Medizinrecht

Coronavirus, SARS-CoV-2, Feststellung, Nachweis, Anordnung, Verbreitung, Eilrechtsschutz, Erlass, Verordnung, Verfahren, Infektionsschutzgesetz, Schutz, Rechtsverordnung, Infektion, Besitz, Antragsgegner, einstweiligen Anordnung, Erlass einer einstweiligen Anordnung, Bundesrepublik Deutschland

Aktenzeichen  Au 9 E 22.481

Datum:
2.3.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 8048
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

Die Antragstellerin begehrt im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes die Feststellung, dass sie für einen Zeitraum von 6 Monaten ab der positiven Testung auf das Coronavirus als genesene Person im Sinne von § 2 Nr. 5 SchAusnahmV gilt.
Am 13. Dezember 2021 wurde die Antragstellerin mittels PCR-Test positiv auf eine Infektion mit dem SARS-CoV-2-Virus getestet.
Mit dem vierten Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite vom 22. April 2021 (BGBl. 2021 I Nr. 18, S. 802) wurde § 28c in das Infektionsschutzgesetz (IfSG) eingefügt, wonach die Bundesregierung zum Erlass einer Rechtsverordnung für besondere Regelungen, insbesondere für Personen bei denen von einer Immunisierung gegen das Coronavirus auszugehen ist, ermächtigt wurde. Die auf Grundlage von § 28c IfSG ergangene Verordnung zur Regelung von Erleichterungen und Ausnahmen von Schutzmaßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 (COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmeverordnung – SchAusnahmV) vom 8. Mai 2021 (BAnz AT 8.5.2021 V1) enthielt bezüglich des Genesenenstatus folgenden Wortlaut:
„§ 2 Begriffsbestimmungen
Im Sinne dieser Verordnung ist (…)
4. eine genesene Person eine asymptomatische Person, die im Besitz eines auf sie ausgestellten Genesenennachweises ist,
5. ein Genesenennachweis ein Nachweis hinsichtlich des Vorliegens einer vorherigen Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 in deutscher, englischer, französischer, italienischer oder spanischer Sprache in verkörperter oder digitaler Form, wenn die zugrundeliegende Testung durch eine Labordiagnostik mittels Nukleinsäurenachweis (PCR), PoC-PCR oder weitere Methoden der Nukleinsäureamplifikationstechnik) erfolgt ist und mindestens 28 Tage sowie maximal sechs Monate zurückliegt“.
Mit Art. 1 Nr. 1 b) der Verordnung zur Änderung der COVID-19-Schutzmaßnahm-Ausnahmenverordnung und der Coronavirus-Einreiseverordnung (Änderungsverordnung) vom 14. Januar 2022 (BAnz AT 14.1.2022 V1) wurde § 2 Nr. 5 der SchAusnahmV vom 8. Mai 2021 wie folgt geändert:
㤠2 Begriffsbestimmungen
Im Sinne dieser Verordnung ist (…)
5. ein Genesenennachweis ein Nachweis hinsichtlich des Vorliegens eines durch vorherige Infektion erworbenen Immunschutzes gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 in deutscher, englischer, französischer, italienischer oder spanischer Sprache in verkörperter oder digitaler Form, wenn der Nachweis den vom Robert Koch-Institut im Internet unter der Adresse www.rki.de/covid-19-genesenennachweis unter Berücksichtigung des aktuellen Stands der medizinischen Wissenschaft veröffentlichten Vorgaben hinsichtlich folgender Kriterien entspricht:
a) Art der Testung zum Nachweis der vorherigen Infektion,
b) Zeit, die nach der Testung zum Nachweis der vorherigen Infektion vergangen sein muss, oder Nachweis zur Aufhebung der aufgrund der vorherigen Infektion erfolgten Absonderung,
c) Zeit, die die Testung zum Nachweis der vorherigen Infektion höchstens zurückliegen darf“.
Mit Schriftsatz vom 28. Februar 2022 hat die Antragstellerin im Wege vorläufigen Rechtsschutzes beim Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg beantragt,
im Wege der einstweiligen Anordnung wird vorläufig festgestellt, dass der Genesenenstatus der Antragstellerin wie in dem Genesenennachweis vom 10. Januar 2022 fortbesteht und auch durch die Änderung des § 2 Nr. 5 Schutzmaßnahmen-Ausnahmeverordnung vom 15. Januar 2022 (BA NZAT 14.01.22 V1) keine Änderung erfahren hat.
Zur Begründung ist ausgeführt, richtiger Antragsgegner sei die Antragsgegnerin als kreisfreie Stadt. Zwischen ihr und der Antragstellerin bestehe ein streitiges Rechtsverhältnis, da sie Normanwenderin sei. Die Änderung des § 2 Nr. 5 SchAusnahmV sei bei summarischer Prüfung verfassungswidrig, sodass der auf Grundlage des § 2 Nr. 5 SchAusnahmV in der Fassung vom 8. Mai 2021 erteilte Genesenennachweis der Antragstellerin wie erteilt weitergelte. Die Änderung des § 2 Nr. 5 SchAusnahmV in der Fassung vom 14. Januar 2022 verstoße gegen den Wesentlichkeitsgrundsatz und den verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz aus Art. 20 Abs. 3 GG. Auch sei die Verkürzung in der Sache selbst nicht gerechtfertigt. Insbesondere habe sich die EU auf die Dauer des Genesenenstatus von einem halben Jahr geeinigt.
Auf den weiteren Inhalt des Antragsschriftsatzes vom 28. Februar 2022 wird ergänzend verwiesen.
Der Antragsgegnerin wurde die Antragsschrift zur Stellungnahme weitergeleitet. Aufgrund der Eilbedürftigkeit wurde von der Notwenigkeit einer Stellungnahme vor Beschlussfassung abgesehen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO hat keinen Erfolg. Er ist bereits unzulässig.
1. Der Antrag ist als Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO statthaft. Die Antragstellerin begehrt die Feststellung, dass sie unter Anwendung der Regelungen des § 2 Nr. 4 und 5 SchAusnahmV in der Fassung vom 8. Mai 2021 (weiterhin) über die Dauer von drei Monaten hinaus bis maximal sechs Monate nach der positiven Testung auf die Infektion mit dem Coronavirus als genesen gilt. Das Anliegen der Antragstellerin ist im Hauptsacheverfahren mit einer allgemeinen Feststellungsklage nach § 43 VwGO zu verfolgen. Vorläufiger Rechtsschutz für derartige Feststellungsbegehren ist im Wege einer einstweiligen Anordnung daher grundsätzlich nach § 123 Abs. 1 VwGO zu gewähren (vgl. VG München, B.v. 21.5.2021 – M 28 E 20.1922 – juris Rn. 14 m.w.N.).
2. Vorliegend fehlt jedoch bereits das für die begehrte Feststellung erforderliche fest stellungsfähige Rechtsverhältnis im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO zwischen der Antragstellerin und dem Antragsgegner.
Die begehrte Feststellung über das Vorliegen bzw. die Geltungsdauer des Genesenenstatus bedarf keines behördlichen Vollzugs- oder Umsetzungsaktes (BayVGH, B.v. 7.2.2022 – 20 CE 22.226 – noch nicht veröffentlicht, Rn. 5). Die Geltungsdauer ergibt sich vielmehr unmittelbar aus § 2 Nr. 4 und 5 der SchAusnahmV. Daher folgt die erkennende Kammer insoweit nicht der in der Rechtsprechung teilweise vertretenen Gegenauffassung (vgl. VG Ansbach, B.v. 11.2.2022 – AN 18 S 22.00234- juris; VG München, B.v. 22.2.2022 – M 26b E 22.730 – noch nicht veröffentlicht; VG Osnabrück, B.v. 4.2.2022 – 3 B 4/22 – juris). Denn wird Rechtsschutz mittelbar gegen eine Rechtsverordnung des Bundes oder des Landes mit der Behauptung begehrt, der unmittelbar wirkende Normbefehl bestehe deshalb nicht, weil die betreffenden Verordnungsbestimmungen wegen Verstoßes gegen höherrangiges Recht ungültig oder unanwendbar seien, besteht das streitige Rechtsverhältnis ausschließlich zum jeweiligen Normgeber, und mangels Vollzugs nicht zu den „Vollzugsbehörden“ des Landes (vgl. BVerfG, B.v. 17.1.2006 – 1 BvR 541/02 – juris Rn. 50ff.; BayVGH, B.v. 7.2.2022 – 20 CE 22.226 – noch nicht veröffentlicht, Rn. 5; VGH BW, U.v. 25.10.2006 – 10 S 1538/05 – juris Leitsatz Nr. 2; VG Würzburg, B.v. 23.2.2022 – W 8 E 22.237; VG Bayreuth, B.v. 23.2.2022 – B 7 E 22.177; VG Regensburg, B.v. 23.2.2022 – RN 5 E 22.254 – jeweils noch nicht veröffentlicht). Ein konkreter Sachverhalt durch ein konkretes Tätigwerden des Antragsgegners steht hier nicht im Raum. Die lediglich abstrakte Zuständigkeit des Gesundheitsamts als Vollzugs- bzw. Überwachungsbehörde des Infektionsschutzgesetzes ohne Bezug auf einen konkreten Sachverhalt genügt nicht.
Sofern sich die Antragstellerin gegen die Bestimmungen in § 2 Nr. 4 und 5 der SchAusnahmV wendet, wäre daher ein entsprechender Antrag im Eilrechtsschutz gegen die Bundesrepublik Deutschland als Normgeberin beim örtlich zuständigen Verwaltungsgericht Berlin zu erheben, da es sich bei der SchAusnahmV um eine Rechtsverordnung der Bundesregierung handelt.
3. Nach allem war der Antrag daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO
abzulehnen. Als im Verfahren unterlegen hat die Antragstellerin die Kosten des Verfahrens zu tragen.
4. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 2 Gerichts kostengesetz (GKG). Von einer Reduzierung des Streitwerts (Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 – BayVBl Sonderbeilage Ja-


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen


Nach oben