Sozialrecht

Schulterschmerzen eines Beamten zwei Jahre nach Dienstunfall – non liquet zu Lasten des Beamten

Aktenzeichen  3 B 14.545

Datum:
16.5.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 17222
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BeamtVG § 31, § 35, § 45 Abs. 1, Abs. 2, § 52
VwGO § 92 Abs. 2, § 113 Abs. 1, Abs. 5

 

Leitsatz

1. Im Dienstunfallrecht gelten die allgemeinen Beweisgrundsätze; der Beamte trägt damit die materielle Beweislast für die anspruchsbegründenden Voraussetzungen (stRspr BVerwG BeckRS 1997, 31225793). (redaktioneller Leitsatz)
2. Der erforderliche Ursachenzusammenhang muss dabei zur Überzeugungsgewissheit („mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“) feststehen; lässt sich der Ursachenzusammenhang zwischen dem Dienstunfallgeschehen und dem eingetretenen Körperschaden trotz Ausschöpfung aller Aufklärungsmöglichkeiten weder feststellen noch ausschließen (non liquet), geht die Nichterweislichkeit dieser entscheidungserheblichen Tatsache nach allgemeinen Beweisgrundsätzen zu Lasten des Beamten (stRspr BVerwG BeckRS 2011, 52562). (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 5 K 08.5491 2010-11-16 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Die Berufung wird zurückgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollsteckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Die zulässige Berufung der Klägerin bleibt ohne Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat die Klage auf Anerkennung weiterer Dienstunfallfolgen und gegen die Rückforderung von Unfallfürsorgeleistungen zu Recht als unbegründet abgelehnt. Der Bescheid des Landesamts für Finanzen vom 13. Mai 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7. Oktober 2008 und des Abhilfebescheids vom 9. März 2009 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 und Abs. 5 VwGO). Zu Recht hat der Beklagte die Feststellung der geltend gemachten Beschwerden als weitere Unfallfolgen abgelehnt und 980,06 € Heilbehandlungskosten zurückgefordert.
1. Die Klage beurteilt sich nach dem Gesetz über die Versorgung der Beamten und Richter in Bund und Ländern (Beamtenversorgungsgesetz – BeamtVG) in der bis zum 31. August 2006 geltenden Fassung vom 21. Dezember 2004 (BGBl I S. 3592), weil sich der zugrunde liegende Dienstunfall am 1. Dezember 2006 und damit vor dem Inkrafttreten des Bayerischen Beamtenversorgungsgesetzes (BayBeamtVG) vom 5. August 2010 (GVBl S. 410) zum 1. Januar 2011 ereignet hat. Für die Unfallfürsorge ist grundsätzlich das Recht maßgeblich, das im Zeitpunkt des Unfallereignisses gegolten hat, sofern sich nicht eine Neuregelung ausdrücklich Rückwirkung beimisst. Dies ist nicht der Fall. Zwar bestimmt Art. 100 Abs. 4 Satz 1 BayBeamtVG, dass für die am 31. Dezember 2010 vorhandenen Unfallfürsorgeberechtigten ein vor dem 1. Januar 2011 erlittener Dienstunfall oder Einsatzunfall i.S.d. BeamtVG in der zu diesem Zeitpunkt geltenden Fassung dem Dienstunfall oder Einsatzunfall i.S.d. BayBeamtVG gleichsteht. Die Vorschrift gewährleistet, dass auch für vor Inkrafttreten des BayBeamtVG erlittene Dienstunfälle weiterhin Unfallfürsorge gewährt wird (vgl. LT-Drs. 16/3200 S. 523), misst sich aber keine Rückwirkung hinsichtlich der Frage der Anerkennung eines Dienstunfalls vor dem 1. Januar 2011 zu (vgl. BayVGH, U.v. 24.4.2015 – 3 B 14.1141 – juris Rn. 22). Andere Übergangsregelungen – insbesondere zur Frage der Anerkennung weiterer Dienstunfallfolgen – bestehen nicht. Mangels einer entsprechenden Rückwirkungsregelung ist daher das BeamtVG in der bis zum 31. August 2006 geltenden Fassung als fortgeltendes Bundesrecht (vgl. Art. 125a Abs. 1 Satz 1 GG, § 108 Abs. 1 BeamtVG) anzuwenden (vgl. BVerwG, U.v. 26.11.2013 – 2 C 9.12 – juris Rn. 6; BayVGH, U.v. 28.7.2016 – 3 B 15.563 – juris Rn. 27). Im Übrigen ergeben sich für den vorliegenden Fall auch keine inhaltlichen Unterschiede zwischen der früheren und der nunmehrigen Rechtslage.
2. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Anerkennung der von ihr mit der Berufung noch geltend gemachten gesundheitlichen Beschwerden als weitere Folgen des Dienstunfalls vom 1. Dezember 2006 nach § 31 BeamtVG (Art. 46 BayBeamtVG) weil nicht mit der erforderlichen, d.h. an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit festgestellt werden kann, ob diese wesentlich durch das Unfallereignis oder durch unfallunabhängige Faktoren verursacht worden sind.
2.1 Die Klägerin hat die Beschwerden bzw. entsprechenden Symptome (BWS-Syndrom, Enthesiopathie S.M. infraspinatus linke Schulter, Tendinitis S.M. supraspinatus und infraspinatus linke Schulter, myofasciales Triggerpunktsyndrom M. subscapularis links, myofasciales Triggerpunktsyndrom M. trapezius beidseits, myofasciales Triggerpunktsyndrom M. levator scapulae beidseits, Myotendinose paravertebrale Muskulatur HWS und BWS, Myotendinose Schulter-Nackenmuskulatur, chronisches Cervikalsyndrom und Myotendinose suboccipitale Muskulatur) zwar am 11. Februar 2008 und damit rechtzeitig innerhalb der Ausschlussfristen des § 45 Abs. 1 und 2 BeamtVG (Art. 47 Abs. 1 und 2 BayBeamtVG) geltend gemacht.
Insoweit ist es auch unschädlich, dass die Klägerin zunächst die Anerkennung eines „myofascialen Triggerpunktsyndroms M. subscapularis links“, dann jedoch eines „myofascialen Triggerpunktsyndroms M. suprascapularis links“ beantragt hat, da es sich bei letzterem ersichtlich um eine bloße Falschbezeichnung handelt, ohne dass zwischen den Beteiligten streitig wäre, worum es sich handelt (falsa demonstratio non nocet). Wie Prof. Dr. R… bestätigt hat, gibt es zwar einen M. subscapularis, aber keinen M. suprascapularis, sondern lediglich einen N. suprascapularis.
2.2 Es kann jedoch nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit festgestellt werden, ob die von der Klägerin geltend gemachten Beschwerden wesentlich durch den Dienstunfall oder durch degenerative Veränderungen der Wirbelsäule verursacht worden sind. Eine solche Feststellung kommt auch nicht für einen Zeitraum von zwei Jahren nach dem Unfall in Betracht, so dass dahingestellt bleiben kann, ob sie vom Klageantrag umfasst wäre (vgl. zur möglichen Begrenzung der Anerkennung von Dienstunfallfolgen auf einen bestimmten Zeitraum nach dem Unfallereignis BayVGH, B.v. 15.10.2008 – 14 B 04.3029 – juris Rn. 23). Die Nichterweislichkeit dieser anspruchsbegründenden Tatsache trotz Ausschöpfung aller Erkenntnismöglichkeiten geht dabei nach allgemeinen Beweisgrundsätzen zu Lasten der Klägerin.
2.2.1 Unfallfürsorge wird Beamten gewährt, die durch einen Dienstunfall verletzt werden (vgl. § 30 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG/Art. 45 Abs. 1 Satz 1 BayBeamtVG). Dienstunfall ist ein auf äußerer Einwirkung beruhendes, plötzliches, örtlich und zeitlich bestimmbares, einen Körperschaden verursachendes Ereignis, das in Ausübung oder infolge des Dienstes eingetreten ist (vgl. § 31 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG/Art. 46 Abs. 1 Satz 1 BayBeamtVG). Ursächlich im Rechtssinn sind solche Bedingungen im naturwissenschaftlich-philosophischen (natürlich-logischen) Sinn, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg (Körperschaden) bei natürlicher Betrachtungsweise an dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Ein Dienstunfall ist nur dann als wesentliche Ursache im Rechtssinne anzuerkennen, wenn er bei natürlicher Betrachtungsweise entweder überragend zum Erfolg beigetragen hat oder zumindest annähernd die gleiche Bedeutung für den Erfolgseintritt hatte wie die anderen Umstände insgesamt. Keine Ursache im Rechtssinn stellen sog. Gelegenheitsursachen dar, d.h. Ursachen, bei denen zwischen dem eingetretenen Schaden und dem Dienst eine rein zufällige Beziehung besteht, wenn also die krankhafte Veranlagung oder das anlagebedingte Leiden so leicht ansprechbar waren, dass es zur Auslösung akuter Erscheinungen keiner besonderen, in ihrer Eigenart unersetzlichen Einwirkungen bedurfte, sondern auch ein anderes, alltäglich vorkommendes Ereignis zum selben Erfolg geführt hätte (st. Rspr., vgl. BVerwG, B.v. 23.10.2013 – 2 B 34.12 – juris Rn. 6; BayVGH, U.v. 28.7.2016 – 3 B 15.563 – juris Rn. 31 f.).
Im Dienstunfallrecht gelten die allgemeinen Beweisgrundsätze. Für das Vorliegen eines Dienstunfalls ist grundsätzlich der volle Beweis zu erbringen. Wenn sich die anspruchsbegründenden Voraussetzungen nicht aufklären lassen, trägt der Beamte die materielle Beweislast (vgl. BVerwG, B.v. 11.3.1997 – 2 B 127.96 – juris Rn. 5). Der Beamte, der eine (weitere) Dienstunfallfolge geltend macht, trägt deshalb auch die materielle Beweislast dafür, dass ein Körperschaden wesentlich auf den Dienstunfall zurückzuführen ist. Der erforderliche Ursachenzusammenhang muss dabei zur Überzeugungsgewissheit („mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“) des Gerichts feststehen. Lässt sich der Ursachenzusammenhang zwischen dem Dienstunfallgeschehen und dem eingetretenen Körperschaden trotz Ausschöpfung aller Aufklärungsmöglichkeiten weder feststellen noch ausschließen (non liquet), geht die Nichterweislichkeit dieser entscheidungserheblichen Tatsache nach allgemeinen Beweisgrundsätzen zu Lasten des Beamten (st. Rspr., vgl. BVerwG, U.v. 28.4.2011 – 2 C 55.09 – juris Rn. 12; BayVGH, U.v. 28.7.2016 – 3 B 15.563 – juris Rn. 33).
2.2.2 Der Senat konnte auf Grundlage einer Würdigung des Akteninhalts, namentlich der vorliegenden medizinischen Gutachten und übrigen ärztlichen Stellungnahmen, nicht die erforderliche Überzeugungsgewissheit gewinnen, dass die von der Klägerin geltend gemachten Beschwerden im Bereich ihrer linken Schulter und Wirbelsäule wesentlich durch den Dienstunfall vom 1. Dezember 2006 (mit-) verursacht worden sind. Danach lässt sich nicht (mehr) mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststellen, ob die Beschwerden durch den Sturz auf die linke Schulter bzw. durch die im Anschluss daran festgestellten Körperschäden (nicht-dislozierte subcapitale Humerusfraktur mit Abriss des Tuberculum majus linke Schulter, Schultersteife links posttraumatisch mit endgradigem Rotationsdefizit) oder durch unabhängig hiervon bestehende degenerative Veränderungen der Wirbelsäule (chronisch rezidivierendes HWS/LWS/BWS-Syndrom) hervorgerufen wurden. Es kann zwar gleichfalls nicht ausgeschlossen werden, dass die geltend gemachten Beschwerden – jedenfalls für einen Zeitraum von zwei Jahren nach dem Unfall – infolge der Schulterverletzung aufgetreten sind. Die bloße Möglichkeit, dass dies so gewesen sein könnte, reicht jedoch nicht aus, um einen Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfall und den Beschwerden zu bejahen. Da die Frage des Ursachenzusammenhangs nicht weiter aufgeklärt werden kann, führt dies nach den Grundsätzen der materiellen Beweislast deshalb zur Abweisung der Klage auf Anerkennung weiterer Dienstunfallfolgen.
(1) Diese Beurteilung stützt sich in erster Linie auf das von Prof. Dr. R… erstattete fachorthopädische Gutachten vom 7. Mai 2017 sowie auf seine Erläuterungen hierzu in der mündlichen Verhandlung vom 16. Mai 2018, denen sich der Senat anschließt.
Der Sachverständige hat – gestützt auf die zitierte fachwissenschaftliche Literatur und die Untersuchung der Klägerin – unter Darlegung sowie Auswertung des gesamten Akteninhalts sowie unter Einbeziehung weiterer ärztlicher Stellungnahmen (Arztbrief der A…-Klinik Prof. Dr. H … vom 21.1.2011, OP-Bericht der A …-Klinik Prof. Dr. H … vom 14.5.2014 und MRT-Befundberichte der A …-Klinik Dr. S … vom 31.3.2016 und 15.4.2016) nachvollziehbar, in sich stimmig und überzeugend begründet, dass die von der Klägerin geltend gemachten Beschwerden sowohl durch altersentsprechende degenerative Veränderungen der Hals- bzw. Brustwirbelsäule als auch durch die Schulterverletzung verursacht worden sein können, wobei eine Klärung der Kausalität mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht (mehr) möglich sei. Hiergegen hat die Klägerin nichts substantiiert vorgetragen.
Der Sachverständige hat bei der Klägerin bei Z.n. subcapitaler Humerusfraktur eine im Seitenvergleich endgradige Bewegungseinschränkung der linken Schulter (1), eine geringe ACG-Arthrose (Schultereckgelenksarthrose) links (2), ein chronisches Schulterschmerzsyndrom links (3) und eine Osteochondrose und Spondylose im Segment C5/6/7 (4) festgestellt. Diese Diagnosen stimmen im Wesentlichen mit den von den die Klägerin behandelnden Ärzten getroffenen Feststellungen überein und wurden auch durch Dr. P… und Dr. W …, Dr. G … sowie Dr. T … bestätigt. Danach erlitt die Klägerin infolge des Sturzes vom 1. Dezember 2006 u.a. an der linken Schulter eine nicht-dislozierte subcapitale Humerusfraktur mit Abriss des Tuberculum majus, aus der eine partielle Schultersteife mit endgradigem Rotationsdefizit resultierte. Daneben wurden bei ihr unfallunabhängig degenerative Veränderungen der Wirbelsäule (u.a. chronisch rezidivierendes HWS/LWS-Syndrom) sowie eine ACG-Arthrose und eine Polyarthrose beider Hände festgestellt. Darüber hinaus leidet sie seit Mitte 2007 unter multiplen chronischen Beschwerden der linken Schulter und der diese umgebenden Muskulatur (Enthesiopathie S.M. infraspinatus linke Schulter, Tendinitis S.M. supraspinatus und infraspinatus linke Schulter, myofasciales Triggerpunktsyndrom M. subscapularis links, myofasciales Triggerpunktsyndrom M. trapezius beidseits, myofasciales Triggerpunktsyndrom M. levator scapulae beidseits, Myotendinose paravertebrale Muskulatur HWS und BWS, Myotendinose Schulter-Nackenmuskulatur, Myotendinose suboccipitale Muskulatur, chronisches Cervikalsyndrom) sowie einem chronisch rezidivierenden BWS-Syndrom.
Prof. Dr. R… hat hierzu ausgeführt, die geltend gemachten Beschwerden seien zwar anteilig an dem posttraumatischen Beschwerdekomplex beteiligt, wie er u.a. nach einer Schulterverletzung auftreten könne. Dadurch könne es zu einer schmerzreflektorischen, muskulär bedingten Bewegungseinschränkung des Schulterblatts mit Reizungen der Schulter und der umgebenden Muskulatur kommen, die sich u.a. in myofascialen Triggerpunktsyndromen, Myotendinosen und Enthesiopathien äußern könnten. Die Schulterverletzung könne zu einer Therapieverzögerung und zu einem chronischen Schmerzverlauf führen. Auch wenn die Beweglichkeit der Schulter nicht signifikant eingeschränkt sei, könnten bei verzögertem Verlauf weiterhin unfallkausal unspezifische Befunde – wie im Beweisbeschluss genannt – vorliegen. Davon könne nicht nur die Schulter, sondern sekundär auch die Halswirbelsäule betroffen sein. Die Tatsache, dass degenerative Veränderungen der Halswirbelsäule vorliegen würden, belege auch nicht, dass diese an dem komplexen Schmerzsyndrom beteiligt seien.
Der Übergangsbereich zwischen einem Hals-Schulter-Syndrom und einem Schulter-Arm-Syndrom sei allerdings fließend und kaum sicher zu bestimmen. Als Ursache für die geltend gemachten Beschwerden kämen deshalb sowohl der Schulterbruch als auch degenerative Veränderungen der Halswirbelsäule in Betracht. Eine Klärung der Kausalität sei nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit möglich, zumal seit dem Unfall inzwischen mehr als zehn Jahre vergangen seien. Aus seiner Sicht könnten die Schulterschmerzen für die ersten zwei Jahre nach dem Trauma eher auf dieses zurückgeführt werden, danach aber nicht mehr; die fehlende entsprechende klinische Begutachtung hinsichtlich des Grades der Schultersteife mache es aber unmöglich, die Beschwerden eindeutig dem Schulterbruch bzw. den degenerativen Veränderungen zuzuordnen. Eine Tendinitis (Enthesiopathie) könne sich auch bei einer nur minimal verschobenen Schulter ergeben, weil dadurch die Sehnenansätze mitbetroffen sein könnten. Das gleiche gelte für eine Ausdünnung der Sehne bzw. eine chronische Bursitis. Insoweit könne aber ebenso wenig wie hinsichtlich des BWS-Syndroms mit überwiegender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass diese Beschwerden wesentlich durch die Schulterverletzung verursacht worden seien, sekundär sei dies hingegen möglich.
Da die Klägerin nach Angaben von Dr. R… bereits seit September 2003 (Attest vom 6.2.2007) bzw. jedenfalls schon im Unfallzeitpunkt im Dezember 2006 (Attest vom 23.3.2007) unabhängig von den festgestellten unfallbedingten Verletzungen an der linken Schulter degenerative Veränderungen der Halswirbelsäule aufwies, die zeitnah auch von Dr. M… (Befundbericht vom 25.5.2007) sowie Dres. D … (Befundbericht vom 13.8.2007) bestätigt wurden, steht zur Überzeugung des Senats fest, dass diese Veränderungen nicht erst durch den Dienstunfall ausgelöst worden sein können, sondern bereits vorher bestanden haben müssen; die Aussage von Dr. R … im Attest vom 22. Januar 2007, für degenerative Vorschädigungen gebe es keinen Anhaltspunkt, bezieht sich ersichtlich lediglich auf die festgestellten Folgen des Sturzes an der linken Schulter bzw. am linken Ellenbogen der Klägerin. Danach kommen – worauf Prof. Dr. R … zutreffend abstellt – degenerative Veränderungen der Halswirbelsäule jedenfalls gleichwertig (alternativ) neben der Schulterverletzung als Ursache für die geltend gemachten Beschwerden der Klägerin im Schulter-Nacken-Bereich in Betracht. Entsprechendes gilt hinsichtlich des BWS-Syndroms, dessen Auftreten am 18. Juni 2007 aus einer Bewegung heraus nach Ansicht des Sachverständigen ebenfalls degenerativen Veränderungen geschuldet sein kann.
Diese Einschätzung deckt sich auch mit der Beurteilung durch die erstinstanzlichen Gutachter Dr. P… und Dr. W … Diese sind unter Auswertung des Akteninhalts und der eigenen Untersuchung der Klägerin davon ausgegangen, dass die Beschwerden sich nicht zweifelsfrei auf den Unfall, sondern wahrscheinlicher auf degenerative Veränderungen der Wirbelsäule zurückführen ließen. Der radiologische Befund zeige eine deutlich ausgeprägte Osteochondrose C5/6 und Spondylarthrose C6/7 sowie eine leichte Osteochondrose im Bereich der oberen Brustwirbelsäule. Zwar komme auch eine Verletzung des Schultergelenks als Ursache hierfür in Frage, doch sei eine Verursachung infolge degenerativer Veränderungen wahrscheinlicher, da die Schulter nach dem Dienstunfall nahezu normal verheilt sei. Eine Schultersteife könne längstens für zwei Jahre nach einem Unfall auftreten. In diesem Zeitraum könne sie überwiegend wahrscheinlich Ursache für Beschwerden infolge muskulärer Verspannungen sein. Dies könne jedoch nicht generell so gesagt werden, sondern müsse im Einzelfall festgestellt werden. Eine entsprechende Aussage hinsichtlich der Klägerin sei mangels klinischer Begutachtungen zum Grad der Schultersteife und zu deren Auswirkungen im fraglichen Zeitraum nicht möglich. Im Übrigen sei diese Schlussfolgerung keinesfalls zwingend, sondern nur eine Möglichkeit. Später hätten dann degenerative Veränderungen überwogen. Die noch bestehenden muskulären Verspannungen im Schulter- und Nackenbereich ließen sich daher zweifelsfrei nicht mehr als Folgen des Dienstunfalls werten. Die Veränderungen der Halswirbelsäule seien deshalb als Hauptursache für die muskulären Verspannungen anzusehen.
Auch die Amtsärztin Dr. G… ist mit Gesundheitszeugnis vom 14. Dezember 2007, 6. Februar 2008, 23. April 2008 und 29. August 2008 zum Ergebnis gelangt, dass die Beschwerden nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit durch den Dienstunfall verursacht worden seien, sondern hat diese im Wesentlichen auf unfallunabhängige vorbestehende Faktoren zurückgeführt. Die Diagnose „BWS-Syndrom“ lasse schon keinen Rückschluss auf die Art der Verletzung zu und könne deshalb nicht als Unfallfolge anerkannt werden. Hinsichtlich der weiteren Diagnose „Enthesiopathie S.M. infraspinatus linke Schulter“ könne keine unfallbedingte Teilruptur der Sehne o.ä. festgestellt werden. Auch die übrigen Diagnosen würden lediglich Reizzustände bezeichnen, wie sie infolge der anerkannten Schulterfraktur eingetreten sein könnten; aus ihnen könne aber nicht mit hinreichender Sicherheit auf einen Unfallzusammenhang geschlossen werden, weil solche unspezifischen Symptome bei älteren Menschen oft auch ohne äußeren Anlass auftreten würden.
(2) An dieser Einschätzung vermögen die von der Klägerin vorgelegten ärztlichen Stellungnahmen nichts zu ändern.
Hinsichtlich seiner Stellungnahmen vom 16. Juli 2007, 14. Januar 2008, 21. Januar 2008 und 23. Juli 2008 beschränkt sich Dr. W… auf die Behauptung, die von ihm diagnostizierten Beschwerden seien auf den Unfall zurückzuführen, ohne hierfür eine Begründung anzugeben. Sowohl im Entlassungsbericht vom 25. Mai 2007 als auch im Befundbericht vom 30. August 2007 und 29. Mai 2008 beschränkt sich Dr. M … (A …-Klinik St. W …) darauf, die festgestellten Beschwerden der Klägerin anzuführen, ohne sich zur Frage des Ursachenzusammenhangs mit dem Unfall zu äußern. Auch die Befundberichte Dres. D … & Koll. vom 13. August 2007 und 7. September 2007 enthalten hinsichtlich des Ursachenzusammenhangs zwischen den gestellten Diagnosen und dem Unfall keine Aussagen. Gleiches gilt auch für die Berichte von Dr. S … vom 13. März 2007 sowie von Dr. W … vom 14. Februar 2011.
Dr. K … (A …-Klinik) führt in seinem Befundbericht vom 19. Oktober 2010 zwar aus, die noch bestehenden Beschwerden der Klägerin seien seiner Meinung auf den Dienstunfall zurückzuführen, jedoch lässt sich dem Befundbericht ebenfalls keine Begründung für diese Annahme entnehmen. Herr W … (A …-Klinik) kommt in seinem Befundbericht vom 25. Oktober 2010 zu dem Ergebnis, die von der Klägerin geltend gemachten Beschwerden seien bei freier Beweglichkeit der Halswirbelsäule sicherlich nicht kausal auf degenerative Veränderungen zurückzuführen; sowohl Symptomatik als auch Bewegungseinschränkungen würden zum sonographischen Befund der linken Schulter passen, so dass von einer Folgebeschwerdesituation nach traumatischer Verletzung der linken Schulter auszugehen sei. Hierzu hat Dr. P … ausgeführt, dass sowohl die nahezu normal verheilte Schulter als auch der radiologische Befund gegen diese Annahme sprechen würden und dass auch die Sehnenausdünnung bzw. –ruptur der Rotatorenmanschette sowie die Bursitis nicht zwingend auf Unfallbedingtheit schließen ließen, sondern eine bei älteren Patienten häufig auftretende degenerative Erscheinung darstellen würden. Dr. W … hat hierzu dargelegt, dass hierfür eine knöcherne Veränderung (Verschmälerung des Subacrominalraumes) als mögliche Ursache in Betracht kommt. Prof. Dr. R… hat hierzu erklärt, dass die Symptome zwar auf dem in leichter Fehlstellung verheilten Schulterbruch beruhen können, dass dies aber nicht mit Sicherheit nachweisbar sei.
Entsprechendes gilt für die von Dr. T … im fachorthopädischen Gutachten vom 24. April 2009 gestellten Diagnosen. Dieser hat darin ebenfalls keine Aussagen zum Ursachenzusammenhang zwischen den gestellten Diagnosen und dem Dienstunfall gemacht. Soweit Dr. T … eine Teilruptur der Spinatussehne festgestellt hat, kann es sich hierbei ebenfalls um eine degenerative Veränderung handeln. So haben Dr. P …Dr. W … ausgeführt, dass dies als Ausdünnung der Sehne infolge degenerativer Veränderungen zu verstehen sei. Ein Nachweis, dass diese Schädigung durch die Schulterverletzung verursacht wurde, ergibt sich hieraus nicht.
Soweit die Klägerin anführt, entgegen der Annahme von Dr. P… habe der Heilungsprozess bei ihr auch länger als üblich gedauert, können hieraus ebenfalls keine Rückschlüsse auf einen Ursachenzusammenhang der Beschwerden mit der Schulterverletzung gezogen werden. Entsprechendes gilt auch für das Vorbringen, laut Befundbericht Dr. W… vom 14. Februar 2011 seien keine Anzeichen für Osteoporose festgestellt worden seien. Im Übrigen mag, wie die Stellungnahmen von Dr. R … vom 6. Februar 2007 und 23. März 2007, Dr. M … (A …-Klinik St. W …) vom 25. Mai 2007 und 30. August 2007 sowie Dr. W … vom 16. Juli 2007 zeigen, der Heilungsprozess sich zwar über einen längeren Zeitraum als üblich erstreckt haben, doch war die ursprüngliche Schulterverletzung nach neun Monaten ausgeheilt (vgl. Befundbericht Dres. D … & Koll. vom 7.9.2007).
Soweit die Klägerin sich darauf beruft, dass das am 18. Juni 2007 akut schmerzhaft aufgetretene BWS-Syndrom auf den muskulären Verspannungen und den dadurch automatisch entstandenen Fehlhaltungen beruhe, hat sie hierzu keine ärztlichen Stellungnahmen vorgelegt, denen dies so entnommen werden könnte. Vielmehr hat Dr. W… im Attest vom 16. Juli 2007 erklärt, dass das BWS-Syndrom am 18. Juni 2007 aus einer Bewegung heraus aufgetreten sei, so dass eine Verursachung infolge der Beschwerden fernliegt. Später hat Dr. W… am 3. August 2007 ein rezidivierendes BWS-Syndrom posttraumatisch bescheinigt, was im Widerspruch zu der zunächst von ihm gestellten Diagnose steht, so dass – worauf die Amtsärztin hingewiesen hat – von daher kein Rückschluss auf die Art der Verletzung möglich ist.
Im Übrigen nimmt der Senat hierzu gemäß § 130b Satz 2 VwGO auf die zutreffenden Gründe der angefochtenen Entscheidung Bezug, gegen die die Klägerin auch nichts substantiiert vorgetragen hat.
(3) Es kann schließlich auch nicht mit der erforderlichen, an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit festgestellt werden, dass die Beschwerden der Klägerin jedenfalls für einen Zeitraum von zwei Jahren nach der Schulterverletzung auf dieser beruhen würden. Zwar sind Dr. P… und Prof. Dr. R … davon ausgegangen, dass die Schulterschmerzen für die ersten zwei Jahre nach dem Trauma eher auf dieses zurückgeführt werden könnten, danach nicht mehr. Jedoch handelt es sich, wie die Sachverständigen klargestellt haben, auch insoweit nur um eine bloße Möglichkeit, die nicht mit der erforderlichen überwiegenden Gewissheit festgestellt werden kann. Beide Gutachter haben diesbezüglich übereinstimmend erklärt, dass die fehlende entsprechende klinische Begutachtung des Grades der Schultersteife im fraglichen Zeitraum es unmöglich mache, die geltend gemachten Beschwerden eindeutig der Schulterverletzung bzw. degenerativen Veränderungen zuzuordnen. Die von der Klägerin zum Gegenbeweis vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen beschreiben zwar eine unstreitig nach wie vor bestehende Bewegungseinschränkung der linken Schulter, befassen sich jedoch nicht mit der Frage der Kausalität zwischen dem Grad der Schultersteife und den geltend gemachten Beschwerden. Eine Beweisaufnahme ist aufgrund der fehlenden klinischen Feststellungen zum Grad der Schultersteife und zu deren Auswirkungen für den fraglichen Zeitraum rückwirkend auch nicht mehr möglich. Soweit Reizzustände nicht von der Schultersteife bzw. von der Bewegungseinschränkung erfasst werden, hat es deshalb dabei sein Bewenden.
3. Der Beklagte hat zu Recht auch vorläufig gewährte Unfallfürsorgeleistungen für Heilbehandlungskosten i.S.d. § 33 Abs. 1 Nr. 1 und 2 BeamtVG (Art. 50 Abs. 1 Nr. 1 und 2 BayBeamtVG) in Höhe von insgesamt 980,06 € nach § 52 Abs. 2 BeamtVG (Art. 7 Abs. 2 BayBeamtVG) unter konkludenter Aufhebung der zugrunde liegenden Bescheide vom 6. bzw. 8. Februar 2008 nach Art. 48 BayVwVfG zurückgefordert, da die von der Klägerin geltend gemachten Aufwendungen für die Behandlung einer Enthesiopathie S.M. infraspinatus linke Schulter nach dem unter 2. Ausgeführten nicht unfallbedingt waren und die Zahlungen deshalb zu Unrecht erfolgt sind. Auf Vertrauensschutz kann sich die Klägerin insoweit nicht berufen, da die Zahlungen unter dem Vorbehalt der Rückforderung für den Fall, dass die Aufwendungen nicht dienstunfallbedingt sind, erfolgten (§ 52 Abs. 2 Satz 2 BeamtVG/Art. 7 Abs. 2 Satz 2 BayBeamtVG, Art. 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 BayVwVfG). Anhaltspunkte für eine sog. Billigkeitsentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Satz 3 BeamtVG (Art. 7 Abs. 2 Satz 3 BayBeamtVG) sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
4. Danach war die Berufung der Klägerin mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO, § 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen der §§ 132 Abs. 2, 191 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 127 BRRG nicht vorliegen.


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