Kosten- und Gebührenrecht

Gebührenbefreiung für die Eintragung der Grundschuld einer gemeinnützigen Zwecken dienenden Stiftung

Aktenzeichen  8 W 6/17

Datum:
26.1.2017
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 147043
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
Bamberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
GNotKG § 81 Abs. 3 S. 2 u. Abs. 6 S. 1
GVG § 119 Abs. 1 Nr. 1 b
LJKostG Art. 9
AO § 52 Abs. 1 S. 1, § 53 S. 1
KStG § 5 Abs. 1 Nr. 9
GewSt § 3 Nr. 6
SGB X § 64 Abs. 2 u. 3 S. 2
SGB I § 11 S. 1, § 12 S. 1, § 29

 

Leitsatz

Gebührenbefreit ist nicht nur der Sozialleistungsträger, sondern gemäß § 64 Abs. 2 SGB X auch die gemeinnützige Stiftung, die von dem Sozialleistungsträger Zuschüsse und Darlehen erhält, die den Sozialleistungsberechtigten somit jedenfalls mittelbar zugutekommen. Denn das Gesetz misst der Tätigkeit freier Träger im Rahmen der Gewährung von Sozialleistungen besondere Bedeutung bei; dieser Grundentscheidung würde es zuwiderlaufen, wenn die Förderung Behinderter durch Einschaltung freier Träger mit Kosten belastet würde, die bei unmittelbarer Förderung durch öffentliche Träger nicht anfielen.

Verfahrensgang

BK-2300-69 2016-11-29 Bes AGLICHTENFELS AG Lichtenfels

Tenor

I. Auf die Beschwerde der A. wird die Kostenrechnung des Amtsgerichts -Grundbuchamt – Lichtenfels vom 31.10.2016 (Gz.: BK-2300-66) dahin abgeändert, dass die von der Beschwerdeführerin zu zahlenden Gebühren auf 283,- Euro festgesetzt werden.
II. Das Verfahren ist gebührenfrei, Kosten werden nicht erstattet.
III. Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens beträgt 1.815,-Euro.
IV. Eine weitere Beschwerde ist nicht zulässig.

Gründe

Die Beschwerdeführerin ist eine Stiftung u.a. zur gemeinnützigen Förderung und Begleitung von Menschen mit Behinderung. Sie ist zudem Eigentümerin der in der Gemarkung B. gelegenen, im Grundbuch von B. unter Band xx – Blatt … eingetragenen Grundstücke Fl.Nr. …/1 und …3 mit insgesamt 6.206 qm. Sie möchte dort ein Pflegeheim für 26 Menschen mit Behinderung errichten. Der Bezirk Oberfranken hat hierfür im Wege der Anteilsfinanzierung einen Zuschuss in Höhe von 1.040.000,-Euro bewilligt. Mit notariellem Vertrag vom 04.08.2016 (URNr. …/2016 – Notarin Dr. K., B.) bestellte die Eigentümerin deshalb zugunsten des Bezirks Oberfranken eine Grundschuld ohne Brief in Höhe von 1.040.000,- Euro. Die Grundschuld dient gemäß Notarvertrag ausdrücklich der Sicherung aller Forderungen und Rechte, die dem Bezirk Oberfranken gegen die Eigentümerin hinsichtlich dessen Verpflichtung aus der Gewährung eines Zuschusses in derselben Höhe für den Ersatzneubau eines Pflegeheims für 26 Menschen mit Behinderung zustehen.
Bereits in der Notarurkunde wurde Kosten- und Gebührenbefreiung gemäß § 64 SGB X beantragt.
Mit notariellem Vertrag vom selben Tag (URNr. …/2016 – Notarin Dr. K., B.) bestellte die Eigentümerin außerdem zugunsten der M. eine weitere Buchgrundschuld in Höhe von 98.801,63 Euro. Eine Zweckbestimmungserklärung enthält jene Urkunde nicht.
Unter Zugrundelegung der Werte von 1.040.000,- Euro und 98.801,63 Euro erstellte der zuständige Kostenbeamte an die Eigentümerin am 31.10.2016 eine Kostenrechnung über 2.098,- Euro; dabei entfällt auf die Eintragung der Grundschuld zugunsten des Bezirks Oberfranken ein Gebührenanteil in Höhe von 1.815,- Euro. Gegen die Festsetzung dieses Gebührenanteils legte die Stiftung Erinnerung ein mit der Begründung, sie sei gebührenbefreit, da sie ausschließlich und unmittelbar steuerbegünstigten gemeinnützigen und mildtätigen Zwecken im Sinne von §§ 51 ff. AO diene.
Nach Beteiligung des Bezirksrevisors bei dem Landgericht Coburg hat die Rechtspflegerin bei dem Amtsgericht Lichtenfels mit Beschluss vom 29.11.2016 die Erinnerung als unbegründet zurückgewiesen. Die Voraussetzungen einer Gebührenfreiheit nach § 2 GNotKG, Art. 9 LJKostG oder § 64 SGB lägen nicht vor. Insbesondere diene die Eigentümerin nicht ausschließlich mildtätigen Zwecken. Als Sozialleistungsträger sei allenfalls der Bezirk Oberfranken, aber eben nicht die Eigentümerin gebührenbefreit.
Gegen die ihr am 05.12.2016 zugestellte Entscheidung hat die Eigentümerin mit Schreiben vom 20.12.2016, bei dem Amtsgericht eingegangen am 21.12.2016, Beschwerde eingelegt, mit der sie ihren Befreiungsantrag weiterverfolgt. Sie wiederholt ihre Auffassung, wonach sie als gemeinnützige Einrichtung vollständige Gebührenfreiheit genieße.
Die Rechtspflegerin bei dem Amtsgericht Lichtenfels hat der Beschwerde mit weiterem Beschluss vom 16.01.2017 nicht abgeholfen und sie dem Oberlandesgericht vorgelegt.
Wegen der Einzelheiten wird auf die genannten Entscheidungen der Rechtspflegerin, auf die Beschwerde sowie auf die Stellungnahme des Bezirksrevisors bei dem Landgericht Coburg Bezug genommen.
II.
Die nach § 1 Abs. 1, 81 Abs. 2 GNotKG zulässige Beschwerde, mit der die Kostenschuldnerin weiterhin eine Gebührenbefreiung für die Eintragung der Grundschuld zugunsten des Bezirks Oberfranken anstrebt, und über die gemäß § 81 Abs. 3 Satz 2, Abs. 6 Satz 1 GNotKG, § 119 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe b GVG der Einzelrichter bei dem Oberlandesgericht Bamberg zu befinden hat, erweist sich als begründet.
1. Gemäß Art. 9 LJKostG werden Gebühren nach dem Gerichts- und Notarkostengesetz nicht erhoben für Geschäfte, die aus Anlass einer unentgeltlichen Zuwendung an eine Körperschaft, Vereinigung oder Stiftung erforderlich werden, die ausschließlich und unmittelbar mildtätige oder wissenschaftliche Zwecke im Sinn des Steuerrechts verfolgt. Die Gebührenbefreiung wird dabei nur gewährt, wenn die steuerrechtliche Voraussetzung nach Satz 1 Halbsatz 3 durch einen Freistellungs- oder Körperschaftsteuerbescheid oder durch eine sonstige Bescheinigung des Finanzamts nachgewiesen und dargelegt wird, dass die Angelegenheit nicht einen steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb betrifft.
Die Beschwerdeführerin hat ein Schreiben des Finanzamts E. vom 02.04.2014 vorgelegt, in dem ihr bescheinigt wird, dass sie ausschließlich und unmittelbar steuerbegünstigten gemeinnützigen und mildtätigen Zwecken i.S.d. § 51 AO dient und sie sowohl von der Körperschaftssteuer (§ 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG) als auch von der Gewerbesteuer (§ 3 Nr. 6 GewSt) befreit ist. Gleichwohl hat die Rechtspflegerin des Amtsgerichts Lichtenfels zutreffend das Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 9 LJKostG mit der Begründung verneint, dass die Beschwerdeführerin nicht ausschließlich mildtätige oder wissenschaftliche Zwecke im Sinn des Steuerrechts verfolgt.
Tatsächlich erstreckt sich Art. 9 LJKostG nach seinem eindeutigen Wortlaut in seinem Anwendungsbereich nicht auf die Kostenschuldnerin. Sie verfolgt weder mildtätige noch wissenschaftliche Zwecke, sondern mit dem Bau des Pflegeheims „lediglich“ gemeinnützige Zwecke. Gemäß § 52 Abs. 1 Satz 1 AO verfolgt eine Körperschaft nämlich dann gemeinnützige Zwecke, wenn ihre Tätigkeit darauf gerichtet ist, die Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet selbstlos zu fördern. Mildtätige Zwecke verfolgt eine Körperschaft hingegen nur dann, wenn ihre Tätigkeit darauf gerichtet ist, Personen selbstlos zu unterstützen, § 53 Satz 1 AO (vgl. hierzu auch BayObLG DNotZ 1995, 775; BGH MDR 2013, 113, jeweils zu § 144 Abs. 2 KostO). Das Vorliegen der Voraussetzungen des § 53 AO wird selbst von der Beschwerdeführerin nicht behauptet und liegen tatsächlich auch nicht vor.
2. Gemäß § 64 Abs. 3 Satz 2 SGB X sind im Verfahren nach der Zivilprozessordnung, dem Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit sowie im Verfahren vor Gerichten der Sozial- und Finanzgerichtsbarkeit die Träger der Sozialhilfe, der Grundsicherung für Arbeitsuchende, der Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, der Jugendhilfe und der Kriegsopferfürsorge von den Gerichtskosten befreit. Zu Recht führt das Amtsgericht Lichtenfels in der angefochtenen Entscheidung aus, dass dieses Kostenprivileg – entsprechend dem Gesetzeswortlaut – allein den Trägern der Sozialhilfe zukommt, zu denen die Beschwerdeführerin gerade nicht gehört.
3. In der Begründung ihres Rechtsmittels beruft sich die Beschwerdeführerin allerdings zu Recht auf die Vorschrift des § 64 Abs. 2 SGB X. Danach sind Geschäfte und Verhandlungen, die aus Anlass der Beantragung, Erbringung oder der Erstattung einer Sozialleistung nötig werden, kostenfrei. Dies gilt auch für die im Gerichts- und Notarkostengesetz bestimmten Gerichtskosten. Die Vorschrift gilt, wie das Bundesverwaltungsgericht (vgl. BVerwGE 78, 363; BVerwGE 77, 364) klargestellt hat, nicht nur für die Rechtsbeziehungen zwischen Bürger und Sozialleistungsträger, sondern gleichfalls im Verhältnis von Sozialleistungsträgern zu anderen Behörden, und zwar auch zu solchen, deren Verwaltungstätigkeit nicht nach dem Sozialgesetzbuch ausgeübt wird (vgl. Sächsisches Oberverwaltungsgericht, Urteil v. 09.03.2012, Az.: 3 A 185/10, juris).
Die Beschwerdeführerin ist zunächst keine Sozialleistungsträgerin. Der Begriff des Sozialleistungsträgers wird in § 12 Satz 1 SGB I legal definiert und bezeichnet die für Sozialleistungen zuständigen, in den §§ 18 bis 29 SGB I genannten Körperschaften, Anstalten und Behörden (Leistungsträger). Zu diesen gehört die Beschwerdeführerin zweifelsfrei nicht.
Allerdings erbringt die Beschwerdeführerin Sozialleistungen. Der in der Norm des § 64 SGB X verwendete Begriff der Sozialleistung ist identisch mit dem der Legaldefinition in § 11 SGB I . Denn das Erste Buch Sozialgesetzbuch ist als Allgemeiner Teil gleichsam vor die Klammer gezogen worden und regelt gesetzessystematisch die Grundlagen des gesamten Sozialgesetzbuchs. Gemäß § 11 Satz 1 SGB I gehören zu den Leistungsarten die in diesem Gesetzbuch vorgesehenen Dienst-, Sach- und Geldleistungen (Sozialleistungen). Die Sozialleistung umfasst alle Vorteile, die nach den Vorschriften des SGB dem einzelnen – zumindest mittelbar – zur Verwirklichung sozialer Rechte zugute kommt, nicht jedoch Leistungen, die zwischen verschiedenen Leistungsträgern oder aufgrund besonderer Rechtsverhältnisse etwa an Bedienstete der Leistungsträger oder an Kassenärzte erbracht werden (vgl. Reg.-Entwurf zum SGB – Allgemeiner Teil – BT-Drucks. 7/868 S. 24 zu § 11; BayObLGZ 1990, 209; BayObLGZ 1994, 63). Hierunter fallen gemäß § 29 SGB I auch Leistungen zur Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen. Die dem Beteiligten gewährten Zuschüsse und Darlehen stellen Sozialleistungen jedenfalls im Sinne von § 64 Abs. 2 SGB X dar. Bei dem Bezirk Oberfranken als Zuschussgeber handelt es sich um einen Träger öffentlicher Sozialleistungen, denn ihm ist als überörtlicher Sozialhilfeträger die Erbringung solcher Leistungen an Menschen mit Behinderung zugewiesen.
Die der Beschwerdeführerin gewährten Zuschüsse des Bezirks Oberfranken haben nach der Zweckbestimmung im Bewilligungsbescheid vom 01.02.2016 „ausschließlich zur Schaffung von 26 stationären Pflegeplätzen nach dem SGB XI für Menschen mit Behinderung in B., …“, zu dienen. Die Geldleistungen kommen den leistungsberechtigten Behinderten somit jedenfalls mittelbar zugute, was bei der gebotenen weiten Auslegung des § 64 SGB X (Roos in von Wulffen, SGB X, Rn. 4 zu § 64; OLG Karlsruhe Justiz 1989, 353) für ihre Wertung als Sozialleistungen ausreicht. Auch das Gesetz misst der Tätigkeit freier Träger im Rahmen der Gewährung von Sozialleistungen besondere Bedeutung bei (vgl. z. B. § 29 Abs. 2 i. V. m. § 28 Abs. 2 SGB I); dieser Grundentscheidung würde es zuwiderlaufen, wenn die Förderung Behinderter durch Einschaltung freier Träger mit Kosten belastet würde, die bei unmittelbarer Förderung durch öffentliche Träger nicht anfielen. Somit sind auch Eintragungen von Grundschulden, die – wie vorliegend – ausschließlich der dinglichen Absicherung von zweckgebundenen Zuschüssen öffentlicher Sozialleistungsträger an den privaten oder – wie vorliegend – als Stiftung organisierten Betreiber einer Behinderteneinrichtung dienen, als Geschäfte, die aus Anlass der Erbringung einer Sozialleistung nötig werden, nach § 64 Abs. 2 SGB X kostenfrei (vgl. BayObLGZ 1990, 209).
Die Kostenrechnung vom 31.10.2016 konnte deshalb im Umfang des angefochtenen Teils keinen Bestand haben und war auf die Beschwerde der A. abzuändern.
III.
Das Verfahren ist gebührenfrei, Kosten werden nicht erstattet, § 81 Abs. 8 GNotKG. Der Beschwerdewert bestimmt sich nach dem angefochtenen Gebührenteil.
IV.
Eine weitere Beschwerde gegen diese Entscheidung ist nicht zulässig, § 81 Abs. 4 Satz 1 GNotKG.


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