IT- und Medienrecht

Rechtmäßige Veröffentlichung im gemeindlichen Mitteilungsblatt

Aktenzeichen  W 2 E 18.1402

Datum:
17.1.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 4010
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GG Art. 5 Abs. 1
BayGO Art. 52 Abs. 2 S. 1

 

Leitsatz

Äußerungen von Gemeindeorganen haben den gemeindlichen Kompetenzrahmen zu wahren und müssen dem Sachlichkeitsgebot als Ausfluss des Rechtsstaatsprinzips gerecht werden. Gibt die Gemeinde auf ihrer Homepage Äußerungen von Mitgliedern des Gemeinderats wieder, ohne diese als eigene Meinung zu übernehmen der zu kommentieren, sind sie der Gemeinde oder ihren Organen nicht zurechenbar. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 2.500,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin wendet sich gegen zwei Mitteilungen des Antragsgegners im Mitteilungsblatt „Bayrischer Odenwald vom … … 2018 (Seite …) und auf der Homepage des Antragsgegners, die sich mit Anfragen von Marktgemeinderäten/innen in der Sitzung des Marktgemeinderates des Antragsgegners vom 27. Juli 2018 befassen.
Dabei handele es sich um „Lügen“, die verbreitet worden seien und es werde begehrt, diese „Lügen“ richtig zu stellen und die Weiterverbreitung im Netz zu beenden.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Es seien lediglich Wortmeldungen von Mitgliedern des Marktgemeinderates „neutral“ wiedergegeben worden. Die Berichterstattung sei weder verleumderisch noch geeignet, den Ehemann der Antragstellerin oder diese selbst verächtlich zu machen. Unwahren Behauptungen seien nicht verbreitet worden.
Auf den weiteren Inhalt des schriftsätzlichen Vorbringens der Beteiligten und den Inhalt der vorgelegten Behördenakten wird Bezug genommen.
II.
Das als Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz nach § 123 VwGO auszulegende Begehren der Antragstellerin ist jedenfalls unbegründet.
1. Nach § 123 Abs. 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag, auch schon vor oder mit Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts der Antragstellerin vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Voraussetzung für eine einstweilige Anordnung ist demnach, das Vorliegen eines Rechts, dessen Sicherung die Anordnung dient (Anordnungsanspruch) sowie die drohende Vereitelung oder Erschwerung dieses Anspruchs (Anordnungsgrund). Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch sind von der Antragstellerin glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO).
1.1 Der Antragsgegner ist für das Begehren der Antragstellerin passivlegitimiert (§ 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Der Antrag ist grundsätzlich gegen den Rechtsträger zu richten, dem die angegriffene Handlung zuzurechnen ist.
Mit der Bekanntgabe von Beschlüssen oder Inhalten einer Marktgemeinderatssitzung hat der 1. Bürgermeister von den Möglichkeiten seines Amtes Gebrauch gemacht (BayVGH, B.v. 24.5.2006 – 4 CE 06.1217 – juris); diese sind dem Antragsgegner zuzurechnen (BayVGH, U.v. 10.12. 1986 – 4 B 85 A. 916 – BayVBl 1987).
1.2 Die Antragstellerin hat jedoch schon keinen Anordnungsgrund (Eilbedürftigkeit) glaubhaft gemacht; sie hat nichts Substantielles dazu vorgetragen, weshalb die Entscheidung in der anhängig gemachten Hauptsache nicht abgewartet werden kann.
1.3 Jedenfalls ist aber kein Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht.
1.3.1
Die Erteilung des Rede- bzw. Fragerechts an die Mitglieder des Marktgemeinderates ist nicht zu beanstanden. Nach Art. 52 Abs. 2 Satz 1 Gemeindeordnung für den Freistaat Bayern i.d.F. des Gesetzes vom 22. August 1998 (GVBl S. 796 – GO), zuletzt geändert durch § 2 Abs. 3 des Gesetzes vom 15. Mai 2018 (GVBl S. 260) sind Sitzungen des Marktgemeinderates grundsätzlich öffentlich. Jedes Mitglied des Marktgemeinderates ist berechtigt, sich in der Sitzung mit Redebeiträgen und Fragen zu Wort zu melden. Soweit es einem ordnungsgemäßen Geschäftsgang nicht widerspricht, ist das Rederecht auch vom Vorsitzenden zu erteilen. Die bayerische Gemeindeordnung setzt dieses Recht des einzelnen Gemeinderatsmitglieds, zu den Tagesordnungspunkten der Gemeinderatssitzung zu sprechen, voraus. Die Vorschriften über den Geschäftsgang des Gemeinderats und seiner Ausschüsse sind zwingender Bestandteil der nach Art. 45 GO zu erlassenden Geschäftsordnung.
1.3.2
Dem Antragsgegner ist es im Hinblick auf das europarechtliche Transparenzgebot auch ohne ein bayerisches Informationsfreiheitsgesetz nicht verwehrt, über diese Wortmeldungen im Marktgemeinderat in der Öffentlichkeit in neutraler Form zu berichten und auch die Art und Weise der Erledigung dieser Wortbeiträge öffentlich mitzuteilen.
Zwar kann sich eine durch den ersten Bürgermeister in amtlicher Funktion repräsentierte Gemeinde als juristische Person des öffentlichen Rechts nicht auf die Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG, Art. 110 Abs. 1 Satz 1 BV) zu berufen. Aber nicht einmal die Rechte eines Dritten berührende Äußerungen wertenden Charakters sind Gemeindeorganen von vornherein verwehrt, sie sind aber im Einzelfall rechtfertigungsbedürftig. Sie haben den gemeindlichen Kompetenzrahmen zu wahren und müssen dem Sachlichkeitsgebot als Ausfluss des Rechtsstaatsprinzips gerecht werden. Das verlangt, dass die jeweilige Äußerung in einem konkreten Bezug zur Erfüllung einer gemeindlichen Aufgabe steht, Werturteile auf einem im Wesentlichen zutreffenden oder zumindest sachgerecht und vertretbar gewürdigten Tatsachenkern fußen und weder auf sachfremden Erwägungen beruhen noch den sachlich gebotenen Rahmen überschreiten (vgl. OVG Münster, B.v. 16.12.2003 – 15 B 2455/03 – NVwZ-RR 2004, 283 f.).
Wollte man Entsprechendes für die durch die Gemeinde erfolgte Wiedergabe von Äußerungen von Nicht-Organen annehmen, wäre vorliegend der gemeindliche Kompetenzrahmen gegeben, denn es geht im Wesentlichen um die Verkehrssicherheit auf Gehwegen und die Einhaltung von bestehenden Regeln des ruhenden Verkehrs (Parken). Das Sachlichkeitsgebot wurde seitens des Antragsgegners bei summarischer Prüfung gewahrt, weil die Namen der Antragstellerin und ihres Ehemannes in den gemeindlichen Veröffentlichungen nicht genannt sind, sondern lediglich auf das Anwesen Bezug genommen wird. Die Wortbeiträge der Mitglieder des Marktgemeinderates wurden auch nicht als eigene Meinung übernommen oder kommentiert. Damit sind die Wortbeiträge dem Antragsgegner oder seinen Organen nicht zurechenbar. Der Antragsgegner hat dann in der online-Ausgabe vom 4. September 2018 darüber berichtet, dass und wie auf eine Beseitigung der von Mitgliedern des Marktgemeinderates angesprochenen Umstände hingewirkt worden sei. Dabei sind ehrverletzende Äußerungen durch die Gemeindeorgane nicht feststellbar.
Dass die Äußerungen der Mitglieder des Marktgemeinderates allesamt in der Sache unzutreffend wären, also falsche Tatsachen behauptet würden, hat die Antragstellerin zwar zum Teil (Parken) behauptet, aber nicht in geeigneter Weise glaubhaft gemacht.
Deshalb ist bei der lediglich summarischen Prüfung nicht hinreichend glaubhaft gemacht, dass Grundrechte der Antragstellerin oder ihres Ehemannes fortlaufend verletzt wären.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
3. Die Festsetzung des Wertes des Streitgegenstandes beruht auf § 52 Abs. 1 und 2, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 63 Abs. 2 GKG.


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