IT- und Medienrecht

Kein Anspruch auf Schadensersatz aus Kaufvertrag über ein Dieselfahrzeug, Marke Audi Q3

Aktenzeichen  43 O 259/18

Datum:
13.5.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 55559
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Bamberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
VO (EG) 715/007 Art. 3 Nr. 10, Art. 5 Abs. 2 S. 1
ZPO § 139, § 253 Abs. 2 Nr. 2, § 256 Abs. 1
StGB § 223, § 224
BGB § 31, § 166, § 199 § 249 Abs. 1, § 254, § 826

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert wird auf 19.920, — € festgesetzt.

Gründe

A.
Die Klage ist unzulässig bzw. in Bezug auf den Klageantrag zu 2) unbegründet.
I.
Es fehlt an einem hinreichend bestimmten Klageantrag.
Gemäß § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO muss die Klage einen bestimmten Antrag enthalten. Ein Feststellungsantrag muss die Identität und damit den Umfang der Rechtskraftwirkung des begehrten Feststellungsanspruchs klar erkennen lassen. Dazu ist die genaue Bezeichnung des festzustellenden Rechtsverhältnisses, bei Schadensersatzansprüchen die bestimmte Bezeichnung des zum Ersatz verpflichtenden Ereignisses bzw. Umstandes nötig (Thomas/Putzo/Reichold, 39. Auflage 2018, § 253 Rn. 13).
Dies ist im vorliegenden Fall nicht geschehen. Der Kläger beantragt lediglich festzustellen, dass die Beklagtenpartei verpflichtet ist, Schadensersatz für Schäden zu leisten, die aus der Manipulation des Fahrzeugs VW Tiguan (Fahrzeugidentifikationsnummer: …11) durch die Beklagtenpartei resultieren.
In diesem Antrag liegt keine eindeutige und genaue Bezeichnung des begehrten Feststellungsanspruchs. Die Formulierung „aus der Manipulation“ reicht hierfür nicht aus. In seiner Klagebegründung führt der Kläger mehrere Punkte an, in welchem die Beklagte das streitgegenständliche Fahrzeug manipuliert und den Kläger daher getäuscht haben soll. Der Kläger führt aus, es habe eine Abgasmanipulation durch eine Abschalteinrichtung in Bezug auf die Stickoxidwerte durch die Beklagte gegeben. Der Kläger führt dann aber im weiteren Verlauf (Seite 16 ff. der Klageschrift/Bl. 16 ff. d.A.) auch aus, dass die Beklagte darüber hinaus falsche Angaben beim Dieselverbrauch und auch bei den CO₂-Werten gemacht habe. Zudem sei ein weiterer Betrug hinsichtlich der On-Board-Diagnose gegeben.
Aus diesen Ausführungen wird deutlich, dass der Kläger der Beklagten zahlreiche falsche Angaben bzw. Manipulationen im Hinblick auf das streitgegenständliche Fahrzeug vorwirft. Insoweit ist jedoch die Angabe im Klageantrag „Manipulation des Fahrzeugs“ nicht hinreichend konkret. Es wird nicht deutlich, auf welche Manipulationen bzw. Falschangaben sich der klägerseits begehrte Schadensersatzanspruch, welcher mit vorliegender Klage festgestellt werden soll, genau bezieht. Da der Klageantrag jedoch derart weit und unbestimmt ist, vermag auch eine Auslegung durch zu Hilfenahme der Klagebegründung nicht weiter zu helfen.
11. Der Feststellungsantrag zudem auch deshalb unzulässig, weil es insoweit an einem Feststellungsinteresse des Klägers fehlt (§ 256 Abs. 1 ZPO).
Der Kläger könnte die ihm gegen die Beklagte nach seinem Vorbringen allenfalls zustehenden und ausdrücklich auch gewünschten Ansprüche (Erstattung des Kaufpreises abzgl. Nutzungen, Zugum-Zug gegen Übergabe und -eignung des PKW) unproblematisch beziffern – so wie dies eine Vielzahl anderer Kläger regelmäßig tut – und per Leistungsklage verfolgen.
Weitere, von der Beklagten zu erstattende, vom Kläger aber noch nicht bezifferbare Schadenspositionen ergeben sich aus dem Klagevorbringen nicht, jedenfalls nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit.
Bei reinen Vermögensschäden erfordert eine vorbeugende Feststellungsklage die Wahrscheinlichkeit eines auf die Verletzungshandlung zurückzuführenden Schadenseintritts, wobei ausreichend, aber auch erforderlich ist, dass nach der Lebenserfahrung und dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein erst künftig aus dem Rechtsverhältnis erwachsender Schaden angenommen werden kann. Hingegen besteht ein Feststellungsinteresse für einen künftigen Anspruch auf Ersatz eines allgemeinen Vermögensschadens regelmäßig nicht, wenn der Eintritt irgendeines Schadens noch ungewiss ist (st. Rspr. des BGH, vgl. z.B. Urteil vom 10. Juli 2014 – IX ZR 197/12 -, Rn. 11, juris m.w.N.).
Nach diesen Grundsätzen ist z.B. die Gefahr von Steuernachzahlungen – vom Kläger auch nicht substantiiert geltend gemacht – zu ungewiss.
Noch ferner liegen – zumal nach Durchführung des Software-Updates – die vom Kläger befürchteten versicherungs- und haftungsrechtlichen Nachteile.
Soweit der Kläger fürchtet, sich nach §§ 223, 224 StGB in Form von Stickoxid-Emissionen strafbar zu machen bzw. gemacht zu haben, liegt allenfalls ein „Wahndelikt“ vor (Schönke/Schröder/Eser/Bosch, 30. Aufl. 2019, StGB § 22 Rn. 78-92) und besteht nicht einmal die theoretische Gefahr der Strafverfolgung.
Das Feststellungsinteresse gegenüber derBeklagten kann – entgegen LG Offenburg, Urteil vom 12. Mai 2017 – 6 O 119/16 -, Rn. 17, juris – auch nicht mit der Erwägung bejaht werden, weitere von der Beklagten ggfs. zu ersetzende Begleitschäden seien, auch wenn sie nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit drohen, jedenfalls verjährungsbedroht. Verjährung – gegenüber der Beklagten – droht dem Kläger bezüglich derzeit nicht absehbarer Schadensteile nicht, denn solange er keine Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis von Fakten hat, die ihm die zumutbare Erhebung einer Feststellungsklage ermöglichen, fehlt es an den subjektiven Voraussetzungen des Verjährungsbeginns nach § 199 BGB. Maßgeblich für den Verjährungsbeginn ist, ob der Geschädigte zumindest eine Feststellungsklage erheben könnte, die bei verständiger Würdigung der ihm bekannten Tatsachen so viel Aussicht auf Erfolg bietet, dass sie für ihn zumutbar ist (Lakkis in: Herberger/Martinek/Rüßmann u.a., jurisPK-BGB, 8. Aufl. 2017, § 199 BGB, Rn. 159 m.w.N.).
Solange sich ein weiterer Schaden jedoch – wie ausgeführt – nicht hinreichend wahrscheinlich abzeichnet, ist im vorliegenden Fall eine Feststellungsklage aber gerade nicht zumutbar, sondern unzulässig.
Auch mit der Erwägung, die Beklagte werde sich bereits einem bloßen Feststellungsurteil beugen, kann das Feststellungsinteresse nicht bejaht werden:
Zwar schreibt die Rechtsprechung bestimmten Beklagten – wie z.B. Körperschaften des öffentlichen Rechts – eine besonders ausgeprägte Rechtstreue zu und stellt insofern abgesenkte Anforderungen an die Zulässigkeit einer Feststellungsklage (Musielak/Voit/Foerste, ZPO, 15. Auflage, § 256 Rn. 13 m.N.). Jedoch neigt – zumindest nach Vorbringen des Klägers – die Beklagte gerade nicht zu besonderer Rechtstreue. Außerdem wäre selbst dann nur die Bezifferung des Schadens entbehrlich, nicht aber, dass ein solcher überhaupt mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit droht. Denn für die vorbeugende gerichtliche Klärung rein abstrakter Eventualitäten besteht auch gegenüber besonders rechtstreuen Beklagten kein Rechtsschutzbedürfnis.
Der Klageantrag ist gegenüber der Beklagten auch nicht als Zwischenfeststellungsklage gem. § 256 Abs. 2 ZPO im Hinblick auf Klageantrag Ziffer 2, mit dem Freistellung von vorgerichtlichen Anwaltskosten begehrt wird, zulässig. Der mit Klageantrag Ziffer 2 geltend gemachte Freistellungsanspruch scheitert gegenüber der nämlich bereits aus anderen Gründen, ohne dass es auf die Frage nach der grundsätzlichen Schadensersatzpflicht überhaupt ankommt (s. unten).
III.
Der Klageantrag Ziffer 2 ist unbegründet:
Ein Anspruch auf Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten gemäß § 826 Abs. 1 (bzw. anderer deliktsrechtlicher Normen) i.V.m. § 249 Abs. 1 BGB steht dem Kläger nicht zu.
Nachdem durch diverse gerichtliche Entscheidungen sowie aus Presseveröffentlichungen davon auszugehen ist, dass jedenfalls den Prozessbevollmächtigten des Klägers – und damit gemäß § 166 BGB auch ihm selbst – bekannt war, dass ein vorgerichtliches Herantreten an die Beklagte zwecklos ist, scheidet ein Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten aus.
Ist der Schuldner – wie hier – bekanntermaßen zahlungsunwillig und erscheint der Versuch einer außergerichtlichen Forderungsdurchsetzung auch nicht aus sonstigen Gründen erfolgversprechend, werden durch die vorgerichtliche Tätigkeit somit offensichtlich nur unnötige weitere Kosten verursacht, so sind diese mangels Zweckmäßigkeit nicht erstattungsfähig (vgl. BGH vom 8. Mai 2012 – XI ZR 262/10, WM 2012, 1337 Rn. 70 BGH vom 26. Februar 2013, XI ZR 345/10, Rz. 38). Hierbei handelt es sich um echte, vom Geschädigten darzulegende und zu beweisende Anspruchsvoraussetzungen und nicht lediglich um im Rahmen des § BGB § 254 BGB bedeutsame, die Ersatzpflicht beschränkende und damit in die Darlegungs- und Beweislast des Schädigers fallende Umstände (BGH, Urteil vom 27. Juli 2010 – VI ZR 261/09, Rn 26). Außergerichtliche Rechtsanwaltskosten sind Nebenforderungen gem. § 4 Abs. 1 Hs. 2 ZPO (BGH vom 29.04.2010, III ZR 145/09, und 21.12.2010, XI ZR 157/10), so dass auch kein Hinweis des Gerichts erforderlich war (§ ZPO § 139 ZPO BGH, Urteil vom 21. Februar 2017 – XI ZR 467/15, Rz. 37 vgl. ebenso zur Beauftragung eines Inkassobüros bei Zahlungsunwilligkeit oder -unfähigkeit des Schuldners: OLG Karlsruhe, Urteil vom 11.06.1986 – 6 U 234/85 -, NJW-RR 1987, S. 15 OLG München a.a.O.; Grüneberg, in: Palandt, BGB, 77. Auflage 2018, § 286 Rn. 46).
B.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 S. 1, 2 ZPO
C.
Für die Festsetzung des Streitwertes ist zu berücksichtigen, dass der Kläger in der Hauptsache Feststellung begehrte, daher ist lediglich ein Wert in Höhe von 80% des Kaufpreises – entspricht 24.900,00 € – in Ansatz zu bringen.


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