Medizinrecht

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Aktenzeichen  Au 9 E 22.385

Datum:
23.2.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 3455
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller begehrt im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes die Feststellung, dass er für einen Zeitraum von maximal 6 Monaten ab der positiven Testung auf das Coronavirus als genesene Person im Sinne der §§ 4 und 5 der 15. Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (15. BayIfSMV) gilt.
Am 24. September 2021 wurde beim Antragsteller eine Infektion mit dem SARS-CoV- 2-Virus mittels PCR-Test nachgewiesen.
Die 15. BayIfSMV vom 23. November 2021 (BayMBl. Nr. 816), zuletzt geändert durch Verordnung vom 8. Februar 2022 (BayMBl. Nr. 89), macht den Zugang zu großen Teilen des öffentlichen Lebens in § 4 Abs. 1 und § 5 Abs. 1 Satz 1 unter anderem von dem Status einer Person als Genesener abhängig. Zur Definition des Genesenenstatus wird dabei auf die Bestimmung des § 2 Nr. 4 der Schutzmaßnahmenausnahmeverordnung der Bundesregierung (BAnz AT 14.1.2022 V1) Bezug genommen.
Mit dem vierten Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite vom 22. April 2021 (BGBl. 2021 I Nr. 18, S. 802) wurde § 28c in das Infektionsschutzgesetz (IfSG) eingefügt, wonach die Bundesregierung zum Erlass einer Rechtsverordnung für besondere Regelungen, insbesondere für Personen bei denen von einer Immunisierung gegen das Coronavirus auszugehen ist, ermächtigt wurde.
Die auf Grundlage von § 28c IfSG ergangene Verordnung zur Regelung von Erleichterungen und Ausnahmen von Schutzmaßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 (COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmeverordnung – SchAusnahmV) vom 8. Mai 2021 (BAnz AT 8.5.2021 V1) enthielt bezüglich des Genesenenstatus folgenden Wortlaut:
„§ 2 Begriffsbestimmungen
Im Sinne dieser Verordnung ist
(…)
4. eine genesene Person eine asymptomatische Person, die im Besitz eines auf sie ausgestellten Genesenennachweises ist,
5. ein Genesenennachweis ein Nachweis hinsichtlich des Vorliegens einer vorherigen Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 in deutscher, englischer, französischer, italienischer oder spanischer Sprache in verkörperter oder digitaler Form, wenn die zugrundeliegende Testung durch eine Labordiagnostik mittels Nukleinsäurenachweis (PCR), PoC-PCR oder weitere Methoden der Nukleinsäureamplifikationstechnik) erfolgt ist und mindestens 28 Tage sowie maximal sechs Monate zurückliegt “.
Mit Art. 1 Nr. 1 b) der Verordnung zur Änderung der COVID-19-Schutzmaßnahm-Ausnahmenverordnung und der Coronavirus-Einreiseverordnung (Änderungsverordnung) vom 14. Januar 2022 (BAnz AT 14.1.2022 V1) wurde § 2 Nr. 5 der SchAusnahmV vom 8. Mai 2021 wie folgt geändert:
„§ 2 Begriffsbestimmungen
Im Sinne dieser Verordnung ist (…)
5. ein Genesenennachweis ein Nachweis hinsichtlich des Vorliegens eines durch vorherige Infektion erworbenen Immunschutzes gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 in deutscher, englischer, französischer, italienischer oder spanischer Sprache in verkörperter oder digitaler Form, wenn der Nachweis den vom Robert Koch-Institut im Internet unter der Adresse www.rki.de/covid-19-genesenennachweis unter Berücksichtigung des aktuellen Stands der medizinischen Wissenschaft veröffentlichten Vorgaben hinsichtlich folgender Kriterien entspricht:
a) Art der Testung zum Nachweis der vorherigen Infektion,
b) Zeit, die nach der Testung zum Nachweis der vorherigen Infektion vergangen sein muss, oder Nachweis zur Aufhebung der aufgrund der vorherigen Infektion erfolgten Absonderung,
c) Zeit, die die Testung zum Nachweis der vorherigen Infektion höchstens zurückliegen darf“.
Mit Stand vom 3. Februar 2022 lauten die Vorgaben für Genesenennachweise des Robert Koch-Instituts wie folgt:
„Ein Genesenennachweis im Sinne der COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung und der Coronavirus-Einreiseverordnung muss aus fachlicher Sicht folgenden Vorgaben entsprechen:
a) die Testung zum Nachweis der vorherigen Infektion muss durch eine Labordiagnostik mittels Nukleinsäurenachweis (PCR, PoC-PCR oder weitere Methoden der Nukleinsäureamplifikationstechnik) erfolgt sein UND
b) das Datum der Abnahme des positiven Tests muss mindestens 28 Tage zurückliegen UND
c) das Datum der Abnahme des positiven Tests darf höchstens 90 Tage zurückliegen.“
Mit Schreiben vom 15. Februar 2022 hat der Antragsteller im Wege vorläufigen Rechtsschutzes zuletzt beantragt,
vorläufig festzustellen, dass der Antragsteller bis einschließlich 23. März 2022 im Sinne des § 4 Abs. 1 sowie § 5 Abs. 1 der 15. BayIfSMV als genesen gilt.
Zur Begründung wird im Wesentlichen vorgetragen, dass die Frage, ob der Antragsteller weiterhin als genesen im Sinne der §§ 4 und 5 der 15. BayIfSMV anzusehen sei, hänge von der Auslegungsfrage ab, auf welche Fassung der Regelung des § 2 Nr. 4 SchAusnahmV verwiesen werde.
Dies sei wiederum davon abhängig, ob das Gericht im Rahmen der Inzidenzkontrolle von der Wirksamkeit des § 2 Nr. 4 und 5 SchAusnahmV in der Fassung vom 14. Januar 2022 ausgehe oder nicht. Die beanstandete verfassungswidrige Änderung des § 2 Nr. 5 der SchAusnahmV wirke sich über die Verweisung auch mittelbar auf den Regelungsgehalt der §§ 4 und 5 der 15. BayIfSMV aus.
Die Antragsgegnerin sei die örtliche Vollzugsbehörde, sodass ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis gegeben sei.
Auf den weiteren Inhalt der Antragsbegründung wird ergänzend verwiesen.
Der Antragsgegnerin wurde die Antragsschrift zur Stellungnahme weitergeleitet. Eine Stellungnahme zum Verfahren erfolgte nicht.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte und die wechselseitigen Schriftsätze der Beteiligten Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO hat keinen Erfolg. Er ist bereits unzulässig.
1. Der Antrag ist als Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO statthaft. Der Antragsteller begehrt die Feststellung, dass er im Sinne der §§ 4 und 5 der 15. BayIfSMV unter Zugrundelegung der Regelung des § 2 Nr. 4 und 5 SchAusnahmV in der Fassung vom 8. Mai 2021 (weiterhin) über die Dauer von drei Monaten hinaus bis maximal sechs Monate nach der positiven Testung auf die Infektion mit dem Coronavirus, d.h. bis maximal 23. März 2022, als genesen gilt. Das Anliegen des Antragstellers ist im Hauptsacheverfahren mit einer allgemeinen Feststellungsklage nach § 43 VwGO zu verfolgen. Vorläufiger Rechtsschutz für derartige Feststellungsbegehren ist im Wege einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO zu gewähren (vgl. VG München, B.v. 21.5.2021 – M 28 E 20.1922 – juris Rn. 14 m.w.N.).
2. Vorliegend mangelt es jedoch bereits an dem für ein derartiges Feststellungsbe gehren erforderlichen feststellungsfähigen Rechtsverhältnis i.S.d. § 43 Abs. 1 VwGO zwischen dem Antragsteller und der Antragsgegnerin. Die vom Antragsteller begehrte Feststellung über das Bestehen oder die Dauer des Genesenenstatus darf keines behördlichen Vollzugs- oder Umsetzungsaktes. Dieser ergibt sich vielmehr unmittelbar aus §§ 4 und 5 der 15. BayIfSMV i.V.m. § 2 Nr. 4 und 5 der SchAusnahmV. Wird aber Rechtsschutz mittelbar gegen eine Rechtsverordnung des Bundes oder des Landes mit der Behauptung begehrt, der unmittelbar wirkende Normbefehl bestehe deshalb nicht, weil die betreffenden Verordnungsbestimmungen wegen Verstoßes höherrangiges Recht ungültig oder unanwendbar sein, besteht das streitige Rechtsverhältnis ausschließlich zum jeweiligen Normgeber, nicht jedoch zu den „Vollzugsbehörden“ des Landes (vgl. BVerfG, B.v. 17.1.2006 – 1 BvR 541/02 – juris Rn. 50ff.; BayVGH, B.v. 7.2.2022 – 20 CE 22.226 – noch nicht veröffentlicht, Rn. 5; VGH BW, U.v. 25.10.2006 – 10 S 1538/05 – juris Leitsatz Nr. 2).
Sofern sich der Antragsteller gegen die Bestimmungen in § 2 Nr. 4 und 5 der SchAusnahmV wendet, wäre ein entsprechender Antrag im Eilrechtsschutz beim örtlich zuständigen Verwaltungsgericht Berlin zu erheben, da es sich bei der SchAusnahmV um eine Rechtsverordnung der Bundesregierung handelt.
3. Nach allem war der Antrag daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Als im Verfahren unterlegen hat der Antragsteller die Kosten des Verfahrens zu tragen.
4. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 2 Gerichts kostengesetz (GKG). Von einer Reduzierung des Streitwerts (Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 – BayVBl Sonderbeilage Januar 2014) wurde in Anbetracht der geltend gemachten Vorwegnahme der Hauptsache abgesehen.


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