Medizinrecht

Leistungen, Erkrankung, Versorgung, Bescheid, Arzt, Krankheit, Vertragsarzt, Genehmigung, Berufung, Abrechnung, Widerspruchsbescheid, Leistungsbeschreibung, Revision, Leistung, Abrechnung von Leistungen, Zeitpunkt des Erlasses, Zulassung der Revision

Aktenzeichen  L 12 KA 126/16

Datum:
17.3.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 53143
Gerichtsart:
LSG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

1. Eine Delegation von Leistungen an ärztliches Personal kommt im vertragsärztlichen Bereich nur in Betracht, wenn es sich um angestellte Ärzte oder Assistenten handelt, deren Beschäftigung von den Zulassungsgremien genehmigt worden ist.
2. Die Durchführung einer Array-CGH-Analyse erfüllt nicht den Leistungsinhalt der GOP 11320 und 11321 EBM-Ä.

Verfahrensgang

S 21 KA 1179/13 2016-09-21 SGMUENCHEN SG München

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG München vom 21.09.2016, S 21 KA 1179/13, wird zurückgewiesen.
II. Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens. Die Kosten der Beigeladenen sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Die Entscheidung konnte im Einverständnis mit den Beteiligten ohne mündliche Verhandlung ergehen (§ 153 Abs. 1, § 124 Abs. 2 SGG).
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 7.1 2013 in der Gestalt des für die sozialgerichtliche Überprüfung maßgeblichen Widerspruchsbescheides vom 11.12.2013 (§ 95 SGG) ist rechtmäßig und beschwert die Klägerin nicht (§ 54 Abs. 2 SGG). Das SG hat die Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung, die sich der Senat zu eigen macht, § 153 Abs. 2 SGG, abgewiesen. Auch die in der Berufung vorgetragenen Argumente führen zu keinem anderen Ergebnis.
Der Richtigstellungsbescheid der Beklagten ist formell und materiell rechtmäßig. Rechtsgrundlage der sachlich-rechnerischen Richtigstellung ist § 106a Abs. 2 SGB V (hier noch in der Fassung des GKV-Modernisierungsgesetzes vom 14.11.2003, BGBl I 2190 ; heute § 106d Abs. 2 SGB V). Danach stellt die KÄV die sachliche und rechnerische Richtigkeit der Abrechnung der an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte und Einrichtungen fest; dazu gehört auch die arztbezogene Prüfung der Abrechnungen auf Plausibilität. Gegenstand der arztbezogenen Plausibilitätsprüfung ist insbesondere der Umfang der je Tag abgerechneten Leistungen im Hinblick auf den damit verbundenen Zeitaufwand des Arztes (§ 106a Abs. 2 Satz 2 SGB V aF). Bei der Prüfung nach Satz 2 ist ein Zeitrahmen für das pro Tag höchstens abrechenbare Leistungsvolumen zugrunde zu legen; zusätzlich können Zeitrahmen für die in längeren Zeitperioden höchstens abrechenbaren Leistungsvolumina zugrunde gelegt werden (§ 106a Abs. 2 Satz 3 SGB V aF). Die Prüfung auf sachlich-rechnerische Richtigkeit der Abrechnung des Vertragsarztes zielt auf die Feststellung, ob die Leistungen rechtmäßig, also im Einklang mit den gesetzlichen vertraglichen oder satzungsrechtlichen Vorschriften des Vertragsarztrechts – mit Ausnahme des Wirtschaftlichkeitsgebotes – erbracht und abgerechnet worden sind (vgl. BSG Urteil vom 24.10.2018 – B 6 KA 42/17 R – BSGE 127, 43 = SozR 4-2500 § 106a Nr. 19, RdNr. 10 sowie zuletzt Urteile vom 15.5.2019 – B 6 KA 63/17 R – SozR 4-2500 § 106a Nr. 23 und vom 30.10.2019 – B 6 KA 9/18 R – RdNr. 13, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4 vorgesehen). Eine nach den Bestimmungen zur sachlich-rechnerischen Richtigstellung rechtmäßige (Teil-)Aufhebung der Honorarbescheide mit Wirkung für die Vergangenheit löst nach § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X eine entsprechende Rückzahlungsverpflichtung des Empfängers der Leistung aus (vgl. BSG, Urt. v. 14.12.2005 – B 6 KA 17/05 R – BSGE 96, 1 = SozR 4-2500 § 20085 Nr. 22, zitiert nach juris Rdnr. 11 m. w. N.).
Die näheren Einzelheiten des Plausibilitätsprüfungsverfahrens ergeben sich aus den auf der Grundlage von § 106a Abs. 6 SGB V aF (heute: § 106d Abs. 6 SGB V) vereinbarten „Richtlinien der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und der Spitzenverbände der Krankenkassen zum Inhalt und zur Durchführung der Abrechnungsprüfung der Kassenärztlichen Vereinigungen und der Krankenkassen“ (AbrPr-RL) in der hier grundsätzlich für die Quartale 2/2007 bis 2/2008 noch maßgebenden bis zum 30.6.2008 geltenden (DÄ 2004, A-2555, A-3135; im Folgenden AbrPr-RL 2004) und der für die Quartale 3/2008 bis 3/2010 ab dem 1.7.2008 geltenden Fassung (DÄ 2008, 1925; im Folgenden AbrPr-RL 2008).
Anlass für die sachlich-rechnerische Richtigstellung war vorliegend eine Überschreitung der auf der Grundlage von Prüfzeiten ermittelten Quartalsarbeitszeit im Quartal 1/2008 sowie Arbeitszeiten von 12 Stunden an mehr als 24 Tagen eines Quartals. Der Zeitumfang der abgerechneten Leistungen betrug im Quartal 1/2008 1.797,72 Stunden und übersteigt die Quartalsarbeitszeit von 780 Stunden deutlich. Sodann hat die Beklagte die Prüfung zulässigerweise auf die Quartale 2/2007 bis 3/2010 ausgeweitet. Nach § 12 Abs. 1 AbrPr-RL führt die KÄV weitere Prüfungen durch, wenn Plausibilitätsprüfungen – wie hier – Abrechnungsauffälligkeiten ergeben. Diese weiteren Prüfungen sind nicht auf solche Abrechnungsziffern beschränkt, die zu der Überschreitung der Arbeitszeiten im Tages- oder Quartalszeitprofil beigetragen haben und die Prüfung kann sich auch auf Quartale erstrecken, in denen keine Überschreitung aufgetreten ist (vgl. BSG Urteil vom 24.10.2018 – B 6 KA 44/17 R – SozR 4-2500 § 106a Nr. 21 RdNr. 16 ff). Für eine Prüfung „außerhalb der regulären Prüfung“ genügt nach § 20 Abs. 1 AbrPr-RL bereits, dass ausreichende und konkrete Hinweise auf Abrechnungsauffälligkeiten bestehen. „Konkrete“ Hinweise in diesem Sinne können sich aus dem Ergebnis einer „regulären“ Prüfung eines Quartals ergeben (BSG Urteil vom 15.5.2019 – B 6 KA 63/17 R – SozR 4-2500 § 106a Nr. 23 RdNr. 23).
Die durchgeführte Prüfung hat sodann ergeben, dass die Klägerin in den Quartalen 2/2007 bis 3/2010 Leistungen unter Verstoß gegen das Gebot der persönlichen Leistungserbringung erbracht hat (dazu unter 1.), Leistungen nach den GOP 11320 und 11321 fehlerhaft erbracht hat (dazu unter 2.) sowie im Quartal 1/2008 Leistungen am Indexpatienten über die Krankenversicherungskarte des Ratsuchenden abgerechnet hat (dazu unter 3.). Dem stehen auch Vertrauensschutzgründe nicht entgegen. Für die Quartale 2/2007 bis 2/2008 war die Beklagte trotz des Ablaufs der vierjährigen Ausschlussfrist zu einer nachträglichen sachlich-rechnerischen Richtigstellung berechtigt, da der Vertrauensausschlusstatbestand des § 45 Abs. 2 S. 3 Nr. 3 SGB X erfüllt ist (dazu unter 4.).
1. Die Klägerin hat in den Quartalen 2/2007 bis 2/2010 gegen die Pflicht zur persönlichen Leistungserbringung verstoßen, weil sie Leistungen abgerechnet hat, die weder sie selbst noch ein mit Genehmigung tätiger Weiterbildungsassistent bzw. angestellter Arzt erbracht hat.
a) Nach § 15 Abs. 1 S. 1 SGB V, § 32 Abs. 1 S. 1 Zulassungsverordnung für Vertragsärzte (Ärzte-ZV), § 15 Abs. 1 S. 1 BMV-Ä hat der an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmende Arzt die Pflicht, die vertragsärztliche Tätigkeit persönlich auszuüben. Das Gebot der persönlichen Leistungserbringung dient der Sicherung der hohen Qualität der vertragsärztlichen Versorgung und ist materielle Voraussetzung für jede ärztliche Tätigkeit in der vertragsärztlichen Versorgung (BSG SozR 4-5520 § 32 Nr. 5 Rn 28 f mwN). Dem Gebot kommt für die Funktionsfähigkeit der vertragsärztlichen Versorgung großes Gewicht zu (BSGE 110, 269 = SozR 4-2500 § 95 Nr. 24, Rn 34, 37). Es gilt nicht nur für die Behandlungs-, sondern auch für die Verordnungstätigkeit des Arztes; Vertragsärzte und ermächtigte Krankenhausärzte müssen es gleichermaßen beachten. Auch der Anspruch auf die Vergütung hängt davon ab, dass die Leistungen nicht unter Verstoß gegen das Gebot der persönlichen Leistungserbringung aus § 15 Abs. 1 S. 1 SGB V, § 32 Abs. 1 S. 1 Ärzte-ZV, § 15 Abs. 1 S. 1 BMV-Ä erbracht wurden. Für Leistungen, die nicht durch den Vertragsarzt persönlich erbracht werden, besteht ein Anspruch auf Vergütung deshalb nur, wenn die Voraussetzungen einer Ausnahmeregelung vorliegen (BSG SozR 4-5540 § 25 Nr. 1 Rn 21). Das Gebot der persönlichen Leistungserbringung wird allerdings in zahlreichen Fällen modifiziert (vgl. hierzu ausführlich BSG, Urteil vom 21. März 2018 – B 6 KA 47/16 R -, SozR 4-2500 § 106a Nr. 18, Juris, Rn. 21).
b) Die Möglichkeit der Leistungserbringung durch die Weiterbildungsassistentin Frau A1 stand der Klägerin für den Zeitraum vom 1.4.2007 bis 31.3.2010 und durch die Weiterbildungsassistentin Frau S für den Zeitraum 1.2.2010 bis 30.6.2010 nicht offen.
Eine Delegation von Leistungen an ärztliches Personal kommt im vertragsärztlichen Bereich nur in Betracht, wenn es sich um angestellte Ärzte oder Assistenten handelt, deren Beschäftigung von den Zulassungsgremien genehmigt worden ist. Ansonsten ist nicht gewährleistet, dass der Angestellte oder Assistent die beruflichen und sonstigen Voraussetzungen für eine Tätigkeit in der vertragsärztlichen Versorgung erfüllt (vgl. BSG SozR 4-2500 § 98 Nr. 4 Rn 16).
Mit Bescheid vom 14.04.2006 erteilte die Beklagte der Klägerin die Genehmigung, Frau A1 vom 7.4.2006 bis 31.3.2007 als Weiterbildungsassistentin zu beschäftigen. Der Bescheid der Beklagten vom 15.2.2006 bezogen auf Frau S genehmigte deren Anstellung als Weiterbildungsassistentin bei der Klägerin für den Zeitraum 15.2.2006 bis zum 31.1.2010.
A1 wurde daher vom 1.4.2007 bis 31.3.2010, Frau S vom 1.2.2010 bis 30.6.2010 ungenehmigt beschäftigt. Dies ist zwischen den Beteiligten unstreitig. Die Klägerin trägt zur Begründung vor, die Verlängerungen seien versehentlich nicht beantragt worden, dies hänge auch mit einem aufwändigen Praxisumzug zusammen, was von der Beklagten nicht berücksichtigt worden sei. Die Gründe, aus denen die Genehmigungen nicht eingeholt wurden, spielen aber für die Beurteilung der Frage, ob die Klägerin für die maßgeblichen Zeiten die Leistungen durch die ungenehmigten Weiterbildungsassistentinnen erbringen durfte, keine Rolle. Maßgeblich ist allein, dass für die vorgenannten Zeiträume keine Genehmigungen erteilt wurden. Unerheblich ist auch, ob die Genehmigungsvoraussetzungen ab 1.4.2007 bzw. 1.2.2010 vorlagen und eine Genehmigung durch die Beklagte bei entsprechender Antragstellung in jedem Fall erfolgt wäre, denn eine rückwirkende Genehmigung ist ausgeschlossen (vgl. BSG, Urteil vom 28.03.2007, Az. B 6 KA 30/06 R = SozR 4-2500 § 98 Nr. 4, Rn 11 ff.). Zweck und Zielrichtung eines Genehmigungserfordernisses im Verwaltungsrecht bestehen darin, der zuständigen Behörde eine präventive Kontrolle zu ermöglichen. Sinn des präventiven Erlaubnisvorbehalts ist es gerade, der Behörde vor Durchführung potentiell unerwünschter oder gefährlicher Tätigkeiten die Möglichkeit zur Prüfung und erforderlichenfalls zum Eingreifen zu geben. Wird die Genehmigung erst nach Aufnahme einer solchen Tätigkeit beantragt, entfällt für den bereits verstrichenen Zeitraum jegliche Möglichkeit vorsorglichen Eingreifens. Speziell im Zusammenhang mit der Beschäftigung von Assistenten durch einen Vertrags(zahn) arzt besteht der Sinn des Genehmigungserfordernisses darin, der K(Z)ÄV die Sicherung und Aufrechterhaltung einer geordneten und ordnungsgemäßen vertrags(zahn)ärztlichen Versorgung zu ermöglichen (vgl § 75 Abs. 1 Satz 1 SGB V; s hierzu auch BSG SozR 3-5525 § 32 Nr. 1 S. 3). Die K(Z)ÄV hat den Krankenkassen gegenüber die Gewähr dafür zu übernehmen, dass die von den Vertrags(zahn)ärzten durchgeführte medizinische Versorgung den gesetzlichen und vertraglichen Vorschriften entspricht. Das kann sie nur bewerkstelligen, wenn sie vor Tätigkeitsaufnahme eines (Zahn-)Arztes als Assistent eines anderen Vertrags(zahn) arztes die Möglichkeit hat, dessen berufliche Qualifikation und die Vereinbarkeit von dessen Tätigkeit mit den sonstigen Vorgaben des Vertrags(zahn) arztrechts zu prüfen (BSG, Urteil vom 28. März 2007 – B 6 KA 30/06 R -, SozR 4-2500 § 98 Nr. 4, juris). Dies war der Klägerin auch bekannt, denn die ursprünglich für Frau S bereits ab dem 1.2.2006 beantragte Genehmigung als Weiterbildungsassistentin war von der Beklagten unter Hinweis auf das Verbot der rückwirkenden Genehmigungserteilung abgelehnt und erst zum 15.2.2006 erteilt worden.
Auch die Ausführungen zum Vertrauensschutz gehen ins Leere. Die Klägerin hat sich insbesondere angesichts des Hinweises in den Genehmigungen, dass diese nicht rückwirkend erteilt werden können, gerade nicht darauf verlassen dürfen, dass eine Erinnerung der Beklagten an die Verlängerung der Genehmigung erfolgen würde. Es liegt vielmehr im Verantwortungsbereich des anstellenden und abrechnenden Arztes, die Voraussetzungen für eine ordnungsgemäße Abrechnung zu schaffen und damit auch die notwendige Beantragung von Genehmigungen zu überblicken. Aus einer – möglicherweise nur einmaligen – Serviceleistung der Beklagten kann jedenfalls kein Vertrauensschutz hergeleitet werden.
aa) Die Beklagte hat die von den Weiterbildungsassistentinnen (WBA) erbrachten ärztlichen Leistungen zu Recht abgesetzt. Der Senat ist davon überzeugt, dass die Beratungen einschließlich der Anamnese durch beide Weiterbildungsassistentinnen weitgehend allein und selbständig durchgeführt wurden. Die Klägerin wurde nach Aussage der Zeugin erst nach der Beratung hinzugezogen, wenn es um die Überlegung ging, ob und wenn ja, welche genetische Diagnostik erfolgen sollte.
Dies ergibt sich zum einen aus den vorliegenden Unterlagen sowie der Zeugenaussage der Zeugin S. Die Klägerin hat sowohl im Widerspruchsverfahren (S.2 der Widerspruchsbegründung vom 3.6.2013, Bl. 391), mit der Klagebegründung (S. 4 des Schriftsatzes vom 30.5.2014, Bl. 97) und nochmals mit der Berufungsbegründung (S. 5 des Schriftsatzes vom 28.2.2017, Bl. 30) eingeräumt, dass nicht alle Beratungsleistungen bei den den WBA zugeordneten Patienten von ihr selbst, sondern von den Weiterbildungsassistentinnen erbracht worden sind. Dieser Vortrag wurde laut Urteil des SG (S. 16) in der mündlichen Verhandlung vor dem SG dahingehend präzisiert, dass die Beratungsgespräche im Regelfall von den Weiterbildungsassistentinnen allein durchgeführt worden seien und nur im Ausnahmefall, etwa bei schwerwiegenden Befunden, eine gemeinsame Beratung mit ihr stattgefunden habe. Bestätigt wurde dies auch durch die Aussage der Zeugin S, wonach sie die Beratungen mit dem Patienten alleine und insbesondere die Anamnese mit der Stammbaumerstellung alleine durchgeführt hat. Auch die Aufklärung des Patienten zu möglichen genetischen Ursachen schwerwiegender Erkrankungen oder Todesfällen sowie ein sich daraus ergebendes genetisches Risiko erfolgte nach deren Aussage durch die Zeugin selbst. Dies deckt sich mit dem im Anstellungsvertrag vereinbarten Aufgabengebiet: „Genetische Beratung und Diagnostik“. Zudem hat die Klägerin immer wieder betont, sämtliche Beratungsgespräche orientierten sich nach einem detaillierten und strikt vorgegebenen Schema, weshalb es entbehrlich sei, dass sie persönlich anwesend sei. Dies gilt nicht nur für die Zeugin S, sondern auch für Frau A1. Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung vom 9.12.2020 auf die Einvernahme der präsenten Zeugin A1 verzichtet, da die Arbeitsweise beider Weiterbildungsassistentinnen identisch war und daher eine weitere Zeugenaussage keinen neuen Erkenntnisgewinn erbracht hätte. Die von der Zeugin S geschilderte Vorgehensweise gilt daher auch für die Weiterbildungsassistentin A1 als zugestanden. Der Senat sieht sich hierin auch durch die schriftsätzlichen Ausführungen (s.o.) bestätigt.
Häufig abgesetzt wurde die GOP 11232 (Befundung). Der Senat ist davon überzeugt, dass die WBA nicht nur die Beratung, sondern zumindest in Einzelfällen auch Befundungen selbständig durchgeführt haben. Dies folgt bereits daraus, dass die Klägerin beiden WBA Weiterbildungszeugnisse ausgestellt hat, die ihnen jeweils selbständige Befundung und Beratung bescheinigen. In dem Frau A1 von der Klägerin ausgestellten Weiterbildungszeugnis vom 11.1.2010 wird ausgeführt, Frau A1 habe die von ihr erhobenen pathologischen Befunde im Wesentlichen auch beraten. Gleiches gilt für Frau S, der im Weiterbildungszeugnis vom 24.10.2011 selbständige Befundung und Beratung bescheinigt wurde. Zudem ist die Erhebung aller relevanten anamnestischen Daten als obligater Leistungsinhalt der abgesetzten GOP 11232 in allen streitgegenständlichen Quartalen originärer ärztlicher Teil. Die Anamnese erfolgte nach der Zeugenaussage von Frau S aber in der Regel allein durch die Weiterbildungsassistentinnen.
Die Beklagte durfte entgegen der Auffassung der Klägerin auch die Grundpauschalen (GOP 11210 bis 11212) bezüglich der den WBA zugeordneten Patienten absetzten. Soweit die Klägerin vorträgt, durch ihre Hinzuziehung nach der Beratung läge ein persönlicher Arzt-Patienten-Kontakt vor, sodass zumindest die humangenetische Grundpauschale nicht hätte abgesetzt werden dürfen, geht sie mit dieser Auffassung fehl. Zwar ist alleiniger obligater Leistungsinhalt der humangenetischen Grundpauschale (GOP 11210 bis 11212) ein persönlicher Arzt-Patienten-Kontakt. Der persönliche Arzt-Patienten-Kontakt setzt nach Nr. 4.3.1 der Allgemeinen Bestimmungen des EBM aber neben der – hier schon zweifelhaften – räumlichen und zeitgleichen Anwesenheit von Arzt und Patient eine direkte Interaktion zwischen beiden voraus. Nach der Zeugenaussage hat die Klägerin aber lediglich die Erhebungen der Zeugin kontrolliert und diese nur noch ggf. ergänzt. Eine zwingende Interaktion zwischen Arzt und Patient lässt sich daraus nicht ableiten und ist auch insoweit unwahrscheinlich, als die Beratung bereits stattgefunden hatte. Die Entscheidung, ob eine Blutentnahme erfolgt oder nicht wurde ebenfalls zunächst von den Weiterbildungsassistentinnen getroffen und sodann nur noch durch die Klägerin überprüft. Auch hierin ist keine Interaktion mit dem Patienten zu erkennen, zumal die Anamnese als fakultativer Leistungsinhalt vollständig bereits durch die Weiterbildungsassistentinnen erfolgte. Welche Leistungen dann aber konkret von der Klägerin persönlich bzw. – nach Klägerauffassung zulässigerweise delegiert – erbracht und dementsprechend auch abgerechnet werden konnten, hat die insoweit beweispflichtige Klägerin nicht nachgewiesen.
bb) Eine Delegation an nichtärztliches Personal hätte die Klägerin hingegen in bestimmten Fällen vornehmen dürfen. Welche Leistungen im Einzelnen delegierbar sind, bestimmt sich nach den Erfordernissen und Besonderheiten der jeweiligen Fachgebiete. Dabei wird regelmäßig in Methodenfächern ohne unmittelbaren Patientenkontakt ein größerer Spielraum für die Delegation von Leistungen an nichtärztliches Personal bestehen als in Organfächern. Die Vereinbarung zwischen der KÄBV und dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen über die Delegation ärztlicher Leistungen an nichtärztliches Personal in der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung gemäß § 28 Abs. 1 S. 3 SGB V vom 1.10.2013 (Anlage 24 zum BMV-Ä) enthält neben sehr allgemeinen Bestimmungen einen Beispielkatalog. Das hier maßgebliche Fachgebiet der Humangenetik wird dort in Ziffer I. 8 (Labordiagnostik) erwähnt und humangenetische Leistungen als delegierbar angesehen. Soweit delegierbare Leistungen von nachgeordnetem medizinischem Personal bzw. wie hier von den nicht genehmigten Weiterbildungsassistentinnen erbracht werden, folgt aus dem Gebot der persönlichen Leistungserbringung regelmäßig aber eine Präsenzpflicht des Arztes im Zusammenspiel mit den Arbeitszeiten der die Leistung durchführenden Mitarbeiter (vgl. BSGE 120, 197 = SozR 4-5520 § 20 Nr. 4, Rn 30). Die Delegierbarkeit einer Leistung entlässt nämlich den an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Arzt nicht aus seiner Verantwortung; er hat vielmehr durch seine Anwesenheit sicherzustellen, dass er seiner Überwachungs- und Kontrollfunktion nachkommen kann und jederzeit bei Fragen und Problemen zur Verfügung steht (Urteil des BSG vom 21.03.2018, B 6 KA 47/16 R). Dies hat die Klägerin selbst für die ggf. delegierbaren Leistungen nicht nachgewiesen.
Der Senat ist daher davon überzeugt, dass auch die als Laborleistungen abgesetzten Ziffern (im Wesentlichen die GOP 11320 bis 11322) nicht durch die Klägerin persönlich, sondern entweder von den Weiterbildungsassistentinnen A1 und S selbst oder durch diese überwacht von nichtärztlichem Personal erbracht wurden.
cc) Soweit die Klägerin im Zusammenhang mit der Befundung in ihrem Schriftsatz vom 15.1.2021 die Behauptung aufstellt, selbst die Indikation zur humangenetischen Laboranalyse gestellt, die technisch-analytischen Schritte an ihr eigenes Labor als verantwortliche Ärztin delegiert und nach Abschluss der Analyseschritte validiert zu haben, und daraus schließt, deshalb auch die humangenetischen (abgesetzten) Leistungen abrechnen zu dürfen, in die die Weiterbildungsassistentinnen involviert waren, geht sie mit dieser Auffassung fehl.
Die Klägerin hatte im Rahmen des Strafverfahrens eine Liste mit Patienten vorgelegt, die im streitgegenständlichen Zeitraum von den beiden nicht genehmigten Weiterbildungsassistentinnen beraten worden sind. Die Zuordnung der Patienten erfolgte demnach durch die Klägerin selbst. Basierend auf dieser Zuordnung hat die Beklagte eine Liste mit den bei diesen Patienten abgerechneten und sodann sachlich-rechnerisch richtiggestellten Leistungen erstellt.
Gemäß § 25 Abs. 1 Satz 2 BMV-Ä ist die Befunderhebung in vier Teile gegliedert:
1. ärztliche Untersuchungsentscheidung,
2. Präanalytik,
3. laboratoriumsmedizinische Analyse unter Bedingungen der Qualitätssicherung,
4. ärztliche Beurteilung der Ergebnisse.
Leistungen nach Teil 1 sind schon nach dem unmissverständlichen Wortlaut („ärztliche“) nicht delegierbar. Bereits hier waren die Weiterbildungsassistentinnen insoweit eingebunden, als sie die für die Indikationsstellung maßgeblichen Informationen erhoben haben, wie die Zeugenaussage von Frau S bestätigt hat. Die Entscheidung, ob eine Blutentnahme erfolgt oder nicht, basierte auf diesen von den Assistentinnen getroffenen ärztlichen Handlungen und Entscheidungen und ist daher für sich gesehen nicht als ärztliche Untersuchungsentscheidung ausreichend (BSG, Urteil vom 21. März 2018 – B 6 KA 47/16 R -, SozR 4-2500 § 106a Nr. 18).
Die WBA waren nach Überzeugung des Senats auch in die Teile 2 bis 4 der Befunderhebung eingebunden. Der Vortrag der Klägerin, wonach die WBA nur oder überwiegend technische, nicht ärztliche Durchführungs- und Untersuchungsleistungen erbracht haben sollen, überzeugt insbesondere deshalb nicht, weil die Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum nach ihrer Aussage keine Kenntnis von den fehlenden Genehmigungen hatte. Die Assistentinnen waren zuvor als Weiterbildungsassistenten durch die Beklagte genehmigt gewesen und hätten nach dem Vortrag nach Ablauf der Genehmigung weniger ärztliche Leistungen erbracht als zuvor. Dies ist unglaubwürdig. Die bloße Behauptung der Klägerin, sie hätte die „Indikationsstellung für die Untersuchung … selbst erbracht“ überzeugt deshalb nicht, weil die der Anamnese dienenden Gespräche sowie die Beratung nach Aussage der Zeugin durch die ungenehmigten Assistentinnen geführt wurden. Dass die Weiterbildungsassistentinnen grundsätzlich auch im Labor tätig waren – wie es im Übrigen der Weiterbildungsordnung entspricht – hat die Zeugin bestätigt. Zudem bescheinigen die Weiterbildungszeugnisse vom 11.1.2010 (A1) sowie vom 24.10.2011 (S) eine Labortätigkeit.
Auch reicht es für die Abrechnung nicht aus, wenn lediglich die Letztverantwortung für das Behandlungsgeschehen durch einen zugelassenen Leistungserbringer, d.h. die Klägerin, übernommen wird. Die letztverantwortliche ärztliche Beurteilung gehört zu den nicht delegierbaren persönlichen Leistungen eines zugelassenen Leistungserbringers, genügt aber alleine nicht zur Vollständigkeit der unter Arztvorbehalt stehenden Tätigkeiten mitsamt Überwachung der Untersuchungsverfahren und Erstellung des Befundberichtes. Die Zeugin hat ausgesagt, die Entwürfe für die Gutachten (=ärztliche Beurteilung der Ergebnisse) vorgefertigt zu haben und die Entwürfe auch um die Befunde aus dem Labor ergänzt zu haben. Die Einbindung ungenehmigter Assistenzärzte in ärztliche Tätigkeiten wie etwa die Überprüfung der Indikation, Aufklärungsgespräch mit den Patienten, Überwachung technischer Leistungserbringung und Erstellung von Befundberichten führt dazu, dass diese vertragsärztlich tätig werden und die Leistungserbringung nicht mehr von der Klägerin vollständig persönlich erbracht wird oder zurechenbar ist und deshalb insgesamt nicht anerkannt werden kann (so auch LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 16.11.2016, L 7 KA 54/13).
Soweit die Klägerin der Auffassung ist, im Einzelfall seien Leistungen ausschließlich durch sie erbracht worden, hätte es an ihr gelegen, dies detailliert nachzuweisen. Diesen Nachweis hat sie nicht geführt. Insbesondere ist es der Klägerin nicht gelungen, Patientendokumentationen vorzulegen, aus denen sich eine persönliche Leistungserbringung durch die Klägerin ergeben könnte. Nach Aussage der Klägerin sind entsprechende Patientendokumentationen für die streitgegenständlichen Quartale nicht mehr vorhanden. Die auch insoweit beweispflichtige Klägerin konnte daher die Indikationsstellung wie auch eine Schlussbefundung, die ärztliche Beurteilung der Ergebnisse, nicht nachweisen, was zu ihren Lasten geht.
2. Die Beklagte hat auch die GOP 11320 und 11321 zu Recht abgesetzt, denn der obligate Leistungsinhalt dieser Ziffern wurde bei Durchführung einer Array-CGH-Analyse nicht erfüllt. Es liegt vielmehr eine unzulässige Analogabrechnung dieser Ziffern vor.
a) Die GOP 11320 hatte in den hier streitgegenständlichen Quartalen folgenden Wortlaut:
Nachweis oder Ausschluss einer krankheitsrelevanten oder krankheitsauslösenden genomischen Mutation mittels Hybridisierung menschlicher DANN
Obligater Leistungsinhalt
– Hybridisierung menschlicher DNA mit markierten Sonden, Fakultativer Leistungsinhalt
– Extraktion menschlicher DNA aus Zellen oder Gewebeproben,
– Spaltung menschlicher DNA mittels eines Restriktionsenzyms,
– Southern-Transfer mit anschließender qualitativer Auswertung mittels Autoradiographie oder nicht-radioaktiver Verfahren,
– Auswertung der erhobenen Befunde, je Sonde 780 Punkte Zum Nachweis oder Ausschluss einer krankheitsrelevantengenomischen Mutation ist diese Leistung nicht als Screening-Leistung, sondern nur im begründeten Einzelfall berechnungsfähig. […].
Zum 1.4.2010 wurde der Wortlaut um folgende Anmerkung ergänzt:
Die Berechnung setzt die Begründung, die die Art der Erkrankung enthält, und die Angabe der Art der Untersuchung (Gennummer, Genname nach OMIM) und den Multiplikator (Anzahl der durchgeführten Hybridisierungen) voraus.
Die Formulierung des Leistungsinhalts der GOP 11320 ist seit In-Kraft-Treten des EBM 2000plus zum 2. Quartal 2005 bis zum 3. Quartal 2013 bis auf die zum 1.4.2010 hinzugetretene Anmerkung zur Begründung nach Art der Erkrankung und Art der Untersuchung unverändert geblieben. Auch die korrespondierende GOP 4980 in der bis zum 31.3.2005 geltende Fassung des EBM enthielt die Leistung „Hybridisierung menschlicher DNA mit markierten Sonden“.
Zum 4. Quartal 2013 wurde der Wortlaut der GOP 11320 wie folgt präzisiert:
Nachweis oder Ausschluss einer krankheitsrelevanten oder krankheitsauslösenden genomischen Mutation mittels Hybridisierung mit einer mutationssequenzspezifischen Sonde
Obligater Leistungsinhalt
– Hybridisierung menschlicher DNA oder eines Nukleinsäureamplifikates genomischer menschlicher DNA mit einer markierten mutationssequenzspezifischen Sonde,
– Auswertung der erhobenen Befunde, […].
Für die Auslegung vertragsärztlicher Vergütungsbestimmungen ist nach ständiger Rechtsprechung des BSG in erster Linie der Wortlaut der Regelungen maßgeblich. Dies gründet sich zum einen darauf, dass das vertragliche Regelwerk dem Ausgleich der unterschiedlichen Interessen von Ärzten und Krankenkassen dient und es vorrangig Aufgabe des Normgebers des EBM-Ä – des Bewertungsausschusses gemäß § 87 Abs. 1 SGB V – ist, Unklarheiten zu beseitigen. Zum anderen folgt die primäre Bindung an den Wortlaut aus dem Gesamtkonzept des EBM-Ä als einer abschließenden Regelung, die keine Ergänzung oder Lückenfüllung durch Rückgriff auf andere Leistungsverzeichnisse bzw. Gebührenordnungen oder durch analoge Anwendung zulässt. Raum für eine systematische Interpretation iS einer Gesamtschau der im Zusammenhang stehenden vergleichbaren und ähnlichen Leistungstatbestände ist nur dann, wenn der Wortlaut einer Leistungslegende zweifelhaft ist und es der Klarstellung bedarf (vgl. BSG Urteil vom 15.5.2019 – B 6 KA 63/17 R – SozR 4-2500 § 106a Nr. 23 RdNr. 26 mwN). Eine entstehungsgeschichtliche Auslegung kommt bei unklaren oder mehrdeutigen Regelungen ebenfalls in Betracht, kann allerdings nur anhand von Dokumenten erfolgen, in denen die Urheber der Bestimmungen diese in der Zeit ihrer Entstehung selbst erläutert haben. Leistungsbeschreibungen dürfen weder ausdehnend ausgelegt noch analog angewandt werden (vgl. BSG Urteil vom 11.9.2019 – B 6 KA 22/18 R – RdNr. 13 mwN; BSG, Urteil vom 15. Juli 2020 – B 6 KA 15/19 R).
Danach erfüllt die von der Klägerin durchgeführte Untersuchung mittels Array-CGH nicht die Leistungslegende der GOP 11320 EBM. Zutreffend beschreibt das SG das mit der GOP 11320 erfasste Verfahren wie folgt:
„Die von der GOP 11320 erfasste Hybridisierung menschlicher DNA mittels markierter Sonden beruht auf der Paarung von komplementären Basen auf zwei Nukleinsäure-Einzelsträngen. Einer der beiden Stränge kommt dabei von einer zuvor hergestellten und markierten Sonde, der andere liegt im Präparat des Patienten vor, in welchem die genomische Mutation nachgewiesen oder ausgeschlossen werden soll. Zu diesem Zweck werden markierte DNA-Sonden, welche die gesuchte genomische Mutation enthalten, gezielt auf bestimmte, zu untersuchende chromosomale Regionen der Präparate des Patienten hybridisiert. Aufgrund der Markierung kann die abgelaufene Hybridisierung zwischen Sonde und DNA des Patienten sichtbar gemacht werden, sofern diese komplementäre Basenabfolgen enthielten. Bei dieser Untersuchung werden mit dem Begriff der Sonde diejenigen Fragmente einsträngiger DNA bezeichnet, von denen bekannt ist, dass sie die gesuchte genomische Mutation enthalten.
Diese „klassische“ Hybridisierung war bei Inkrafttreten des EBMplus zum 1.4.2005 eine bekannte und gängige Untersuchungsmethode in der Humangenetik. Dagegen wurde die Array-CGH-Analyse erst im Jahr 1997 entwickelt. Eine weite Verbreitung der Array-CGH-Analyse vor dem 1.4.2005, die für das Begriffsverständnis des Normgebers des EBMplus hätte bestimmend sei können, ist nicht ersichtlich. Gegen eine solche weite Verbreitung spricht auch, dass etwa die von der Klägerin im Verwaltungsverfahren mit Schriftsatz vom 15.5.2012 vorgelegte Veröffentlichung aus dem Jahr 2010 davon sprach, dass die molekulare Karyotypisierung den „Forschungsschuhen“ entwachsen sei und sich in den letzten zehn Jahren zu einer anerkannten Diagnostikmethode gemausert habe, deren Einführung in die Gebührenordnungen beantragt werde (Deutsche Gesellschaft für Humangenetik e.V. (GfH) Berufsverband Deutscher Humangenetiker e.V. (BVDH), Indikationskriterien und Bewertung der Molekularen Karyotypisierung mittels Mikroarray-Analysen für die genetische Diagnostik konstitutioneller DNA-Veränderungen – Grundlagen zur Einführung der Abrechnung der Molekularen Karyotypisierung mittels Mikroarray-Analyse in den EBM und die GOÄ, in: Medizinische Genetik, Springer Verlag, 2010, 22: 20-25).“
Hiervon zu unterscheiden ist die Array-CGH-Analyse, die ebenfalls den Vorgang der Hybridisierung nutzt. Bei der Array-CGH handelt es sich um eine vergleichende genomische Hybridisierung fluoreszenzmarkierter Patienten- und Kontroll-DNA auf einem Trägerchip (Array) mit DNA-Fragmenten. Die Patienten-DNA sowie die Referenz-DNA einer gesunden Kontrollperson werden jeweils mit einem fluoreszierenden Farbstoff, beispielsweise rot (Test) und grün (Kontrolle), markiert, wobei die Hybridisierung bei der Array-CGH auf sogenannten Microarrays durchgeführt wird (Marika Frank, Dissertation zur Erlangung des akademischen Grades, „Evaluierung von Ergebnissen der Array-CGH-Untersuchungen bei Kindern mit psychomotorischer Retardierung und assoziierter Symptomatik aus Sichtweise der klinisch-genetischen Praxis“, 2017). Das Grundprinzip der Array-Analytik beruht auf der Hybridisierung einer Probe, die Nukleinsäuren enthält, an komplementäre, auf dem Array immobilisierte DNA-Fängermoleküle – DNA-Sonden – (Hans-Georg Klein, Imma Rost, moderne genetische Analysen Methoden – Grundlagen für eine genetisch basierte Prävention, Bundesgesundheitsblatt 2015, S.113 ff). Die Methode wird in „Medizinische Genetik für die Praxis: Diagnostik, Beratung, Fallbeispiele“, Hrsg. Ute Moog, und Olaf Rieß, Georg Thieme Verlag, im Abschnitt 14.3.2.1 wie folgt beschrieben:
„Auf einem Objektträger befinden sich eine bestimmte Anzahl von Punkten in einer definierten Anordnung (Array). Jeder dieser Punkte besteht aus einer definierten Anzahl von einzelsträngigen Oligonukleotiden, die einen eindeutigen Locus im Genom repräsentieren. Bei den Standard-Arrays sind diese Sonden relativ gleichmäßig über das gesamte Genom verteilt. Die Auflösung der Analysen nimmt mit der Anzahl der verwendeten Sonden auf einem Array zu.
Für die Analyse wird genomische DNA benötigt, die prinzipiell aus allen Geweben gewonnen sein kann, in der Regel aber aus Blut extrahiert wird. Es werden gleiche Gesamtmengen zweier unterschiedlich fluoreszenzmarkierter DNA (Patienten- und Referenz-DNA) auf den Array hybridisiert. Liegen beide DNA an einem Punkt auf dem Array in gleicher Menge vor, binden durchschnittlich auch gleich viele Moleküle von beiden DNA an die komplementären Oligonukleotide (Sonde). An jedem Punkt wird nach der Hybridisierung gemessen, wie viel Fluoreszenz (von der Patienten- oder Referenz-DNA) gebunden hat […].“
Diese Ausführungen decken sich mit weiteren, im Internet abrufbaren Beschreibungen wie z.B.
„Bei der Array-CGH-Analyse wird das gesamte Genom eines Patienten mit dem von klinisch unauffälligen Personen auf Verluste und Zugewinne im genetischen Material verglichen. Die Untersuchung kann bereits pränatal angewendet werden, um die DNA eines ungeborenen Kindes auf Abweichungen zu prüfen.
Das Prinzip der Methode:
Identische DNA-Mengen der Testperson und der Referenz-DNA werden mit verschiedenen fluoreszierenden Farbstoffen markiert und im Anschluss auf dem Array kohybridisiert. Der Microarray selbst ist ein Glasobjektträger, auf dem sich in einem Rastermuster immobilisierte genomische DNA-Fragmente (sog. Oligonukleotide) befinden. Liegt ein genomischer Verlust oder Zugewinn in der Patientenprobe im Vergleich zur Referenz-DNA vor, so kommt es zu einer Verschiebung im Hybridisierungsverhältnis. Dies äußert sich in einer Farbveränderung des Fluoreszenzsignals, die von einem Laserscanner detektiert wird. Anschließend werden die Daten extrahiert und mit einer speziellen Software ausgewertet.“ (https://genetik.bioscientia.de/methoden/array-cgh/abgerufen am 4.3.2021)
oder
„Das Prinzip der Array-CGH basiert auf dem Einsatz von kurzen Oligonukleotiden (40 – 60 bp), welche auf einer Matrix immobilisiert vorliegen. Diese decken repräsentativ das gesamte Genom ab, wobei die mittlere Auflösung vom Array-Typ und der Gesamtzahl an Oligonukleotiden abhängt. Die Oligonukleotide tragen zum Genom komplementäre Sequenzen, an welche eine Patienten-DNA und eine Referenz-DNA kompetitiv hybridisieren können. Durch diese vergleichende Hybridisierung können sehr kleine, submikroskopische Veränderungen (Deletionen, Duplikationen) beim Patienten nachgewiesen und durch den Einsatz spezieller Softwareprogramme die an den Veränderungen beteiligten Gene identifiziert werden.“ (https://www.medizinische-genetik.de/index.php?id=array-cgh abgerufen am 4.12.2020)
oder
„Bei der Array-CGH (Arraybased Comparative Genomic Hybridization) wird Patienten-DNA und eine Referenz-DNA mit unterschiedlichen Fluoreszenz-Farbstoffen markiert und auf einem Trägerchip mit immobilisierten DNA-Fragmenten („Probes“ oder Sonden) kohybridisiert. Diese Sonden decken das menschliche Genom möglichst gleichmäßig ab. Numerische Veränderungen führen zu einer Farbverschiebung des Fluoreszenzsignals für die einzelnen Sonden. Diese Signale werden mittels eines Laserscanners erfasst und mit einer entsprechenden Software der jeweiligen Genregion zugeordnet und dargestellt („molekulares Karyotyping“).”(www.cegat.de/diagnostik/array-cgh, abgerufen am 5.11.2018)
Für den Begriff der Sonde ist sowohl bei der in der GOP 11320 abgebildeten Hybridisierung als auch bei der Array-CGH kennzeichnend, dass die einsträngigen DNA-Abschnitte über eine bestimmte Basensequenz verfügen und zum Nachweis komplementärer Basensequenzen in der Probe eingesetzt werden. So hat es auch die Klägerin selbst noch im Prüf- und Widerspruchsverfahren mit den Schreiben vom 1.10.2012 und 8.2.2013 beschrieben und u.a. ausgeführt, dass es sich bei der Array-CGH um eine Hybridisierung von Sonden und Patienten-DNA handele.
Dem entspricht auch der Wortlaut der GOP 11320, wenn er den obligaten Leistungsinhalt mit der „Hybridisierung menschlicher DNA mit markierten Sonden“ definiert. Der Begriff menschlicher DNA ist dabei im Gegensatz zu den Darlegungen der Klägerin nicht darauf reduziert, nur die Sequenzabfolge der menschlichen DNA zu bezeichnen, sondern ist weiter dahingehend zu verstehen, dass die zu untersuchende DNA aus menschlichem Probenmaterial gewonnen wurde. Dies ergibt sich auch aus dem fakultativen Leistungsinhalt der GOP 11320, der u.a. eine Extraktion menschlicher DNA aus Zellen oder Gewebeproben vorsieht. Die Sonde, mit welcher die menschliche DNA hybridisiert wird, muss demzufolge nicht aus menschlichem Probenmaterial gewonnen sein, sondern kann auch synthetisch hergestellt sein. Die Leistungsbeschreibung der GOP 11320 bildet dabei die Situation ab, dass die markierte Sonde eingesetzt wird, um eine Aussage über eine genomische Mutation in der Patienten-DNA zu treffen. Denn bei der Leistung nach GOP 11320 wird ebenso wie bei der Vorgänger-GOP 4980 nach einer bestimmten Mutation gesucht, die durch die markierte Sonde bestimmt wird. Im Gegensatz zur GOP 11320, bei der die markierte Sonde die genomische Mutation enthält und der Nachweis oder Ausschluss darüber geführt wird, ob durch Hybridisierung mit der Patienten-DNA die genomische Mutation nachgewiesen wird, enthalten bei der Array-CGHAnalyse weder die Patienten- bzw. die Referenz-DNA noch die DNA-Fragmente auf dem Array gesichert die bzw. irgendeine genomische Mutation. Die DNA-Fragmente sind allein repräsentativ für das menschliche Genom und so auf dem Array angeordnet, dass sie das menschliche Erbgut möglichst gleichmäßig abdecken. Durch die Array-CGH-Analyse soll daher zunächst herausgefunden werden, ob überhaupt irgendeine genomische Mutation vorliegt. Eine Markierung im Sinne einer gesicherten genomischen Mutation findet gerade nicht statt. Die Suche nach genomischen Mutationen – allerdings nur Deletion und Duplikationen – ist daher nicht zielgerichtet, sondern zeigt nach der Hybridisierung sämtliche vorhandenen genomischen Mutationen auf, unabhängig von deren Krankheitswert. Die Markierung, die nach der GOP den Nachweis oder Ausschluss einer krankheitsrelevanten oder krankheitsauslösenden genomischen Mutation mittels Hybridisierung menschlicher DNA aufzeigen soll, fehlt daher bei der Array-CGH-Analyse. Die Klägerin verkehrt diese Zusammenhänge ins Gegenteil, wenn sie behauptet, die menschliche DNA sei die markierte Sonde, die mit der auf dem Array befindlichen der menschlichen DNA entsprechenden DNA-Fragment hybridisiere.
Letztlich kann offenbleiben, was als markierte Sonde und was als menschliche DNA betrachtet wird. Bei der Array-CGH-Analyse wird das gesamte Genom eines Patienten mit dem von klinisch unauffälligen Personen auf Verluste und Zugewinne im genetischen Material verglichen, Weil aber nicht jede genomische Mutation krankheitsrelevant ist, kann mit der Array-CGH-Analyse nicht entsprechend der Leistungslegende der GOP 11320 in jedem Fall der Nachweis oder Ausschluss einer Erkrankung geführt werden. Dies zeigt sich ebenfalls anhand der Patientenunterlagen der Klägerin. Zwar werden (wie z.B. beim schwer erkrankten Patienten E) genomische Mutationen festgestellt, allerdings haben diese keine zwingende Krankheitsrelevanz, wie die Untersuchung des Vaters von E, der ohne Erkrankung die gleiche genomische Mutation aufweist, aufgezeigt hat.
Darüber hinaus spricht gegen die Abrechenbarkeit der Array-CGH nach GOP 11320 die Abrechenbarkeit der GOP „je Sonde“. Diese Art der Abrechenbarkeit macht deutlich, dass grundsätzlich eine Abrechnung je markierter Sonde möglich sein muss. Bei der Methode des Array-CGH binden aber alle DNA-Fragmente mit den komplementären „Sonden“ auf dem Array, ohne dass es auf eine Markierung ankommt. In einem Artikel der Deutschen Gesellschaft für Humangenetik (Eva Schröck, „Indikationskriterien und Bewertung der molekularen Karyotypisierung mittels Mikro Array-Analysen für die genetische Diagnostik konstitutioneller DNA-Veränderungen – Grundlagen zur Einführung der Abrechnung der molekularen Karyotypisierung mittels Mikroarray-Analyse in den EBM und die GOÄ“, Medizinische Genetik 2010, 20-25) wird folgendes ausgeführt:
„Die Molekulare Karyotypisierung mittels Mikroarray-Analyse stellt insbesondere bei der Diagnostik von nicht bekannten Mikrodeletionsund Mikroduplikationsyndromen eine wirtschaftlich sinnvolle Untersuchungsmethode dar. Anstelle der Durchführung mehrerer Analysen vom Gegenkandidatengenen aufgrund von wiederholten negativen Testergebnissen erfolgt eine genomsweite Analyse mit der gegenwärtig höchsten Aussicht auf ein positives Testergebnis.“
Dies macht deutlich, dass über die GOP 11320 gerade die in dem beschriebenen Artikel beschriebenen Analysen von Gegenkandidatengenen mit der Folge der Abrechnung „je Sonde“ abzurechnen sind, nicht aber die mittels Mikroarray-Analyse genomsweite Analyse ohne Beschränkung auf bestimmte Gegenkandidatengene. Auf dem Mikro-Array befinden sich selbst bei kleinster Auflösung über 62.000 unterschiedliche DNA-Nukleotide, sodass bei korrekter Abrechnung die Ziffer 11320 mindestens 62.000-mal anzusetzen wäre. Hiervon geht selbst die Klägerin nicht aus. Die Definition der Klägerin zugrundelegend, die fragmentierte und amplifizierte Patienten-DNA sei die Sonde, ist eine Abrechnung „je Sonde“ schon insoweit unmöglich, weil die Anzahl der DNA-Fragmente der Patienten-DNA nicht bestimmbar ist. Im Übrigen bleibt die Klägerin auch im Berufungsverfahren eine Erklärung schuldig, warum die Ziffer gerade 92-mal abgerechnet wurde, obwohl die Anzahl der DNA-Fragmente, die ihrer Meinung nach die markierte Sonde darstellen, um ein Vielfaches höher ist.
Gegen eine zulässige Abrechnung spricht auch, dass die Array-CGH-Analyse zurzeit des EBM 96 noch gar nicht zur Verfügung stand, und damit die GOP 4980 EBM 96 diese Methode auch nicht abbilden konnte. Die Methode wurde auch nicht in den EBM2000plus aufgenommen, wie der GKV-Spitzenverband ausdrücklich in seiner Stellungnahme vom 31.7.2015 ausgeführt hat. Erst mit Wirkung zum 1.10.2010 ist durch den Bewertungsausschuss mit der GOP 11500 EBM eine Gebührenordnungsposition in den EBM aufgenommen worden, die ausdrücklich Untersuchungen mit der Array-Technologie zum Gegenstand hat. Auch der von der Klägerin im Kontext mit der Stellungnahme der TU Dresden, Professor S2 vom 15.5.2012 vorgelegten Veröffentlichung der Deutschen Gesellschaft für Humangenetik ist zu entnehmen, dass das Arrayverfahren inzwischen den „Forschungsschuhen“ entwachsen sei. Wie die Beklagte zu Recht ausführt, bedeutet dies im Umkehrschluss, dass es sich auch nach Auffassung der Gesellschaft für Humangenetik und des Berufsverbandes Deutscher Humangenetiker um eine bis dato nicht in der vertragsärztlichen Versorgung im EBM abgebildete Untersuchungsmethode gehandelt hat. Aus der Stellungnahme lässt sich zudem entnehmen, dass im Jahr 2010 die Deutsche Gesellschaft für Humangenetik und der Berufsverband deutscher Humangenetiker beantragt haben, die molekulare Karyotypisierung mittels Mikroarray-Analyse als neue Leistung in den EBM und die GOÄ aufzunehmen. Dies wäre nicht notwendig gewesen, hätte der EBM die Leistung bereits abgebildet. Auch der Stellungnahme bzw. Einschätzung von S2 vom 15.5.2012 ist lediglich zu entnehmen, dass sie bei Beachtung der heute geltenden strengen Indikationsregelungen nach persönlicher Einschätzung die Erbringung der Leistung für den Patienten für medizinisch sinnvoll und notwendig hält sowie die Erbringung für das GKV-System sachlich richtig wäre. Von einer selbstverständlichen Abrechnung über die GOP 11320 und 11321 geht auch S2 nicht aus.
b) Auch die Leistungslegende der GOP 11321 ist nicht erfüllt. Die Klägerin hat diese GOP vielmehr allein als Vorbereitungsschritt für die Analyse mittels Array-CGH abgerechnet.
Die GOP 11321 hatte in den streitgegenständlichen Quartalen folgenden Wortlaut:
Nachweis oder Ausschluss einer krankheitsrelevanten oder krankheitsauslösenden genomischen Mutation mittels Amplifikation menschlicher DNA mittels Polymerase-Kettenreaktion
Obligater Leistungsinhalt
– Amplifikation menschlicher DNA mittels Polymerase-Kettenreaktion, Fakultativer Leistungsinhalt
– Extraktion menschlicher DNA aus Zellen oder Gewebeproben,
– Spaltung menschlicher DNA mittels eines Restriktionsenzyms,
– Elektrophoretische Auftrennung und qualitative Auswertung,
– Auswertung der erhobenen Befunde,
– Elektrophoretische Auftrennung und qualitative Auswertung, je unterschiedlicher Zielsequenz (Primerpaar) 630 Punkte […].
Zum 1.4.2010 wurde der Wortlaut um folgende Anmerkung ergänzt:
Die Berechnung setzt die Begründung, die die Art der Erkrankung enthält, und die Angabe der Art der Untersuchung (Gennummer, Genname nach OMIM) und den Multiplikator (Anzahl der unterschiedlichen Zielsequenzen) voraus.
Nach dem Wortlaut der GOP 11321 ist nicht nur die reine Technik der Amplifikation menschlicher DNA mittels Polymerase-Kettenreaktion Leistungsinhalt. Voraussetzung für die Abrechenbarkeit ist zudem, dass diese Untersuchung zum „Nachweis oder Ausschluss einer krankheitsrelevanten oder krankheitsauslösenden Mutation“ durchgeführt wird. Die Klägerin hat demgegenüber die Vermehrung der zu untersuchenden Zielmoleküle als Vorbereitungsschritt für die Durchführung der Array-CGH durchgeführt und nicht als selbständige technische Untersuchungsmethode zum Nachweis oder Ausschluss einer krankheitsauslösenden genomischen Mutation. Es geht auch nicht darum – wie die Klägerin meint -, ob die Durchführung der in der GOP 11321 beschriebenen Amplifikation einen eigenen medizinischen Erkenntniswert hat bzw. haben kann, was der Senat nicht bezweifelt. Die Amplifikation muss vielmehr dem Nachweis oder Ausschluss einer krankheitsrelevanten oder krankheitsauslösenden genomischen Mutation dienen und nicht – wie hier – allein zur Vorbereitung der Durchführung der Array-CGH.
Das SG hat zudem zutreffend festgestellt, dass ab dem 2. Quartal 2010 die Abrechnung der GOP 11321 durch die Klägerin auch insoweit fehlerhaft war, als sie entgegen der Anmerkung bei der Abrechnung keine Begründung zur Art der Erkrankung und keine Angabe zur Art der Untersuchung (Gennummer, Genname nach OMIM) und zum Multiplikator enthielt. Von den sechs in Bezug auf die Array-CGH-Analyse richtiggestellten Behandlungsfällen des Quartals 3/2010 lagen auch dem Senat zwei Behandlungsausweise für die Behandlungsfälle O und F vor. In beiden Behandlungsfällen waren die in GOP 11321 geforderten Angaben zur Art der Erkrankung, Art der Untersuchung und Anzahl der Multiplikatoren nicht oder nicht vollständig im Behandlungsausweis enthalten.
c) Gegen die Abrechenbarkeit der Array-CGH mit der Kombination aus den GOP 11320 und 11321 in dem von der Klägerin vorgenommenen Umfang sprechen auch die diesen Ziffern sowie der GOP 11500 zugeordneten Prüfzeiten. Nach § 87 Abs. 2 Satz 1 SGB V muss der Bewertungsausschuss die im EBM-Ä bewerteten Leistungen soweit möglich auch mit Angaben für den zur Leistungserbringung erforderlichen Zeitaufwand des Vertragsarztes versehen. Dem hat der Bewertungsausschuss durch die Bekanntgabe der ursprünglich im Anhang 3 des EBM-Ä enthaltenen und gegenwärtig den einzelnen GOP unmittelbar zugeordneten Kalkulations- und Prüfzeiten entsprochen. Diese haben normativen Charakter und müssen nach der Rechtsprechung des BSG so bemessen sein, dass sie auch von erfahrenen und zügig arbeitenden Ärzten für eine ordnungsgemäße Leistungserbringung benötigt werden (BSG, Urteil vom 24.10.2018 – B 6 KA 42/17 R – BSGE 127, 43 = SozR 4-2500 § 106a Nr. 19, RdNr. 14). Wegen des gleichen normativen Rangs von Leistungslegende und Prüfzeit können zumindest in besonders gelagerten Fällen Schlussfolgerungen von der Prüfzeit auf die Auslegung einer nach dem Wortlaut nicht völlig eindeutigen Leistungslegende gezogen werden. Das kommt jedenfalls in Betracht, wenn nur bei einem bestimmten – von mehreren nach dem Wortlaut möglichen – Verständnis der Leistungslegende Prüfzeiten, Leistungsbewertungen und eventuelle Abrechnungsausschlüsse in einem in sich stimmigen Verhältnis zueinander stehen, während bei einem abweichenden Verständnis die Prüfzeiten offensichtlich völlig falsch und die Leistungsbewertung zumindest systematisch unstimmig wären (BSG, Urteil vom 15. Juli 2020 – B 6 KA 15/19 R -). Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Den GOP 11320 sowie 11321 ist jeweils eine Prüfzeit von einer Minute zugeordnet. Die Abrechnung der Klägerin für eine Array-CGH (92 x 11320 und 4 x 11321) ergibt somit eine Prüfzeit von 96 Minuten für eine Untersuchung. Diese hohe Prüfzeit hat auch dazu geführt, dass die Klägerin ihre Quartalssowie Tagesarbeitszeit auffällig hoch überschritten hatte. Im Gegensatz dazu ist die zum 1.10.2010 eingeführte GOP 11500, die nunmehr indikationsabhängig unbestritten die hier streitige Untersuchung mittels Array-CGH abbildet, eine Prüfzeit von lediglich 12 Minuten zugeordnet. Der Bewertungsausschuss ging daher davon aus, dass die mit der GOP 11500 abgebildete Leistung im Durchschnitt in dieser Zeit zu erbringen ist. Prüfzeiten sind im Übrigen Durchschnittszeiten (BSG, Urteil vom 24.10.2018 – B 6 KA 42/17 R – BSGE 127, 43 = SozR 4-2500 § 106a Nr. 19, RdNr. 14), was impliziert, dass die jeweilige Leistung im Einzelfall auch schneller erbracht werden, die Behandlung aber durchaus auch mehr Zeit erfordern kann. Die Abrechnung von Leistungen im Umfang von 96 Minuten – wie durch die Klägerin erfolgt – steht daher in keinem Verhältnis zur Einschätzung des Bewertungsausschusses, die Leistung üblicherweise in 12 Minuten erbringen zu können. Damit kann die Analyse mittels Array-CGH auch aus diesem Grund nicht – wie erfolgt – mit den GOP 11320 und 11321 abgerechnet werden.
d) Ein Verstoß gegen das Willkürverbot ist nicht ersichtlich. Inwieweit die Leistungen angeblich bundesweit oder zumindest bayernweit von anderen Humangenetikern entsprechend abgerechnet werden, spielt zunächst für die Rechtmäßigkeit der bei der Klägerin vorgenommenen sachlich-rechnerischen Richtigstellung keine Rolle. Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin als einzige Humangenetikerin von der sachlich-rechnerischen Richtigstellung betroffen ist, obwohl auch andere Humangenetiker diese Leistung entsprechend der Klägerin abrechnen würden, liegen nicht vor. Der Beklagten ist kein weiterer Fall bekannt, in dem eine entsprechende Abrechnung vorgenommen worden sein soll. Auch die Klägerin nennt keinen konkreten Fall. Woher R in seiner Stellungnahme vom 22.4.2014 die Erkenntnis bezieht, die Ziffernkombination sei bundesweit vor Einführung der GOP 11500 für die Abrechnung von Array-CGH-Analysen verwendet worden, bleibt im Dunkeln.
e) Soweit der Klägerbevollmächtigte darauf abstellt, die Systematik des EBM habe sich bei den humangenetischen Leistungen von der methodenbezogenen Abrechnung zur indikationsbezogenen Abrechnung geändert, woraus aber nicht geschlossen werden dürfe, dass die Abrechnung methodenbezogen nicht zulässig gewesen sei, führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Wenn die Leistungslegende – wie dargestellt – nicht erfüllt ist, kann die Leistung unabhängig davon, ob methoden- oder indikationsbezogen, nicht über die GOP 11320 und 11321 abgerechnet werden.
f) Die Beklagte hat damit in den Quartalen 1/2008 bis 3/2010 zu Recht sämtliche Ansätze der GOP 11320 und 11321, die die Klägerin im Zusammenhang mit einer Array-CGH-Analyse abgerechnet hat, nachträglich von der Abrechnung der Klägerin abgesetzt und die Honorarbescheide demensprechend sachlich-rechnerisch richtiggestellt. Die Berechnung des auf diese GOP entfallenden Anteils der Rückforderungssumme begegnet keinen Bedenken. Die Beklagte hat den Schaden anhand der Behandlungsfälle, in denen aus dem Abrechnungsmuster die Abrechnung einer Array-CGH-Analyse erkennbar war, konkret berechnet.
3. Zur Abrechnung des Indexpatienten über die Krankenversichertenkarte des Ratsuchenden trägt die Klägerin in der Berufung keine neuen Argumente vor. Der Senat weist daher auch insoweit auf die zutreffenden Ausführungen des SG und macht sie sich zu eigen (§ 153 Abs. 2 SGG).
Im Übrigen geht auch die Stellungnahme des R vom 22.4.2014 davon aus, dass in der Praxis nach seiner Erfahrung eine Abrechnung des „Indexpatienten“ nur im Ausnahmefall, nämlich bei dessen Tod, über die Krankenversicherungskarte des Ratsuchenden erfolgt. Entsprechend beschreibt er auch, dass „sich die Kollegen stets um die Beibringung eines Überweisungsscheines auch für die zu untersuchenden Angehörigen bemühen“. Der Senat stellt nicht in Abrede, dass die Untersuchung der Familienangehörigen (zB. des Indexpatienten) medizinisch sinnvoll sein kann – nichts anderes sagte auch die Stellungnahme von G vom 10.8.2010 -, sie muss aber grundsätzlich über die Krankenversicherungskarte des untersuchten Familienangehörigen erfolgen, es sei denn, der EBM sieht eine entsprechende Ausnahme vor.
Es handelt sich vorliegend auch nicht um die Abrechnung des Genmaterials von toten Patienten, sondern ausschließlich um Abrechnung von Leistungen, bei denen die involvierten Personen noch leben. Die Abrechnung der Untersuchung von Genmaterial eines toten Menschen über die Krankenversicherungskarte eines lebenden Patienten stellt eine hier nicht vorliegende Besonderheit dar. Es ist daher unerheblich, ob die Beklagte entsprechende Leistungen bei der Klägerin oder anderen Ärzten im Ausnahmefall vergütet hat (vgl. anonymisiertes Schreiben der Beklagten vom 12.4.2011). Eine (ausnahmsweise) erfolgte Vergütung belegt nicht, dass die Beklagte auch in den hier streitigen Konstellationen eine Abrechnung für zulässig halten muss.
4. Die Klägerin kann sich nicht auf Vertrauensschutz berufen.
a) Nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 28.08.2013, – B 6 KA 50/12 R -, in juris Rdnr. 22 ff.) kann der Vertragsarzt auf den Bestand eines vor einer endgültigen Prüfung auf Rechtmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit erteilten Honorarbescheides grundsätzlich nicht vertrauen. Die Auskehrung der Gesamtvergütungsanteile durch die Kassenärztliche Vereinigung im Wege der Honorarverteilung ist nämlich dadurch gekennzeichnet, dass diese quartalsmäßig auf die Honoraranforderungen ihrer Vertragsärzte hin Bescheide zu erlassen hat, ohne dass sie – aus rechtlichen und/oder tatsächlichen Gründen – die Rechtmäßigkeit der Honoraranforderungen hinsichtlich ihrer sachlich-rechnerischen Richtigkeit der Leistungserbringung bereits umfassend überprüfen konnte. Die Berechtigung der Kassenärztlichen Vereinigung zur Rücknahme rechtswidriger Honorarbescheide ist nicht auf die Berichtigung von Fehlern aus der Sphäre des Vertragsarztes beschränkt, sondern besteht umfassend, unabhängig davon, in wessen Verantwortungsbereich die allein maßgebliche sachlich-rechnerische Unrichtigkeit fällt. Die umfassende Berichtigungsbefugnis der Kassenärztlichen Vereinigung, die den Besonderheiten und Erfordernissen der Honorarverteilung Rechnung trägt, ist aber im Hinblick auf den gebotenen Vertrauensschutz der Vertragsärzte zu begrenzen. Das gilt nach der Rechtsprechung des BSG sowohl für Unrichtigkeiten, die ihre Ursache in der Sphäre des Vertragsarztes finden, wie auch bei anderen Fehlern, etwa der Unwirksamkeit der generellen Grundlagen der Honorarverteilung (Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 26. April 2017 – L 5 KA 2448/15 -, juris). Zur generellen Sicherstellung dieses Interessenausgleichs und damit zur Beurteilung der Frage, in welchen Konstellationen das Vertrauen des Vertragsarztes auf den Bestand eines rechtswidrigen, ihn begünstigenden Verwaltungsaktes schutzwürdig ist, hat das BSG Fallgruppen herausgearbeitet, in denen die Befugnis zu sachlich-rechnerischen Richtigstellungen aus Gründen des Vertrauensschutzes begrenzt ist. Eine dieser Fallgruppen liegt nicht vor. Weder hat die Beklagte ihre Befugnis zur sachlich-rechnerischen Richtigstellung bereits „verbraucht“, indem sie die Honoraranforderung des Vertragsarztes in einem der ursprünglichen Honorarverteilung nachfolgenden Verfahren auf ihre sachlich-rechnerische Richtigkeit überprüft und vorbehaltlos bestätigt hat noch hat sie es bei Erlass des Honorarbescheides unterlassen, auf ihr bekannte Ungewissheiten hinzuweisen.
b) Die nachträgliche Korrektur eines Honorarbescheids nach den Vorschriften über die sachlich-rechnerische Richtigstellung ist nicht mehr möglich, wenn die Frist von vier Jahren seit Bekanntgabe (dazu BSG, Urteil vom 28.03.2007, – B 6 KA 22/06 R -, in juris) des betroffenen Honorarbescheids bereits abgelaufen ist. Den maßgebenden Zeitpunkt für den Beginn der Vier-Jahres-Frist markiert in Fällen sachlich-rechnerischer Prüfung ebenso wie bei degressionsbedingter Honorarminderung und bei der Überprüfung der Wirtschaftlichkeit der Behandlungsweise der Erlass des Honorarbescheides (s zusammenfassend BSG SozR 4-2500 § 106 Nr. 28 Rn 31 mwN; vgl. auch BSGE 98, 169 = SozR 4-2500 § 85 Nr. 35, Rn 17; BSGE 114, 170 = SozR 4-2500 § 106a Nr. 11, Rn 25; anders für den Verordnungsregress: BSG SozR 4-2500 § 106 Nr. 29 Rn 29 ff). Mit dem Richtigstellungsbescheid vom 7.1.2013 wurde die Ausschlussfrist für die Quartale 3/2008 (Honorarbescheid vom 10.3.2009) bis 2/2010 gewahrt.
Für die Quartale 2/2007 (Honorarbescheid vom 10.10.2007), 3/2007 (Honorarbescheid vom 9.1.2008), 4/2007 (Honorarbescheid vom 9.4.2008), 1/2008 (Honorarbescheid vom 9.7.2008) und 2/2008 war zum Zeitpunkt des Erlasses des Richtigstellungsbescheides die vierjährige Ausschlussfrist bereits verstrichen. Der Honorarbescheid für das streitbefangene Quartal 2/2008 datierte vom 09.10.2008 und gilt damit nach § 37 Abs. 2 S. 1 SGB X als der Klägerin am Sonntag, dem 12.10.2008, bekanntgegeben (vgl. BSG SozR 4-1300 § 37 Nr. 1). Rechtshandlungen, die eine Fristenhemmung zur Folge haben könnten (vgl. dazu BSG SozR 4-5540 § 48 Nr. 2 Rn 34 f), sind nicht ersichtlich.
c) Auch nach Ablauf der Ausschlussfrist kommt aber eine Richtigstellung von Honorarbescheiden auf der Grundlage von § 106a Abs. 2 SGB V aF bzw. § 106d Abs. 2 SGB V weiterhin in Betracht, wenn einer der Vertrauensausschlusstatbestände des § 45 Abs. 2 S. 3 iVm Abs. 4 S. 1 SGB X erfüllt ist. Die Spezialität von § 106a Abs. 2 SGB V aF (§ 106d Abs. 2 SGB V) als maßgebliche Rechtsgrundlage für eine Korrektur rechtswidriger Honorarbescheide im Vertragsarztrecht hat keine Auswirkungen darauf, dass nach Ablauf der vierjährigen Ausschlussfrist, in der jeder Vertragsarzt mit einer Korrektur der ihm erteilten Honorarbescheide rechnen muss (vgl BSG Urteil vom 12.12.2001 – B 6 KA 3/01 R – BSGE 89, 90, 94 f, 103 = SozR 3-2500 § 82 Nr. 3 S. 7 f, 16; BSG Urteil vom 28.8.2013 – B 6 KA 43/12 R – BSGE 114, 170 = SozR 4-2500 § 106a Nr. 11, RdNr. 25), eine Rücknahme rechtswidriger Honorarbescheide nicht absolut und generell ausgeschlossen ist. Vielmehr normiert § 45 Abs. 2 S. 3 SGB X in verallgemeinerungsfähiger Weise diejenigen Sachverhalte, bei denen nach der Wertung des Gesetzgebers ein schutzwürdiges Vertrauen, das die Rücknahme eines rechtswidrig begünstigenden Verwaltungsakts hindert, nicht anerkannt werden kann (sog Vertrauensausschlusstatbestände). Liegen sie vor, sind Richtigstellungen nach § 106a Abs. 2 SGB V aF bzw § 106d Abs. 2 SGB V auch nach Ablauf der Ausschlussfrist weiterhin möglich (BSG, Urteil vom 24. Oktober 2018 – B 6 KA 34/17 R -, juris Rn 29, BSGE 127, 33-43, SozR 4-2500 § 106d Nr. 2).
So verhält es sich hier. Die Klägerin hat den Tatbestand des § 45 Abs. 2 S. 3 Nr. 3 SGB X verwirklicht. Gemäß § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X kann sich der (durch den Verwaltungsakt) Begünstigte (hier die Klägerin) nicht auf Vertrauensschutz berufen, soweit er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts (hier des Honorarbescheids) kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat. Notwendig ist, dass schon einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt werden und daher nicht beachtet wird, was im gegebenen Fall (hier) dem an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Arzt einleuchten muss. Dabei ist das Maß der Fahrlässigkeit insbesondere nach der persönlichen Urteils- und Kritikfähigkeit, dem Einsichtsvermögen (hier) des Arztes sowie der besonderen Umstände des Falles zu beurteilen (Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 26. April 2017 – L 5 KA 2448/15 -, juris).
Dies zugrundelegend hat die Klägerin in den Quartalen 2/2007 bis 2/2008 (sowie bis zum Quartal 2/2010) insoweit grob fahrlässig gehandelt, als sie die Beschäftigung der Weiterbildungsassistentinnen A1 und S für die Zeiträume vom 1.4.2007 bis 31.3.2010 (A1) und vom 1.2.2010 bis 30.6.2010 (Frau S) nicht genehmigen ließ (Quartale 2/2007 bis 2/2010). Ihr als Vertragsärztin war bekannt, dass die Beschäftigung von Weiterbildungsassistenten und deren Einbindung in die vertragsärztliche Versorgung nur mit Genehmigung der Beklagten zulässig war. Dies bestreitet die Klägerin auch gar nicht. Gerade weil ihr dies aber bewusst war, hätte sie Vorkehrungen dafür treffen müssen, dass die für A1 und Frau S nur befristet erteilten Genehmigungen für die Beschäftigung als Weiterbildungsassistentinnen rechtzeitig verlängert werden. Ihr hätte durch das Anstellen einfachster Überlegungen klar sein müssen, dass eine Einbindung beider Ärztinnen in die vertragsärztliche Versorgung ohne Genehmigung dazu führt, dass die von den Weiterbildungsassistentinnen erbrachten Leistungen nicht vergütungsfähig sind. Der Klägerin war bekannt, dass für Frau A1 eine Genehmigung nur für einen kurzen Zeitraum (7.4.2006 bis 31.3.2007) und auch nicht rückwirkend erteilt worden war, sodass ihr hätte klar sein müssen, dass eine Verlängerung rechtzeitig vor dem 1.4.2007 hätte beantragt werden müssen. Ihre Einlassung, die Verlängerung sei versehentlich nicht erfolgt und sei auch dem Umstand eines aufwändigen Praxisumzuges geschuldet gewesen, führt nicht dazu, das Verhalten der der Klägerin anders als grob fahrlässig zu bewerten. Wenn sich die Klägerin pflichtwidrig nicht vergewissert, dass eine nur für ein Jahr erteilte Genehmigung zur Beschäftigung einer Weiterbildungsassistentin rechtzeitig verlängert wird, ist dies ihr auch subjektiv vorwerfbar.
Soweit die Klägerin rechtswidrige Abrechnung der Array-CGH über den schematischen Ansatz der GOP 11320 (je 92-mal) und 11321 (je 4-mal) für die Quartale 1/2008 bis 3/2010 nicht kannte, liegt wenigstens grobe Fahrlässigkeit vor. Die Klägerin war als Sprecherin der Kommission Gebührenordnung im Verband Deutscher Humangenetiker mit Abrechnungsfragen bestens vertraut. Ihr hätte bei einfachster Überlegung der Gedanke kommen müssen, hinsichtlich ihrer Abrechnungsweise zumindest Rücksprache mit der Beklagten zu nehmen, ob die von ihr angedachte kreative Abrechnung der Mikro-Array-CGH zulässig ist. Nach Auffassung des Senats war der Klägerin die Unzulässigkeit der Abrechnung sogar durchaus bewusst, sie sah nur keine anderweitige Abrechnungsmöglichkeit für die von ihr für sinnvoll gehaltene Analyse.
d) Eine Rücknahme der Honorarbescheide für die Quartale 2/2007 bis 2/2008 scheitert auch nicht an § 45 Abs. 4 S. 2 SGB X (zur Anwendbarkeit der Vorschrift vgl. BSG SozR 4-2500 § 106a Nr. 10). Danach muss die Aufhebung eines Bescheides innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen erfolgen, die die Rücknahme rechtfertigen. Die den Beginn der Jahresfrist bestimmende Kenntnis ist nach der Rechtsprechung des BSG dann anzunehmen, wenn mangels vernünftiger objektiv gerechtfertigter Zweifel eine hinreichend sichere Informationsgrundlage bezüglich sämtlicher für die Rücknahmeentscheidung notwendiger Tatsachen besteht (BSGE 122, 25 = SozR 4-1500 § 114 Nr. 2, Rn 31 mwN).
Zwar wusste die Beklagte bereits seit dem 09.07.2009 (E-Mail des Zulassungsausschusses an die Beklagte), dass für die Weiterbildungsassistentin A1 eine Genehmigung nur bis zum 31.03.2007 vorgelegen hatte und A1 dennoch auch in den streitgegenständlichen Quartalen bei der Klägerin beschäftigt war. Allerdings konnte die Beklagte letztlich erst nach Einsichtnahme in die Strafakten am 10.10.2012 den Umfang der Falschabrechnung diesbezüglich abschätzen, denn erst zu diesem Zeitpunkt erhielt sie Kenntnis von den an die Staatsanwaltschaft übermittelten Listen hinsichtlich der durch die Weiterbildungsassistentinnen erbrachten Leistungen. Damit hatte die Beklagte erst ab dem 10.10.2012 Kenntnis von den durch die Weiterbildungsassistentinnen beratenen Patienten und damit erst ab diesem Zeitpunkt die Grundlage, die zur Berechnung der Rückforderung notwendig war. Die einjährige Rücknahmefrist des § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X ist mit dem Bescheid vom 7.1.2013 daher gewahrt.
5. Indem die Klägerin zumindest hinsichtlich einer Leistung je Quartal grob fahrlässig nicht berechnungsfähige Leistungen zur Abrechnung gebracht hat, ist die sog. Garantiewirkung ihrer Abrechnungssammelerklärungen für die Honorarabrechnungen der Quartale 2/2007 – 2/2010 mit der Folge entfallen, dass die Beklagte das (vollständig) neu festzusetzende Quartal schätzen darf (Clemens, in: JurisPraxisKommentar, SGB V, 2.A., § 106a Rn. 234 m.w.N.).
Die von der Beklagten vorgenommene Schätzung, in welchem Umfang eine angemessene Honorarkürzung stattzufinden hat, ist – wie schon das SG zutreffend festgestellt hat -nicht zu beanstanden. Die Beklagte hat sich bei der Berechnung der Rückforderung auf eine durch die Klägerin selbst im Strafverfahren vorgelegte Liste der Leistungen gestützt, die von den jeweiligen Assistentinnen in den einzelnen Quartalen erbracht wurden. Dies begegnet aus Sicht des Senats keinen rechtlichen Bedenken, zumal die Zuordnung der abgerechneten Leistungen durch die Klägerin selbst erfolgt ist.
Auch bezogen auf die Komplexe „Array-CGH“ und „Indexpatient“ begegnet die Höhe der Rückforderung, die auf konkreten Berechnungen und nicht auf Schätzungen beruht, keinen Bedenken.
Die Berufung der Klägerin war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 197a Abs. 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung des § 154 Abs. 2 VwGO, wonach der Kläger die Kosten des von ihm erfolglos geführten Rechtsmittels trägt. Eine Erstattung der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen ist nicht veranlasst, da sie keine Anträge gestellt haben, § 162 Abs. 3 VwGO.
Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht erkennbar (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG).


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen


Nach oben