Kosten- und Gebührenrecht

Anforderungen an die Festsetzung einer Erledigungsgebühr

Aktenzeichen  6 C 20.371

Datum:
28.5.2020
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 14693
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
RVG § 2 Abs. 1, Abs. 2, VV Nr. 1002
VwGO § 161 Abs. 2

 

Leitsatz

1. Das Entstehen einer Erledigungsgebühr erfordert eine besondere, auf Beilegung des Rechtsstreits ohne gerichtliche Entscheidung gerichtete Tätigkeit des Bevollmächtigten voraus, die zur Erledigung nicht unwesentlich beigetragen hat (Anschluss an BVerwG BeckRS 2018, 14760 Rn. 2; OVG Münster BeckRS 2020, 5012 Rn. 2; Bestätigung von VGH München BeckRS 2017, 108018 Rn. 17 mwW). (Rn. 3) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der anwaltliche Rat, auf jeden Fall – unabhängig von den Hinweisen des Gerichts – eine verfahrensbeendende Erledigungserklärung abzugeben, reicht nicht für eine besondere, auf Beilegung des Rechtsstreits ohne gerichtliche Entscheidung gerichtete Tätigkeit ebenso wenig aus wie die bloße Abgabe einer verfahrensbeendenden Erklärung (s. auch VGH München BeckRS 2017, 108018 Rn. 19 f.). (Rn. 5 und 6) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

RO 1 M 19.1458 2020-01-28 Bes VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I. Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 28. Januar 2020 – RO 1 M 19.1458 – wird zurückgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Gründe

Die Beschwerde des Klägers ist zulässig, aber unbegründet.
Das Verwaltungsgericht hat die Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle vom 17. Juli 2019 (im Verfahren – RO 1 K 18.491 -) zu Recht zurückgewiesen. Entgegen der Ansicht der Beschwerde kann die Klagepartei die Festsetzung einer Erledigungsgebühr nicht beanspruchen.
Gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 RVG bestimmt sich die Höhe der Vergütung nach dem Vergütungsverzeichnis (Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG – RVG-VV). Nach Nr. 1002 RVG-VV entsteht die Erledigungsgebühr, wenn sich eine Rechtssache ganz oder teilweise nach Aufhebung oder Änderung des mit einem Rechtsbehelf angefochtenen Verwaltungsakts durch die anwaltliche Mitwirkung erledigt. Das Gleiche gilt, wenn sich eine Rechtssache ganz oder teilweise durch Erlass eines bisher abgelehnten Verwaltungsakts erledigt. Honoriert werden die Entlastung der Gerichte sowie das erfolgreiche Bemühen des Anwalts, die aus einem Verwaltungsakt folgende Belastung von seinem Mandanten abzuwenden und diesem zugleich die mit einem Prozess verbundene Unsicherheit sowie den Zeit- und Kostenaufwand zu ersparen. Die Mitwirkung bei der Erledigung im Sinn von Nr. 1002 RVG-VV setzt eine besondere auf Beilegung des Rechtsstreits ohne gerichtliche Entscheidung gerichtete Tätigkeit des Bevollmächtigten voraus, die zur Erledigung nicht unwesentlich beigetragen hat (BVerwG, B.v. 9.5.2018 – 9 KSt 2.18 – juris Rn. 2; BayVGH, B.v. 5.4.2017 – 19 C 15.1844 – juris Rn. 16 ff.; OVG NW, B.v. 20.3.2020 – 6 E 311.19 – juris Rn. 2).
Gemessen an diesem Maßstab liegen die Voraussetzungen der Nr. 1002 RVG-VV für das Entstehen einer Erledigungsgebühr im vorliegenden Fall nicht vor. Zum einen fehlt es bereits an einer Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Verwaltungsakts oder dem Erlass eines bisher abgelehnten Verwaltungsakts; vielmehr sind der die Einstellung des Klägers in den mittleren Polizeivollzugsdienst ablehnende Bescheid der Beklagten und der hierzu ergangene Widerspruchsbescheid nach wie vor existent.
Zum anderen ist keine besondere, auf Beilegung des Rechtsstreits ohne gerichtliche Entscheidung gerichtete Tätigkeit des Bevollmächtigten des Klägers erkennbar, die zur Erledigung beigetragen hat. Das Verwaltungsgericht hat in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen, dass sich der Rechtsstreit erledigt habe, weil die vom Kläger begehrten Einstellungszeitpunkte in den mittleren Polizeivollzugsdienst verstrichen und die Stellen besetzt seien. Ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse sei nicht ersichtlich, weil keine konkrete Wiederholungsgefahr vorliege. Denn zum einen sei nicht hinreichend sicher, dass sich der Kläger wieder bei der Bundespolizei bewerben werde; zum anderen sei auch nicht hinreichend konkret ersichtlich, ob in Zukunft von der Beklagten wieder vergleichbare Verwaltungsakte erlassen würden. Die in der Beschwerdebegründung hervorgehobene nochmalige Besprechung der Rechtslage zwischen dem Kläger und seinem Prozessbevollmächtigten während einer 12-minütigen Sitzungsunterbrechung und dessen Rat, auf jeden Fall eine verfahrensbeendende Erledigungserklärung abzugeben, selbst wenn das Gericht ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse bejaht hätte, reichen nicht für eine besondere, auf Beilegung des Rechtsstreits ohne gerichtliche Entscheidung gerichtete Tätigkeit aus. Nicht maßgeblich ist dabei, dass der Entschluss, das Verfahren für erledigt zu erklären, bereits vor den Hinweisen des Gerichts erfolgt ist. Jedenfalls ist hierin keine über die – bereits durch die Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 RVG-VV abgegoltene – allgemeine Beratungspflicht gegenüber dem Mandanten und die allgemeine Verfahrensförderung hinausgehende besondere Mitwirkung des Prozessbevollmächtigten zu sehen (vgl. BayVGH, B.v. 5.4.2017 – 19 C 15.1844 – juris Rn. 19).
Auch die bloße Abgabe einer Hauptsacheerledigungserklärung begründet keine Tätigkeit, die über die allgemeine Verfahrensförderung eines Prozessbevollmächtigten hinausführt. Zwar führen die übereinstimmenden Prozesserklärungen, die Hauptsache für erledigt zu erklären, ohne Rücksicht darauf, ob tatsächlich eine Erledigung eingetreten ist, zu einer Beendigung des Rechtsstreits. Umgekehrt stellt diese Prozesserklärung als solche jedoch nicht selbst das erledigende Ereignis dar, an welchem der Bevollmächtigte in besonderer Weise mitgewirkt haben muss, um in den Genuss einer Erledigungsgebühr zu kommen (BayVGH, B.v. 18.5.2015 – 2 C 14.2703 – juris Rn. 15). In der bloßen Abgabe einer Prozesserklärung, wie sie die Erledigungserklärung darstellt, liegt nicht eine besondere Tätigkeit des Rechtsanwalts, die über die allgemeine Verfahrensförderung hinausginge (BayVGH, B.v. 5.4.2017 – 19 C 15.1844 – juris Rn. 20; B.v. 2.9.2015 – 10 C 13.2563 – juris Rn. 44; B.v. 18.5.2015 – 2 C 14.2703 – juris Rn. 15).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Eine Streitwertfestsetzung ist entbehrlich, weil lediglich die Festgebühr nach Nr. 5502 der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG anfällt.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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