer sofortigen Beschwerde mit dem Ziel, die Erledigung des einstweiligen Verfügungsverfahrens in der Hauptsache festzustellen, kann nicht davon abhängig gemacht werden, dass der Antragsgegner bereits am erstinstanzlichen Verfahren förmlich beteiligt war. Für eine solche Differenzierung ist weder eine gesetzliche Grundlage noch eine sachliche Rechtfertigung ersichtlich.
Nach herrschender Meinung tritt die Rechtshängigkeit des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung bereits mit Einreichung des Antrags bei Gericht ein. Die Rechtshängigkeit des Antrags begründet aber zugleich das Prozessrechtsverhältnis zwischen Antragsteller und Antragsgegner (vgl. Zöller-G. Vollkommer, ZPO, 34. Aufl., Vor § 916 ZPO Rn. 5 m.w.N.). Mit dieser herrschenden Auffassung lässt sich die vom Oberlandesgericht Bamberg vertretene Ansicht, dass der Antragsgegner seine Parteistellung erst erhalte, wenn er eine Schutzschrift eingereicht habe oder vom Gericht in das Verfahren einbezogen werde (Beschluss vom 18.04.2002 – 3 W 36/02, Rn. 3 unter Verweis auf Zöller-Vollkommer, ZPO, 23. Aufl., Vor § 916 Rn. 5, 5a), nicht vereinbaren. Der Antragsgegner erlangt seine Parteistellung mit der vorgezogenen Rechtshängigkeit, nicht erst mit seiner tatsächlichen Beteiligung am Verfahren (Zöller-G. Vollkommer, ZPO, 34. Aufl., Vor § 916 Rn. 5a).
Schutzwürdige Interessen des am erstinstanzlichen Verfahren nicht beteiligten Antragsgegners werden durch die Zulassung einer sofortigen Beschwerde mit dem Ziel der Feststellung der Erledigung nicht verletzt. Zutreffend verweist das Oberlandesgericht Frankfurt darauf, dass dem Antragsgegner im Beschwerdeverfahren rechtliches Gehör zu gewähren ist (Beschluss vom 21.03.1991 – 6 W 17/91, NJW-RR 1992, 493, 494). Die Erledigungserklärung ist ihm zur Stellungnahme zuzustellen (§ 91a Abs. 1 Satz 2 ZPO). Der Antragsgegner kann der Erledigungserklärung widersprechen oder ihr unter Verwahrung gegen die Kostenlast zustimmen, etwa mit der Begründung, dass er keine Veranlassung zur Beantragung der einstweiligen Verfügung gegeben habe.
Die Verfahrenskosten können dem Antragsgegner nur auferlegt werden, wenn das Gericht des ersten Rechtszuges den Erlass der einstweiligen Verfügung zu Unrecht abgelehnt und der Antragsgegner zur Einleitung des Eilverfahrens gegen sich Veranlassung gegeben hat. Obsiegt der Antragsteller im Beschwerdeverfahren nur aufgrund neuen Vorbringens, das er bereits in erster Instanz hätte geltend machen können, sind ihm gemäß § 97 Abs. 2 ZPO die Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen.
bb) Die Zulassung einer im Wege der sofortigen Beschwerde erklärten Hauptsacheerledigung stellt keinen Systembruch dar, mit dem von dem gesetzlich vorgesehenen Verfahrensgang abgewichen wird.
§ 922 Abs. 3 ZPO ordnet zwar an, dass der Beschluss, durch den das Arrestgesuch zurückgewiesen wird, dem Gegner nicht mitzuteilen ist; dies gilt gemäß § 936 ZPO auch für den Beschluss, durch den der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen wird. Die Vorschrift dient aber allein dem Schutz des Antragstellers. Damit soll verhindert werden, dass der Gegner gewarnt wird und vor einer dem Antragsteller günstigen Beschwerdeentscheidung zu dessen Lasten Dispositionen treffen kann (vgl. Thümmel in Wieczorek/Schütze, ZPO, 5. Aufl., § 922 Rn. 13). Im Hinblick auf Art. 103 Abs. 1 GG ist die Vorschrift deshalb einschränkend dahin auszulegen, dass der Antragsgegner von dem Gesuch und dessen Zurückweisung nur dann nicht in Kenntnis zu setzen ist, wenn wegen der Gefährdung des Arrestzwecks – respektive des mit dem Antrag auf Erlass der begehrten einstweiligen Verfügung verfolgten Rechtsschutzzieles – von der Anhörung des Gegners abzusehen ist (vgl. Zöller-G. Vollkommer, 34. Aufl., § 922 Rn. 18).
Mit der Erledigungserklärung bringt der Antragsteller zum Ausdruck, dass er sein ursprüngliches Rechtsschutzziel nicht mehr weiterverfolgt, sondern es ihm nur noch darum geht, nicht mit den Kosten des einstweiligen Verfügungsverfahrens belastet zu werden. In diesem Verfahrensstadium stehen der Mitteilung des Zurückweisungsbeschlusses an den Antragsgegner keine schützenswerten Interessen des Antragstellers mehr entgegen.
Ebenso wenig stellt die aufgrund der Erledigungserklärung gemäß § 91a Abs. 1 Satz 2 ZPO notwendige Beteiligung des Antragsgegners im Beschwerdeverfahren eine Abweichung vom gesetzlich vorgesehenen Verfahrensgang dar. Abgesehen von dem Sonderfall, dass seine vorherige Anhörung den Zweck der Eilmaßnahme gefährden könnte, ist der Beschwerdegegner stets förmlich zu beteiligen, wenn eine Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung zu seinen Ungunsten in Betracht kommt.
cc) Es trifft zwar zu, dass nach der Zurückweisung des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung durch Beschluss formal kein gerichtliches Verfahren mehr anhängig ist, in dem eine Erledigung hätte eintreten können. Letzteres ist aber auch im Klageverfahren der Fall, wenn das erledigende Ereignis nach Verkündung eines klageabweisenden Urteils eingetreten ist. Dennoch kann der Kläger nach herrschender Meinung Berufung mit dem Ziel einlegen, eine zwischen den Instanzen – oder sogar noch früher – eingetretene Erledigung der Hauptsache feststellen zu lassen (vgl. BGH, Urteil vom 29.04.1992 – XII ZR 221/90, NJW-RR 1992, 1032, Rn. 21; Urteil vom 11.12.2015 – V ZR 26/15, MDR 2016, 482, Rn. 31; Smid/Hartmann in Wieczorek/Schütze, ZPO, ZPO, 5. Aufl., § 91a Rn. 84 m.w.N.; Zöller-Althammer, ZPO, 33. Aufl., § 91a Rn. 38).
Die Ungleichbehandlung einer Berufung und einer sofortigen Beschwerde, die jeweils mit dem Ziel erhoben werden, die Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache festzustellen, kann aus den oben unter lit. aa dargelegten Gründen nicht damit begründet werden, dass die Berufung nur gegen Urteile statthaft ist, der Gegner also anders als bei der Zurückweisung des Verfügungsantrags durch Beschluss am erstinstanzlichen Verfahren zwingend beteiligt war (so aber OLG Bamberg, Beschluss vom 18.04.2002 – 3 W 36/02, Rn. 5; OLG Stuttgart, Beschluss vom 15.01.2001 – 6 W 60/00, Rn. 16).
Die sofortige Beschwerde gegen eine ohne Beteiligung des Antragsgegners erfolgte Zurückweisung des Verfügungsantrags mit dem vorgenannten Beschwerdeziel kann auch nicht mit einer Erledigungserklärung zwischen Klageeinreichung und Rechtshängigkeit verglichen werden. Im Klageverfahren ist eine Erledigung des Rechtsstreits vor Zustellung der Klage ausgeschlossen, weil vor Eintritt der Rechtshängigkeit kein Prozessrechtsverhältnis besteht, das sich in der Hauptsache erledigen könnte. Im einstweiligen Verfügungsverfahren tritt dagegen Rechtshängigkeit bereits mit der Einreichung des Antrags ein. Aus diesem Grunde kann im Verfahren der einstweiligen Verfügung die Erledigung des Verfahrens in der Hauptsache auch dann festgestellt werden, wenn das erledigende Ereignis vor Zustellung der Beschlussverfügung eingetreten ist (OLG Köln, Urteil vom 12.01.2001 – 6 U 98/00, GRUR 2001, 424, Leitsatz 1).
dd) Auch die Besonderheiten des einstweiligen Verfügungsverfahrens als Eilverfahren stehen einer sofortigen Beschwerde mit dem Ziel der Feststellung einer nach Abschluss der ersten Instanz eingetretenen Erledigung in der Hauptsache nicht entgegen.
Es trifft zu, dass die Entscheidung darüber, wer die Kosten eines gerichtlichen Verfahrens zu tragen hat, an sich nicht als dringlich anzusehen ist. Bei der Entscheidung über einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist aber stets gemäß § 308 Abs. 2 ZPO von Amts wegen nach Maßgabe der §§ 91 ff. ZPO über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden (Zöller-G. Vollkommer, ZPO, 34. Aufl., § 922 Rn. 10). Der Antragsteller hat deshalb auch nach Eintritt des erledigenden Ereignisses ein Interesse an der Abänderung einer ihn beschwerenden unrichtigen Kostenentscheidung, die deshalb zu seinem Nachteil ergangen ist, weil das Gericht des ersten Rechtszuges den Antrag auf Erlass der begehrten einstweiligen Verfügung zu Unrecht zurückgewiesen hat.
Entgegen der Ansicht des Oberlandesgerichts Stuttgart (Beschluss vom 15.01.2001 – 6 W 60/00, Rn. 19) hängt die Entscheidung darüber, wer endgültig die Kosten des einstweiligen Verfügungsverfahrens zu tragen hat, auch nicht nur vom Ergebnis des Hauptsacheprozesses ab. Die im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes angefallenen Kosten sind unabhängig von denjenigen des Hauptprozesses (vgl. Toussaint, Kostengesetze, 51. Aufl., GKG KV 1410 Rn. 1). Falls sich im Hauptsacheprozess die Anordnung einer einstweiligen Verfügung als von Anfang an unbegründet erweist, gewährt § 945 ZPO dem Antragsgegner zwar einen Anspruch auf Ersatz des ihm aus der Vollziehung der Maßregel entstandenen Schadens; hierzu gehören auch die vom Antragsteller beigetriebenen Kosten (Zöller-G. Vollkommer, ZPO, 34. Aufl., § 945 Rn. 14b). Die dem Antragsgegner im Anordnungsverfahren entstandenen eigenen Kosten stellen dagegen keinen Vollziehungsschaden dar (BGHZ 122, 172, 176 ff.; Zöller-G. Vollkommer a.a.O.). Ersatz der ihm selbst entstandenen Kosten kann der Antragsgegner – abgesehen von einem etwaigen materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruch – nur im Aufhebungsverfahren nach § 927 ZPO geltend machen (BGH a.a.O., S. 178; Zöller-G. Vollkommer a.a.O.).
Die Aufhebung der einstweiligen Verfügung wegen veränderter Umstände nach dieser Vorschrift beschränkt sich aber nicht auf diejenigen Fälle, in denen der Erlass einer einstweiligen Verfügung mangels eines Verfügungsanspruchs von Anfang an ungerechtfertigt war. Andererseits räumt § 927 ZPO nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung dem Antragsgegner das Recht ein, bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen nur die im einstweiligen Verfügungsverfahren ergangene Kostenentscheidung anzugreifen, etwa wenn der Antragsteller bereits auf die Rechte aus dem Verfügungstitel verzichtet und diesen an den Antragsgegner herausgegeben hat (vgl. BGHZ 122, 172, 178 f.). Diese Rechtsprechung widerlegt das Argument, dass im einstweiligen Verfügungsverfahren mangels Eilbedürftigkeit kein Bedürfnis an einer isolierten Entscheidung darüber, wer die Kosten des Verfahrens zu tragen habe, anerkannt werden könne.
ee) Nicht zuletzt sprechen Gesichtspunkte der Prozessökonomie dafür, eine sofortige Beschwerde mit dem Ziel einer Feststellung der Erledigung des einstweiligen Verfügungsverfahrens in der Hauptsache auch dann zuzulassen, wenn der Antragsgegner am erstinstanzlichen Verfahren nicht förmlich beteiligt war.
Das der Entscheidung des Beschwerdegerichts vorgeschaltete Abhilfeverfahren gemäß § 572 Abs. 1 ZPO ermöglicht dem Gericht des ersten Rechtszuges seine Entscheidung, die beantragte einstweilige Verfügung nicht zu erlassen, nochmals inzidenter anhand der Argumente der Beschwerdebegründung zu überprüfen. Das Abhilfeverfahren entspricht der Absicht des Gesetzgebers, die Fehlerbeseitigung durch Selbstkontrolle zu fördern (vgl. Zöller-Heßler, ZPO, 34. Aufl., § 572 Rn. 1). Dies dient zugleich der Entlastung anderer Gerichte, insbesondere des übergeordneten Rechtsmittelgerichts.
Wollte man den Antragsteller dagegen auf die Geltendmachung eines materiell-rechtlichen Schadensersatzanspruchs verweisen (so OLG Stuttgart, Beschluss vom 15.01.2001 – 6 W 60/00, Rn. 3), müsste sich im Regelfall ein anderer Spruchkörper oder gar ein anderes Gericht neu in den Fall einarbeiten. Im vorliegenden Fall würden die dem Antragsteller in erster Instanz entstandenen Kosten auf der Grundlage des vom Landgericht auf 7.500 € festgesetzten Streitwerts überschlägig 1.200 € betragen. Einen etwaigen materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruch müsste der Antragsteller deshalb vor dem Amtsgericht verfolgen (§ 23 Nr. 1 GVG).
Um einen materiellen Kostenerstattungsanspruch des Antragstellers bejahen zu können, müsste das Amtsgericht zudem von der Rechtsauffassung des Landgerichts abweichen. Über eine Berufung gegen die Entscheidung des Amtsgerichts hätte aber wiederum das Landgericht zu befinden, also ein Spruchkörper des Gerichts, das zuvor den Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung zurückgewiesen hatte. Es liegt auf der Hand, dass dies aus Sicht des Antragstellers unbefriedigend wäre. Die Zulassung der sofortigen Beschwerde mit dem Ziel der Feststellung der Erledigung des einstweiligen Verfügungsverfahrens in der Hauptsache bietet dagegen den Vorteil, dass über das Rechtsmittel das Beschwerdegericht entscheidet, welches auch zur Entscheidung berufen wäre, wenn sich das einstweilige Verfügungsverfahren nicht in der Hauptsache erledigt hätte.
3. Die Beschwerdefrist von zwei Wochen ab Zustellung der angefochtenen Entscheidung (§ 569 Abs. 1 Satz 1 und 2 ZPO) ist gewahrt.
III.
Die sofortige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.
1. Dem Antragsteller stand bei Einreichung der Antragsschrift aus dem zwischen den Parteien bestehenden Nutzungsvertrag in Verbindung mit § 280 Abs. 1, § 249 Abs. 1 BGB gegen die Antragsgegnerin ein Anspruch darauf zu, dass diese die am 20.07.2021 verhängte befristete Sperrung seines Facebook-Accounts „T.W.“ aufhebt.
a) Zwischen den Parteien steht außer Streit, dass die Sanktionierung des vom Antragsteller am 19.07.2021 eingestellten streitgegenständlichen Beitrags (wiedergegeben auf Seite 6 der Beschwerdeerwiderung unter Randnummer 4 = Bl. 37 d.A.) zu Unrecht erfolgt war. Mit der gegen den Antragsteller verhängten unberechtigten Sperre hat die Antragsgegnerin gegen ihre Vertragspflichten aus dem Nutzungsvertrag verstoßen.
Die Antragsgegnerin ist zwar der Ansicht, dass die kurzzeitige Entfernung des Beitrags und die nach ihrer Darstellung ebenfalls nur kurzzeitige Anordnung einer Nutzungsbeschränkung nicht vertragswidrig gewesen seien (Beschwerdeerwiderung, S. 11 Rn. 18 = Bl. 42 d.A.). Dies kann aber mangels näherer Begründung nicht nachvollzogen werden. Der streitgegenständliche Beitrag verstieß offensichtlich nicht gegen die – dem Senat aus zahlreichen Verfahren bekannten – Gemeinschaftsstandards der Antragsgegnerin.
b) Aus denselben Gründen hat die Antragsgegnerin auch nicht dargelegt, dass sie die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat (§ 280 Abs. 1 Satz 2 BGB).
c) Der Antragsteller hat durch seine eidesstattlichen Versicherungen vom 06.08.2021 (Anlage A 1) und 26.11.2021 (Anlage zum Schriftsatz vom 25.11.2021) glaubhaft gemacht, dass die am 20.11.2021 gegen ihn verhängte Nutzungsbeschränkung für 30 Tage aufrechterhalten worden war. Demnach war die Nutzungsbeschränkung sowohl bei Eingang des Antrags auf Erlass der begehrten einstweiligen Verfügung beim Landgericht Kempten am 09.08.2021 als auch im Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Entscheidung am 10.08.2021 noch in Kraft.
Der Antragsgegnerin ist es dagegen nicht gelungen, ihre abweichende Darstellung, dass die Nutzungsbeschränkung noch am 20.07.2021 wieder aufgehoben worden sei, glaubhaft zu machen. Die als Anlage AG 2 vorgelegten Screenshots sind als Mittel der Glaubhaftmachung vollkommen ungeeignet. Sie weisen derart umfangreiche Schwärzungen auf, dass sie nicht einmal eine Zuordnung zum Account des Antragstellers erlauben. Für die Richtigkeit der Darstellung des Antragstellers spricht im Übrigen der Umstand, dass kein nachvollziehbarer Grund dafür ersichtlich ist, warum der Antragsteller gegen die Antragsgegnerin ein einstweiliges Verfügungsverfahren einleiten sollte, wenn diese seinem Verlangen nach einer Aufhebung der Nutzungsbeschränkung unverzüglich nachgekommen wäre, zumal er die zeitnahe Wiederherstellung des gelöschten Beitrags unstreitig gestellt hat.
Die Last der Glaubhaftmachung liegt auf Seiten der Antragsgegnerin. Denn die Verhängung der Nutzungsbeschränkung und deren fehlende Rechtfertigung steht außer Streit. Mit der von ihr behaupteten zeitnahen Aufhebung der Nutzungsbeschränkung hätte die Antragsgegnerin deshalb den auf Naturalrestitution gerichteten Schadensersatzanspruch des Antragstellers erfüllt (§ 362 Abs. 1 BGB). Die Darlegungs- und Beweislast für die rechtsvernichtende Einwendung der Erfüllung trägt der Schuldner (vgl. Grüneberg-Grüneberg, BGB, 81. Aufl., § 362 Rn. 16).
2. Das Vorliegen eines Verfügungsgrundes hat das Landgericht – aufgrund eines fehlerhaften Verständnisses der von ihm zitierten Entscheidungen des Senats – mit einer unzutreffenden Begründung verneint.
Im Ausgangspunkt zutreffend hat das Landgericht erkannt, dass das Begehren des Antragstellers auf den Erlass einer Leistungsverfügung gerichtet war. Entgegen seiner Ansicht hatte der Erlass einer Leistungsverfügung im vorliegenden Fall aber nicht zur Voraussetzung, dass der Antragsteller wegen Bestehens einer Not- oder Zwangslage auf die Erfüllung seines Anspruchs dringend angewiesen war. Vielmehr kam die Verweisung des Antragstellers auf die Möglichkeit, gegen die Antragsgegnerin Klage in der Hauptsache zu erheben, praktisch einer Rechtsverweigerung gleich, weil die auf 30 Tage befristete Nutzungsbeschränkung infolge Zeitablaufs mit Sicherheit beendet gewesen wäre, bevor der Antragsteller ein obsiegendes Urteil hätte erstreiten können.
a) Die auf Erfüllung gerichtete Leistungsverfügung setzt neben dem Bestehen des geltend gemachten Anspruchs ein dringendes Bedürfnis für die begehrte Eilmaßnahme voraus. Der Gläubiger muss auf die sofortige Erfüllung seines Anspruchs dringend angewiesen sein, was darzulegen und glaubhaft zu machen ist. Entwickelt wurde die Leistungsverfügung zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) bei Bestehen einer dringenden Not- bzw. Zwangslage sowie im Falle einer Existenzgefährdung des Gläubigers. Sie ist auch zulässig, wenn die vom Schuldner zu erbringende Handlung so kurzfristig zu erbringen ist, dass die Erwirkung eines Vollstreckungstitels im ordentlichen Verfahren nicht möglich ist, die Verweisung des Gläubigers auf die Erhebung der Hauptsacheklage praktisch einer Rechtsverweigerung gleichkäme (vgl. zum Vorstehenden Zöller-G. Vollkommer, ZPO, 34. Aufl., § 940 Rn. 6). In vergleichbaren Fällen hat die Rechtsprechung den Erlass einer Leistungsverfügung grundsätzlich für möglich erachtet (vgl. LG Kiel, Beschluss vom 14.03.2012 – 1 T 21/12, NJW-RR 2012, 1211: Sperrung eines Mobilfunkanschlusses; OLG Frankfurt, Beschluss vom 11.08.2009 – 3 W 45/09, NJW-RR 2010, 936: Erschwerung des Internetzugangs).
b) Wie oben unter Ziffer 1 lit. c ausgeführt, hat der Antragsteller glaubhaft gemacht, dass die Nutzungsbeschränkung noch in Kraft war, als er den Antrag auf Erlass der begehrten einstweiligen Verfügung am 09.08.2021 beim Landgericht Kempten einreichte. Da die am 20.07.2021 verhängte Sperre für das Posten und Kommentieren nach seinem unwidersprochen gebliebenen Vorbringen auf 30 Tage befristet war, endete dieser Teil der Nutzungsbeschränkung mit Ablauf des 19.08.2021.
Unter Berücksichtigung des gewöhnlichen Verfahrensgangs kann ausgeschlossen werden, dass der Antragsteller bis zu diesem Termin ein obsiegendes Urteil in der Hauptsache hätte erstreiten können, wenn er gegen die Antragsgegnerin Klage erhoben hätte, anstatt den Erlass einer einstweiligen Verfügung zu beantragen. Die Antragsgegnerin hat ihren Sitz in Irland. Gemäß § 274 Abs. 3 Satz 2 ZPO muss allein aus diesem Grunde zwischen der Zustellung der Klageschrift und dem Termin zur mündlichen Verhandlung ein Zeitraum von mindestens einem Monat liegen (Einlassungsfrist). Zudem wäre der Antragsgegnerin die Klage im Wege der Auslandszustellung zuzustellen gewesen. Der zu erwartenden Verzögerung der Zustellung hätte das Gericht bei der Terminierung Rechnung tragen müssen. Zwischen der vom Beschwerdegericht unter dem 02.09.2021 verfügten Zustellung der Beschwerdebegründung und dem Datum der Zustellung am 28.09.2021 sind mehr als drei Wochen verstrichen.
Unabhängig davon ist der Nutzungsvertrag zwischen den Parteien unbefristet. Die Inanspruchnahme der Dienstleistungen, welche die Antragsgegnerin dem Antragsteller während der Dauer der vertragswidrigen Nutzungsbeschränkung verwehrt hat, kann deshalb nicht nach Ablauf der Sperrung „nachgeholt“ werden.
Aus den vorstehend erörterten Gründen war es dem Antragsteller nicht zuzumuten, sich auf die Möglichkeit verweisen zu lassen, gegen die Antragsgegnerin Klage in der Hauptsache zu erheben.
c) Der Antragsteller hatte auch nicht zu lange zugewartet, bevor er den Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen die Antragsgegnerin beantragt hat.
Nach allgemeiner Ansicht fehlt ein Verfügungsgrund, wenn der Antragsteller trotz eines bestehenden Sicherungs- oder Regelungsbedürfnisses zu lange zugewartet hat, bevor er den Erlass einer einstweiligen Verfügung beantragt (vgl. KG, Urteil vom 09.02.2001 – 5 U 9667/00, Rn. 14, zit. nach juris, NJW-RR 2001, 1201; Zöller-G. Vollkommer, ZPO, 34. Aufl., § 940 Rn. 4 m.w.N.).
Der Antragsteller hat durch eidesstattliche Versicherung vom 06.08.2021 (Anlage A 1) glaubhaft gemacht, dass er die Antragsgegnerin am 28.07.2021 unter Fristsetzung zum 30.07.2021 erfolglos zur Aufhebung der Sperre aufgefordert hatte. Eine zweite Aufforderung erfolgte mit Anwaltsschreiben vom 03.08.2021 (Anlage A 6) unter Fristsetzung zum 05.08.2021, 16.00 Uhr.
Der Zeitraum von 20 Tagen zwischen der Anordnung der Nutzungsbeschränkung und der Einreichung des Antrags auf Erlass der einstweiligen Verfügung reicht jedenfalls aufgrund der besonderen Umstände des Falles nicht aus, um die behauptete Dringlichkeit zu widerlegen. Die Antragsgegnerin hatte unstreitig den zu Unrecht gelöschten streitgegenständlichen Beitrag noch am 20.07.2021 wiederhergestellt und in diesem Zusammenhang einen Fehler eingeräumt. Der Antragsteller durfte deshalb zunächst davon ausgehen, dass die unterbliebene Aufhebung der Nutzungsbeschränkung ebenfalls auf einem Versehen der Antragsgegnerin beruhte und die Antragsgegnerin auf eine vorgerichtliche Aufforderung hin die nach ihrer eigenen Beurteilung nicht gerechtfertigte Sanktion aufheben werde.
3. Der im vorliegenden einstweiligen Verfügungsverfahren geltend gemachte Anspruch ist am 19.08.2021 durch Erfüllung erloschen (§ 362 Abs. 1 BGB). Damit hat sich das einstweilige Verfügungsverfahren in der Hauptsache erledigt. Diese Feststellung ist auf Antrag des Antragstellers auszusprechen.
Der Antragsteller hat durch eidesstattliche Versicherung vom 26.11.2021 glaubhaft gemacht, dass die am 20.07.2021 gegen ihn verhängte Nutzungsbeschränkung nach 30 Tagen aufgehoben worden ist. Mit der Aufhebung der Nutzungsbeschränkung hat die Antragsgegnerin den streitgegenständlichen Verfügungsanspruch erfüllt, wodurch der bis dahin zulässige und begründete Antrag auf Erlass der begehrten einstweiligen Verfügung unbegründet geworden ist.
IV.
1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
2. Eine Zulassung der Rechtsbeschwerde kommt gemäß § 574 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit § 542 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht in Betracht.
3. Der Streitwert wurde gemäß § 47 Abs. 1 Satz 1, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG in Verbindung mit § 3 ZPO festgesetzt.
Das Interesse des Beschwerdeführers an der begehrten Feststellung der Erledigung des einstweiligen Verfügungsverfahrens entspricht wertmäßig der Höhe der in erster Instanz angefallenen gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten. Nach der aktuellen Rechtsprechung des Senats sind Anträge auf Unterlassung der befristeten Sperrung eines Facebook-Accounts im Regelfall mit 2.500 € zu bewerten. Auf der Grundlage dieses Streitwerts wären in erster Instanz Gerichtskosten und außergerichtliche Kosten des Klägers in Höhe von überschlägig 550 € angefallen. Da der nächste Gebührensprung erst bei 1.000 € eintritt, erscheint es sachgerecht, den Streitwert auf bis zu 1.000 € festzusetzen.
4. Der Senat macht von der ihm durch § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GKG eingeräumten Möglichkeit Gebrauch, die Streitwertfestsetzung des Landgerichts von Amts wegen abzuändern und den Streitwert des einstweiligen Verfügungsverfahrens entsprechend den obigen Ausführungen unter Ziffer 3 auf 2.500 € festzusetzen.


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