Medizinrecht

Krankenversicherung: Erstattung von Kosten einer Pauschalkur (ambulante Vorsorgeleistung) im EU-Ausland

Aktenzeichen  L 4 KR 405/19

Datum:
27.5.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 27523
Gerichtsart:
LSG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
SGB V § 13 Abs. 3a, Abs. 4, § 23 Abs. 2, Abs. 3
VO (EG) 883/2004
VO (EG) 987/2009

 

Leitsatz

1. Die Genehmigungsfiktion nach § 13 Abs. 3 a SGB V ist nur auf Sach- und Dienstleistungen bezogen, nicht jedoch auf Geldleistungen wie hier den reinen Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 4 SGB V. (Rn. 25)
2. Bei einer Pauschalreise mit einem Gesamtpauschalpreis für eine Kur fehlt es vor allem an der Möglichkeit einer notwendigen Abgrenzbarkeit der Kosten für die medizinischen Leistungen von den sonstigen Kosten. (Rn. 36)
3. Eine (nachträgliche) Abgrenzbarkeit in dem Umfang, wie sie nach der Kur von einem Kurarzt bescheinigt wird, lässt Raum für Manipulationen bzw. zum Hinrechnen der Behandlungen im Rahmen des Gesamtpreises. Vor allem aber steht dem entgegen, dass der Gesamtpreis vertraglich bereits vor Kurantritt feststeht. (Rn. 38)
4. Der Ausschluss von Pauschalkuren von der Kostenerstattung verstößt auch nicht gegen europäisches Recht. (Rn. 42)
5. Der durch richterliche Rechtsfortbildung geschaffene Anspruch aufgrund eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs wird durch den Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 4 SGB V verdrängt. (Rn. 47)

Verfahrensgang

S 2 KR 736/18 2019-06-05 Urt SGAUGSBURG SG Augsburg

Tenor

I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 5. Juni 2019 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Die form- und fristgerecht (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz – SGG) eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig, jedoch unbegründet.
Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Zutreffend hat das Sozialgericht zunächst eine Genehmigungsfiktion nach § 13 Abs. 3 a SGB V für den geltend gemachten Kostenerstattungsanspruch verneint und damit im Weiteren auf den gestellten Hilfsantrag abgestellt.
Den Antrag auf Naturalleistung in Form der Gewährung einer ambulanten Vorsorgeleistung hat die Beklagte mit bestandskräftigem Bescheid vom 20.02.2018 für den Kläger positiv verbeschieden. Der Kläger bezieht die Annahme, es sei die Genehmigungsfiktion nach § 13 Abs. 3 a SGB V eingetreten, auf den weiteren Antrag vom 24.05.2018. Dieser ist auf Erstattung der für die ambulante Vorsorgeleistung bereits getätigten Kosten gerichtet. Die Genehmigungsfiktion nach § 13 Abs. 3 a SGB V ist nur auf Sach- und Dienstleistungen bezogen, nicht jedoch auf Geldleistungen wie hier den reinen Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 4 SGB V. Diese Rechtsprechung des Senats (Bayer. Landessozialgericht, Urt. v. 14.03.2019, L 4 KR 558/17) hat das BSG mit Urteil vom 26.05.2020 (B 1 KR 21/19 R) bestätigt und ausgeführt, dass § 13 Abs. 3 a SGB V auf Ansprüche nach § 13 Abs. 4 SGB V sachlich nicht anwendbar ist. Dies gilt auch vorliegend, da der Antrag vom 24.05.2018 unmittelbar auf eine Geldleistung gerichtet war; zum Zeitpunkt des Antrags war die Reise schon verbindlich gebucht und bezahlt gewesen.
Auch der für diesen Fall formulierte „Hilfsantrag“ des Klägers ist unbegründet.
Ebenfalls zutreffend hat das Sozialgericht einen Anspruch aus § 13 Abs. 3 SGB V abgelehnt, da diese allein für Inlandssachverhalte konzipierte Norm neben den europarechtskonform auszulegenden Regelungen des deutschen Kostenerstattungsrechts in § 13 Abs. 4 und 5 SGB V nicht anwendbar ist. Für den Kuraufenthalt in der Tschechischen Republik kann die Sperre des § 16 Abs. 1 Nr. 1 SGB V, der ein Ruhen der Ansprüche nach dem SGB V während eines Auslandsaufenthalts anordnet, durch die Regelungen des koordinierenden Europarechts nach VO (EG) Nr. 883/2004 und VO (EG) Nr. 987/2009 nicht überwunden werden (BSG, Urt. v. 30.06.2009, B 1 KR 22/08 R – juris; Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urt. v. 17.10.2018, L 5 KR 4229/17). Von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe wird insoweit abgesehen, da der Senat die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist (§ 153 Abs. 2 SGG).
Zutreffend hat das Sozialgericht auch einen Anspruch aus § 13 Abs. 4 SGB V und aus dem sog. sozialrechtlichen Herstellungsanspruch als nicht gegeben angesehen.
Nach § 13 Abs. 4 S. 1 SGB V sind Versicherte berechtigt, auch Leistungserbringer in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union, einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz anstelle der Sach- oder Dienstleistung im Wege der Kostenerstattung in Anspruch zu nehmen, es sei denn, Behandlungen für diesen Personenkreis im anderen Staat sind auf der Grundlage eines Pauschbetrages zu erstatten oder unterliegen auf Grund eines vereinbarten Erstattungsverzichts nicht der Erstattung. Es dürfen nur solche Leistungserbringer in Anspruch genommen werden, bei denen die Bedingungen des Zugangs und der Ausübung des Berufes Gegenstand einer Richtlinie der Europäischen Gemeinschaft sind oder die im jeweiligen nationalen System der Krankenversicherung des Aufenthaltsstaates zur Versorgung der Versicherten berechtigt sind (§ 13 Abs. 4 S. 2 SGB V). Nach Satz 3 besteht der Anspruch auf Erstattung höchstens in Höhe der Vergütung, die die Krankenkasse bei Erbringung als Sachleistung im Inland zu tragen hätte. Die Satzung hat das Verfahren der Kostenerstattung zu regeln. Sie hat dabei ausreichende Abschläge vom Erstattungsbetrag für Verwaltungskosten in Höhe von höchstens 5 Prozent vorzusehen sowie vorgesehene Zuzahlungen in Abzug zu bringen (§ 13 Abs. 4 S. 4 u. 5 SGB V).
Zu den sonstigen Kosten wie insbesondere für Unterkunft und Verpflegung kann ein Zuschuss in Höhe von kalendertäglich 13,00 EUR (damaliger Stand) gezahlt werden, § 23 Abs. 2 SGB V a.F.).
Die Versicherten können sich grundsätzlich nur die im System der deutschen Krankenversicherung vorgesehenen Sach- und Dienstleistungen in anderen EU- und EWR-Staaten selbst beschaffen. Die Leistung muss insbesondere notwendig, wirtschaftlich und wirksam sein (vgl. §§ 2 Abs. 1, 12). Inländische Leistungsvoraussetzungen gelten uneingeschränkt fort, soweit sie nicht diskriminierend wirken. Sind Ansprüche etwa von der Einhaltung eines besonderen Verfahrens oder einer besonderen vorherigen Genehmigung der Krankenkasse abhängig, so gelten diese Voraussetzungen grundsätzlich auch bei einer Beschaffung der Leistung im EU-Ausland (KassKomm-Schifferdecker, SGB V, § 13 Rn. 174, 175 m.w.N.). § 13 Abs. 4 S. 3 SGB V begrenzt den Kostenerstattungsanspruch auf die Höhe der Vergütung, die die Krankenkasse bei Erbringung als Sachleistung im Inland zu tragen hätte.
Dementsprechend hat die Beklagte mit bestandskräftigem Bescheid vom 20.02.2018 einer ambulanten Vorsorgeleistung in M.-Stadt (Tschechische Republik) zugestimmt und die Erstattung der Kosten hierfür in Höhe der im Inland gültigen Vertragssätze, eventuell begrenzt auf die tatsächlichen Kosten, zugesichert. Der Erstattungsbetrag für die medizinischen Leistungen vermindert sich um den gesetzlich vorgeschriebenen Abschlag für fehlende Wirtschaftlichkeitsprüfungen und Verwaltungskosten in Höhe von 10 Prozent, mindestens 3,00 EUR, höchstens 50,00 EUR. Die übrigen Kosten der ambulanten Vorsorgeleistung wie Aufwendungen für Unterbringung, Verpflegung, Kurtaxe, Fahrkosten können gemäß dem Bescheid bei einer Maßnahmendauer von mindestens 14 Kalendertagen mit einem Pauschbetrag von 100,00 EUR bezuschusst werden.
Dass der Reisevertrag mit dem tschechischen Reiseveranstalter zu Stande gekommen ist, steht allerdings einem Kostenerstattungsanspruch grundsätzlich § 13 Abs. 4 S. 2 SGB V nicht entgegen. Nach dem Satz 2 dürfen nur solche Leistungserbringer in Anspruch genommen werden, bei denen die Bedingungen des Zugangs und der Ausübung des Berufes Gegenstand einer Richtlinie der Europäischen Gemeinschaft sind oder die im jeweiligen nationalen System der Krankenversicherung des Aufenthaltsstaates zur Versorgung der Versicherten berechtigt sind. Unstreitig wurden die Behandlungsleistungen vom medizinischen Personal in M.-Stadt und somit im EU-Ausland erbracht. Anders als im Fall des LSG Baden-Württemberg (a.a.O.) war hier Reiseveranstalter ein tschechischer Reiseveranstalter. Das deutsche Reisebüro S. aus B.-Stadt trat laut Buchung ausschließlich als Vermittler zwischen den Reiseveranstaltern und den Kunden auf. Letztlich kann der Senat die Frage, ob diese Leistungserbringer im jeweiligen nationalen System der Krankenversicherung des Aufenthaltsstaates zur Versorgung der Versicherten berechtigt sind, dahingestellt lassen, denn Maßnahmen im Rahmen einer Pauschalkur sind im Rahmen des § 13 As. 4 SGB V nicht erstattungsfähig.
Demgemäß hat die Beklagte – gemäß dem Hinweis in ihrem Bescheid vom 20.02.2018 – Maßnahmen im Rahmen einer Pauschalkur, also Fälle, in denen im Reisepreis sowohl Unterkunft und Verpflegung als auch ärztliche Behandlungen und medizinisch-therapeutische Anwendungen enthalten sind, ausgeschlossen.
Die Betreuerin des Klägers hat mit Vertrag vom 26.02.2018 für den Kläger eine Pauschalreise mit einem Gesamtpreis gebucht. Die Reise bzw. der Aufenthalt wurde über das Reisebüro S. in B.-Stadt gebucht. Als Leistungen waren enthalten für zwei Personen Doppelzimmer, Vollpension und Kur im Kurhaus P. mit drei Anwendungen pro Person/Tag zum Einzelpreis von 1.371.- EUR abzüglich Stammkundenrabat in Höhe von 30.- EUR. Reiseveranstalter ist die Fa. T., laut Internetrecherche ein Reiseveranstalter aus Tschechien und einer der führenden Reiseveranstalter in den tschechischen Thermen.
Dabei hat der Ausschluss einer Pauschalkur seine Rechtsgrundlage nicht in dem Bescheid vom 20.02.2018, sondern ergibt sich aus § 13 Abs. 4 S. 3 in Verbindung mit § 23 Abs. 2 und 3 SGB V. Der Ausschluss einer Pauschalkur ist nämlich nicht unmittelbarer Regelungsgegenstand des Bescheides vom 20.02.2018, sondern nur als „Wichtiger Hinweis“ aufgeführt und gesondert am Ende des Bescheidtextes angefügt. Der Hinweis ist somit nicht unmittelbar vom Regelungsgehalt des Verwaltungsaktes umfasst (a.A. LSG Baden-Württemberg, a.a.O., das angenommen hat, dass mit dem Bescheid die bewilligte ambulante Vorsorgeleistung im Ausland dahingehend begrenzt ist, dass Pauschalkuren von der Bewilligung und damit von der Erstattungsfähigkeit ausgenommen sind). Im Ergebnis ist dieser Hinweis zutreffend:
Das Sozialgericht Stralsund hat z.B. im Urteil vom 20.01.2017 (S 3 KR 180/14 – juris) die Ansicht vertreten, dass in einem solchen Fall einem Kostenerstattungsanspruch nicht entgegenstehe, dass der Versicherte mit einem Leistungserbringer im Sinne des § 13 Abs. 4 S. 2 SGB V nicht nur eine Vereinbarung über die Inanspruchnahme von ärztlichen und ärztlich verordneten Vorsorgemaßnahmen, sondern über die gleichzeitige Zurverfügungstellung von Unterkunfts-, Verpflegungs- und sonstigen Leistungen getroffen hat (juris Rn. 29). Werde in einem solchen Fall von dem Versicherten mit dem Leistungserbringer ein Gesamtpreis für die medizinischen Behandlungsmaßnahmen einschließlich Unterkunft, Verpflegung und sonstige Leistungen vereinbart, so stehe dies jedenfalls dann nicht einer Kostenerstattung nach Maßgabe der §§ 13 Abs. 4 S. 1, 23 Abs. 2 S. 1 und 2 SGB V in Verbindung mit den einschlägigen Regelungen der Satzung der Krankenkasse entgegen, wenn von dem Versicherten Art, Umfang und Preis der jeweils in Anspruch genommenen Leistungen ggf. durch eine nachträgliche Erklärung des Leistungserbringers nachgewiesen werde (juris, Rn. 27).
Die entgegengesetzte Ansicht wird von der Vorinstanz sowie z.B. vom Sozialgericht Altenburg (Urteil v. 26.07.2018, S 14 KR 1924/16) und vom Landessozialgericht Baden-Württemberg (Urteil v. 17.10.2018, a.a.O.) vertreten. Die Gewährung von ambulanten Vorsorgeleistungen in anerkannten Kurorten richtet sich nach § 23 Abs. 2 und 3 SGB V. `Ambulant´ beinhaltet hierbei keine Unterkunft und Verpflegung – diese müssen sich die Versicherten selbst beschaffen. Gemäß § 23 Abs. 2 S. 2 und 3 SGB V kann die Krankenkasse hierzu als Satzungsleistung Zuschüsse gewähren (zum damaligen Zeitpunkt höchstens 13.- EUR). Der Senat teilt die auch von der Vorinstanz und vom LSG Baden-Württemberg vertretene Ansicht, dass es bei einer Pauschalreise mit einem Gesamtpauschalpreis vor allem an der Möglichkeit einer notwendigen Abgrenzbarkeit der Kosten für die medizinischen Leistungen von den sonstigen Kosten fehlt. Wenn die Kosten für die medizinischen Leistungen der Höhe nach nicht von den sonstigen Kosten abgrenzbar sind und umgekehrt, kann vom Versicherungsträger nicht geprüft werden, ob überhaupt und in welcher Höhe sonstige Kosten in Höhe von 13,00 EUR kalendertäglich angefallen sind. Außerdem kann die Erstattung nicht auf die medizinischen Kosten begrenzt werden, die bei der Umsetzung des Sachleistungsanspruchs im Inland zu tragen wären (so auch LSG Baden-Württemberg, a.a.O.).
Vorliegend hat der Kläger zwar eine „Rechnung“ bzw. „Bestätigung“ des tschechischen Arztes X. vom 20.06.2018 über die medizinischen Behandlungen (Lymphmassage, Magnetotherapie, Paraffinhandpackung, Gasspritze, Trock. Gasbad + „Osygenoterap“, ärztliche Bestätigung, ärztliche Untersuchung) im Zeitraum vom 03. bis 23.06.2018 in Höhe von 20.600.-CZK vorgelegt und eingereicht. Gemäß Umrechnung wurde die Summe vom 797,33 EUR eingefordert. Im Rahmen seines Antrags vom 20.06.2018 hat der Kläger die Kosten dementsprechend nachträglich aufgeschlüsselt: 795.- EUR Prozeduren, 561.- EUR Unterkunft und Verpflegung, 129.- EUR Transfer. Begleitend wurde die Kurkarte vorgelegt. Insoweit ist eine (nachträgliche) Abgrenzbarkeit in dem Umfang, wie sie nach der Kur vom Kurarzt bescheinigt wird, gegeben. Dies lässt allerdings Raum für Manipulationen bzw. zum Hinrechnen der Behandlungen im Rahmen des Gesamtpreises. Vor allem aber steht der Gesamtpreis vertraglich bereits vor Kurantritt fest, wobei zum Buchungszeitraum die ärztliche Untersuchung vor Ort und die Art und der Umfang der einzelnen Anwendungen noch offen war. Auch aus der Anregung einer ambulanten Vorsorgeleistung in anerkannten Kurorten vom 02.02.2018, ausgestellt vom Allgemeinarzt V., ergeben sich keine konkreten Behandlungsmaßnahmen. Es lag also auch in vorliegendem Verfahren z.B. bei der Buchung der Reise am 26.02.2018 keine Verordnung für beispielsweise zehnmal Behandlung x und zehnmal Behandlung y vor. Vielmehr erfolgte erst in M.-Stadt eine ärztliche Untersuchung, die im Gesamtpreis mit verrechnet wurde. Im Gesamtbetrag des Aufenthalts inbegriffen sind nur pauschal „3 Anwendungen pro Person/Tag“ (Vertrag/Rechnung vom 26.02.2018). Je nach Art differiert der Unterschied zwischen Prozeduren und sonstigen Kosten. Aus der „Rechnung/Bestätigung“ des Arztes X. vom 20.06.2018 ergibt sich, dass der Einzelpreis für Anwendungen unterschiedlich ist; er liegt zwischen 400,00 CZK und 800,00 CZK.
Im Übrigen wurde die Reise für zwei Personen gebucht und der Preis für die begleitende Ehefrau beträgt die Hälfte des Gesamtbetrags. Sie müsste also in derselben Wertigkeit Anwendungen erhalten haben wie der Kläger, was doch eher unwahrscheinlich ist. Vielmehr erfolgt gerade keine Individualisierung der notwendigen Behandlung, sondern es liegt eine Vereinbarung eines Gesamtpauschalpreises vor. Der Kläger hat einen vertraglichen Anspruch auf drei Anwendungen am Tag und bleibt zur Entrichtung des Pauschalpreises verpflichtet, unabhängig davon, ob und in welcher Höhe für die Erbringung der Einzelleistungen Kosten entstanden sind (so auch LSG Baden-Württemberg, a.a.O. unter 1. b) bb)).
Ein Anspruch auf Kostenerstattung nach § 13 Abs. 4 SGB V ist somit gemäß § 13 Abs. 4 S. 3 SGB V ausgeschlossen.
Der Ausschluss von Pauschalkuren von der Kostenerstattung verstößt auch nicht gegen europäisches Recht. Es findet insbesondere keine Benachteiligung von Reiseveranstaltern aus dem EU-Ausland statt. Denn wie auch aus der Entscheidung des LSG Baden-Württemberg (a.a.O.) ersichtlich, treten als Reiseveranstalter auch Unternehmen mit Sitz in Deutschland auf. Auch in diesen Fällen ist ein Kostenerstattungsanspruch ausgeschlossen. Pauschalkuren werden sowohl von ausländischen Veranstaltern wie hier einem tschechischen Reiseveranstalter als auch von deutschen Veranstaltern angeboten.
Ein Kostenerstattungsanspruch lässt sich schließlich nicht aufgrund eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs wegen eines Beratungsfehlers, hier einer behaupteten Falschberatung, ableiten.
Zum einen hat die Beklagte umfassend aufgeklärt. Der schriftliche Hinweis im Bescheid vom 20.02.2018, dass für Pauschalkuren keine Kostenerstattung erfolgt, lässt an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig. Der Kläger hätte, wie das Sozialgericht zutreffend ausführt, bereits aufgrund dieses Hinweises erkennen müssen, dass es sich bei der von ihm im Anschluss gebuchten Reise um eine Pauschalkur handelt, für die eine Erstattung ausscheidet. Dem in dem Bescheid auch optisch klar hervorgehobenen Hinweis ist ein besonderer Aussagewert zuzuerkennen.
Sofern der Kläger vorbringt, dass dennoch Beratungsbedarf bestanden hätte, ist dieser nicht substantiiert vorgetragen bzw. nur schwer nachzuvollziehen, zumal auch im Reisebüro im Rahmen der Vertragsanbahnung eine Beratung erfolgen kann. Ein Beratungsbegehren ist im Übrigen nicht aktenkundig.
Wesentlich ist jedoch, dass im Übrigen der sozialrechtliche Herstellungsanspruch dem Kläger als Rechtsfolge nur einen Anspruch gibt, so gestellt zu werden, als wäre eine zutreffende Beratung erfolgt. Er stellt keinen Schadensersatzanspruch dar. Zum Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 S. 1 SGB V hat das BSG ausgeführt, dass dieser nicht dadurch unterlaufen werden darf, dass weitergehende Rechte aus dem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch abgeleitet werden. Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch findet nach dieser Rechtsprechung bereits als Anspruchsgrundlage neben dem Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 SGB V keine Anwendung (BSG v. 02.11.2007, B 1 KR 14/07 R).
Der Senat teilt die Ansicht des Sozialgerichts, das diese Rechtsprechung entsprechend auf den Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 4 SGB V übertragen hat. Soweit der Kläger argumentiert, dass der sozialrechtliche Herstellungsanspruch systematisch zu einem „Systemversagen“, wie das auch den § 13 Abs. 3 und Abs. 3 a SGB V zugrunde liege, passe, nicht jedoch zu § 13 Abs. 4 SGB V, der lediglich allgemein den Kostenerstattungsanspruch bei Behandlungen im EU-Ausland betreffe, ist diese Argumentation nicht stichhaltig. Es geht nämlich allgemein um den Ausschluss des Unterlaufens der Vorgaben eines Kostenerstattungsanspruchs. Das BSG hat in der o.g. Entscheidung vom 02.11.2007 (B 1 KR 14/07 R – juris) ausgeführt, dass auf den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch als richterrechtlich entwickeltes Rechtsinstitut nur dann zurückzugreifen ist, wenn spezielle gesetzliche Regelungen nicht zur Verfügung stehen (BSG, a.a.O., juris Rn. 22 m.w.N.). Diese Entscheidung ist zwar, wie dargelegt, auf § 13 Abs. 3 SGB V bezogen; das LSG Niedersachsen-Bremen hat in einem Urteil vom 24.04.2008 (L 1 KR 31/07 – juris) hierzu in Bezug auf die Nichtanwendbarkeit des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs bei § 13 Abs. 4 SGB V (ohne weitere Begründung) ausgeführt: „Solche speziellen gesetzlichen Regelungen liegen hier aber mit § 13 Abs. 4 und 5 SGB vor.“ (LSG Niedersachsen-Bremen, a.a.O., juris Rn. 36). Dem schließt sich der Senat an. § 13 Abs. 4 SGB V ist mehr noch als der allgemeine Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 SGB V eine spezielle gesetzliche Regelung – dies gilt zum einen für die Voraussetzungen des Kostenerstattungsanspruchs bzgl. EUausländischem Bezug, zum anderen stellt er einen Anspruch auf eine sachleistungsersetzende Kostenerstattung dar. Er ist auf eine Geldleistung für die vorausgegangene Beschaffung einer Leistung hier im EU-Ausland gerichtet (bestätigt durch BSG, Urt. v. 26.05.2020, a.a.O.). Der durch richterliche Rechtsfortbildung geschaffene Anspruch aufgrund eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs wird hierdurch verdrängt.
Ob tatsächlich bei der telefonischen Nachfrage durch die Tochter bei der Beklagten eine Falschberatung erfolgt, ist daher unbeachtlich; die für die angeblich erfolgte telefonische Falschberatung angebotene Zeugin ist daher hierzu nicht zu hören.
Haupt- und Hilfsantrag sind daher nicht stattzugeben. Die Berufung ist somit zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen


Nach oben