Medizinrecht

Ärztliches Berufsrecht, Beschwerde gegen die Ablehnung einer einstweiligen Anordnung ohne Erfolg, Anordnung des Ruhens der Approbation, Vorläufige Erlaubnis zur Ausübung des ärztlichen Berufs, gesundheitliche Eignung

Aktenzeichen  21 CE 21.2184

Datum:
25.2.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 5030
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BÄO § 6 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2, 8
VwGO § 123 Abs. 1 S. 2, Abs. 3, 146

 

Leitsatz

Verfahrensgang

RN 5 E 21.788 2021-08-02 Bes VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
III. In Abänderung der Nr. III des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 2. August 2021 wird der Streitwert für beide Rechtszüge auf jeweils 10.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller möchte im Verfahren des vorläufigen Rechtschutzes erreichen, dass ihm bis zur Entscheidung seiner auf Aufhebung des Ruhens der Approbation gerichteten Klage eine Erlaubnis zur Ausübung des ärztlichen Berufs erteilt wird.
1. Der am … 1966 geborene Antragsteller erhielt am 1. Mai 1996 die Approbation als Arzt. Nach zahlreichen stationären psychiatrischen Behandlungen des Antragstellers ordnete die Regierung der Oberpfalz auf der Grundlage eines von dem Facharzt für Psychotherapie Dr. med. F. erstellten nervenärztlichen Gutachtens vom 6. August 2012 mit bestandskräftigem Bescheid vom 27. August 2012 das Ruhen der Approbation an. Nach dem Gutachten zeigte sich beim Antragsteller das psychopathologische Bild einer akuten Psychose, bei der ein denk- und wahrnehmungsgestörtes Syndrom das Bild dominiert. Die vorliegende Dysfunktionalität sei eindeutig eine Folge des Krankheitsgeschehens, das schon seit 1997 bekannt sei. Es handele sich um eine psychotische Erkrankung, die aktuell über die schizoaffektive Psychose hinausgehe. Der Antragsteller sei deshalb derzeit nicht in der Lage, den ärztlichen Beruf sorgfältig und objektiv auszuüben. Es sei andererseits nicht ausgeschlossen, dass er bei adäquater medikamentöser Behandlung den ärztlichen Beruf wieder ausüben könne.
Im August 2014 beantragte der Antragsteller die Aufhebung der Ruhensanordnung vom 27. August 2012. Der Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. R1. erstellte unter dem 11. August 2016 ein nervenärztliches Gutachten, in dem er auf der Grundlage einer diagnostizierten schizotypen Störung (ICD-10 F.21) zu dem Ergebnis kommt: Aufgrund des bisherigen Verlaufs könne nicht befürwortet werden, dass dem Antragsteller die ärztliche Approbation wieder erteilt werde.
2. Der Antragsteller beantragte am 11. August 2017 die „Wiedererteilung der Approbation und ließ am 17. Mai 2018 Untätigkeitsklage zum Verwaltungsgericht München erheben, welches das Klageverfahren mit Beschluss vom 26. Oktober 2018 an das örtlich zuständige Verwaltungsgericht Regensburg verwies (dortiges Aktenzeichen: RN 5 K 18.1900).
Die Regierung von Oberbayern legte dem Verwaltungsgericht ein fachpsychiatrisches Gutachten des Privatdozenten Dr. med. U. vom 6. Mai 2019 vor, der zu der Beurteilung gelangt ist, dass bei dem Antragsteller eine chronische Psychose bestehe, welche die diagnostischen Kriterien einer schizoaffektiven Störung erfülle, und die gesundheitliche Eignung zur Ausübung des Berufes als Arzt auf unbestimmte Zeit, bei chronifiziertem Verlauf und Zustandsbild höchstwahrscheinlich auf Dauer, nicht bestehe.
Der Antragsteller ließ einen unter dem 19. November 2019 erstellten Arztbrief des Direktors der Klinik und Poliklinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Klinikum …, Prof. Dr. med. H. vorlegen und ausführen: Der Arztbrief enthalte keine der Diagnosen, die seitens der Regierung von Oberbayern zur Begründung der Ruhensanordnung angeführt worden seien. Die Stellungnahme des Dr. med. U. vom 11. November 2019 sei damit nicht mehr haltbar. Es werde beantragt, ein Obergutachten bei Prof. Dr. med. P. einzuholen.
Das Klageverfahren endete damit, dass die Beteiligten folgenden mit Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 22. Oktober 2020 unterbreiteten Vergleichsvorschlag innerhalb (verlängerter) Frist annahmen:
„1. Der Kläger stellt unverzüglich einen neuen Antrag auf Aufhebung des Ruhens der Approbation.
2. Der Beklagte holt innerhalb von drei Wochen nach Antragstellung (nach den üblichen Standards in solchen Verfahren) ein Gutachten bei Herrn Prof. Dr. P. M.A., …, ein zur Frage der Eignung des Klägers zur Ausübung des ärztlichen Berufs.
3. Der Beklagte übermittelt dem Gutachter sämtliche vorliegende ärztliche Stellungnahmen, insbesondere auch die Gutachten von Dr. R1. vom 11.8.2016 und das Gutachten von Dr. U. vom 6.5.2019 einschließlich der jeweiligen ergänzenden Stellungnahmen dieser Gutachter. Herr Prof. Ph. wird im Rahmen des Gutachtensauftrags ferner gebeten, ausdrücklich auch die zuletzt vorgelegten Arztberichte der TU M. vom 19.11.2019 und vom 9.6.2020 in die gutachterliche Bewertung miteinzubeziehen und insbesondere zu der vom Klägervertreter eingewendeten Diskrepanz zwischen den in diesen Arztberichten gestellten Diagnosen gegenüber den gutachterlich festgestellten Diagnosen Stellung zu nehmen, auch dazu, ob diese unterschiedliche Bewertung im Ergebnis, konkret zur Frage der Eignung zur Ausübung des ärztlichen Berufes, Auswirkungen hat.
4. …
5. …
6. Nach Vorlage des Gutachtens entscheidet der Beklagte innerhalb von zwei Monaten auf Grundlage dieses Gutachtens nochmals über den neu zu stellenden Antrag des Klägers auf Aufhebung des Ruhens der Approbation mittels rechtsmittelfähigem Bescheid, den der Kläger ggf. einer neuen gerichtlichen Überprüfung unterziehen kann.
…“
3. Nach erneut beantragter Aufhebung der Ruhensanordnung beauftragte die Regierung von Oberbayern den Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie Prof. Dr. med. P. mit Schreiben vom 22. Dezember 2020, den Antragsteller darauf zu untersuchen, ob er zur Ausübung des Arztberufs in gesundheitlicher Hinsicht geeignet ist. Prof. Dr. med. M2. P. diagnostizierte in seinem Gutachten vom 27. Januar 2021 beim Kläger eine schizoaffektive Störung (ICD-10 F25), eine sonstige Traumafolgestörung (ICD-10 F43.5), eine anankastische Persönlichkeitsstörung (ICD-10 F60.5) sowie eine hypochondrische Störung (ICD-10 F45.2). Zusammenfassend kommt er zu der Beurteilung: „Die psychiatrischen Voraussetzungen für einen Entzug der Approbation sind nicht mehr gegeben. Der Proband ist weder unzuverlässig noch unwürdig im Sinne der Approbationsordnung.“
Nach entsprechendem Hinweis der Regierung von Oberbayern ergänzte Prof. Dr. med. P. sein Gutachten unter dem 20. Februar 2021 wie folgt: Nach Befunderhebung, Anamnese und aktenbasierter Verlaufsrekonstruktion ergäben sich keine Argumente, die gesundheitliche Eignung des Antragstellers, seinen Beruf als Arzt auszuüben, immer noch in Frage zu stellen. Die letzte psychotische Episode des Jahres 2012 liege nunmehr neun Jahre zurück. Seither seien keine neuen floriden psychotischen Erlebens- und Verhaltensweisen aufgetreten. Die gelegentlich noch ablaufenden rein depressiven Episoden beeinträchtigten nicht die Fähigkeit, als Arzt zu arbeiten.
Mit E-Mail vom 25. Februar 2021 bat die Regierung von Oberbayern den Facharzt für Psychiatrie Dr. med. R2. darum, die Schlüssigkeit des von Prof. Dr. med. P. erstellten Gutachtens zu prüfen und übermittelte einen „Link zu den einschlägigen Gutachten“.
Dr. R2. kam insbesondere auf der Grundlage der Gutachten des Dr. R1. vom 11. August 2016, des Dr. U. vom 6. Mai 2019 mit ergänzender Stellungnahme vom 11. November 2019 und der Arztbriefe des Prof. Dr. med. H. (Klinikum …) vom 19.11.2019 und 9. Juni 2020 zu dem Ergebnis, das Gutachten des Prof. Dr. med. P. vom 27. Januar 2021 sei nicht schlüssig.
Die Regierung von Oberbayern lehnte es mit Bescheid vom 30. März 2021 ab, die Anordnung des Ruhens der Approbation des Antragstellers aufzuheben.
4. Der Antragsteller ließ am 22. April 2021 Klage zum Verwaltungsgericht Regensburg erheben (RN 5 K 21.783) und den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragen, die auf die Verpflichtung des Antragsgegners gerichtet ist, dem Antragsteller längstens bis zur Entscheidung über die Klage eine Erlaubnis nach § 8 Bundesärzteordnung (BÄO) zur Ausübung des ärztlichen Berufs zu erteilen.
Das Verwaltungsgericht Regensburg hat den Eilantrag mit Beschluss vom 2. August 2021 abgelehnt und das im Wesentlichen wie folgt begründet:
Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO sei eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn das zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder aus anderen Gründen nötig erscheine. Das setze neben der Eilbedürftigkeit der beantragten Anordnung (Anordnungsgrund) einen Anspruch auf die begehrte Anordnung voraus (Anordnungsanspruch). Der Eilantrag des Antragstellers sei auf eine Vorwegnahme der Hauptsacheentscheidung gerichtet. Eine Anordnung komme damit nur in Betracht, wenn ein Obsiegen in der Hauptsache mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten sei und für den Antragsteller schwere und unzumutbare, nachträglich nicht mehr zu beseitigende Nachteile zur Folge hätte. Unter Anwendung dieses Maßstabs hat das Verwaltungsgericht angenommen, eine hohe Wahrscheinlichkeit des Obsiegens in der Hauptsache bestehe nicht. Die Erfolgsaussichten in der Hauptsache seien allenfalls offen. Eine Bindungswirkung des Vergleichs dahingehend, dass das Gutachten von Prof. Dr. P. ohne weitere Prüfung zugrunde zu legen sei, gebe es nicht. Ungeachtet der Erkenntnisse des Dr. R2. sei das Gericht im Eilverfahren gehalten, sich damit auseinanderzusetzen, dass gegenteilige Erkenntnisse in anderen Gutachten vorlägen. Die Gutachten des Dr. R1. und des Dr. U. lieferten keinen Anhalt dafür, dass der Antragsteller in absehbarer Zeit seine gesundheitliche Eignung für den Arztberuf wieder voll erlangt hätte. Ob und inwieweit diese Gutachten (noch) verwertbar seien, werde im Hauptsacheverfahren zu klären sein. Der Antragsteller habe auch nicht glaubhaft gemacht, dass ihm schwere unzumutbare Nachteile drohten, wenn die begehrte Eilentscheidung nicht erginge. Eine Existenzgefährdung habe der Antragsteller schon nicht behauptet.
Dagegen richtet sich die Beschwerde.
II.
1. Die zulässige Beschwerde (§ 146 Abs. 1 und 4, § 147 VwGO) gegen die Ablehnung des Eilantrags hat keinen Erfolg. Die zur Begründung der Beschwerde fristgerecht dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat im Grundsatz beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigen es nicht, die Entscheidung des Verwaltungsgerichts zugunsten des Antragstellers abzuändern.
1.1 Die Beschwerde zeigt nicht auf, dass der Antragsteller entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts überwiegend wahrscheinlich die für die Ausübung des ärztlichen Berufs erforderliche gesundheitliche Eignung wiedererlangt hat und so die im Verfahren der Hauptsache begehrte Aufhebung des Ruhens der Approbation beanspruchen kann (vgl. zum Anordnungsanspruch Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 123 Rn. 46).
1.1.1 Die Bevollmächtigten des Antragstellers halten der angegriffenen Eilentscheidung ohne Erfolg entgegen, das Verwaltungsgericht habe nicht geprüft, „ob eine weitere Tätigkeit des Klägers eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für den Einzelnen nach sich zöge“.
Zutreffend ist zwar, dass ein Arzt die für die Ausübung seines Berufs erforderliche gesundheitliche Eignung (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BÄO) nur dann nicht besitzt, wenn bei ihm infolge einer Gesundheitsstörung die besonderen Anforderungen, die zum Schutz der Gesundheit der Bevölkerung und des einzelnen Patienten an einen Arzt zu stellen sind, in einem solchen Ausmaß beeinträchtigt sind, dass durch dessen weitere Tätigkeit eine Gefahr auftreten würde (vgl. Narr, Ärztliches Berufsrecht, Stand Februar 2018, B II Rn. 19 zum Begriff der gesundheitlichen Eignung). Allerdings brauchte sich das Verwaltungsgericht damit nicht eigens auseinanderzusetzen. Denn es oblag dem Antragsteller nach § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO, den Anordnungsanspruch und damit die Tatsache glaubhaft zu machen, dass er nicht (mehr) an einer patientengefährdenden gesundheitlichen Beeinträchtigung leidet. Das ist ihm nicht gelungen.
Das Gutachten des Prof. Dr. med. P., auf das sich der Antragsteller insoweit bezieht, ist nicht geeignet, im zugrunde liegenden Verfahren die Feststellung zu stützen, der Antragsteller habe die gesundheitliche Eignung zur Ausübung des ärztlichen Berufs wiedererlangt. Das Verwaltungsgericht hat dazu nachvollziehbar und mit der Beschwerde nicht substantiiert angegriffen ausgeführt: Der bereits aus der bloßen Lektüre des Gutachtens (Prof. Dr. P.) offensichtliche Umstand, dass sich der Gutachter und der Antragsteller jedenfalls nicht unbekannt gewesen seien, werde im Vorfeld der Heranziehung der Erkenntnisse des Gutachtens zu würdigen sein. Es werde daher unter Umständen im Hauptsacheverfahren weiter aufzuklären sein, in welcher Art bzw. Intensität Kontakte vorgelegen hätten und ob gerade vor dem Hintergrund, dass das Gutachten des Prof. Dr. P. aus Sicht des Antragstellers zwei bereits vorliegende Gutachten widerlegen solle, davon ausgegangen werden könne, dass der Gutachter Prof. Dr. P. die gebotene strikte Neutralität habe wahren können (BA S. 16).
1.1.2 Mit der Beschwerde wird des Weiteren eingewendet, das Verwaltungsgericht habe in gravierender Weise gegen den gerichtlichen Vergleich vom 16. November/25. November 2020 verstoßen. Das im Vollzug des Vergleichs eingeholte Gutachten des Prof. Dr. P. komme zu dem Ergebnis, dass der Antragsteller gesundheitlich zur Ausübung des ärztlichen Berufs geeignet sei. Aufgrund des Vergleichs sei es unzulässig, auf die fehlerhaften und unqualifizierten Gutachten des Dr. R1. und des Dr. U. abzuheben.
Das greift nicht durch. Der Vergleich, das Verwaltungsgericht hat in der angegriffenen Entscheidung darauf verwiesen, bindet nicht dahingehend, dass der Antragsgegner bei der Entscheidung über die beantragte Aufhebung der Ruhensanordnung das von Prof. Dr. P. erstellte Gutachten unbesehen und damit ohne Prüfung der Plausibilität zugrunde zu legen hat. Dem steht bereits entgegen, dass es sich bei der inmitten stehenden Ruhensanordnung um eine ordnungsrechtliche Maßnahme handelt, die dem Patientenschutz dient, der nicht zur Disposition der zuständigen Behörde steht. Hinzu kommt, dass die zuständige Behörde nach Art. 24 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG den entscheidungserheblichen Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln hat. Insoweit hat sie im Rahmen der Beweiswürdigung, also der Frage, ob ein bestimmter Sachverhalt erwiesen ist (hier: gesundheitliche Eignung des Antragstellers), die Pflicht, sich ein eigenes Urteil zu bilden. Das verbietet es der Behörde, ein Sachverständigengutachten ungeprüft zu übernehmen (vgl. Engel/Pfau in Mann/Sennekamp/Uechtritz, VwVfG, 2. Aufl. 2019, § 24 Rn. 25 m.w.N.). Dem entspricht der Vergleich vom 16. November/25. November 2020. Denn danach entscheidet der Antragsgegner nach Vorlage des Gutachtens innerhalb von zwei Monaten auf der Grundlage dieses Gutachtens über den Antrag, die Ruhensanordnung aufzuheben, mittels Bescheid, den der Kläger gegebenenfalls einer gerichtlichen Überprüfung unterziehen kann. Dem Antragsgegner ist mithin nach Vorlage des Gutachtens eine Entscheidungs- und damit auch Prüfungsfrist von zwei Monaten eingeräumt. Folgerichtig sollte die Entscheidung auch nicht entsprechend dem Ergebnis des Gutachtens ausfallen, sondern auf der Grundlage des Gutachtens getroffen werden.
Der Vergleich hinderte auch nicht daran, das nervenärztliche Gutachten des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. R1. vom 11. August 2016 sowie das fachpsychiatrische Gutachten des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. med. U. vom 6. Mai 2019 wie in der angegriffenen Entscheidung geschehen zu berücksichtigen. Beide Gutachten kommen, wenn auch auf der Grundlage unterschiedlicher Diagnosen (Dr. R1.: schizotype Störung – ICD-10 F.21; Dr. U.: schizoaffektive Störung – ICD-10 F25.2), zu dem Ergebnis, dass bei dem Antragsteller die gesundheitliche Eignung zur Ausübung des ärztlichen Berufs nicht bestehe. Das Verwaltungsgericht hat nicht angenommen, dass diese Gutachten nach wie vor die fehlende gesundheitliche Eignung des Antragstellers belegen. Vielmehr ist es davon ausgegangen, dass die Erfolgsaussichten der Klage und damit der geltend gemachte Anordnungsanspruch offen seien, weil die Frage, ob und inwieweit die Gutachten des Dr. R1. und des Dr. U. (noch) verwertbar seien, und damit letztlich die Frage nach der gesundheitlichen Eignung des Antragstellers zur Ausübung des ärztlichen Berufs im Hauptsacheverfahren zu klären sei. Das wird mangels eigener Sachkunde des Verwaltungsgerichts die Einholung einer weiteren sachverständigen Äußerung erforderlich machen.
1.1.3 Entgegen dem Beschwerdevorbringen ist nicht ersichtlich, dass der unter dem 9. Juni 2020 erstellte Arztbrief des Direktors der Klinik und Poliklinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Klinikum …, Prof. Dr. med. H. allein deshalb eine andere Entscheidung rechtfertigt, weil ihm eine von den Vorgutachten abweichende psychiatrische Diagnose zu entnehmen ist. Denn für die hier zu treffende Entscheidung steht nicht die konkrete Diagnose im Vordergrund, sondern die Frage, ob der Antragsteller im Hinblick auf seinen Gesundheitszustand den ärztlichen Beruf ohne Gefährdung der Allgemeinheit oder der Patienten ausüben kann. Dazu äußerst sich aber der Arztbrief des Prof. Dr. med. H. vom 9. Juni 2020 nicht und ist im Übrigen eher geeignet, Zweifel an der für den Arztberuf erforderlichen gesundheitlichen Eignung des Antragstellers zu begründen. Denn unter „Beurteilung und Therapieverlauf“ ist ihm Folgendes zu entnehmen: Differentialdiagnostisch seien eine wahnhafte Störung (ICD-10 F22.0), eine wahnhafte Depression (ICD-10 F33.3) und eine paranoide/querulatorische Persönlichkeit (ICD-10 F61) diskutiert worden. Für diese Diagnosen seien jedoch die Kriterien nicht als vollständig erfüllt angesehen worden. Die formalgedankliche Einengung, die Sprunghaftigkeit sowie wahnhaft anmutende Aspekte im Erleben des Patienten seien als zwanghafter Stabilisierungs- und Bewältigungsversuch bei erlebten, überwältigenden biographischen Ereignissen verstanden worden.
1.1.4 Die in der Beschwerdeschrift (S. 77 bis 163) vollständig wörtlich wiedergegebene umfangreiche „Gegendarstellung“ des Antragstellers „zu dem Gutachten von Herrn Dr. U. vom 06.05.2019 UND Gegendarstellung zu den psychopathologischen Befunden der Gutachten von Herrn Dr. F. (im Auftrag Regierung der Oberpfalz/2012) und von Herrn Prof. D./Herrn Dr. R1. (im Auftrag der Regierung von Oberbayern/2015 und 2016)“ veranlasst ebenfalls keine andere Beurteilung. Eine solche Bezugnahme auf das Vorbringen des nicht postulationsfähigen Antragstellers wird dem Vertretungszwang des § 67 Abs. 4 Satz 1 VwGO nicht gerecht und ist damit im Grundsatz unbeachtlich. Sie lässt die gebotene Prüfung, Sichtung und Durchdringung des Streitstoffes nicht erkennen, die auch die Sichtung und rechtliche Einordnung der Tatsachen umfasst, auf die die Beschwerde gestützt werden soll (vgl. BVerwG, U.v. 11.7.2019 – 9 A 13.18 – juris Rn. 133ff.; OVG Berlin-Bbg, B.v. 18.12.2012 – OVG 11 S 58.12 – juris Rn. 10).
1.1.5 Die Bevollmächtigten des Antragstellers rügen, das Verwaltungsgericht hätte das von Dr. R2. erstellte „Schlüssigkeitsgutachtung“ vom 15. März 2021 nicht zu Lasten des Antragstellers verwerten dürfen, weil er im Rahmen des grundrechtsgleichen Rechts auf informationelle Selbstbestimmung der Weitergabe seiner Daten nicht zugestimmt habe.
Das führt schon deshalb nicht weiter, weil die Eilentscheidung des Verwaltungsgerichts nicht auf der in der Stellungnahme vom 15. März 2021 näher begründeten Feststellung des Dr. med. R2. beruht, das von Prof. Dr. P. erstellte Gutachten sei nicht schlüssig. Das Verwaltungsgericht sah sich deshalb daran gehindert, dieses Gutachten als Entscheidungsgrundlage heranzuziehen, weil ihm der im Eilverfahren nicht auszuräumende Vorwurf anhaftet, der Gutachter habe aufgrund von bereits vor der Begutachtung vorhandenen Kontakten mit dem Antragsteller nicht die gebotene strikte Neutralität gewahrt.
Vor diesem Hintergrund sind auch die von den Bevollmächtigten des Antragstellers formulierten Einwendungen gegen eine Verwertung der fachlichen Stellungnahme des Dr. R2. vom 15. März 2021 durch das Verwaltungsgericht von vornherein nicht geeignet, der Beschwerde zum Erfolg zu verhelfen.
1.1.6 Selbst wenn davon auszugehen wäre, dass die mit dem Eilantrag begehrte unbeschränkte (vorläufige) Erlaubnis zur Ausübung des ärztlichen Berufs entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts die Hauptsache nicht vorwegnimmt, hätte die Beschwerde keinen Erfolg. Die dann bei offenen Verfahrensausgang erforderliche (reine) Interessenabwägung fiele zulasten des Antragstellers aus. Angesichts der Tatsache, dass das Gutachten des Prof. Dr. P. nach derzeitigem Sachstand wegen der ungeklärten Zweifel an der Neutralität des Gutachters nicht geeignet ist, die bisherigen psychiatrischen Gutachten zu widerlegen, und zudem auch der Arztbrief des Prof. Dr. med. H. vom 9. Juni 2021 Zweifel an der erforderlichen gesundheitlichen Eignung des Antragstellers begründet, überwiegt das hochrangige Rechtsgut der gesundheitlichen Unversehrtheit der möglichen Patienten des Antragstellers dessen Interesse, den ärztlichen Beruf (vorläufig) wieder ausüben zu können.
1.2 Die Beschwerde bleibt schließlich auch deshalb ohne Erfolg, weil sie sich nicht mit der die angegriffene Entscheidung selbständig tragenden Begründung auseinandersetzt, dass der Antragsteller einen Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht hat (BA S. 18 f.).
2. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO.
3. Die Festsetzung des Streitwertes für das Beschwerdeverfahren beruht auf §§ 47 Abs. 1 Satz 1, 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 1 GKG und einer Anlehnung an Nr. 16.3 und 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung vom 18. Juli 2013 (abgedr. in Eyermann, VwGO 15. Aufl. 2019, Anhang). Für eine Erlaubnis zur Ausübung des ärztlichen Berufs ist danach ein Streitwert von 20.000,00 Euro anzusetzen, der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes zu halbieren ist. Die Änderung der Festsetzung des Streitwertes für das erstinstanzliche Verfahren erfolgt gemäß § 63 Abs. 3 Satz 1 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen


Nach oben