Kosten- und Gebührenrecht

Streitwertfestsetzung von Statusfeststellungsverfahren

Aktenzeichen  L 16 R 5045/17 B

Datum:
29.5.2017
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 114690
Gerichtsart:
LSG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
GKG § 52 Abs. 1, § 61, § 66 Abs. 6, § 68 Abs. 1 S. 1
SGB IV § 7a
SGG § 197a Abs. 1

 

Leitsatz

1. In Statusfeststellungsverfahren ist es wegen der auf Gesetz beruhenden Verzahnung von Statusklärung und Beitrags- und Zahlungspflicht gerechtfertigt, bei der Streitwertbestimmung nach § 52 Abs. 1 GKG an die dem Statusfeststellungsverfahren nachgelagerte Pflicht zur Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen anzuknüpfen (Bestätigung der Rechtsprechung des Senats).
2. Angaben zum Streitwert haben frühzeitig bei oder nach Beginn eines Verfahren zu erfolgen (§ 61 GKG).
3. Der Auffangstreitwert ist nur dann festzusetzen, wenn hinreichende Anhaltspunkte für eine anderweitige Wertbestimmung fehlen.  (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

S 8 R 422/16 2017-02-21 Urt SGWUERZBURG SG Würzburg

Tenor

I.
Auf die Beschwerde der Beklagten wird Ziffer III. des Urteils des Sozialgerichts Würzburg vom 21. Februar 2017 aufgehoben.
II.
Der Streitwert für das sozialgerichtliche Verfahren wird auf 5000 € festgesetzt.

Gründe

I.
Gegenstand des Klageverfahrens vor dem Sozialgericht Würzburg war die Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status des Beigeladenen in seiner Tätigkeit für die Klägerin und Beschwerdegegnerin gemäß § 7a Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV). Die Beklagte und Beschwerdeführerin wendet sich mit der Beschwerde gegen die Höhe des vom Sozialgericht festgesetzten Streitwerts.
Mit der gegen den Bescheid der Beklagten vom 29.01.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.04.2016 zum Sozialgericht Würzburg erhobenen Klage begehrte die Klägerin die Feststellung, dass die vom Beigeladenen für die Klägerin verrichtete Tätigkeit als geschäftsführender Gesellschafter bei der Klägerin seit 01.08.2015 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt wird und Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung besteht (S 8 R 422/16). Angaben zum Streitwert wurden nicht gemacht. Der Gerichtskostenvorschuss wurde auf der Grundlage eines vorläufigen Streitwerts von 5000 € erhoben. Das Sozialgericht gab der Klage mit Urteil vom 21.02.2017 statt und setzte mit Ziffer III des Urteils den Streitwert auf 16.000 € fest, wozu die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung gehört worden waren. Zur Begründung der Streitwertentscheidung nahm das Gericht auf § 197a Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG) Bezug und erläuterte dazu, dass die ungefähre Beitragsschuld eines Jahres zugrunde gelegt worden sei. Das Urteil wurde der Beklagten am 03.03.2017 zugestellt.
Gegen die Streitwertfeststellung im Urteil vom 21.02.2017 hat die Beklagte am 27.03.2017 Berufung (L 16 R 5044/17) und zugleich Beschwerde eingelegt und beantragt, die Streitwertfestsetzung abzuändern und einen Streitwert gemäß § 52 Abs. 2 GKG in Höhe von 5.000 € festzusetzen. Zur Begründung ist ausgeführt worden, dass bei einer Streitwertentscheidung im Urteil davon auszugehen sei, dass eine Streitwertbeschwerde zulässig sei, da die Entscheidung den Charakter eines Beschlusses habe. Sie schließe sich der Auffassung des 7. Senats des Bayer. Landessozialgerichts (Beschluss vom 13.07.2016, L 7 R 5086/16 B) an, die im Ergebnis auch im Beschluss des 14. Senats vom 04.08.2015 (L 14 R 210/15 B) zum Ausdruck komme. Hiervon abweichend habe der 16. Senat mit Beschluss vom 11.10.2016 (L 16 R 5036/16 B) den Streitwert nach den mutmaßlich bzw. später zu zahlenden Sozialversicherungsbeiträgen bemessen. Soweit er hierin keine Abweichung zur Auffassung des Bundessozialgerichts (BSG) gesehen habe, werde auf die beigefügten Verfügungen des 12. Senats des BSG vom 14.02.2017 verwiesen, wonach in Verfahren des sozialversicherungsrechtlichen Status entgegen der Entscheidungen der vorbefassten Landessozialgerichte zur Festsetzung des Regelstreitwerts von 5000 € gemäß § 52 Abs. 2 GKG angehört worden sei. Es sei davon auszugehen, dass die von der Rentenversicherung vertretene Auffassung nicht nur der mehrheitlich durch die Landessozialgerichte vertretenen Auffassung entspreche, sondern auch der vom BSG vertretenen Auffassung.
Das Sozialgericht Würzburg hat der dort eingegangenen Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Bayerischen Landessozialgericht vorgelegt.
Die Klägerin hat beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen. Die Beschwerde sei sowohl unzulässig als auch unbegründet. Statthaftes Rechtsmittel gegen den im Urteil festgesetzten Streitwert sei ausschließlich die Berufung. Die Beschwerde sei auch unbegründet, da das Sozialgericht Würzburg den Streitwert nach Anhörung der Beteiligten korrekt festgesetzt habe. Eine Bemessung des Streitwerts nach § 52 Abs. 2 GKG sei hier nicht möglich. Die Beklagte übersehe, dass sich die Klägerin nicht gegen die Feststellung einer Sozialversicherungspflicht gewendet habe, sondern umgekehrt die Feststellung eines sozialversicherungsrechtlichen Beschäftigungsverhältnisses begehrt habe, für das bereits seit Aufnahme der Tätigkeit des Geschäftsführers Sozialversicherungsbeiträge abgeführt worden seien.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Beschwerdeakte, die Berufungsakte (L 16 R 5044/17) und die Akte des Sozialgerichts Würzburg Bezug genommen.
II.
Über die Beschwerde entscheidet der Senat in der Besetzung mit drei Berufsrichtern. Für die Entscheidung über eine Streitwertbeschwerde ist zwar gemäß § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 6 Satz 1 GKG der Einzelrichter zuständig, wenn die angefochtene Entscheidung von einem Einzelrichter (Kammervorsitzender am Sozialgericht) erlassen wurde (h.M., vgl. Keller in C.-Ladewig/ Keller/ Leitherer/ Schmidt, Sozialgerichtsgesetz 12. Auflage 2017, § 155 Rn. 9d m.w.N.; Bayer. Landessozialgericht, Beschluss vom 07.07.2015, L 7 R 3/15 R, Juris Rn. 18). Die Übertragung des Verfahrens auf den Senat gemäß § 66 Abs. 6 Satz 2 GKG war allerdings wegen des von der Beklagten zitierten und von der Rechtsprechung des Senats abweichenden Beschlusses vom 11.10.2016 (L 16 R 5036/16 B) angezeigt.
Die Beschwerde ist zulässig. Gemäß § 197a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 68 Abs. 1 Satz 1 GKG findet gegen den Beschluss, durch den der Wert für die Gerichtsgebühren festgesetzt worden ist, die Beschwerde statt, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 € übersteigt, was der Fall ist. Die Beschwerde ist auch dann statthaft, wenn wie hier der Streitwertbeschluss in der Form eines Urteils (Ziffer III des Urteils vom 21.02.2017) erfolgte (vgl. Schmidt in C.-Ladewig/ Keller/ Leitherer/ Schmidt, Sozialgerichtsgesetz 12. Auflage 2017, § 197a Rn. 5). Die Frist gemäß § 68 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 63 Abs. 3 Satz 2 GKG ist gewahrt.
Die Beschwerde ist begründet. Der Streitwert ist gemäß § 52 Abs. 2 GKG in Höhe von 5000 € festzusetzen (Auffangstreitwert). Das Sozialgericht hat den Streitwert zu Unrecht auf 16000 € festgesetzt, weil der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts nach der Bedeutung der Sache keine genügenden Anhaltspunkte bietet, nachdem die Klägerin im Verlauf des sozialgerichtlichen Verfahrens dazu keine Angaben gemacht hat. Nach erneuter Überprüfung hält der Senat an seiner Rechtsprechung vom März 2015 fest, wonach Angaben zum Streitwert frühzeitig bei oder nach Beginn eines Verfahrens zu erfolgen haben (vgl. Beschluss vom 11.03.2015, L 16 R 1229/13 B, Juris; zuletzt Beschluss vom 17.05.2017, L 16 R 5025/16 B).
Die Streitwertfestsetzung erfolgt auf der Grundlage des § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 52 GKG. Wenn der Klageantrag eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt nicht betrifft (§ 52 Abs. 3 GKG), ist der Streitwert gemäß § 52 Abs. 1 GKG nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist gemäß § 52 Abs. 2 GKG ein Streitwert von 5000 € anzunehmen (Auffangwert).
Bei der Streitwertbestimmung ist von dem im Verfahren gestellten Antrag auszugehen. In einem Statusfeststellungsverfahren wird regelmäßig die Aufhebung bzw. Änderung der von der Beklagten gemäß § 7a SGB IV getroffenen Entscheidung über die Frage des Vorliegens einer Beschäftigung und des Bestehens einer Versicherungspflicht in einzelnen Zweigen der gesetzlichen Sozialversicherung begehrt. Dabei handelt es sich nicht um eine bezifferte Geldleistung, so dass die Anwendung des § 52 Abs. 1 GKG in Betracht kommt.
Bei Beurteilung gemäß § 52 Abs. 1 GKG, welche Bedeutung die Sache für den Kläger hat, ist bei Statusfeststellungsverfahren die Besonderheit zu berücksichtigen, dass mit der Feststellung des Vorliegens einer Beschäftigung und des Bestehens von Versicherungspflicht in einzelnen Zweigen der Sozialversicherung zwangsläufig die Pflicht des Arbeitgebers zur Zahlung des Gesamtsozialversicherungsbeitrags gemäß § 28e Abs. 1 Satz 1 SGB IV einhergeht, wobei aber die Feststellung der Höhe der Beitrags- und Zahlungspflicht dem Statusverfahren zeitlich nachgelagert ist. Gemäß § 7a Abs. 6 Satz 2 SGB IV wird der Gesamtsozialversicherungsbeitrag erst zu dem Zeitpunkt fällig, zu dem die Entscheidung, dass eine Beschäftigung vorliegt, unanfechtbar geworden ist. Wegen dieser auf Gesetz beruhenden engen Verknüpfung von Statusklärung und Beitrags- und Zahlungspflicht hält es der Senat grundsätzlich für gesetzeskonform, bei der Streitwertfestsetzung an die dem Statusfeststellungsverfahren folgende Pflicht zur Zahlung der Beiträge anzuknüpfen. Das bedeutet, dass gegebenenfalls die Sozialversicherungsbeiträge zugrunde zu legen sind, die den Arbeitgeber im Fall der Feststellung von Beschäftigung und Versicherungspflicht konkret treffen würden, wobei je nach Fallgestaltung der Gedanke des § 42 GKG (dreifacher Jahresbetrag bei wiederkehrenden Leistungen) zu beachten sein kann. Dabei ist ohne Relevanz, ob sich die Klage gegen die Feststellung der Sozialversicherungspflicht richtet oder ob Klageziel gerade die Feststellung von Sozialversicherungspflicht ist. Anders als die Klägerin meint, rechtfertigt die Zielrichtung des jeweiligen Klagebegehrens in einem Verfahren zur Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status nach Auffassung des Senats nicht eine unterschiedliche Streitwertbestimmung.
Dem Senat ist eine gefestigte Rechtsprechung des BSG, wonach in Verfahren gemäß § 7a SGB IV stets der Auffangwert von 5.000 € (§ 52 Abs. 2 GKG) anzusetzen wäre, nicht bekannt. Das BSG setzt den Streitwert auch in Statusfeststellungsverfahren gegebenenfalls auf der Grundlage des § 52 Abs. 1 GKG fest (vgl. Urteil vom 28.09.2011, B 12 R 17/09 R: Festsetzung von 6.500 €) und geht vom Auffangwert nur dann aus, wenn genügende Anhaltspunkte für die Wertbestimmung gemäß § 52 Abs. 1 GKG fehlen (vgl. Urteil vom 04.06.2009, B 12 R 6/08 R; Beschluss vom 05.03.2010, B 12 R 8/09 R). Die von der Beklagten vorgelegten Unterlagen (Anhörungsschreiben vom Februar 2017) sind kein ausreichender Beleg für eine Änderung der Rechtsprechung des BSG.
Nach dem Sach- und Streitstand bei Verfahrensbeendigung bestanden nicht genügende Anhaltspunkte für die Streitwertfestsetzung gemäß § 52 Abs. 1 GKG.
Die Festsetzung des Streitwerts auf der Grundlage des § 52 Abs. 1 GKG ist in Statusfeststellungsverfahren nur möglich, wenn genügende Anhaltspunkte bestehen, welche konkrete Beitrags- und Zahlungspflicht dem Arbeitgeber droht. Entsprechende Anhaltspunkte können vorliegen, wenn die klagende Partei gemäß § 61 GKG bei Klageerhebung Angaben zum Streitwert gemacht und diese nachvollziehbar erläutert hat. Nach § 61 GKG ist bei jedem Antrag der Streitwert, sofern dieser nicht in einer bestimmten Geldsumme besteht, kein fester Wert bestimmt ist oder sich nicht aus früheren Anträgen ergibt, und nach Aufforderung auch der Wert eines Teils des Streitgegenstand schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle anzugeben (Satz 1), wobei die Angabe jederzeit berichtigt werden kann (Satz 2). Die Notwendigkeit der Streitwertangabe „bei jedem Antrag“ dient dem Zweck, etwaige Unklarheiten über den Streitwert frühzeitig zu beseitigen. Liegen entsprechende Angaben bei Klageerhebung vor, kann auch der Gerichtskostenvorschuss in zutreffender Höhe berechnet werden. Nach Beendigung eines Verfahrens bzw. im Streitwertbeschwerdeverfahren können diese Angaben nicht nachgeholt werden. Ermittlungen zur Aufklärung der für eine Streitwertfestsetzung nach § 52 Abs. 1 GKG erforderlichen Kriterien kommen nach Beendigung eines Verfahrens nicht in Betracht (vgl. Beschluss des Senats vom 11.03.2015, L 16 R 1229/13 B, Juris Rn. 19).
Entgegen § 61 GKG hat die Klägerin keine zur Streitwertbestimmung geeigneten Angaben gemacht. Weder bei Klageerhebung noch im weiteren Verlauf des Klageverfahrens hat sie sich zum Streitwert geäußert. Sie hat weder einen bestimmten Betrag mit entsprechender Erläuterung genannt noch Ausführungen zur Dauer der streitgegenständlichen Tätigkeit und zur Höhe des vom Beigeladenen erzielten Verdienstes gemacht. Sie hat auch keine Einwände gegen die Festsetzung eines vorläufigen Streitwerts von 5000 € erhoben. Damit fehlen genügende Anhaltspunkte für die Streitwertbestimmung gemäß § 52 Abs. 1 GKG, so dass der Streitwert nur nach § 52 Abs. 2 GKG in Höhe von 5000 € festgesetzt werden kann.
Dieses Verfahren ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet (§ 68 Abs. 3 GKG).
Der Beschluss ist nicht anfechtbar. Die Beschwerde zum Bundessozialgericht findet nicht statt (§ 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).


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