Medizinrecht

Krankenversicherung

Aktenzeichen  S 11 KR 260/17

Datum:
5.2.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 1432
Gerichtsart:
SG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
SGB V § 13 Abs. 3 Satz 1
SGB V § 27 Abs. 1 Satz 1

 

Leitsatz

1. Voraussetzung für den operativen Brustaufbau bei Mann zu Frau Transsexualismus ist eine gegengeschlechtliche Hormonersatztherapie von ausreichender Intensität und Dauer von in der Regel mindestens 24 Monaten.
2. Eine Epilationsbehandlung bei einer Transsexuellen durch eine Kosmetikerin darf nicht zu Lasten der GKV erbracht werden. Eine Kostenerstattung des Versicherten ist nicht möglich.

Tenor

I. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 05.04.2016, in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.05.2017 sowie des Bescheides vom 06.04.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.05.2018 verurteilt, die Kosten für eine operative Reduktion des Adamsapfels sowie die Korrektur der Stimmbänder bzw. Stimmhöhe zu übernehmen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die Beklagte erstattet der Klägerin 2/5 deren außergerichtlichen Kosten.

Gründe

Die zulässige Klage ist nur teilweise begründet.
Der angefochtene Bescheid vom 05.04.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.05.2017 ist insoweit rechtswidrig, als es die Beklagte abgelehnt hat, die Kosten für eine operative Reduktion des Adamsapfels sowie für die Korrektur der Stimmbänder bzw. Stimmhöhe zu übernehmen Im Übrigen ist der angefochtene Bescheid rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG). Denn ihr steht weder ein Anspruch auf Gesichtsfeminisation noch auf Erstattung für die selbstbeschaffte Brustvergrößerungsoperation zu.
Daneben hat die Klägerin auch weder einen Anspruch auf Kostenerstattung für die durchgeführten Elektroepilationen (Nadelepilation) der Barthaare durch die Kosmetikerin K. noch auf künftige Versorgung. Der Bescheid vom 06.04.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids ist rechtmäßig. Die vom Klägerbevollmächtigten im Schreiben vom 29.05.2018 erklärte Klageerweiterung ist – auch ohne Zustimmung der Beklagten – nach § 99 Abs. 1 SGG zulässig, da sie sachdienlich ist
1. Versicherte – wie die Klägerin – haben nach § 27 Abs. 1 S. 1 SGB V Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern.
a. Grundvoraussetzung des Anspruchs Versicherter auf Krankenbehandlung ist, dass sie an einer Krankheit leiden. Krankheit im Sinne von § 27 Abs. 1 S. 1 SGB V ist ein regelwidriger, vom Leitbild des gesunden Menschen abweichender Körper- oder Geisteszustand, der ärztlicher Behandlung bedarf oder den Betroffenen arbeitsunfähig macht (vgl. BSG, U.v. 28.2.2008 – B 1 KR 19/07 R – juris). Die Klägerin leidet in diesem Sinne an einer Krankheit, nämlich an behandlungsbedürftigem Transsexualismus (vgl. dazu ausführlich BSG, U.v. 11.9.2012 – B 1 KR 9/12 R -juris, Rn. 10 ff.).
Transsexuelle Versicherte können nach § 27 Abs. 1 SGB V dem Grunde nach Anspruch auf geschlechtsangleichende Behandlungsmaßnahmen einschließlich chirurgischer Eingriffe in gesunde Organe zur Minderung ihres psychischen Leidensdrucks haben, um sich dem Erscheinungsbild des angestrebten anderen Geschlechts deutlich anzunähern. Obwohl der Anspruch auf Krankenbehandlung psychischer Krankheiten grundsätzlich nicht körperliche Eingriffe in intakte Organsysteme erfasst, können zur notwendigen Krankenbehandlung des Transsexualismus – als Ausnahme von diesem Grundsatz – operative Eingriffe in den gesunden Körper zwecks Veränderung der äußerlich sichtbaren Geschlechtsmerkmale gehören (BSG, U.v. 11.9.2012 – B 1 KR 11/12 – juris, Rn. 8). Die Ansprüche auf geschlechtsangleichende Operationen sind beschränkt auf einen Zustand, bei dem aus der Sicht eines verständigen Betrachters eine deutliche Annäherung an das Erscheinungsbild des anderen Geschlechts eintritt (BSG, a.a.O., Rn.16). Ein Anspruch Versicherter auf geschlechtsangleichende Operationen am – krankenversicherungsrechtlich betrachtet – gesunden Körper zur Behandlung des Transsexualismus bedarf danach zunächst der medizinischen Indikation. Die geschlechtsangleichende Operation muss zudem zur Behandlung erforderlich sein. Daran fehlt es, wenn zum Erreichen der in § 27 Abs. 1 S. 1 SGB V genannten Therapieziele Behandlungsmaßnahmen ausreichen, die ein Leben im anderen Geschlecht ohne somatische Maßnahmen unterstützen oder sich auf hormonelle Behandlungen ohne Operationen beschränken (BSG, a.a.O., Rn. 19).
Die innere Reichweite des Anspruchs auf geschlechtsangleichende Behandlung bestimmt sich auf der Basis der allgemeinen und besonderen Voraussetzungen des Anspruchs auf Krankenbehandlung nach medizinischen Kriterien des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse (BSG, U.v. 11.9.2012 – B 1 KR 9/12 R – juris, Rn.21). Ist – wie hier – bereits eine genitalverändernde Operation durchgeführt worden, ist vorbehaltlich besonderer Umstände eine erneute Prüfung entbehrlich, ob die Linderung des aus dem Transsexualismus resultierenden psychischen Leidensdrucks allein durch nicht operative Behandlungsmaßnahmen noch in ausreichendem Umfang möglich ist (BSG, a.a.O., Rn.25).
Der gegenüber der bisherigen Rechtslage geänderte rechtliche Ausgangspunkt des Anspruchs Transsexueller auf geschlechtsangleichende Behandlung schließt es aus, die Reichweite des Anspruchs primär anhand von Kriterien des Behandlungsanspruchs wegen Entstellung zu umreißen. Eine Entstellung begründet einen Anspruch auf Krankenbehandlung wegen einer körperlichen, nicht psychischen Krankheit. Innerer Grund des Anspruchs Transsexueller auf geschlechtsangleichende Operationen ist es dagegen nicht, eine Entstellung zu heilen oder zu lindern. Ein solcher Anspruch, der bei Entstellung für alle Versicherten, auch für transsexuelle Versicherte besteht, bleibt hiervon unberührt (BSG, U.v. 11.9.2012 – B 1 KR 9/12 R – juris, Rn.26).
Ansprüche Transsexueller auf geschlechtsangleichende Behandlung im Sinne medizinisch indizierter Maßnahmen sind zusätzlich durch das objektive Erscheinungsbild des angestrebten anderen Geschlechts begrenzt. Die hierdurch gezogenen Grenzen sind allerdings weiter, als sie durch die oben dargelegte Rechtsprechung zur Entstellung gezogen sind. Wer beispielweise als Mann-zu-Frau-Transsexueller – etwa aufgrund einer Hormontherapie – einen Brustansatz entwickelt hat, der die für konfektionierte Damenoberbekleidung vorgesehene Größe A nach DIN EN 13402 bei erfolgter Ausatmung im Rahmen normaler Messung ohne weitere Mittel voll ausfüllt, kann keine Mamaaugmentationsplastik beanspruchen. Das damit erreichte körperliche Erscheinungsbild bewegt sich nämlich – trotz der großen Vielfalt der Phänotypen bei Männern und Frauen – in einem unzweifelhaft geschlechts-typischen Bereich. (BSG, U.v. 11.9.2012 – B 1 KR 9/12 R – juris, Rn.28).
b. Nach diesem Maßstab hat die Klägerin lediglich Anspruch auf operative Reduktion des Adamsapfels (dazu aa.) sowie Korrektur der Stimmbänder bzw. Stimmhöhe (dazu bb.). Kein Anspruch besteht hingegen auf Kostenerstattung der Brustvergrößerung (dazu cc.), auf operative Gesichtsfeminisation (dazu dd.) sowie Versorgung und Kostenerstattung für die Epilationsbehandlungen bei der Kosmetikerin K. (dazu ee.).
Eine Entstellung liegt bei der Klägerin nicht vor; sie macht dies ebenso wenig geltend wie eine funktionelle organische Störung. Die Ansprüche auf geschlechtsangleichende Operationen erstrecken und zugleich beschränken sich auf einen Zustand, bei dem aus der Sicht eines verständigen Betrachters eine deutliche Annäherung an das Erscheinungsbild des anderen Geschlechts eintritt.
Streitentscheidend ist allein die Frage, ob das Erscheinungsbild der Klägerin in einem solchen Maße vom Erscheinungsbild des weiblichen Geschlechts entfernt ist, dass durch die beantragten Leistungen eine deutliche Annäherung an das Erscheinungsbild des weiblichen Geschlechts herbeigeführt wird. Das ist nach Auffassung der Kammer hier nur teilweise der Fall.
aa. Nach diesem rechtlichen Maßstab hat die Klägerin Anspruch auf operative Reduktion des Adamsapfels. Die Kammer hat die übermittelte Fotodokumentation der Klägerin in Augenschein genommen und sich von der persönlich erschienenen Klägerin in der mündlichen Verhandlung am 05.02.2019 selbst ein Bild gemacht. Der Adamsapfel tritt bei der Klägerin deutlich sichtbar hervor und steht im nicht übersehbaren Widerspruch zum gewollten weiblichen Erscheinungsbild. Durch die Reduktion des Adamsapfels kann eine deutliche Annäherung an das Erscheinungsbild des weiblichen Geschlechts herbeigeführt werden. Beim Adamsapfel handelt es sich nicht um ein Körperteil, welches durch angepasste Kleidung ausreichend verdeckbar ist.
bb. Daneben hat die Klägerin Anspruch auf Korrektur der Stimmbänder bzw. Stimmhöhe.
Die Beweisaufnahme hat vorliegend ergeben, dass Erscheinungsbild und Stimme nicht in Einklang stehen. Das Missverständnis zwischen Erscheinungsbild und Stimme macht die Klägerin auffällig. Die Stimme der Klägerin liegt nicht im Normbereich. Sie ist weder für sich genommen „weiblich“, noch ist sie mit dem übrigen Erscheinungsbild der Klägerin in Einklang zu bringen. Die mittlere Sprechstimmlage der Klägerin beträgt nach der sachverständigen Zeugenauskunft des Oberarztes Phoniatrie Dr. med. K. vom Universitätsklinikum A-Stadt vom 23.08.2017 etwa 131 Hz und ist damit für eine weibliche Stimme zu tief. Die Steigerungsfähigkeit ist eingeschränkt. Die Klägerin hat bereits 60 Stunden logopädische Therapie erhalten und dabei nur leichte Fortschritte gemacht. Trotz Logopädie besteht bei der Klägerin eine unverkennbar männliche und mitunter stigmatisierende Stimme. Die alleinige konservative Behandlung kommt nach der Richtlinie des GKV-Spitzenverband vom 19.05.2009 „Begutachtungsanleitung – Geschlechtsangleichende Maßnahmen bei Transsexualität“ nur in Betracht, wenn bereits vorab eine relativ hohe mittlere Sprechstimmlage vorgelegen hat. Dies ist bei dem Kläger nicht der Fall.
cc. Ein Anspruch auf Erstattung der geltend gemachten Kosten für die Mamma-Augmentationsplastik (Brustvergrößerung) nach § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V i.V.m. § 27 Abs. 1 SGB V besteht nicht. Der Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V reicht nach ständiger Rechtsprechung des BSG nicht weiter als ein entsprechender Sachleistungsanspruch; er setzt daher voraus, dass die selbstbeschaffte Behandlung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkassen allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben (vgl. BSG, U.v. 12.9.2015 – B 1 KR 15/14 R – juris, Rn. 8). Dies ist hier nicht der Fall: Die Klägerin hat bereits keinen Naturalanspruch auf Versorgung mit einer Mamma-Augmentationsplastik.
Der Anspruch auf geschlechtsangleichende Operationen ist wie oben dargelegt auf die Herbeiführung eines Zustandes begrenzt, bei dem aus der Sicht eines verständigen Betrachters eine deutliche Annäherung an das Erscheinungsbild des anderen Geschlechts eintrete. Im vorliegenden Fall ist die von der Klägerin selbstbeschaffte Brustvergrößerungsoperation im März 2017 zur Behandlung des Transsexualismus nicht erforderlich gewesen.
Vorliegend lässt es sich nicht anhand von Messwerten feststellen, ob die Brustgröße bei der Klägerin vor der Brustvergrößerungsoperation am 09.03.2017 die für konfektionierte Damenoberbekleidung vorgesehene Größe A nach DIN EN 13402 bei erfolgter Ausatmung im Rahmen normaler Messung ohne weitere Mittel voll ausgefüllt hatte und damit den Kriterien entsprochen hatte, bei denen das Bundessozialgericht einen Anspruch auf Brustvergrößerung verneint hat. Im Rahmen der Beweiserhebung haben die behandelnden Ärzte keine maßgeblichen Messwerte mitgeteilt.
Dies kann jedoch dahinstehen. Aus dem Urteil des Bundessozialgerichts vom 11.9.2012 – B 1 KR 9/12 R – kann nicht der Umkehrschluss gezogen werden, dass immer dann, wenn der Brustansatz die für die konfektionierte Damenoberbekleidung vorgesehene Körbchengröße A nicht erreicht, die Erforderlichkeit einer Brustvergrößerungsoperation zu bejahen ist. Maßgeblich ist jeweils das objektive Erscheinungsbild (LSG Rheinland-Pfalz, U.v. 19.05.2016 – L 5 KR 120/15 – juris, Rn. 4). Auch in Fällen, in denen der Brustansatz die normierte Körbchengröße A nicht ausfüllt, kann unter Berücksichtigung der Gegebenheiten des Einzelfalls das Erscheinungsbild des Betroffenen bereits dem anderen Geschlecht hinreichend angenähert sein und deshalb ein Anspruch auf weitergehende geschlechtsangleichende Behandlungen zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung nicht bestehen. Ob dies aus der Sicht eines verständigen Betrachters der Fall ist, haben die Tatsachengerichte durch Inaugenscheinnahme unter Berücksichtigung des Gesamterscheinungsbilds der Betroffenen festzustellen. Auf die subjektiven Wünsche der Betroffenen kommt es dabei nicht entscheidend an. Denn das Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz verbietet es, transsexuellen Versicherten einen umfassenderen leistungsrechtlichen Zugang zu kosmetischen Operationen zu eröffnen, der nicht-transsexuellen Versicherten von vornherein versperrt ist (LSG Rheinland-Pfalz, a.a.O., Rn. 17, m.w.N.).
Die im März 2017 durchgeführte Operation war nach alledem nicht erforderlich, da nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Fortführung der hormonellen Behandlung zum Brustaufbau ausreichend gewesen wäre bzw. gewesen ist. Die Klägerin begann ihre Hormonbehandlung im August 2015, der operative Brustaufbau erfolgte bereits am 09.03.2017 und damit nach etwa 20 Monaten Hormontherapie. Voraussetzung für den operativen Brustaufbau ist jedoch eine gegengeschlechtliche Hormonersatztherapie von ausreichender Intensität und Dauer. Die Kammer geht mit der Leitlinie davon aus, dass eine Hormonersatztherapie von regelmäßig mindestens 24 Monaten durchzuführen ist. Davon ist vorliegend auch keine Ausnahme zu machen, wenngleich nach den vorliegenden Bildern vor der Operation keine hinreichende Annäherung an ein weibliches Erscheinungsbild bestanden hat. Die Klägerin übermittelte die Bilder bereits am 09.09.2016, so dass Rückschlüsse auf den tatsächlichen erreichten Brustaufbau zum 09.03.2017 – infolge der weiteren Hormontherapie – nicht möglich sind.
dd. Daneben hat die Klägerin ferner keinen Anspruch auf die avisierte Gesichtsfeminisation.
Die Abtragung der Gestirnwülste, Brauenwülste und Verweiblichung des Kinns, der Nase und der Wangen, Erniedrigung der Stirnhöhe samt Reduktion des Haaransatzes stellen formverbessernde Eingriffe dar, die als kosmetische Eingriffe einzustufen sind. Nach Auswertung der Bilddokumentation sowie des persönlichen Eindrucks der Klägerin im Rahmen der mündlichen Verhandlung ist die Stirnpartie wie auch der Gesichtsbereich über den Augenhöhlen nicht in einem solchen Maße vom Erscheinungsbild des weiblichen Geschlechts entfernt, dass erst durch eine Abtragung der Stirnpartie und einem Abschleifen der Knochen über den Augenhöhlen eine deutliche Annäherung an das Erscheinungsbild des weiblichen Geschlechts herbeigeführt wird. Auch ohne die begehrten Operationen besteht zur Überzeugung der Kammer eine hinreichende Annäherung an ein weibliches Erscheinungsbild. Auf subjektive Wünsche der Klägerin kommt es dabei nicht entscheidend an. Denn das Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz verbietet es, transsexuellen Versicherten einen umfassenderen leistungsrechtlichen Zugang zu kosmetischen Operationen eröffnen, der nicht-transsexuellen Versicherten von vornherein versperrt ist (LSG Rheinland-Pfalz, U.v. 19.5.2016 – L 5 KR 120/15 – juris, Rn. 17 m.w.N.).
ee. Letztlich hat die Klägerin gemessen an den dargestellten rechtlichen Maßstäben grundsätzlich Anspruch auf Behandlung mittels Baarthaarepilation zur dauerhaften Entfernung der Barthaare als Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung. Ein männlicher Bartwuchs im Gesicht steht einer deutlichen Annährung an das weibliche Erscheinungsbild entgegen (so auch SG Berlin, U.v. 15.3.2016 – S 51 KR 2136/13 – juris, Rn. 29).
Allerdings hat die Klägerin weder einen Anspruch auf die beantragte Kostenfreistellung (für die Vergangenheit) nach § 13 Abs. 3 Satz 7 i.V.m. § 27 Abs. 1 SGB V noch auf Kostenübernahme (für die Zukunft) nach § 27 Abs. 1 SGB V für eine Behandlung durch die Kosmetikerin K..
Die bei der Klägerin durchgeführte Epilation ist im Hinblick darauf, dass sie im EBM und auch in der Gebührenordnung für Ärzte aufgeführt ist, als ärztliche Behandlung (§ 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, § 28 Abs. 1 SGB V), nicht etwa als Heilmittel (§ 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3, § 32 SGB V) anzusehen. Ärztliche Behandlungen dürfen aber nur von Ärzten erbracht werden (§ 15 Abs. 1 SGB V – sog. Arztvorbehalt; vgl. BSG, U.v. 13.12.2016 – B 1 KR 4/16 R – juris, Rn. 10 ff.; LSG Baden-Württemberg, U.v. 27.1.2009 – L 11 KR 3126/08 – juris, Rn. 27; Bayerisches LSG, U.v. 7.5.2009 – L 4 KR 465/07 – juris, Rn. 27; a.A.: SG Hannover, U.v. 19.9.18 – S 86 KR 384/18; SG Berlin, U.v. 3.5.2017 – S 89 KR 3924/15; LSG NRW, U.v. 8.5.2014 – L 16 KR 453/12 – alle juris). Die selbstbeschafften Behandlungen wurden nicht von einer Vertragsärztin erbracht, so dass allein deswegen ein Kostenerstattungsanspruch ausscheidet. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist das Gericht auf die insoweit zutreffenden Ausführungen im Widerspruchsbescheid der Beklagten und sieht gemäß § 136 Abs. 3 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab. Ergänzend weist die Kammer auf das zwischenzeitlich ergangene Urteil des BSG, welche die Entscheidung der Beklagten (nochmals) bestätigt, hin: Es ist nach der jüngsten Entscheidung des BSG rechtlich nicht von Belang, dass die Klägerin keinen Vertragsarzt gefunden hat; Selbst wenn Versicherte keine Vertragsärzte finden, die eine Behandlung erbringen wollen (sog. Systemversagen), begründet dies keinen Anspruch auf Verschaffung einer Behandlung durch einen Nichtarzt (vgl. Terminsbericht BSG, U.v. 18.12.2018 – B 1 KR 34/17 R – juris).
2. Die Klägerin kann ihre Ansprüche auch nicht auf § 13 Abs. 3a Satz 6 bzw. 7 SGB V stützen. Der Antrag der Klägerin auf Kostenübernahme der geschlechtsangleichenden Operationsmaßnahmen der primären und sekundären Geschlechtsmerkmale ist bei der Beklagten am 09.03.2016 eingegangen. Die Beklagte hat innerhalb der maßgeblichen fünfwöchigen Frist (Unterrichtung der Klägerin mit Schreiben vom 14.03.2016) über den Antrag entschieden. Einen weiteren fiktionsfähigen Antrag hat die Klägerin nicht gestellt; der weitere Schriftverkehr ist Teil des Widerspruchsverfahrens.
Nach alldem war der Klage wie tenoriert stattzugeben.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.


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