IT- und Medienrecht

Kosten für Transportfahrt zur Unterbringung im Bezirkskrankenhaus

Aktenzeichen  B 1 K 15.299

Datum:
23.9.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 135318
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 40
SGG § 51
BayUnterbrG Art. 25
SGB V § 11 Abs. 3, § 60 Abs. 1

 

Leitsatz

1. Dass ein Kostenpflichtiger einen Anspruch gegen seinen Krankenversicherungsträger aus § 60 SGB V hat, führt nicht dazu, dass der im Unterbringungsgesetz wurzelnde Kostenerstattungsanspruch zu einem solchen sozialrechtlicher Art wird; vielmehr bleibt zu prüfen, ob aus Art. 25 Abs. 1 S. 2 BayUnterbrG hergeleitet werden kann, dass neben dem in Art. 25 Abs. 1 S. 1 BayUnterbrG genannten Betroffenen weitere Personen zu den Kosten der sicherheitsrechtlichen Maßnahme durch Verwaltungsakt herangezogen werden können. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Formulierung in Art. 25 Abs. 1 S. 2 BayUnterbrG „bleibt unberührt“ ist so zu verstehen, dass es dem durch S. 1 in Anspruch genommenen Betroffenen unbenommen bleibt, sich bei dem ihm gegenüber zum Tragen solcher Kosten Verpflichteten schadlos zu halten, sei es im Rahmen einer Freistellung oder späteren Erstattung. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
3. Dass bei einer Unterbringung direkt zwischen einer Einrichtung (zB dem Bezirkskrankenhaus) und dem Leistungsträger (zB der Krankenversicherung) abgerechnet wird, führt nicht dazu, dass der Anspruch der Einrichtung selbst zustünde; Gleiches gilt für die Erstattung der Fahrtkosten als einem (möglichen) Teil der Unterbringungskosten. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Der Kostenbescheid des Polizeipräsidiums Oberfranken vom 10.04.2015 wird aufgehoben.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Der Beigeladene trägt seine Kosten selbst.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Berufung wird zugelassen.

Gründe

Die zulässige Klage hat in der Sache Erfolg. Der Bescheid vom 10. April 2015 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Vorab ist festzustellen, dass der Verwaltungsrechtsweg entgegen der – in der mündlichen Verhandlung nicht mehr verfolgten Ansicht der Klägerin – nach § 40 Abs. 1 Satz 1 1. Halbsatz VwGO gegeben ist. Es handelt sich um keine sozialrechtliche Streitigkeit nach § 51 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Die Zulässigkeit des Rechtsweges richtet sich nach dem Streitgegenstand. Dieser wird durch den geltend gemachten prozessualen Anspruch, d.h. durch den Klageantrag bzw. den Klagegrund im Sinne eines bestimmten Sachverhalts bestimmt.
Vorliegend begehrt der Beklagte die Erstattung der Kosten, die ihm in Wahrnehmung seiner durch das Unterbringungsgesetz zugewiesenen Aufgaben entstanden sind. Hierfür beruft sich der Beklagte auf Art. 25 Abs. 1 UnterbrG als maßgebliche Rechtsgrundlage. Grundlage für das Tätigwerden war die Wahrnehmung sicherheitsrechtlicher Aufgaben durch Beamte des Beklagten. Dass der Beigeladene als Kostenpflichtiger einen Anspruch gegen seinen Krankenversicherungsträger aus § 60 SGB V hat, führt nicht dazu, dass der im Unterbringungsgesetz wurzelnde Kostenerstattungsanspruch des Beklagten zu einem solchen sozialrechtlicher Art wird (vgl. hierzu auch: BSG, Beschluss vom 04.04.2012 – B 12 SF 1/10 R). Vielmehr bleibt zu prüfen, ob aus Art. 25 Abs. 1 Satz 2 UnterbrG hergeleitet werden kann, dass neben dem in Art. 25 Abs. 1 Satz 1 UnterbrG genannten Betroffenen weitere Personen zu den Kosten der sicherheitsrechtlichen Maßnahme durch Verwaltungsakt herangezogen werden können.
Der Kostenbescheid des Polizeipräsidiums Oberfranken vom 10. April 2015 ist rechtswidrig, weil sich aus Art. 25 Abs. 1 Satz 2 UnterbrG kein Anspruch des Beklagten gegen die Klägerin auf Ersatz der streitgegenständlichen Kosten ergibt.
Nach Art. 25 Abs. 1 Satz 1 UnterbrG hat der Betroffene die Kosten der Einlieferung (und der Unterbringung) nach diesem Gesetz zu tragen. Auf Gesetz oder Vertrag beruhende Verpflichtungen Dritter, insbesondere der Sozialversicherungsträger zur Kostentragung bleiben unberührt (Satz 2). Hieraus leitet der Beklagte her, dass er selbst einen unmittelbar auf das Unterbringungsgesetz gestützten Erstattungsanspruch gegenüber dem Krankenversicherungsträger des Betroffenen habe, da dem Betroffenen wiederum nach § 60 SGB V ein Anspruch auf Übernahme der Fahrtkosten gegenüber dem Versicherungsträger zustehe, wenn der Transport aus zwingenden medizinischen Gründen notwendig gewesen sei.
Nach Art. 25 Abs. 1 Satz 1 UnterbrG sind die Kosten der Unterbringung (d.h. der Einlieferung, der Unterbringung selbst und der Heilbehandlung und Rehabilitation) vom Betroffenen selbst zu tragen. Hieraus folgt die Berechtigung, bei Vorliegen der Voraussetzungen die den Polizeibehörden entstandenen Kosten einer Einlieferung in die Einrichtung gegenüber dem Betroffenen geltend zu machen. Eine unmittelbare Inanspruchnahme dritter Personen oder Institutionen sieht Satz 1 nicht vor. Dass es im Regelfall in der Praxis letztlich nicht dazu kommt, dass der Betroffene die Einlieferungs- (und sonstigen Kosten) der Unterbringung selbst zu leisten hat, liegt darin begründet, dass der Betroffene auf die ihm gegenüber bestehende Leistungsverpflichtung seiner gesetzlichen Krankenversicherung (oder anderer auf Vertrag oder Gesetz beruhender Leistungsverpflichteter) zurückgreifen kann und er am Ende mit diesen Kosten nicht belastet bleibt. Weder aus Art. 25 Abs. 1 Satz 1 noch aus Satz 2 UnterbrG kann aber gefolgert werden, dass für den Leistungserbringer, hier den Beklagten, ein unmittelbarer Leistungsanspruch gegen einen Dritten geschaffen werden sollte. Vielmehr ist die Formulierung in Art. 25 Abs. 1 Satz 2 UnterbrG „bleibt unberührt“ so zu verstehen, dass es dem durch Satz 1 in Anspruch genommenen Betroffenen unbenommen bleibt, sich bei dem ihm gegenüber zur Tragen solcher Kosten Verpflichteten schadlos zu halten, sei es im Rahmen einer Freistellung oder späteren Erstattung. Diese Beziehung betrifft aber lediglich das „Innenverhältnis“ zwischen dem Betroffenen und dem Dritten. Dass bei einer Unterbringung direkt zwischen einer Einrichtung (z.B. dem Bezirkskrankenhaus) und dem Leistungsträger (z.B. der Krankenversicherung) abgerechnet wird, führt nicht dazu, dass der Anspruch der Einrichtung selbst zustünde (vgl. Bohnert, Unterbringungsrecht, Beck, Erl. E I 2, S. 81). Gleiches gilt für die Erstattung der Fahrtkosten als einem (möglichen) Teil der Unterbringungskosten.
Dass der Gesetzgeber durch Art. 25 Abs. 1 Satz 2 UnterbrG (ebenso wie bei Art. 13 UnterbrG) keine Erweiterung der Leistungspflicht nach dem Unterbringungsgesetz für Dritte begründen wollte, ergibt sich aus der Gesetzesbegründung zum damaligen Art. 38 UnterbrG (vgl. LT-Drs. 9/2431 S. 28), der dem heutigen Art. 25 UnterbrG wortgleich entspricht. Darin ist ausgeführt: „Absatz 1 regelt die grundsätzliche Pflicht des Betroffenen oder der für ihn eintretenden (natürlichen oder juristischen Personen oder Institutionen, die Kosten der Unterbringung und der Heilbehandlung zu tragen. Durch Absatz 1 Satz 2 tritt, ebenso wie durch Art. 21, eine Erweiterung der Leistungspflicht Dritter nicht ein“.
Der Personenkreis, dem gegenüber die gesetzlichen Krankenversicherungsträger zur Leistungserbringung verpflichtet sind, ergibt sich aus § 2 SGB V. Danach ist Anspruchsinhaber der Versicherte, nicht jedoch dritte Personen. Der Leistungskatalog gegenüber dem Versicherten umfasst die im 3. Kapitel des Sozialgesetzbuch V genannten Leistungen, wozu auch die in § 60 SGB V angeführten Fahrtkosten gehören, die im Zusammenhang mit einer Leistung der Krankenkasse aus zwingenden medizinischen Gründen entstehen. Das in § 2 Abs. 2 SGB V normierte Sachleistungsprinzip wird nur in Ausnahmefällen (§ 13 SGB V) durchbrochen, so z.B. wenn die durch die Krankenversicherung zu erbringende Sachleistung nicht rechtzeitig erbracht werden konnte oder zu Unrecht abgelehnt worden war. In einem solchen Fall kann der Versicherte für die von ihm selbstbeschaffte Leistung Kostenerstattung verlangen. Anspruchsinhaber im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung für verauslagte Fahrtkosten ist der Versicherte, nicht derjenige, der die Transportleistung erbracht hat. Damit scheidet ein direkter Anspruch des Beklagten nach den Bestimmungen des Sozialgesetzbuchs V gegenüber der Klägerin aus. Wenn aber nach der Gesetzesbegründung zum früheren Art. 38 UnterbrG durch die dort getroffene Regelung eine Erweiterung der Leistungspflicht Dritter nicht bezweckt ist, kann auch Art. 25 Abs. 1 Satz 2 UnterbrG nicht so interpretiert werden, dass entgegen den Bestimmungen im Sozialgesetzbuch V hierdurch eine gegenüber der die Unterbringung durchführenden Behörde bestehende unmittelbare Leistungspflicht geschaffen werden sollte. Hätte der Gesetzgeber dies gewollt, hätte er Art. 25 Abs. 1 Satz 2 UnterbrG anders gefasst und dies auch in der Gesetzesbegründung zum Ausdruck gebracht.
Da sich aus Art. 25 Abs. 1 Satz 2 UnterbrG kein Anspruch gegen die Klägerin ergibt, bedarf es auch keiner Vertiefung, ob die Voraussetzungen des § 60 SGB V gegeben sind oder ob gar eine analoge Anwendung wegen Vorliegens einer planwidrigen Regelungslücke in Betracht kommen würde. Des Weiteren bedarf es keiner Erörterung, ob ein Anspruch nach anderen Rechtsvorschriften gegeben wäre. Das von Klägerseite ins Spiel gebrachte Bayerische Rettungsdienstgesetz gibt ersichtlich keinen Anspruch, ein Anspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag könnte – sofern überhaupt einschlägig – nicht durch Verwaltungsakt, sondern im Weg einer Leistungsklage geltend gemacht werden.
2. Als unterlegener Beteiligter hat der Beklagte nach § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst, da er keinen Antrag gestellt hat (§§ 154 Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO).
3. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. Zivilprozessordnung (ZPO).
4. Die Zulassung der Berufung findet ihre Grundlage in § 124a Abs. 1 i.V. mit § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO, da die Frage einer Inanspruchnahme unmittelbar aus Art. 25 Abs. 1 Satz 2 UnterbrG soweit ersichtlich bislang noch nicht gerichtlich geklärt wurde und für eine größere Anzahl gleichgelagerter Fälle Bedeutung haben kann.


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