Kosten- und Gebührenrecht

Erfolglose Erinnerung. Keine ausreichende anwaltliche Mitwirkung für den Anfall der Erledigungsgebühr.

Aktenzeichen  M 12 M 18.4293

Datum:
13.2.2019
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 36604
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 151, § 165
RVG § 2
RVG Nr. 1002, 1003 VV

 

Leitsatz

1. Erforderlich für den Anfall der Erledigungsgebühr ist, dass eine gerichtliche Endentscheidung nicht mehr notwendig ist und die Tätigkeit des Prozessbevollmächtigten hierfür jedenfalls auch kausal geworden ist. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)
2. Allgemeine verfahrensfördernde Tätigkeiten reichen für den Anfall der Erledigungsgebühr nicht. Dass der Rechtsanwalt sämtliche für seinen Mandanten sprechenden rechtlichen Argumente in möglichst überzeugender Weise vorträgt, ist bereits durch die Verfahrens- und u.U. Terminsgebühr abgegolten (BVerwG BeckRS 9998, 44513). (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)
3. Zwar kann das Einwirken auf den Mandanten eine gebührenbegründende Mitwirkung an der Erledigung sein kann. Der bloße Rat, nach vollständigem Entgegenkommen des Prozessgegners für erledigt zu erklären, reicht jedoch nicht aus. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Erinnerung wird zurückgewiesen.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Erinnerungsverfahrens. Gerichtsgebühren werden nicht erhoben.

Gründe

I.
Die Antragstellerin (Klägerin des Hauptsacheverfahrens) wendet sich gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle vom 17. August …, soweit in diesem die Festsetzung einer 1,0 Erledigungsgebühr abgelehnt wird.
Mit ihrer Klage im Verfahren M 12 K 17.4726 begehrte die Antragstellerin die Neuberechnung der Dringlichkeitspunkte ihres Wohnantrages und beantragte Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihres Bevollmächtigten. Zur Klagebegründung führte der Prozessbevollmächtigte nur Gründe aus, die die gesundheitliche Situation der Familie der Klägerin betrafen.
Der Antrag auf Prozesskostenhilfe wurde vom Bayerischen Verwaltungsgericht München abgelehnt. Auf die hiergegen gerichtete Beschwerde gewährte der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (BayVGH) mit Beschluss vom 16. April … (Az.: 12 C 18.446) Prozesskostenhilfe. Der BayVGH führte hierzu insbesondere aus, dass es nicht ausgeschlossen sei, dass die gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Sohnes der Antragstellerin durch die damalige Wohnsituation zu einer höheren Dringlichkeitspunktzahl führen könnten.
In der Folge veranlasste die Antragsgegnerin (Beklagte des Hauptsacheverfahrens) eine erneute Prüfung des Wohnungsantrages. Mit Bescheid vom 26. April … vergab sie eine höhere Dringlichkeitspunktzahl unter Festsetzung der nach der Punktetabelle höchstmöglichen Punktzahl für gesundheitliche Beeinträchtigungen. Mit Schreiben vom 08. Mai … gab die Antragsgegnerin gegenüber dem Verwaltungsgericht eine Kostenübernahmeerklärung ab und stimmte einer Erledigungserklärung der Antragstellerin vorab zu. Mit Schreiben vom 28. Mai … erklärte der Bevollmächtigte namens der Antragstellerin die Erledigung der Hauptsache. Mit Beschluss vom 30. Mai … wurde das Verfahren eingestellt und der Beklagten gemäß ihrer Kostenübernahmeerklärung die Kosten auferlegt.
Mit Kostenfestsetzungsantrag vom 13. Juni … beantragte der Bevollmächtigte die Kostenfestsetzung i.H.v. 853,11 Euro, unter anderem 303,00 Euro für eine 1,0 Einigungsgebühr nach Nr. 1002, 1003 VV RVG. Mit Schreiben vom 06. Juli … stellte der Bevollmächtigte klar, dass eine Erledigungsgebühr gemeint sei. Er führte aus, dass die Gebühr durch die eingereichte Klage und die erfolgreiche Beschwerde im Prozesskostenhilfeverfahren entstanden sei, weil diese zur erledigenden Abhilfe durch die Antragsgegnerin geführt hätten.
Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 17. August 2018 setzte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle insgesamt 492,54 Euro einschließlich Umsatzsteuer als erstattungsfähige Kosten fest. Dabei lehnte sie die Festsetzung der beantragten 1,0 Erledigungsgebühr nach Nr. 1002, 1003 VV RVG i.H.v. 303,00 Euro zzgl. darauf entfallender Umsatzsteuer ab, weil kein besonderes, über das übliche Maß hinausgehendes Bemühen des Bevollmächtigten um eine außergerichtliche Einigung ersichtlich sei.
Mit Schriftsatz vom 22. August …, ebenda per Fax bei Gericht eingegangen, und ergänzt durch den Schriftsatz vom 26. September … beantragte der Bevollmächtigte der Antragstellerin die gerichtliche Entscheidung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss (sog. Erinnerung). Er führte ergänzend zu seinem Vortrag im Schriftsatz vom 06. Juli … aus, dass er die Antragstellerin nach Aufforderung des Gerichts, eine prozessbeendende Erklärung abzugeben, umfassend über die durch den neuen Bescheid eingetretene Prozesslage aufgeklärt und ihr die Erledigungserklärung empfohlen habe. Mit Schreiben vom 28. Dezember … stellte der Bevollmächtigte klar, dass die Erinnerung namens der Antragstellerin erfolgt.
Die Kostenbeamtin hat der Erinnerung mit Schreiben vom 24. August … nicht abgeholfen und den Vorgang mit der Bitte um gerichtliche Entscheidung der Kammer vorgelegt.
Die Antragsgegnerin erhielt Gelegenheit zur Stellungnahme und verteidigte den Kostenfestsetzungsbeschluss.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten (auch des Hauptsacheverfahrens) Bezug genommen.
II.
1. Die zulässige, insbesondere fristgerechte, Erinnerung ist unbegründet. Die Urkundsbeamtin hat die beantragte Erledigungsgebühr zu Recht nicht festgesetzt.
Nach Nr. 1002 der Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 Satz 1 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (Vergütungsverzeichnis zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz – VV RVG) entsteht eine Erledigungsgebühr, wenn sich eine Rechtssache ganz oder teilweise nach Aufhebung oder Änderung des mit einem Rechtsbehelf angefochtenen Verwaltungsakts durch die anwaltliche Mitwirkung erledigt. Erforderlich für den Anfall der Erledigungsgebühr ist, dass eine gerichtliche Endentscheidung nicht mehr notwendig ist und die Tätigkeit des Prozessbevollmächtigten hierfür jedenfalls auch kausal geworden ist. In Abgrenzung zu Verfahrens- und Terminsgebühr genügt aber nicht jede Tätigkeit, sondern es ist ein besonderes, auf die außergerichtliche Streitbeilegung gerichtetes Bemühen notwendig. Allgemeine verfahrensfördernde Tätigkeiten reichen nicht. Dass der Rechtsanwalt sämtliche für seinen Mandanten sprechenden rechtlichen Argumente in möglichst überzeugender Weise vorträgt, ist bereits durch die Verfahrens- und u.U. Terminsgebühr abgegolten (BVerwG, U.v. 21.8.1981 – 4 C 60/79 – NVwZ 1982, 36; Müller-Rabe in Gerold/Schmidt, RVG, 23. Aufl. 2017, VV 1002 Rn. 40).
Danach ist in der Klagebegründung und der Beschwerde gegen den ablehnenden Prozesskostenhilfebeschluss des Verwaltungsgerichts München kein gebührenauslösendes Moment zu sehen. Denn die Klagebegründung ist bereits nicht auf die außergerichtliche Erledigung gerichtet. Gleiches gilt auch für die Beschwerde im Prozesskostenhilfeverfahren. Diese diente der finanziellen Ermöglichung der weiteren gerichtlichen Geltendmachung des klägerischen Begehrens und ist damit eine verfahrensfördernde, nicht aber -beendende Bemühung des Prozessbevollmächtigten. Dass die Antragsgegnerin unter dem Eindruck des Beschlusses des BayVGH eine erneute Prüfung des Wohnantrages vornahm und die begehrte höchste Punktzahl für gesundheitliche Beeinträchtigung festsetzte, mag ein gewünschter Nebeneffekt der Beschwerde gewesen sein, erfüllt aber noch nicht den Erledigungsgebührentatbestand, sondern ist mit der Verfahrensgebühr abgegolten (vgl. OVG Bremen, B.v. 21.5.1986 – 2 B 75/86 – juris).
Auch in der Beratung der Klägerin über die durch den neuen Bescheid eingetretene prozessuale Lage liegt kein „Mitwirken“ im Sinne der Nr. 1002 VV RVG. Zwar ist es wohl einhellige Meinung, dass auch das Einwirken auf den Mandanten eine gebührenbegründende Mitwirkung an der Erledigung sein kann (vgl. Müller-Rabe a.a.O., Rn. 52 ff. m.w.N.). Aber auch insoweit ist eine besondere Einwirkung auf den Mandanten erforderlich, die Aufklärung und Beratung um die prozessuale Situation genügt nicht (OVG Münster, B.v. 25.5.1992 – 19 E 510/92 – NVwZ-RR 1993, 111; FG Berlin-Brandenburg, B.v. 5.4.2011 – 13 KO 13326/10 – BeckRS 2011, 95706). Entsprechend kann der bloße Rat, nach vollständigem Entgegenkommen des Prozessgegners für erledigt zu erklären, nicht ausreichen (Müller-Rabe a.a.O., Rn. 46). So liegt der Fall hier. Nach erneuter Prüfung erließ die Beklagte einen der allein vorgebrachten Gesundheitssituation der Klägerin und ihrer Familie vollkommen abhelfenden Bescheid, woraufhin das Gericht die Abgabe einer Erledigungserklärung anregte. Mit seinem Schreiben an seine Mandantin erklärte der Prozessbevollmächtigte ihr, dass aus seiner Sicht eine Klageerweiterung keinen Sinn ergebe und er die Erledigung empfehlen würde. Ein weitergehendes Einwirken auf die Antragstellerin ist weder vorgetragen worden noch sonst ersichtlich. Entsprechend lässt sich auch aus dem Beschluss des VGH Mannheim vom 6. 4. 2006 (6 S 834/05 – NVwZ-RR 2006, 735) kein gegenteiliger Schluss ziehen, weil dort ausweislich der Gründe ein mehrmaliges intensiveres Einwirken auf den Mandanten vorgetragen wurde.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Das Verfahren ist gemäß § 11 Abs. 2 Satz 4 RVG gerichtsgebührenfrei


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