IT- und Medienrecht

Erledigung eines Verwaltungsakts

Aktenzeichen  W 6 K 20.272

Datum:
14.5.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 13785
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
FZV § 25 Abs. 4
BayVwVfG Art. 28 Abs. 2 Nr. 1,Art. 43 Abs. 2
VwZVG Art. 29, Art. 30, Art. 32, Art.34, Art.36
VwGO § 101 Abs. 2, § 113 Abs. 1 S. 1
VwVfG § 43
StVG § 6a Abs. 3 S. 1
VwKostG § 14 Abs. 2 S. 1

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Gründe

Das Gericht konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet haben, § 101 Abs. 2 VwGO.
Die Klage gegen den Bescheid des Landratsamts vom 8. Januar 2020 hat keinen Erfolg, denn sie ist schon teilweise unzulässig. Soweit sie zulässig ist, ist sie jedenfalls unbegründet.
1. Soweit sich die am 10. Februar 2020 erhobene Klage gegen die Androhung der Außerbetriebsetzung (Nr. 3 des Bescheides vom 8. Januar 2020) richtet, ist sie unzulässig, da sich der Bescheid insoweit durch die am 27. Januar 2020 erfolgte Vollziehung bereits erledigt hatte, Art. 43 Abs. 2 BayVwVfG. Die erhobene Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO ist damit insoweit unstatthaft.
2. Die Anfechtungsklage gegen die Ziffern 1, 4 und 5 des Bescheids des Landratsamts Aschaffenburg vom 8. Januar 2020 ist zulässig, jedoch unbegründet. Denn der Bescheid ist rechtmäßig und verletzt den Klägern nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
2.1. Insbesondere hat sich die Ziffer 1 des angefochtenen Bescheides nicht in sonstiger Weise i.S.v. Art. 43 Abs. 2 BayVwVfG erledigt, da die dort enthaltene Regelung einen Anknüpfungspunkt für die Erhebung von Vollstreckungskosten darstellt.
Ein Verwaltungsakt bleibt gemäß Art. 43 Abs. 2 BayVwVfG wirksam, solange er nicht erledigt ist. Nicht zur Erledigung führt die Vollziehung eines Verwaltungsaktes, soweit von dem Verwaltungsakt noch weiterhin Folgen für das Vollstreckungsverfahren ausgehen können. Dies gilt auch dann, wenn eine Rückgängigmachung der Vollziehung oder eine Folgenbeseitigung nicht mehr in Betracht kommt. So kann der Verwaltungsakt die Grundlage für einen Bescheid über die Vollstreckungskosten sein; Einwendungen gegen die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes sind aber bei einer (späteren isolierten) Anfechtung des Kostenbescheids unbeachtlich (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 19. Aufl. 2018, § 43 Rn. 41c; BVerwG NVwZ 2009, 122). Die Erledigung eines Verwaltungsaktes tritt folglich erst ein, wenn dieser nicht mehr geeignet ist, rechtliche Wirkungen zu erzeugen oder wenn die Steuerungsfunktion, die ihm ursprünglich innewohnte, nachträglich entfallen ist (BVerwG, Buchholz 316 § 43 VwVfG Nr. 11; BVerwG, Buchholz 316 § 43 VwVfG Nr. 10 = NVwZ 1998, 729).
Nachdem der Kläger der Aufforderung in Ziffer 1 des Bescheides nicht nachgekommen ist, beauftragte der Beklagte die Polizeiinspektion Aschaffenburg am 20. Januar 2020 mit der Außerbetriebsetzung des Fahrzeugs, welche ausweislich der Mitteilung der Polizeiinspektion Aschaffenburg am 27. Januar 2020 (Bl. 6 d.A.) durch Entstempelung der Kennzeichenschilder des Fahrzeugs erfolgte. Für diese Maßnahme im Rahmen der Vollstreckung werden Kosten i.H.v. 106,60 EUR erhoben (vgl. Kostenverfügung v. 11.2.2020).
2.2. Die Verfügung in Ziffer 1 des Bescheids vom 8. Januar 2020, innerhalb von fünf Tagen nach Zustellung entweder das Bestehen einer ausreichenden Kfz-Haftpflichtversicherung nachzuweisen oder das Fahrzeug außer Betrieb zu setzen, ist rechtmäßig, da die Voraussetzungen des § 25 Abs. 4 FZV zum maßgeblichen Zeitpunkt des Bescheidserlasses gegeben waren.
Gemäß § 25 Abs. 4 Satz 1 FZV ist die Zulassungsbehörde verpflichtet, unverzüglich die Außerbetriebsetzung eines Fahrzeugs anzuordnen, wenn sie durch eine Anzeige des Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherers oder auf andere Weise erfährt, dass für das Fahrzeug keine dem Pflichtversicherungsgesetz entsprechende Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung (mehr) besteht. Hierdurch soll sichergestellt werden, dass Kraftfahrzeuge, für die eine Haftpflichtversicherung nicht abgeschlossen ist, nicht am Straßenverkehr teilnehmen, und dass Verkehrsteilnehmer, die bei Unfällen geschädigt werden, auf jeden Fall Versicherungsschutz genießen. Die Zulassungsbehörde muss unverzüglich nach Eingang der Mitteilung des Versicherers über die Beendigung des Versicherungsschutzes Maßnahmen zur Außerbetriebsetzung des Fahrzeugs ergreifen, und zwar ohne vorherige Rückfragen bei der Versicherung oder dem Halter. Es kommt dabei auch nicht einmal darauf an, ob Versicherungsschutz objektiv tatsächlich bestanden hat (st. Rspr. BVerwG, vgl. u.a. U.v. 22.10.1992 – 3 C 2/90 – juris; st. Rspr. BayVGH, vgl. u.a. B.v. 31.7.2008 – 11 ZB 08.188 – juris; B.v. 9.5.2018 – 11 C 18.845 – juris). Das gesetzliche Ziel, Verkehrsteilnehmer vor unversicherten Fahrzeugen zu schützen, wäre – auch in Anbetracht der großen Zahl der Vorgänge – nicht erreichbar, müsste die Zulassungsstelle die hinter den jeweiligen Versicherungsbestätigungen und Anzeigen stehenden Versicherungsverhältnisse erforschen und beurteilen. Die Zulassungsstelle ist zur Erfüllung ihrer Aufgaben vielmehr darauf angewiesen, dass Versicherer und Halter das in § 23 Abs. 3 und § 25 Abs. 1 FZV formalisierte System von Versicherungsnachweis und Beendigungsanzeige durch elektronische Übermittlung bestimmungsgemäß handhaben. Für fehlerhaftes Verhalten des Versicherers kann nicht die Zulassungsbehörde einstehen, die aufgrund der materiell-rechtlichen Vorgaben der Fahrzeugzulassungsverordnung nicht zu einer Überprüfung der Richtigkeit der Mitteilung des Versicherers verpflichtet ist. Es ist daher sachgerecht, dem Kraftfahrzeughalter die Folgen selbst eines fehlerhaften Verhaltens „seines“ Versicherers aufzubürden, zumal er sich im Rahmen des privatrechtlichen Versicherungsvertrags schadlos halten kann (vgl. BVerwG, U.v. 22.10.1992 – 3 C 2/90 – juris).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze war der Beklagte nach Eingang der Anzeige der DA Versicherung vom 8. Januar 2020 für das Kraftrad mit dem amtlichen Kennzeichen … … verpflichtet, umgehend den Betrieb dieses Fahrzeugs zu untersagen und dessen Außerbetriebsetzung anzuordnen bzw. alternativ zur Vermeidung einer Außerbetriebsetzung die Vorlage eines Nachweises über gültigen Versicherungsschutz anzufordern. Ausweislich der Aktenlage und dem unbestrittenen Vortrag des Beklagten lag der Behörde zum Zeitpunkt der Anzeige der DA Versicherung am 8. Januar 2020 keine weitere Meldung über das Bestehen einer Haftpflichtversicherung vor, vielmehr erfolgte eine entsprechende Mitteilung der ERGO Versicherung erst am 29. Januar 2020. Es kann dahinstehen, ob die ERGO Versicherung gemäß § 23 Abs. 2 Satz 1 FZV den Versicherungswechsel im Jahr 2016 bei der Zulassungsbehörde angezeigt hatte, da jedenfalls die DA Versicherung am 7. Oktober 2019 eine Versicherungsbestätigung über den – am Ende nicht zustande gekommenen – Versicherungsvertrag an die Zulassungsbehörde übermittelt hatte. Nachdem kein Vertrag zwischen dem Kläger und der DA Versicherung zustande gekommen ist, kündigte die DA Versicherung gegenüber dem Kläger die vorläufige Deckung am 3. Dezember 2019 zum 20. Dezember 2019 (vgl. Schreiben der DA Versicherung v. 2.3.2020, vorgelegt mit Schriftsatz d. Kl. v. 30.3.2020) und teilte diesen Umstand am 8. Januar 2020 wiederum der Zulassungsbehörde mit. Folglich bestand zum Zeitpunkt des Bescheidserlasses kein Nachweis über das Bestehen einer Haftpflichtversicherung für das Kraftrad des Klägers.
Entgegen der klägerseits vertretenen Auffassung war keine Anhörung erforderlich, da von dieser gemäß Art. 28 Abs. 2 Nr. 1 BayVwVfG aufgrund der besonderen Eilbedürftigkeit abgesehen werden konnte. Ebenso ist unerheblich, dass für das Kraftrad des Klägers durchgehend Versicherungsschutz bestanden hat. Die Behörde hat bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des § 25 Abs. 4 FZV keinerlei Ermessensspielraum, weder in der Hinsicht ob sie tätig wird, noch wie sie tätig wird, sondern hat das Fahrzeug unverzüglich außer Betrieb zu setzen, ohne weitere Ermittlungen anzustellen. Folglich kommt es nicht auf das objektive Bestehen einer Haftpflichtversicherung, sondern ausschließlich auf den Kenntnisstand der Behörde hierüber an.
Der Bescheid wurde zu Recht gegenüber dem Kläger als amtlich eingetragenem Halter des Fahrzeugs erlassen (§ 25 Abs. 3 und Abs. 4 FZV). Die Pflicht, für einen ununterbrochenen Nachweis eines Versicherungsschutzes bei der Zulassungsbehörde Sorge zu tragen, trifft den Fahrzeughalter (BayVGH, B.v. 7.1.2008 – 11 C 07.3164 – juris). Das folgt aus § 1 PflVG, wonach der Halter eine ausreichende Haftpflichtversicherung abzuschließen und aufrechtzuerhalten hat. Folglich ist der Fahrzeughalter selbst dann richtiger Adressat der Anordnung zur Außerbetriebsetzung, wenn diese aufgrund einer irrtümlichen bzw. versehentlichen oder nicht rechtzeitigen oder sonst unzutreffenden Mitteilung seines Haftpflichtversicherers erfolgt ist.
2.3. Gegen die Rechtmäßigkeit der Kostenentscheidung (Ziffern 5 und 6 des Bescheids) bestehen keine Bedenken.
Der Kostenausspruch und die Kostenfestsetzung (Gebühren und Auslagen) finden ihre gesetzliche Grundlage in § 6a Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 Satz 1 StVG i.V.m. § 1 Abs. 1, § 2 Abs. 1, § 4 Abs. 1 Nr. 1 der Gebührenordnung für Maßnahmen im Straßenverkehr (GebOSt).
Gemäß § 6a Abs. 1 Nr. 3 StVG werden Kosten für Maßnahmen im Zusammenhang mit der Außerbetriebsetzung von Kraftfahrzeugen und Anhängern erhoben. Es dürfen grundsätzlich nur Kosten für rechtmäßige Amtshandlungen erhoben werden (vgl. Art. 16 Abs. 5 KG, § 14 Abs. 2 Satz 1 VwKostG). Vorliegend entsprach das Tätigwerden des Beklagten, nämlich der Erlass des die Kostenentscheidung bedingenden Grundverwaltungsakts nach § 25 Abs. 4 FZV den gesetzlichen Anforderungen (s.o.).
Gegen die Kostenfestsetzung bestehen auch im Übrigen keine Einwände. Die Gebührenfestsetzung beruht auf § 1 Abs. 1 GebOSt i.V.m. Gebühren-Nummer 254 der Anlage zu § 1 GebOSt. Gemäß § 6a Abs. 3 Satz 1 StVG, § 6 GebOSt sind die Vorschriften des Verwaltungskostengesetzes – VwKostG – anzuwenden, soweit nicht die §§ 1 bis 5 GebOSt abweichende Regelungen über die Kostenerhebung, die Kostenbefreiung, den Umfang der zu erstattenden Auslagen, der Kostengläubiger- und Kostenschuldnerschaft enthalten. Nach Gebühren-Nummer 254 Satz 1 der Anlage zu § 1 GebOSt ist für „Sonstige Anordnungen nach der Fahrzeug-Zulassungsverordnung“ ein Gebührenrahmen von 14,30 EUR bis 286,00 EUR vorgesehen. Sind – wie in diesem Fall – Rahmensätze für Gebühren vorgesehen, so ist bei der Festsetzung der Gebühr im Einzelfall der mit der Amtshandlung verbundene Verwaltungsaufwand zu berücksichtigen, § 9 Abs. 1 Nr. 1 VwKostG (vgl. auch BayVGH, B.v. 12.8.2011 – 11 C 11.1785 – juris). Zur Zahlung der Kosten ist verpflichtet, wer die Amtshandlung veranlasst hat (vgl. § 13 Abs. 1 Nr. 1 VwKostG, § 4 Abs. 1 Nr. 1 GebOSt). Die Kosten werden von Amts wegen festgesetzt. Kosten, die infolge einer unrichtigen Behandlung der Sache durch die Behörde entstanden sind, werden nicht erhoben (vgl. § 14 Abs. 2 Satz 1 VwKostG).
Die Kosten wurden zu Recht gegenüber dem Kläger als Halter des Fahrzeugs und damit Veranlasser der Amtshandlung festgesetzt. Kostenrechtlicher Veranlasser ist nicht nur, wer eine Amtshandlung willentlich herbeigeführt hat, sondern auch, in wessen Pflichtenkreis sie erfolgt (BVerwG, U.v. 22.10.1992 – 3 C 2/90 – juris). Dies trifft auf den Kläger zu. Die Höhe der vorliegend festgesetzten Kosten für die Bescheidsgebühr von 30,00 EUR ist nicht zu beanstanden. Die Bestimmung der konkreten Gebührenhöhe innerhalb eines normativ eröffneten Rahmens stellt grundsätzlich eine Ermessensentscheidung dar. Ermessensfehler sind vorliegend nicht ersichtlich. Die festgesetzten Kosten bewegen sich im unteren Bereich des gesetzlich vorgesehenen Gebührenrahmens und es bestehen keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass dieser Betrag den für die getroffenen Maßnahmen entstandenen Verwaltungsaufwand überschreiten würde.
Gemäß § 2 GebOSt hat der Kostenschuldner auch Auslagen zu zahlen, wonach gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 GebOSt auch die Entgelte für Zustellungen – wie hier vorliegend per Postzustellungsurkunde – anfallen.
3. Nachdem die Klage keinen Erfolg hat, war sie mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.


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