Sozialrecht

Rückforderung von Ausbildungsförderung mangels Beweis einer Treuhandabrede

Aktenzeichen  AN 2 K 19.02244

Datum:
13.7.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 26555
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BAföG § 26, § 27, § 28
SGB X § 45, § 50

 

Leitsatz

Dem Auszubildenden ist Vermögen u.a. dann nicht zuzurechnen, wenn er dieses – zivilrechtlich wirksam – lediglich als Treuhänder für einen Treugeber hält; hierfür ist der Auszubildende darlegungs- und beweispflichtig, wobei an den Nachweis strenge Anforderungen zu stellen sind (hier: nicht hinreichend glaubhafte Treuhandabrede mit Eltern für einen Bausparvertrag). (Rn. 38 und 41 – 42) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
3. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung jeweils durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
1. Der angegriffene Bescheid des Beklagten vom 20. November 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids des Beklagten vom 15. Oktober 2019 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in eigenen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
a) Aufgrund eines Verwaltungsakts erbrachte Leistungen sind nach § 50 Abs. 1 S. 1 SGB X zurückzugewähren, sofern der Verwaltungsakt aufgehoben, zurückgenommen oder widerrufen wird (Heße in Beckscher Online-Kommentar Sozialrecht, 52. Edition Stand: 1.3.2019, § 50 SGB X Rn. 17). Die Rücknahme eines begünstigenden Verwaltungsakts kann – auch wenn dieser bereits bestandskräftig geworden ist – grundsätzlich nach § 45 Abs. 1 SGB X erfolgen, soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig ist. Nach § 45 Abs. 2 Satz 1 SGB X scheidet eine solche Rücknahme aber aus, wenn der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsakts vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse schutzwürdig ist. Letzteres ist gemäß § 45 Abs. 2 Satz 2 SGB X grundsätzlich der Fall, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Dagegen kann sich der Begünstigte gemäß § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X nicht auf Vertrauensschutz berufen, soweit der Verwaltungsakt kausal auf Angaben beruht, die er vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat. In diesem Fall kann die Rücknahme auch mit Wirkung für die Vergangenheit erfolgen, sofern dies binnen eines Jahres seit Kenntnis der die Rücknahme rechtfertigenden Tatsachen geschieht (§ 45 Abs. 4 SGB X).
b) Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe ist die angegriffene Neufestsetzung von Ausbildungsförderung mit streitgegenständlichem Bescheid vom 20. November 2017 betreffend den Bewilligungszeitraum November 2012 bis September 2013 auf monatlich 197,00 EUR sowie betreffend den Bewilligungszeitraum Oktober 2013 bis September 2014 auf monatlich 298,00 EUR rechtmäßig. Dasselbe gilt für die festgesetzte Rückforderung in Höhe von 2.771,00 EUR.
(1) Bei dem zuletzt ergangenen Bewilligungsbescheid des Beklagten vom 13. Januar 2016 insbesondere betreffend die bezeichneten Bewilligungszeiträume handelt es sich um einen begünstigenden und mittlerweile bestandskräftigen Verwaltungsakt. Zwar hatte der Beklagte mit dem genannten Bescheid die ursprünglich bewilligte Ausbildungsförderung der Kläger bereits herabgesetzt. Entsprechend handelt es sich bei dem Bescheid vom 13. Januar 2016 trotz der darin enthaltenen Leistungsgewährung mit Blick auf die Herabsetzungsbeträge um einen nicht begünstigenden Verwaltungsakt. Dagegen stellt sich der Bescheid vom 13. Januar 2016 in Höhe der dort bewilligten Ausbildungsförderung – deren Rückforderung nunmehr in Streit steht – um einen begünstigenden Verwaltungsakt (Steinwedel in Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, Stand Mai 2020, § 44 SGB X Rn. 12).
(2) Die Festsetzung von Ausbildungsförderung für die Bewilligungszeiträume November 2012 bis September 2013 und Oktober 2013 bis September 2014 mit Bescheid vom 13. Januar 2016 war rechtswidrig, da der Klägerin aufgrund ihres Vermögens in den bezeichneten Bewilligungszeiträumen lediglich ein Anspruch auf Ausbildungsförderung zustand, wie mit angegriffenen Bescheid vom 20. November 2017 festgesetzt.
(a) Nach § 11 Abs. 1 BAföG wird Ausbildungsförderung für den Lebensunterhalt und die Ausbildung geleistet. Auf diesen Bedarf anzurechnen ist das Vermögen des Auszubildenden (§ 11 Abs. 2 Satz 1 BAföG). Entsprechend erhalten nur solche Auszubildende Ausbildungsförderung, deren Vermögen nach Maßgabe der Vorschriften über die Vermögensanrechnung nicht zu hoch ist (Winkler in Beckscher Online-Kommentar Sozialrecht, 52. Edition Stand: 01.03.2019, § 26 BAföG Rn. 1). Von dem gemäß § 26 BAföG grundsätzlich anzurechnenden Vermögen des Auszubildenden bleibt nach § 29 Abs. 1 Satz 1 BAföG ein Freibetrag anrechnungsfrei. Im maßgeblichen Zeitpunkt der Antragstellung (§ 29 Abs. 1 Satz 2 BAföG) sah § 29 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BAföG a.F. hier einen Freibetrag in Höhe von 5.200,00 EUR vor.
Außerdem ist dem Auszubildenden Vermögen insbesondere dann nicht zuzurechnen, wenn er dieses – zivilrechtlich wirksam – lediglich als Treuhänder für einen Treugeber hält. Dabei kann im Ergebnis offen bleiben, ob treuhänderisch gehaltenes Vermögen schon kein Vermögen im Sinne von § 27 Abs. 1 BAföG darstellt oder aber diesem Vermögen – wie bei der Darlehensvaluta – deckungsgleich ein Rückübertragungsanspruch als absetzbare Schuld im Sinne von § 28 Abs. 3 S. 1 BAföG gegenübersteht (Humborg in Rothe/Blanke, BAföG, 5. Aufl., Stand Mai 2009, § 27 Rn. 8.3). Hinsichtlich der Voraussetzung der zivilrechtlichen Wirksamkeit der Treuhandabrede trifft den Auszubildenden eine gesteigerte Mitwirkungspflicht (für das Darlehen Hartmann in Rothe/Blanke, BAföG, 5. Aufl., Stand Mai 2009, § 28 Rn. 10.2). Er ist insoweit darlegungs- und beweispflichtig, wobei an den Nachweis strenge Anforderungen zu stellen sind (Hartmann a.a.O.; Humborg in Rothe/Blanke, BAföG, 5. Aufl., Stand Mai 2009, § 27 Rn. 8.2). Für die Frage der Glaubhaftigkeit des Vorbringens ist insbesondere zu berücksichtigen, ob der Inhalt der jeweiligen Abrede und der Zeitpunkt des Vertragsschlusses substantiiert dargelegt sind, ob ein plausibler Grund für den Abschluss des Rechtsgeschäfts genannt ist, ob von den dargelegten Vereinbarungen in der tatsächlichen Durchführung nicht nachvollziehbar abgewichen wurde, ob dem Auszubildenden die Verwertung des zu treuen Händen gehaltene Vermögens auch in finanziellen Notsituationen vereinbarungsgemäß verwehrt sein soll und ob Treuhandvermögen und eigenes Vermögen getrennt gehalten werden (Humborg a.a.O. Rn. 8.2 a.E.).
(b) Gemessen an diesen Anforderungen erweist sich die Festsetzung von Ausbildungsförderung betreffend die Bewilligungszeiträume November 2012 bis September 2013 sowie Oktober 2013 bis September 2014 mit Bewilligungsbescheid vom 13. Januar 2016 als rechtswidrig.
(aa) Zunächst war der Klägerin im Zeitpunkt ihrer jeweiligen Antragstellung über das in ihren Anträgen angegebene Vermögen hinaus Inhaberin von Bausparguthaben in Höhe von 3.100,00 EUR (betreffend den Bewilligungszeitraum November 2012 bis September 2013) bzw. in Höhe von 4.208,51 EUR (betreffend den Bewilligungszeitraum Oktober 2013 bis September 2014).
Zwar hat die Klägerin der Sache nach vorgebracht, nicht sie, sondern ihre Eltern seien Inhaber des fraglichen Bausparvermögens gewesen. Das Bausparvermögen habe nie ihrer, sondern stets der Verfügungsgewalt ihrer Eltern unterlegen. Damit macht die Klägerin hinsichtlich des Bausparvermögens rechtlich betrachtet eine Treuhandabrede gelten, wonach sie lediglich als Treuhänderin das fragliche Bausparvermögen für ihre Eltern als Treugeber gehalten habe.
Allerdings ist dieses Vorbringen der Klägerin zu der behaupteten Treuhandabrede zur Überzeugung der Kammer nicht hinreichend glaubhaft. Zwar misst die Kammer dem Umstand, dass auch nach klägerischem Vortrag keine schriftliche Vereinbarung über die fragliche Treuhandabrede vorliegt, keine wesentliche Bedeutung bei. Denn üblicherweise wird es im Rahmen familiärer Treuhandabrede an einer schriftlichen Fixierung fehlen. Allerdings hat die Klägerin auch keine mündliche Treuhandabrede substantiiert dargelegt. So fehlt es insbesondere an Vortrag, wann genau und mit genau welchem Inhalt die Treuhandabrede zustande gekommen sein soll. Auch erscheint es nicht fernliegend, dass die Klägerin insoweit Einzelheiten hinsichtlich Zeitpunkt und Inhalt hätte vorbringen können. Denn im Zeitpunkt des Abschlusses des Bausparvertrags war die Klägerin nicht etwa minderjährig, sondern … Jahre alt und stand kurz vor dem Beginn ihres Studiums. Auch ist der von der Klägerin geltend gemachte Grund für die Treuhandabrede, wonach bei einem Abschluss auf ihre Person höhere Zinsen hätten erzielt werden können, nach den vorgelegten Unterlagen fraglich, jedenfalls aber nicht belegt. So ist aus der klägerseits als Anlage K5 vorgelegten Bausparurkunde, ausgestellt auf die Klägerin, lediglich ein „Bonus extra für junge Leute“ in Höhe von 300,00 EUR ersichtlich. Höhere Zinsen etwa aufgrund des Alters der Klägerin gehen dagegen aus der Urkunde nicht hervor. Darüber hinaus hat die Klägerin zwar exemplarisch belegt, dass die Einzahlungen auf den Bausparvertrag von dem Konto ihres Vaters erfolgt sind. Dieser Umstand ist allerdings nicht allein mit einer Treuhandabrede, sondern auch damit vereinbar, dass die Eltern der Klägerin für diese schenkweise Vermögen ansparen wollten. Auch der aus den klägerseits vorgelegten Anlagen K7 und K8 ersichtliche monatliche Einzahlungsbetrag in Höhe von grundsätzlich 100,00 EUR wäre hierfür zumindest nicht untypisch. Darüber hinaus hat die Klägerin einerseits vorbringen lassen, das mit Hilfe des Bausparvertrags angesparte Vermögen habe für die Tilgung bestehender Eigenheimschulden der Eltern verwendet werden sollen. Im weiteren Verlauf des Verfahrens hat sie sodann ausführen lassen, das Bausparvermögen sei für Reparaturarbeiten verwendet worden. Danach wird jedenfalls nicht klar, warum sich ggf. eine Änderung hinsichtlich der Mittelverwendung ergeben hat. Dies gilt umso mehr, als die Klägerin als Anlagen K16 bis K19 Kontoauszüge betreffend einen Kreditvertrag ihrer Eltern vorgelegt hat, um nach den Ausführungen der Klageschrift die Verwendung der Mittel zur Eigenheimfinanzierung nachzuweisen. Nachweise hinsichtlich etwaiger Reparaturarbeiten an der Immobilie ihrer Eltern hat die Klägerin wiederum nicht vorgelegt.
Tendenziell für das Vorliegen einer Treuhandabrede spricht indes, dass der Aktenvermerk des Beklagten betreffend die Erkenntnisse des Bundeszentralamts für Steuern ausweislich Bl. 345 der Behördenakte vom 26. Juli 2017 datiert, der Bausparvertrag aber ausweislich einer Quittung der Deutschen Post – klägerseits vorgelegt als Anlage K11 – bereits mit Aufgabe des Kündigungsschreibens zur Post am 20. Juli 2017 – also noch vor Kenntniserlangung des Beklagten von den fraglichen Zinserträgen – gekündigt wurde, wobei um Überweisung der Bausparsumme auf das Konto des Vaters des Klägers gebeten wurde. Allerdings ist auch zu berücksichtigen, dass auch eine später erfolgte Überweisung des angesparten Bausparvermögens auf das Konto des Vaters der Klägerin letztlich nicht belegt, wie das Vermögen aus dem Bausparvertrag tatsächlich verwendet wurde. Dies gilt umso mehr, als nach dem Vorbringen der Klägerin hierfür sowohl die Darlehenstilgung als auch die Finanzierung von Reparaturarbeiten im Raum stehen.
Nicht unerheblich gegen die Glaubhaftigkeit des Vortrags der Treuhandabrede spricht schließlich, das die Klägerin bzw. nach eigenem Vortrag ihr Vater unrichtige Angaben hinsichtlich des klägerischen Vermögens gemacht haben, auch wenn die die fragliche Treuhandabrede unberücksichtigt bleibt. Sogar bei Wahrunterstellung des Vortrags der Klägerin, wonach ihr Kontoguthaben bei der …Bank … und der … … zu Teilsummen in den jeweiligen Anträgen auf Ausbildungsförderung als vorhandenes Barvermögen mit eingerechnet und mitgeteilt“ worden sei, stimmen ihre Vermögensangaben nicht dem später ermittelten, tatsächlichen Vermögen der Klägerin überein. So hat die Klägerin für den Bewilligungszeitraum November 2012 bis September 2013 Bankguthaben sowie Barguthaben in Höhe von insgesamt 1.828,00 EUR angegeben. Tatsächlich wiesen aber – zuletzt unstreitig – allein ihre Girokonten in diesem Zeitpunkt Guthaben in Höhe von 2.511,79 EUR aus. Das Gleiche gilt für den Bewilligungszeitraum Oktober 2013 bis September 2014. Auch hier hat die Klägerin zum Stichtag Bankguthaben sowie Barvermögen in Höhe von insgesamt 2.500,00 EUR angegeben, wohingegen allein ihre Girokonten im fraglichen Zeitpunkt ein Guthaben in Höhe von 2.989,79 EUR ausgewiesen haben. Angesichts dieses Kontostands trifft auch das Vorbringen der Klägerin nicht zu, angegebenes Barvermögen in Höhe von 1.000,00 EUR (betreffend den Bewilligungszeitraum Oktober 2013 bis September 2014) habe „pauschaliert“ Kontoguthaben umfassen sollen, dieses Kontoguthaben aber bei weitem überschritten. Darüber hinaus hatte die Klägerin Genossenschaftsanteile sowohl bei der …Bank … als auch bei der … überhaupt nicht angegeben. Schließlich hat die Klägerin hinsichtlich ihres Kontoguthabens und der Genossenschaftsanteile auch keine Treuhandabrede geltend gemacht. Vielmehr hat sie in diesem Zusammenhang ausführen lassen, es handele sich um „absolute Notgroschen der Studienfinanzierun“. Danach bleibt festzuhalten, dass die Klägerin auch unter Ausklammerung des Bausparguthabens unzutreffend über ihr Vermögen Auskunft gegeben hat. Dies wiederum zieht die Glaubhaftigkeit ihres Vortrags hinsichtlich der Treuhandabrede nicht unerheblich in Zweifel.
Nach alledem konnte sich die Kammer auch im Rahmen einer Gesamtwürdigung aller für und gegen die Glaubhaftigkeit der Treuhandabrede sprechenden Umstände nicht mit hinreichender Sicherheit davon überzeugen, dass diese wie vorgetragen abgeschlossen wurde.
Die Kammer hat zudem bedacht, dass der Zweck einer Treuhandabrede im Einzelfall auch in der Verschleierung von Zinseinkünften liegen kann, etwa wenn nicht der Treugeber als wirtschaftlicher Vermögensinhaber, sondern der Treuhänder als Kontoinhaber faktisch die Einkommensteuer auf Kapitalerträge bzw. die Abgeltungssteuer abführt. Sofern solche Abreden das rechtswidrige Vorenthalten von Steuern auf Kapitalerträge bezwecken sollen, werden sie regelmäßig nach §§ 134, 138 BGB nichtig sein (BVerwG, U.v. 4.9.2008 – 5 C 12/08 – NVwZ 2009 395/398). Dennoch wird in diesen Fällen das fragliche Vermögen förderungsrechtlich oftmals nicht dem Auszubildenden, sondern dem das Vermögen übertragenden Dritten zuzurechnen sein. Denn wegen der Unwirksamkeit des Verpflichtungsgeschäfts kann der Übertragende grundsätzlich das fragliche Vermögen aufgrund Leistungskondiktion nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB zurückverlangen (zum Ganzen hinsichtlich einer ggf. unwirksamen Treuhandabrede BVerwG a.a.O.). Zudem mag der Vortrag einer solchen (unwirksamen) Treuhandabrede in besonderem Maße glaubhaft sein, weil sich der Auszubildende so erkennbar dem Vorwurf der Steuerhinterziehung und der Gefahr der Strafverfolgung aussetzt. Hier hat die Klägerin einen solchen Vortrag aber gerade nicht gehalten.
(bb) Im Übrigen war das beklagtenseits ermittelte Vermögen der Klägerin bei der …Bank … und der … im Zeitpunkt der jeweiligen Stichtage betreffend die Bewilligungszeiträume November 2012 bis September 2013 und Oktober 2013 bis September 2012 zuletzt unstreitig. Bereits ausgeführt ist, dass die Klägerin insoweit auch keine Treuhandabrede geltend macht. Soweit die Klägerin ausführt, in ihren jeweiligen Angaben zu Barvermögen sei zum Teil Kontoguthaben enthalten gewesen, konnte die Kammer dies letztlich nicht berücksichtigen. Denn bis zum Termin zur mündlichen Verhandlung hatte die Klägerin keinen Vortrag gehalten, inwieweit in den Angaben zu Barvermögen Kontoguthaben enthalten gewesen sein soll. Im Termin zur mündlichen Verhandlung hat die Klägerin sodann vortragen lassen, sie habe im Zeitpunkt ihrer Anträge auf Ausbildungsförderung jeweils über kein Barvermögen verfügt. Dies wiederum ist zur Überzeugung der Kammer nicht hinreichend glaubhaft. Denn nach der Lebenserfahrung erscheint es zunächst unwahrscheinlich, dass die Klägerin als Studentin zu den jeweiligen Stichtagen überhaupt kein Barvermögen bei sich geführt hat. Zudem bleibt unklar, warum auf Klägerseite insoweit noch eine feste Erinnerung an gänzlich fehlendes Barvermögen bezogen auf bestimmte Stichtage besteht, die nunmehr über sieben bzw. über sechs Jahre zurückliegen. Schließlich erscheint es auch zweifelhaft, dass – unter Zugrundelegung des klägerischen Vortrags – bei dem in finanziellen Angelegenheiten nicht unerfahrenen Vater der Klägerin im Zeitpunkt der jeweiligen Antragstellung Zweifel über den an sich auch in der Laiensphäre eindeutigen Begriff des Barvermögens aufgekommen sein sollen.
(cc) Nach alledem zeigt sich auch rechnerisch die Rechtswidrigkeit des Bewilligungsbescheids vom 13. Januar 2016. So belief sich das Vermögen der Klägerin zum Stichtag betreffend den Bewilligungszeitraum November 2012 bis September 2013 unter Berücksichtigung eines zehnprozentigen Abzugs von Bausparvermögen (Ziff. 28.3.4 BAföGVwV 1991 – Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Bundesausbildungsförderungsgesetz vom 15. Oktober 1991 (GMBl S. 770), zuletzt geändert durch Art. 1 BAföGÄndVwV 2013 vom 29. 10. 2013) auf 5.998,13 EUR, woraus nach Abzug des Freibetrags in Höhe von 5.200,00 EUR für den elfmonatigen Bewilligungszeitraum eine monatliche Vermögensanrechnung in Höhe von 72,55 EUR ergibt. Aufgrund unstreitigen Bedarfs in Höhe von 484,00 EUR sowie unstreitiger Anrechnung von* … ergibt sich ein monatlicher, gerundeter (§ 51 Abs. 3 BAföG) Zahlbetrag in Höhe von lediglich 197,00 EUR statt zuvor bewilligter 270,00 EUR. In gleicher Weise belief sich das Vermögen der Klägerin für den Bewilligungszeitraum Oktober 2013 bis September 2014 zum Stichtag auf 7.973,18 EUR. Hiervon waren fiktiver Vermögensverbrauch aus dem vorangegangenen Bewilligungszeitraum in Höhe von 798,13 EUR (5.998,13 EUR – 5.200,00 EUR) sowie der Freibetrag in Höhe von 5.200,00 EUR abzusetzen, so dass sich eine monatliche Vermögensanrechnung in Höhe von 164,59 EUR ergibt. Aufgrund unstreitigen Bedarfs in Höhe von 484,00 EUR und unstreitig anzurechnendem … folgt hieraus eine monatliche Förderung in Höhe von gerundet 298,00 EUR statt zuvor 462,00 EUR. Insgesamt ergibt sich insoweit eine Überzahlung in Höhe von 2.771,00 EUR ([270,00 EUR – 197,00 EUR] x 11 + [462,00 EUR – 298,00 EUR] x 12).
(3) Die Klägerin kann sich auch nicht auf Vertrauensschutz berufen. Zwar mag sie auf die Bewilligung der Ausbildungsförderung vertraut haben. Jedoch war dieses Vertrauen nicht schutzwürdig, da die Bewilligung von Ausbildungsförderung auf Angaben der Klägerin beruhte, die in wesentlichen Fragen zumindest grob fahrlässig unrichtig bzw. unvollständig waren. Grob fahrlässig handelt, wer die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt, weil er schon einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht anstellt und das nicht beachtet, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen (BVerwG, U.v.14.3 2013 – 5 C 10/12 – NVwZ-RR 2013, 689 Rn. 24). Hier ist – wie ausgeführt – davon auszugehen, dass keine Treuhandabrede getroffen war, sodass die Klägerin mangels anderer Anhaltspunkte davon ausgehen musste, selbst Inhaberin des Bausparvermögens zu sein. Entsprechend musste es sich der Klägerin im Zeitpunkt der jeweiligen Antragstellung mindestens aufdrängen, dass auch das Bausparvermögen bei Antragstellung anzugeben war. Jedenfalls musste es sich der Klägerin aber ohne weiteres aufdrängen, dass das Bausparvermögen auch angesichts des nicht unerheblichen Werts für die Frage der Bewilligung von Ausbildungsförderung eine maßgebliche Rolle spielen könnte. Entsprechend liegt grobe Fahrlässigkeit zumindest darin, dass die Klägerin das Bausparvermögen weder im Vorfeld der Antragstellung – etwa durch die Frage, ob das Bausparvermögen anzugeben sei – noch im Rahmen der Antragstellung thematisiert hat. Entsprechendes gilt erst Recht hinsichtlich des übrigen, nicht angegebenen Vermögen der Klägerin.
Soweit mit dem Vorbringen der Klägerin zugrunde gelegt wird, dass nicht sie, sondern allein ihr Vater die fraglichen Antragsformulare ausgefüllt hat, ist der Klägerin nach vorzugswürdiger Ansicht jedenfalls dessen Verschulden entsprechend § 278 BGB zuzurechnen (vgl. zum Streitstand Steinwedel in Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, Stand Mai 2020, § 45 SGB X Rn. 36a; BVerfG, B.v. 30.8.2006 – BvR 955/06 – NVwZ-RR 2007, 352). Denn die Klägerin hat sich bei der Beantragung von Ausbildungsförderung nach eigenem Vortrag ihres Vaters entsprechend eines Erfüllungsgehilfen bedient, so dass sie sich mangels Verschiebung der Rechts- und Pflichtenlage hierdurch sowie aufgrund vergleichbarer Interessenlage mit den Fällen aus § 278 BGB das oben näher ausgeführte Verschulden jedenfalls ihres Vaters gegen sich gelten lassen muss (so betreffend § 47 Abs. 3 VerwVG BSG, U.v. 22.10.1968 – 9 RV 418/65 – NJW 1969, 206). Im Übrigen waren die ausgebliebenen Angaben zur Vermögenshöhe auch kausal für die Rechtswidrigkeit der Bewilligung von Ausbildungsförderung.
(4) Auch die Jahresfrist nach § 45 Abs. 4 SGB X ist eingehalten, so dass die Rückforderung aufgrund fehlerhafter Angaben im Sinne von § 45 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 SGB X auch mit Wirkung für die Vergangenheit erfolgen konnte.
(5) Schließlich sind auch die Ermessenserwägungen des Beklagten nicht zu beanstanden (§ 114 Satz 1 VwGO), den Bewilligungsbescheid auch mit Wirkung für die Vergangenheit der Sache nach zurückzunehmen, indem die Ausbildungsförderung in reduzierter Höhe festgesetzt wurde. Zwar besteht insoweit auch mangels einer § 48 Abs. 2 S. 4 VwVfG vergleichbaren Vorschrift kein intendiertes Ermessen hinsichtlich der Rücknahme (vgl. BVerwG, U.v. 14.3.2013 – 5 C 10/12 – NStZ-RR 2013, 689 Rn. 30 ff.). Jedoch war sich der Beklagte hier zum einen des ihm eingeräumten Ermessens bewusst. Zum anderen hat er das Interesse der Klägerin am Bestand des Bewilligungsbescheids mit dem staatlichen Rücknahmeinteresse unter den Gesichtspunkten der Gleichbehandlung und fehlendem Verwaltungsverschulden ohne Ermessensfehler abgewogen. Bei der Rückforderung nach § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X handelt es sich schließlich um eine gebundene Entscheidung.
(6) Bereits ausgeführt und rechnerisch dargelegt ist, dass der Beklagte die Ausbildungsförderung der Klägerin für die hier allein in Frage stehenden Bewilligungszeiträume November 2012 bis September 2013 und Oktober 2013 bis September 2014 in zutreffender Höhe neu festgesetzt hat. Gleiches gilt für den festgesetzten Rückforderungsbetrag.
Nach alledem war die Klage abzuweisen.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 161 Abs. 1, 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nach § 188 Satz 2 VwGO nicht erhoben. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.


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