Medizinrecht

Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung (teilweise erfolgreich), Amtsärztliche Untersuchung, weitere Begutachtungen auf anderen medizinischen Fachgebieten, Amtstierärztin, falsche Rechtsgrundlage der Anordnung, Gesundheitliche Einschränkungen, Untersuchungstermin wahrgenommen, teilweise Erledigung, Erstellung amtsärztliches Gutachten

Aktenzeichen  M 5 E 21.6625

Datum:
14.2.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 8457
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 123 Abs. 1
BeamtStG § 35 Abs. 1 S. 2
BayBG Art. 65 Abs. 2 S. 1

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Antragstellerin wird vorläufig bis zum rechtskräftigen Abschluss eines Hauptsacheverfahrens von der Verpflichtung zur Durchführung einer über die Durchführung einer allgemeinmedizinischen amtsärztlichen Untersuchung hinausgehenden Untersuchung gemäß der Weisung des Personal- und Organisationsreferats der Antragsgegnerin vom 22. Oktober 2021 freigestellt.
Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
II. Die Antragstellerin trägt 3/4 der Kosten des Verfahrens. Die Antragsgegnerin trägt 1/4 der Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf EUR 5.000,– festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin steht als Amtstierärztin (Besoldungsgruppe …) in Diensten der Antragsgegnerin. Sie wendet sich gegen die Anordnung einer amtsärztlichen Untersuchung sowie gegen die Erstellung eines amtsärztlichen Gutachtens.
Im August 2021 informierte die Antragsgegnerin die Amtstierärztinnen und Amtstierärzte darüber, dass diese aufgrund eines coronabedingten Personalengpasses ab September 2021 für Dienste am Schlachthof M. verpflichtend eingeteilt würden. Die Amtstierärztinnen und Amtstierärzte sollten für die zeitlich begrenzte Dauer des Engpasses den Personalmangel an amtlichen Fachassistenten kompensieren und deren Tätigkeit ausüben. Dies umfasse insbesondere Fleischhygienekontrollen im Bereich der Schweine- und Rinderschlachtung. Mit E-Mail vom 6. August 2021 informierte die Antragsgegnerin über den organisatorischen Ablauf und wies darauf hin, dass das Vorliegen von gesundheitlichen Einschränkungen gegebenenfalls durch einen Amtsarzt / eine Amtsärztin beurteilt werden müsse.
Die Antragstellerin legte zwei privatärztliche Atteste vom 15. Dezember 2020 und 9. August 2021 vor, aus welchen hervorgeht, dass aufgrund gesundheitlicher Gründe ein Einsatz am Schlachthof für die Antragstellerin nicht möglich sei.
Mit Schreiben vom 22. Oktober 2021 teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin mit, dass sie das Referat für Gesundheit und Umwelt beauftragt habe, die Antragstellerin zu einer amtsärztlichen Untersuchung einzuladen. Dieses Schreiben enthält den Betreff: „Klärung der Dienstfähigkeit nach Art. 65 ff. Bayerisches Beamtengesetz (BayBG)“. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die vorgelegten Atteste Zweifel an der Dienstfähigkeit der Antragstellerin begründeten und zur Klärung eine amtsärztliche Untersuchung notwendig sei. Da medizinische Hintergründe nicht näher bekannt seien, werde zunächst eine allgemeine amtsärztliche Untersuchung durchgeführt, bei der die Krankengeschichte erfragt werde, in der Regel eine körperliche Untersuchung stattfinde und ggfs. weitere technische Untersuchungen veranlasst würden. Soweit aus ärztlicher Sicht erforderlich, werde zusätzlich eine Begutachtung auf anderen medizinischen Fachgebieten durchgeführt. Weitere mögliche Untersuchungsschritte sowie die konkreten medizinischen Fragen, die amtsärztlich geklärt werden sollen, werden benannt.
Mit Schreiben der Antragsgegnerin vom 28. Oktober 2021 wurde die Antragstellerin zu einer amtsärztlichen Untersuchung für den 15. November 2021 geladen. Die Antragstellerin nahm den Untersuchungstermin wahr. Ein amtsärztliches Gutachten wurde noch nicht erstattet.
Mit Schreiben vom … Dezember 2021 beantragte die Antragstellerpartei gegenüber der Antragsgegnerin, von der beabsichtigten amtsärztlichen Untersuchung Abstand zu nehmen, das Gesundheitsreferat der Landeshauptstadt M. umgehend davon zu unterrichten und von der Erstattung eines Gutachtens zu entbinden.
Mit Schreiben vom 10. Dezember 2021 erließ die Antragsgegnerin einen Widerspruchsbescheid und wies den Widerspruch der Antragsgegnerin zurück.
Mit Schriftsatz vom … Dezember 2021, eingegangen bei Gericht am selben Tag, hat die Antragstellerin Klage gegen den Widerspruchsbescheid erhoben (M 5 K 21.6618) und den Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Inhalt beantragt,
Der Antragsgegnerin wird aufgegeben, die Antragstellerin vorläufig von der Verpflichtung zur Durchführung einer amtsärztlichen Untersuchung freizustellen und das Gesundheitsreferat der Landeshauptstadt München umgehend hiervon zu unterrichten und von der Erstattung eines amtsärztlichen Gutachtens zu entbinden.
Der Antrag sei zulässig, da es sich bei der Weisung zur Durchführung einer amtsärztlichen Untersuchung zur Frage möglicher Einsatzeinschränkungen aufgrund gesundheitlicher Umstände um eine gemischt dienstlichpersönliche Weisung handle. Das stelle keine nicht isoliert überprüfbare Verfahrenshandlung dar. Die Untersuchungsanordnung sei rechtswidrig, da diese auf eine fehlerhafte Rechtsgrundlage gestützt worden sei. Es sei treuwidrig und würde gegen die Fürsorgepflicht des Dienstherrn verstoßen, wenn die Antragsgegnerin nunmehr in Kenntnis der Rechtswidrigkeit der Untersuchungsanordnung auf die Erstattung eines amtsärztlichen Gutachtens durch die Amtsärztin beharre. Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes (BVerwG, U.v. 26.4.2012 – 2 C 17/10) würde lediglich die Verwertung eines Gutachtens, nicht hingegen die Erstellung eines Gutachtens zulassen. Es bestehe auch ein Anordnungsgrund, da die Erstellung des amtsärztlichen Gutachtens unmittelbar bevorstehe.
Die Antragsgegnerin hat beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Es fehle bereits an einem Anordnungsgrund, da die amtsärztliche Untersuchung bereits erfolgt sei und die Erstellung des amtsärztlichen Gutachtens aufgrund der Untersuchung vom 15. November 2021 vorerst gestoppt worden sei. Es fehle auch an einem Anordnungsanspruch. Der Widerspruch gegen die Untersuchungsanordnung sei verfristet und somit unzulässig erhoben worden. Zudem würde der Antragstellerin das Rechtsschutzbedürfnis fehlen, da die amtsärztliche Untersuchung bereits stattgefunden habe. Darüber hinaus sei das Ergebnis der amtsärztlichen Untersuchung auch dann zu verwerten und ein Gutachten zu erstellen, wenn sich die Untersuchungsanordnung selbst als rechtswidrig herausstellen würde.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird ergänzend auf die Gerichtsakte verwiesen.
II.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) hat teilweise Erfolg.
Das als ein Antrag formulierte Begehren der Antragstellerpartei ist nach § 88 VwGO anhand des erkennbaren Rechtsschutzziels dahingehend auszulegen, dass die Antragstellerin begehrt, sie vorläufig von der Verpflichtung zur Durchführung einer amtsärztlichen Untersuchung freizustellen. Dies umfasst zum einen die Verpflichtung zur Durchführung einer allgemeinen amtsärztlichen Untersuchung sowie zum anderen die Verpflichtung zur Durchführung einer möglichen weiteren Begutachtung auf anderen medizinischen Fachgebieten. Weiter begehrt die Antragstellerpartei, das Gesundheitsreferat der Landeshauptstadt München umgehend hiervon zu unterrichten. Daneben begehrt die Antragstellerpartei, die Amtsärztin von der Erstattung eines amtsärztlichen Gutachtens zu entbinden.
1. Der Antrag, die Antragstellerin vorläufig von der Verpflichtung zur Durchführung einer amtsärztlichen Untersuchung freizustellen ist nur teilweise erfolgreich.
a) Hinsichtlich des Begehrens der Antragstellerin, sie vorläufig von der Verpflichtung zur Durchführung einer amtsärztlichen Untersuchung freizustellen, ist der Antrag bereits unzulässig, da der Antragstellerin das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis fehlt. Die allgemeine amtsärztliche Untersuchung der Antragstellerin hat bereits am 15. November 2021 stattgefunden. Der Antrag hat sich insoweit faktisch erledigt.
b) Im Übrigen, hinsichtlich der als möglich angekündigten weiteren Begutachtungen auf anderen medizinischen Fachgebieten, ist der Antrag zulässig und begründet.
aa) Der Antrag ist statthaft, weil es sich bei der Anordnung gegenüber einer Beamtin, sich möglicherweise einer weiteren Begutachtung zu unterziehen, mangels unmittelbarer Rechtswirkung nach außen nicht um einen Verwaltungsakt im Sinne von Art. 35 Satz 1 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz (BayVwVfG), sondern um eine gemischt dienstlichpersönliche Weisung handelt. Die Gewährung vorläufigen Rechtschutzes richtet sich daher nach § 123 VwGO (vgl. OVG RhPf, B.v. 29.10.2020 – 2 B 11161/20 – DVBl 2021, 891, juris Rn. 6).
Der Zulässigkeit des Eilantrags steht vorliegend nicht § 44a VwGO entgegen. Nach dieser Vorschrift können Rechtsbehelfe gegen behördliche Verfahrenshandlungen nur gleichzeitig mit den gegen die Sachentscheidung zulässigen Rechtsbehelfen geltend gemacht werden (Satz 1); dies gilt nicht, wenn behördliche Verfahrenshandlungen vollstreckt werden können oder gegen einen Nichtbeteiligten ergehen (Satz 2).
Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (B.v. 14.3.2019 – 2 VR 5/18 – BVerwGE 165, 65, juris Rn. 19 ff.), wonach § 44a Satz 1 VwGO bei Eilanträgen gegen Anordnungen amtsärztlicher Untersuchungen eingreift, ist auf die vorliegende Konstellation nicht anwendbar. Zwar wird die Untersuchungsanordnung vorliegend auf die Art. 65 ff. Bayerisches Beamtengesetz (BayBG) gestützt, im Vordergrund steht hier jedoch nicht die Feststellung der Dienstunfähigkeit der Antragstellerin. Vielmehr steht vor allem die Einsatzmöglichkeit der Antragstellerin im Schlachthof in Frage. Es soll festgestellt werden, ob und welche Leistungseinschränkungen bei der Antragstellerin vorliegen.
Darüber hinaus stellt die Anordnung, sich amtsärztlich untersuchen zu lassen, zwar eine behördliche Verfahrenshandlung im Sinne des § 44a Satz 1 VwGO dar. In der hier maßgeblichen Fallkonstellation existiert jedoch keine spätere Sachentscheidung, gegen die die Antragstellerin gerichtlich vorgehen und in deren Rahmen sie sich auf die geltend gemachte Rechtswidrigkeit der Untersuchungsanordnung berufen könnte. Denn sollte der Amtsarzt bzw. die Amtsärztin gegebenenfalls unter zur Hilfenahme einer weiteren Begutachtung auf anderen medizinischen Fachgebieten – entgegen der Einschätzung des Hausarztes – von der Einsatzfähigkeit der Antragstellerin im Schlachthof ausgehen, wäre diese von Gesetzes wegen zur Verrichtung ihres Dienstes verpflichtet. Die vorliegende Konstellation unterscheidet sich daher maßgeblich von dem vom Bundesverwaltungsgericht entschiedenen Fall, sodass der Antrag hier zulässig ist (vgl. OVG RhPf, B.v. 29.10.2020 – 2 B 11161/20 – DVBl 2021, 891, juris Rn. 7). Ansonsten wäre keine Gewährung von effektivem Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz/GG) möglich, insbesondere mit Blick auf die disziplinarrechtlichen Folgen einer Nichtbefolgung einer Untersuchungsanordnung (vgl. OVG RhPf, B.v. 29.10.2020, a.a.O., juris Rn. 12 f.; vgl. zum Ganzen auch: VG München, B.v. 16.11.2021 – M 5 E 21.5858 – juris Rn. 18 ff.).
bb) Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht auch schon vor Klageerhebung eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung des Rechts der Antragstellerin vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Nach Satz 2 des § 123 Abs. 1 VwGO sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, notwendig erscheint, um insbesondere wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern. § 123 Abs. 1 VwGO setzt daher sowohl einen Anordnungsgrund, das heißt ein Bedürfnis für die Inanspruchnahme vorläufigen Rechtsschutzes in Form der Gefährdung eines eigenen Individualinteresses, als auch einen Anordnungsanspruch voraus, das heißt, die bei summarischer Überprüfung der Sach- und Rechtslage hinreichende Aussicht auf Erfolg oder zumindest einen Teilerfolg des geltend gemachten Begehrens in der Hauptsache. Die Antragstellerin hat die hierzu notwendigen Tatsachen glaubhaft zu machen.
(1) Die Antragstellerin hat einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht.
Da die grundlegende Anordnung streitbefangen ist, sich einer amtsärztlichen Untersuchung sowie möglichen weiteren Begutachtungen auf anderen medizinischen Fachgebieten zu unterziehen (vgl. BayVGH, B.v. 8.1.2013 – 3 CE 11.2345 – juris Rn. 18 – zur Weisung, sich einer stationären Behandlung zu unterziehen), muss die Antragstellerin jederzeit mit der kurzfristigen Anberaumung eines Termins für eine weitere Begutachtung rechnen. Das erfolgt auf Grundlage der vorliegenden Anordnung vom 22. Oktober 2021. Die Zusage der Antragsgegnerin, dass die Erstellung des amtsärztlichen Gutachtens gestoppt wurde, lässt den Anordnungsgrund nicht entfallen. Die Anordnung selbst wurde von der Antragsgegnerin nicht aufgehoben und es ist nicht fernliegend, dass ein Termin für eine weitere Begutachtung auf anderen medizinischen Fachgebieten bereits vor Erstellung des amtsärztlichen Gutachtens erfolgen kann. Damit ist es für die Gewährung effektiven Rechtsschutzes erforderlich, dass das Gericht alsbald über die Rechtmäßigkeit der Anordnung gegenüber der Antragstellerin entscheidet, einer Pflicht zu einer möglicherweise weiteren Begutachtung nachzukommen.
(2) Die Antragstellerin hat hinsichtlich der als möglich angekündigten weiteren Begutachtungen auf anderen medizinischen Fachgebieten einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht.
Bei summarischer Überprüfung der Sach- und Rechtslage besteht eine hinreichende Aussicht auf Erfolg oder zumindest einen Teilerfolg des geltend gemachten Begehrens in der Hauptsache.
(a) Insbesondere ist das Hauptsacheverfahren zulässig und fristgerecht erhoben worden, da der am 8. Dezember 2021 eingelegte Widerspruch fristgerecht eingelegt wurde.
§ 54 Abs. 2 Satz 1 Beamtenstatusgesetz (BeamtStG) sieht vor, dass vor allen beamtenrechtlichen Klagen ein Vorverfahren nach den Vorschriften des 8. Abschnitts der Verwaltungsgerichtsordnung durchzuführen ist, soweit nicht Landesrecht bestimmt, dass ein Vorverfahren entbehrlich ist. Richtet sich der Widerspruch wie vorliegend gegen andere Maßnahmen als einen Verwaltungsakt, ist § 70 VwGO nicht anzuwenden. Da es sich vorliegend um eine gemischt dienstlichpersönliche Weisung handelt, welcher eine Rechtsbehelfsbelehrung(§ 37 Abs. 6 BayVwVfG) fehlt, greift nach dem Rechtsgedanken des § 58 VwGO die Jahresfrist, welche vorliegend gewahrt wurde.
(b) Die Untersuchungsanordnung vom 22. Oktober 2021 erweist sich schon deshalb als rechtswidrig, da sie auf eine falsche Rechtsgrundlage gestützt ist (zum Ganzen: VG München, B.v. 16.11.2021 – M 5 E 21.5858 – juris Rn. 27 ff.). Nach der in der Anordnung angegebenen Rechtsgrundlage des Art. 65 BayBG ist der Beamte verpflichtet, sich nach Weisung des oder der Dienstvorgesetzten ärztlich untersuchen zu lassen, wenn Zweifel über die Dienstunfähigkeit bestehen (Art. 65 Abs. 2 Satz 1 BayBG). Die Maßnahme dient der Feststellung der Dienstunfähigkeit (Baßlsperger in: Weiss/Niedermaier/Summer/Zängl, Beamtenrecht in Bayern, Stand: September 2021, BayBG, Art. 65 Rn. 6). Voraussetzung der Untersuchungsanordnung ist, dass sich Zweifel hinsichtlich der Dienstfähigkeit des Beamten ergeben und dass die Versetzung in den Ruhestand erwogen wird (Baßlsperger in: Weiss/Niedermaier/Summer/Zängl, Beamtenrecht in Bayern, Stand: September 2021, BayBG, Art. 65 Rn. 6b m.w.N.).
Anhaltspunkte dafür, dass die Antragsgegnerin die Untersuchung der Antragstellerin zu diesem Zwecke angeordnet hätte, sind nicht ersichtlich. Vielmehr heißt es in der Untersuchungsanordnung vom 22. Oktober 2021, es solle festgestellt werden, ob und welche Leistungseinschränkungen vorliegen und wie sich diese ggfs. auf die Dienstfähigkeit auswirken. Unter anderem soll medizinisch geklärt werden, ob die Beamtin gesundheitlich in der Lage ist, die Tätigkeiten ihres derzeit zugewiesenen Dienstpostens vollständig auszuüben und welche Tätigkeiten derzeit nicht ausgeübt werden können. Darüber hinaus soll geklärt werden, ob Hilfsmittel zur Aufrechterhaltung der Leistungsfähigkeit bzw. ggf. zur Beseitigung welcher Leistungseinschränkungen beitragen können. Vorliegend steht die Dienstfähigkeit der Antragstellerin hinsichtlich eines bestimmten Teilbereichs ihrer Tätigkeit – der Arbeit im Schlachthof – in Frage, nicht jedoch die Dienstfähigkeit an sich. Mit E-Mail vom 6. August 2021 (Anlage ASt 2) hat die Antragsgegnerin mitgeteilt, dass das Vorliegen gesundheitlicher Einschränkungen, die den konkreten Einsatz am Schlachthof ausschließen, ggfs. durch Amtsärzte / Amtsärztinnen beurteilt werden müssen. Aus diesem Grund ist die amtsärztliche Untersuchung schließlich auch angeordnet worden. Auch die von der Antragstellerin vorgelegten Atteste beziehen sich allein auf die Tätigkeit im Schlachthof und können keine Zweifel an der generellen Dienstfähigkeit der Antragstellerin begründen.
Erwägt der Dienstherr – wie hier – nicht die Versetzung des Beamten in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit, sondern soll durch die (amtsärztliche) Untersuchung die weitere Verwendungsmöglichkeit des Beamten geklärt werden, kommen § 26 BeamtStG und Art. 65 BayBG als Rechtsgrundlage für die Untersuchungsaufforderung nicht in Betracht (vgl. auch BVerwG, B.v. 23.10.1979 – 1 WB 149.78 – BVerwGE 63, 278 ff., juris Rn. 36 f. zu § 44 Abs. 3 und 4 des Soldatengesetzes/SG; OVG RhPf, B.v. 29.10.2020 – 2 B 11161/20 – DVBl 2021, 891, juris Rn. 18).
Grundlage für die Anordnung einer ärztlichen Untersuchung bei Zweifeln an der Dienstfähigkeit eines Beamten, die noch nicht im Hinblick auf eine erwogene Versetzung in den Ruhestand angeordnet wird, ist vielmehr die in § 35 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG verankerte Folgepflicht des Beamten (vgl. VG Wiesbaden, B.v. 30.9.2020 – 3 L 1061/20.WI – juris Rn. 22, zu § 62 BBG; OVG RhPf, B.v. 29.10.2020 – 2 B 11161/20 – DVBl 2021, 89, juris Rn. 18). Die Verpflichtung des Beamten, an der für die Durchführung eines ordnungsgemäßen Dienstbetriebes erforderlichen Klärung seines eigenen Gesundheitszustandes mitzuwirken, ergibt sich aus der besonderen, dem Beamtenverhältnis innewohnenden Treuepflicht (BVerwG, B.v. 23.10.1980 – 2 A 4.78 – ZBR 1981, 220, juris Rn. 25 m.w.N.).
Eine nachträgliche Auswechselung der in der Untersuchungsanordnung vom 22. Oktober 2021 angegebenen Rechtsgrundlage kommt vorliegend nicht in Betracht. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hat der Dienstherr schon im Zeitpunkt der Weisung sämtliche Gründe anzugeben, die zur Untersuchungsanordnung geführt haben. Genügt die Anordnung einer ärztlichen Begutachtung nicht den an sie zu stellenden Anforderungen, kann dieser Mangel nicht nachträglich im Behörden- oder Gerichtsverfahren „geheilt“ werden (vgl. BVerwG, U.v. 26.4.2012 – 2 C 17.10 – ZBR 2013, 128, juris Rn. 21). Dies gilt nicht nur mit Blick auf die Darlegung der für die Zweifel an der Dienstfähigkeit maßgeblichen Umstände, sondern auch für die Offenlegung der einschlägigen Rechtsgrundlage. Die Behörde darf weder nach der Überlegung vorgehen, der Betroffene werde schon wissen, „worum es gehe“ (vgl. BVerwG, U.v. 26.4.2012 – 2 C 17.10 – ZBR 2013, 128, juris Rn. 20), noch darf sie den Beamten darüber im Unklaren lassen, „wozu“ die Untersuchung durchgeführt werden soll. Gerade mit Blick auf die regelmäßig nicht unerheblichen finanziellen Auswirkungen einer Zurruhesetzung wird es für den betroffenen Beamten von Bedeutung sein, ob mit der Untersuchung „nur“ die weitere Verwendungsmöglichkeit geklärt werden soll, oder ob der Dienstherr eine Versetzung in den Ruhestand erwägt. Dem Adressaten der Weisung ist daher nicht zuzumuten, bei einer Diskrepanz zwischen der angegebenen Rechtsgrundlage und der Begründung der Weisung die mutmaßliche Intention des Dienstherrn zu ermitteln.
(c) Daneben hat nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts der Dienstherr schon im Zeitpunkt der Weisung sämtliche Gründe anzugeben, die zur Untersuchungsanordnung geführt haben. Genügt die Anordnung einer ärztlichen Begutachtung nicht den an sie zu stellenden Anforderungen, kann auch dieser Mangel nicht nachträglich im Behörden – oder Gerichtsverfahren „geheilt“ werden (vgl. BVerwG, U.v. 26.4.2012 – 2 C 17.10 – ZBR 2013, 128, juris Rn. 21). Dies gilt nicht nur mit Blick auf die Darlegung der für die Zweifel an der Dienstfähigkeit maßgeblichen Umstände. Die Untersuchungsanordnung muss ferner Angaben zu Art und Umfang der ärztlichen Untersuchung enthalten. Die Behörde darf dies nicht dem Arzt überlassen. Nur wenn in der Aufforderung Art und Umfang der geforderten ärztlichen Untersuchung nachvollziehbar sind, kann der Betroffene nach Maßgabe des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit auch ihre Rechtmäßigkeit überprüfen. Dementsprechend muss sich der Dienstherr bereits im Vorfeld des Erlasses nach entsprechender sachkundiger ärztlicher Beratung zumindest in den Grundzügen darüber klarwerden, in welcher Hinsicht Zweifel am körperlichen Zustand oder der Gesundheit des Beamten bestehen und welche ärztlichen Untersuchungen zur endgültigen Klärung geboten sind (BVerwG, U.v. 30.5.2013 – 2 C 68.11 – BVerwGE 146, 347, juris Rn. 22; U.v. 10.4.2014 – 2 B 80.13 – NVwZ 2014, 892, juris Rn. 10; BayVGH, B.v. 8.12.2017 – 3 CE 17.1753 – Rn. 26; VG Wiesbaden, B.v. 30.9.2020 – 3 L 1061/20.WI – IÖD 2020, 257, juris Rn. 29, VG München, B.v. 4.2.2022 – M 5 E 21.6550).
Diese Grundsätze gelten nicht nur für die Aufforderung zu einer amtsärztlichen Untersuchung, mit der die Dienstfähigkeit als solche untersucht wird, sondern auch für eine amtsärztliche Untersuchung, mit der mögliche gesundheitsbedingte Einschränkungen der dienstlichen Verwendungsfähigkeit zu klären sind. Denn in beiden Konstellationen ist das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 GG wie auch das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Beamten betroffen (OVG RhPf, B.v. 29.10.2020 – 2 B 11161/20 – DVBl 2021, 891, juris Rn. 22).
Die oben dargestellten Anforderungen sind nicht erfüllt. Der Antragstellerin wird in der Anordnung vom 22. Oktober 2021 lediglich mitgeteilt, es würden zusätzlich Begutachtungen auf anderen medizinischen Fachgebieten durchgeführt, soweit dies aus ärztlicher Sicht erforderlich sei und auch dies angeordnet werde.
Soll der durch eine Untersuchungsanordnung – zulässig – gesetzte Rahmen durch mit weitergehenden Grundrechtseingriffen verbundene fachmedizinische Untersuchungen überschritten werden, bedarf es einer erneuten bzw. ergänzenden Untersuchungsanordnung (BayVGH, B.v. 18.2.2016 – 3 CE 15.2768 – juris Rn. 35; B.v. 8.12.2017 – 3 CE 17.1753 – Rn. 29 f. betreffend eine Beamtin der Antragsgegnerin). Dies stellt keine „bloße Förmelei“ dar, die lediglich Zeitverlust durch eine „zusätzliche Schleife“ produziert, sondern trägt den (grund-)rechtlichen Interessen des betroffenen Beamten Rechnung, der nur dadurch in die Lage versetzt wird, sich erneut für oder gegen die Durchführung der weiter angeordneten Untersuchung zu entscheiden (vgl. insgesamt hierzu VG München, B.v. 11.8.2017 – M 5 E 17.2578 – juris Rn. 40 f.; B.v. 4.2.2022 – M 5 E 21.6550 – Rn. 36).
2. Dem Begehren der Antragstellerpartei, das Gesundheitsreferat der Landeshauptstadt München umgehend zu unterrichten, kommt keine eigenständige Bedeutung zu, da dies lediglich den Vollzug der Freistellung betrifft.
3. Der Antrag hinsichtlich der begehrten Entbindung der Amtsärztin bzgl. der Erstattung eines amtsärztlichen Gutachtens ist unbegründet.
§ 123 Abs. 1 VwGO setzt einen Anordnungsgrund, das heißt ein Bedürfnis für die Inanspruchnahme vorläufigen Rechtsschutzes in Form der Gefährdung eines eigenen Individualinteresses, als auch einen Anordnungsanspruch voraus, das heißt, die bei summarischer Überprüfung der Sach- und Rechtslage hinreichende Aussicht auf Erfolg oder zumindest einen Teilerfolg des geltend gemachten Begehrens in der Hauptsache. Die Antragstellerin hat die hierzu notwendigen Tatsachen glaubhaft zu machen.
Der Antragstellerin gelingt es nicht, einen Anordnungsanspruch glaubhaft zu machen. Für die Verwertung der Ergebnisse einer amtsärztlichen Untersuchung ist es unerheblich, ob die Anordnung rechtswidrig war oder nicht. Unterzieht sich die betroffene Beamtin der angeordneten Untersuchung, so kann das Untersuchungsergebnis unabhängig von der Rechtmäßigkeit der Untersuchungsaufforderung verwertet werden (BVerwG, U.v. 26.4.2012 – 2 C 17/10 – ZBR 2013, 128, juris Rn. 18; B.v. 14.3.2019 – 2 VR 5/18 – BVerwGE 165, 65, juris Rn. 34). Dabei ist unerheblich, ob bereits ein Gutachten erstellt wurde oder nicht. Auch die Erkenntnisse die eine Amtsärztin / ein Amtsarzt aus der amtsärztlichen Untersuchung erlangt und die zur Erstellung eines Gutachtens führen sind – neben dem Gutachten selbst – verwertbar und können zur Erstellung eines Gutachtens herangezogen werden. Das Bundesverwaltungsgericht spricht in seiner Entscheidung vom 26. April 2012 lediglich auf Grund der dortigen Sachverhaltskonstellation – da bereits ein Gutachten erstellt wurde – „nur“ von der Verwertung des Gutachtens selbst. In seiner Entscheidung vom 14. März 2019 spricht das Bundesverwaltungsgericht allgemein von „Untersuchungsergebnis“, ohne dies auf ein Gutachten einzugrenzen. Zudem gelten aus einem Erst-Recht Schluss die Grundsätze zur Verwertung eines Gutachtens auch bereits für die Erstellung des Gutachtens. Es wäre widersprüchlich, die Ergebnisse, die in einem Gutachten festgehalten wurden, verwerten zu dürfen, die aus der Untersuchung gewonnen Erkenntnisse jedoch in einem vorgelagerten Schritt nicht in einem Gutachten verschriftlichen zu dürfen. Denn auch im Vorfeld vor der Erstellung eines amtsärztlichen Gutachtens und nach der Vornahme der Untersuchung kann der in der Untersuchung liegende Grundrechtseingriff nicht mehr rückgängig gemacht werden.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Einer verhältnismä ßigen Kostenteilung entspricht es der Antragstellerin 3/4 der Kosten des Verfahrens aufzuerlegen. Hinsichtlich ihres Rechtschutzziels, sie vorläufig von der Verpflichtung zur Durchführung einer amtsärztlichen Untersuchung freizustellen, obsiegt die Antragstellerin nur zur Hälfte – über den über die allgemeine amtsärztliche Untersuchung hinausgehenden Teil. Hinsichtlich ihres Rechtschutzziels bzgl. der Nichterstattung eines amtsärztlichen Gutachtens unterliegt die Antragstellerin voll. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes (GKG) wobei im Verfahren des einstweiligen Rechtschutzes für jedes der beiden Begehren nur die Hälfte des Wertes eines Hauptsacheverfahrens festzusetzen ist.


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