Verwaltungsrecht

Erfolgloser Berufungszulassungsantrag in asylrechtlicher Streitigkeit

Aktenzeichen  13a ZB 18.32127

Datum:
29.4.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 13678
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GG Art. 103 Abs. 1
AsylG § 78 Abs. 3 Nr. 1
VwGO § 86 Abs. 1
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1

 

Leitsatz

1 Für aus dem europäischen Ausland zurückkehrende volljährige, alleinstehende und arbeitsfähige afghanische Staatsangehörige besteht derzeit im Allgemeinen keine Gefahrenlage, die zur Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 AsylG oder eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 S. 1 AufenthG führen würde. (Rn. 5) (redaktioneller Leitsatz)
2 Die fehlerhafte Ablehnung eines bedingten (hilfsweisen) Beweisantrags kann nur dann eine Gehörsrüge nach § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG iVm § 138 Nr. 3 VwGO begründen, wenn in der Sache keine unterbliebene Sachaufklärung, sondern die Nichtberücksichtigung eines wesentlichen Sachvortrags substantiiert geltend gemacht wird. (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Antragsverfahrens zu tragen.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 15. Juni 2018 hat keinen Erfolg. Zulassungsgründe nach § 78 Abs. 3 AsylG sind nicht gegeben.
Der Kläger hat seinen Zulassungsantrag unter anderem damit begründet, dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung habe (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG). Klärungsbedürftig sei, „wie hoch die reale Arbeitslosigkeit in der Gruppe der 14- bis 30-jährigen Männer als Rückkehrer ohne gelernten Beruf in Afghanistan tatsächlich ist und inwieweit im Großraum Kabul für diese Zielgruppe tatsächlich die Möglichkeit des Erwirtschaftens eines Existenzminimums besteht.“ Das Verwaltungsgericht habe ohne weitere Begründung angenommen bzw. im Kern vermutet, dass er in Afghanistan sein Existenzminimum sichern könne, da er eine „gute“ Schulbildung (gemeint seien wohl die vier Jahre Schulbesuch in Deutschland; zuvor sei er jedoch Schafhirte ohne Schulabschluss gewesen) habe. Nach den Feststellungen von EASO sei jedoch speziell die Region Kabul von Rückkehrern überflutet, die Aufnahmekapazität sei erschöpft. So habe die Provinz Kabul 2017 die höchste Zahl von Rückkehrern seit 2002 verzeichnet (UNHCR und norwegischer Flüchtlingsrat, jeweils Juni 2017); seit dem 1. Januar 2016 seien dorthin allein 147.000 Personen aus Pakistan zurückgekehrt (EASO-Bericht 2017; UNOCHA aus April 2017). Viele Rückkehrer bzw. Binnenvertriebene lebten in informellen und illegalen Siedlungen Kabuls; ab Januar 2016 habe UNOCHA 48 solcher Siedlungen mit fast 55.000 Einwohnern gezählt. Die aufgeworfene Frage habe über den vorliegenden Rechtsstreit hinaus Bedeutung für eine Vielzahl von Fällen.
Der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG) setzt voraus, dass die im Zulassungsantrag dargelegte konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts von Bedeutung war, ihre Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zur Weiterentwicklung des Rechts geboten ist und ihr eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 124 Rn. 36). Die Grundsatzfrage muss nach Maßgabe des Verwaltungsgerichtsurteils rechtlich aufgearbeitet sein. Dies erfordert regelmäßig eine Durchdringung der Materie und eine Auseinandersetzung mit den Erwägungen des Verwaltungsgerichts (vgl. BayVGH, B.v. 21.12.2018 – 13a ZB 17.31203 – juris Rn. 4; B.v. 13.8.2013 – 13a ZB 12.30470 – juris Rn. 4 m.w.N.).
Hiervon ausgehend hat die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung.
Unabhängig davon, ob vorliegend die Darlegungsanforderungen aus § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG erfüllt sind, ist die klägerseitig aufgeworfene Frage jedenfalls nicht klärungsbedürftig. Es ist in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs geklärt, dass für aus dem europäischen Ausland zurückkehrende volljährige, alleinstehende und arbeitsfähige afghanische Staatsangehörige angesichts der aktuellen Auskunftslage im Allgemeinen derzeit weiterhin nicht von einer Gefahrenlage auszugehen ist, die zur Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 AsylG oder eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG führen würde (vgl. BayVGH, U.v. 8.11.2018 – 13a B 17.31918 – juris in Fortführung der bisherigen Rechtsprechung; vgl. auch BayVGH, B.v. 21.12.2018 – 13a ZB 17.31203 – juris Rn. 6 m.w.N.; B.v. 20.2.2018 – 13a ZB 17.31970 – juris Rn. 6 m.w.N.).
Der Zulassungsantrag gibt insoweit keinen Anlass zu einer erneuten Überprüfung. Soweit der Kläger auf diverse Berichte aus 2017 zur Situation in Afghanistan Bezug nimmt, ist darauf hinzuweisen, dass sich der Verwaltungsgerichtshof im oben genannten Urteil vom 8. November 2018 (13a B 17.31918 – juris) explizit mit den neuesten Erkenntnismitteln – wie etwa dem Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 31. Mai 2018, den UNHCR-Richtlinien vom 30. August 2018, dem UNAMA-Bericht vom 10. Oktober 2018 und dem Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (SFH) vom 12. September 2018 – auseinandergesetzt und diese bei seiner Bewertung berücksichtigt hat. Auch aus dem UNAMA-Bericht vom 24. Februar 2019 ergibt sich insoweit kein erneuter Überprüfungsbedarf; denn die hier ausgewiesenen zivilen Opferzahlen für das Jahr 2018 bewegen sich auf einem mit den Vorjahren vergleichbaren Niveau, das auch dem genannten Urteil des Verwaltungsgerichtshofs vom 8. November 2018 (13a B 17.31918 – juris Rn. 24) zugrunde lag (konfliktbedingtes Schädigungsrisiko für Afghanistan insgesamt von 1:2456 bei 10.993 zivilen Opfern und einer Einwohnerzahl von 27 Mio. Menschen). Laut dem neuesten UNAMA-Bericht vom 24. April 2019 sind die zivilen Opferzahlen im ersten Quartal 2019 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum sogar um 23 v.H. zurückgegangen und haben den niedrigsten Stand für ein erstes Quartal seit 2013 erreicht.
Ferner begründet der Kläger seinen Zulassungsantrag damit, dass sein Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt worden sei. Ein mit anwaltlichem Schreiben vom 8. Juni 2018 gestellter Beweisantrag zum Beweis der Tatsache, dass es in Afghanistan keine sicheren Zonen gebe, sei erst nach Veröffentlichung des Lageberichts vom 31. Mai 2018 möglich geworden; der Inhalt des genannten Lageberichts zum beantragten Beweisthema sei nicht hinreichend konkret, so dass weitere Sachaufklärung erforderlich gewesen sei. Eine Verzögerung des Rechtsstreits wäre auch bei fristgerechter Beantragung bis zum 11. Mai 2018 entstanden, da Auskünfte des Auswärtigen Amts nicht innerhalb eines Monats beantwortet würden. Die erfolgte Ablehnung des Beweisantrags wegen Verzögerung des Rechtsstreits sei daher unzulässig gewesen. Inhaltlich habe richtigerweise auch kein Ausforschungsbeweis vorgelegen, sondern ein ausreichend konkretisierter Beweisantrag. Vor diesem Hintergrund liege auch eine unzulässige Überraschungsentscheidung vor.
Das rechtliche Gehör als prozessuales Grundrecht (Art. 103 Abs. 1 GG) sichert den Parteien ein Recht auf Information, Äußerung und Berücksichtigung mit der Folge, dass sie ihr Verhalten eigenbestimmt und situationsspezifisch gestalten können, insbesondere dass sie mit ihren Ausführungen und Anträgen gehört werden (BVerfG, B.v. 30.4.2003 – 1 PBvU 1/02 – BVerfGE 107, 395 – NJW 2003, 1924 – juris Rn. 42). Es gewährleistet im Sinn der Wahrung eines verfassungsrechtlich gebotenen Mindestmaßes, dass ein Kläger die Möglichkeit haben muss, sich im Prozess mit tatsächlichen und rechtlichen Argumenten zu behaupten (BVerfG, B.v. 21.4.1982 – 2 BvR 810/81 – BVerfGE 60, 305 – juris Rn. 15). Ein Gehörsverstoß in Form einer unzulässigen Überraschungsentscheidung liegt vor, wenn das Gericht in seiner Entscheidung auf einen rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt abstellt, der weder im Verwaltungsverfahren noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren erörtert wurde, auch unter Berücksichtigung der Vielfalt vertretbarer Rechtsauffassungen als fernliegend anzusehen war und damit dem Rechtsstreit eine unerwartete Wendung gab (BVerwG, B.v. 27.7.2015 – 9 B 33.15 – NJW 2015, 3386 – juris Rn. 8; BayVGH, B.v. 29.11.2017 – 13a ZB 17.31264 – juris Rn. 5).
Soweit es die fehlerhafte Ablehnung eines bedingten (hilfsweisen) Beweisantrags betrifft, wird in der Rechtsprechung vertreten, dass eine diesbezügliche Rüge eines Gehörsverstoßes von vornherein ausgeschlossen ist. Zur Begründung wird darauf verwiesen, dass nach allgemeinen Grundsätzen Voraussetzung einer begründeten Gehörsrüge die (erfolglose) vorherige Ausschöpfung sämtlicher verfahrensrechtlich eröffneten und nach Lage der Dinge tauglichen Möglichkeiten ist, sich rechtliches Gehör zu verschaffen (vgl. allg. BVerfG, B.v. 10.2.1987 – 2 BvR 314/86 – BVerfGE 74, 220/225 – juris Rn. 14; BVerwG, U.v. 3.7.1992 – 8 C 58.90 – BayVBl 1993, 412 – juris Rn. 9); diesem Erfordernis werde ein Kläger nicht gerecht, der es unterlassen hat, einen unbedingten Beweisantrag i.S.d. § 86 Abs. 2 VwGO zu stellen (so etwa BVerfG, B.v. 5.2.2002 – 2 BvR 1399/01 – juris Rn. 3; B.v. 28.1.2002 – 2 BvR 1563/01 – juris Rn. 2; OVG NW, B.v. 8.6.2018 – 13 A 1213/18.A – juris Rn. 16 f.; HessVGH, B.v. B.v. 27.7.2015 – 7 A 695/14.Z – juris Rn. 44; B.v. 17.1.2003 – 3 UZ 484/01.A – juris Rn. 10; B.v. 7.2.2001 – 6 UZ 695/99.A – AuAS 2003, 69 – juris Rn. 5 f.; OVG SH, B.v. 3.9.2003 – 3 LA 87/03 – AuAS 2003, 236 – juris Rn. 1; OVG LSA, B.v. 8.2.2002 – A 2 S 293/99 – juris Rn. 4; offen gelassen: BVerfG, B.v. 20.2.1992 – 2 BvR 633/91 – juris Rn. 22; VGH BW, B.v. 11.6.2013 – A 11 S 1158/13 – juris Rn. 15; NdsOVG, B.v. 16.12.2004 – 8 LA 262/04 – juris Rn. 4; vgl. auch BayVGH, B.v. 10.2.2006 – 1 ZB 06.30093 – juris Rn. 11 f.: Maßgeblichkeit des Einzelfalls). Die Gegenmeinung verweist vor allem auf Gesichtspunkte einer für die Beteiligten, aber auch für das Gericht ökonomischen Verfahrensgestaltung und -gliederung. Mit der Stellung eines Hilfsbeweisantrags wolle der Betroffene sicherstellen, dass das Gericht, wenn es den Klageanspruch aus dem in erster Linie geltend gemachten Grund verneint, bei der Prüfung eines weiteren Grunds auf die hierfür bereits angebotenen Beweismittel zurückgreifen kann; hierbei verzichte der Betroffene zwar auf die Vorteile des § 86 Abs. 2 VwGO, nicht aber auf ein eventuelles Rügerecht wegen einer Verletzung des rechtlichen Gehörs (so SächsOVG, B.v. 26.5.2005 – 3 B 16/02.A – juris Rn. 5; so im Ergebnis auch BayVGH, B.v. 18.12.2003 – 9 ZB 03.31193 – EzAR 633 Nr. 45 – juris; VGH BW, B.v. 27.12.1993 – A 16 S 2147/93 – juris Rn. 3 a.E.; in diese Richtung wohl auch BVerfG, B.v. 4.12.2012 – 2 BvR 2954/09 – juris Rn. 22).
Wenn man eine auf die fehlerhafte Ablehnung eines bedingten (hilfsweisen) Beweisantrags bezogene Gehörsrüge grundsätzlich zulässt, so kann diese im Kontext des § 78 Abs. 3 AsylG jedenfalls keinen Erfolg haben, soweit eine bloße unterbliebene Sachaufklärung gerügt wird. Art. 103 Abs. 1 GG schließt zwar das Recht der Beteiligten ein, die für sie günstigen Tatsachen darzulegen und unter Beweis zu stellen. Die Gewährung rechtlichen Gehörs beinhaltet jedoch keinen Anspruch darauf, dass das Gericht Tatsachen erst beschafft oder von sich aus ermittelt; das Absehen von einer Beweisaufnahme begegnet daher unter dem Gesichtspunkt von Art. 103 Abs. 1 GG regelmäßig keinen Bedenken (vgl. etwa BVerfG, B.v. 15.4.1980 – 2 BvR 827/79 – BVerfGE 54, 86 – juris Rn. 25). In der Ablehnung von bedingten (hilfsweisen) Beweisanträgen kann folglich regelmäßig auch kein Verstoß gegen den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs liegen, vielmehr ist insoweit allein die Aufklärungsrüge eröffnet (vgl. BVerwG, B.v. 4.3.2015 – 1 B 9.15 – juris Rn. 3; B.v. 28.7.2014 – 1 B 6.14 – juris Rn. 3; B.v. 30.11.2004 -1 B 48.04 – juris Rn. 6; HessVGH, B.v. B.v. 27.7.2015 – 7 A 695/14.Z – juris Rn. 44). Bei einem mit der Aufklärungsrüge geltend gemachten Verstoß gegen die gesetzliche Aufklärungspflicht aus § 86 Abs. 1 VwGO handelt es sich jedoch bereits nicht um einen absoluten Revisionsgrund nach § 138 VwGO, der von § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG erfasst wäre. Daher kann die fehlerhafte Ablehnung eines bedingten (hilfsweisen) Beweisantrags nur dann eine Gehörsrüge nach § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i.V.m. § 138 Nr. 3 VwGO begründen, wenn in der Sache keine unterbliebene Sachaufklärung, sondern die Nichtberücksichtigung eines wesentlichen Sachvortrags substantiiert geltend gemacht wird (vgl. zum Ganzen: BayVGH, B.v. 30.10.2018 – 13a ZB 17.31034 – juris Rn. 11; B.v. 17.5.2018 – 20 ZB 18.30844 – juris Rn. 4; B.v. 17.1.2018 – 10 ZB 17.30723 – juris Rn. 10 f.; VGH BW, B.v. 5.12.2011 – A 9 S 2939/11 – juris; Bergmann in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 12. Aufl. 2018, § 78 AsylG Rn. 30).
Unter Berücksichtigung obiger Grundsätze ist kein Gehörsverstoß gegeben.
Das Verwaltungsgericht hat im angegriffenen Urteil ausgeführt, dass der in der mündlichen Verhandlung bedingt gestellte Beweisantrag aus dem Schriftsatz vom 8. Juni 2018 abzulehnen gewesen sei. Zum einen sei er ohne hinreichende Entschuldigung nicht innerhalb der Frist des § 74 Abs. 2 AsylG gestellt worden; zum anderen würde die beantragte Beweisaufnahme die Erledigung des Rechtsstreits gemäß § 74 Abs. 2 Satz 2 AsylG i.V.m. § 87b Abs. 3 VwGO verzögern. Überdies sei nicht substantiiert dargelegt worden, inwieweit die beantragte Beweiserhebung andere bzw. bessere Erkenntnisse bringen würde als jene, die zum Gegenstand des Verfahrens gemacht worden seien, hier insbesondere der Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 31. Mai 2018. Im Übrigen handele es sich wohl um einen Ausforschungs- bzw. Beweisermittlungsantrag, da die von der Klägerbevollmächtigten zitierten Berichte gerade keine Anhaltspunkte dafür enthielten, dass es in Afghanistan keine sicheren Zonen mehr gebe. Der Lagebericht weise zwar auf eine verringerte Absorptionsfähigkeit der genutzten Ausweichmöglichkeiten hin, gebe aber keinen Hinweis, dass eine Aufnahme von Rückkehrern aus Europa nicht mehr möglich sei (siehe zum Ganzen: UA S. 14).
Hiervon ausgehend ist vorliegend zunächst keine unzulässige Überraschungsentscheidung gegeben. Denn das klägerseitig angesprochene Beweisthema des (Nicht-)Bestehens „sicherer“ Zonen in Afghanistan wurde im verwaltungsgerichtlichen Verfahren gerade erörtert, wie die Stellung des bedingten Beweisantrags belegt. Insbesondere begründet der Anspruch auf rechtliches Gehör grundsätzlich keine Pflicht des Gerichts, den Beteiligten seine Auffassung vor dem Ergehen einer Entscheidung zu offenbaren; denn die tatsächliche und rechtliche Würdigung des Prozessstoffs ergibt sich regelmäßig erst aufgrund der abschließenden Beratung bzw. Urteilsfindung (vgl. BVerwG, B.v. 21.1.2019 – 6 B 120.18 – juris Rn. 9). Auch im Übrigen ist kein Gehörsverstoß dargelegt. Selbst wenn man in der Nichtstellung eines unbedingten Beweisantrags keinen Ausschlussgrund für die vorliegende Gehörsrüge sehen würde, wäre klägerseitig jedenfalls nicht substantiiert dargelegt, welcher wesentliche Sachvortrag im angegriffenen Urteil unberücksichtigt geblieben sein soll. Das Verwaltungsgericht hat insbesondere die klägerische Begründung für den bedingten Beweisantrag, dass der Lagebericht vom 31. Mai 2018 Anlass für weitere Sachaufklärung bzw. zumindest für Zweifel hinsichtlich des Bestehens inländischer Fluchtalternativen in Afghanistan gebe, zur Kenntnis genommen und diese gewürdigt. Insoweit ist erneut auf die Ausführungen des Verwaltungsgerichts zur Ablehnung des bedingten Beweisantrags (UA S. 14) zu verweisen; es ist im Rahmen der materiellen Prüfung gleichwohl zu der Auffassung gelangt, dass für den Kläger eine inländische Fluchtalternative nach (§ 4 Abs. 3 Satz 1 AsylG i.V.m.) § 3e AsylG zumindest in Kabul bestehe (UA S. 8 ff.).
Schließlich trägt der Kläger in seinem Zulassungsantrag vor, dass auch ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) bestünden. Seiner Klage hätte richtigerweise stattgegeben werden müssen. Das Verwaltungsgericht habe seinen Sachvortrag einer Vorverfolgung durch die Taliban zu Unrecht als widersprüchlich und damit unglaubhaft angesehen. Insbesondere gehe das Gericht bei seiner Beweiswürdigung von der lebensfremden Ansicht aus, der menschliche Verstand sei unfehlbar und speichere jedes Detail einer wichtigen oder prägenden Erinnerung dauerhaft ab; richtigerweise werde aus medizinischer Sicht jedoch nur der Kern des Erlebten bewahrt, nebensächliche Details würden mit zunehmender Zeit gelöscht. Auch habe das Verwaltungsgericht sein Lebensalter missachtet; er sei zum Zeitpunkt der versuchten Zwangsrekrutierung durch die Taliban erst 14 Jahre alt gewesen. Ebenso lebensfremd argumentiere das Verwaltungsgericht, dass es nicht glaubhaft sei, dass sein Vater ihm als damals 14-jährigem die Todesdrohungen verschwiegen und ihn unverzüglich nach Kabul und sodann ins Ausland gebracht habe; richtigerweise sei es jedoch ganz natürlich, dass der Vater ihn nicht habe unnötig weiter verängstigen wollen. Die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts widerspreche anerkannten Erfahrungsgrundsätzen und sei daher willkürlich. Zudem habe das Verwaltungsgericht zu Unrecht angenommen, dass es für ihn inländische Fluchtalternativen in Afghanistan gebe und er dort sein Existenzminimum sichern könne, da er über eine gute Schulbildung verfüge und noch Verwandte in Kabul mit Landbesitz habe. Nach alledem weise die Rechtssache auch besondere rechtliche Schwierigkeiten auf (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO).
Auch im Lichte dieses Sachvortrags ist kein Zulassungsrund gegeben. Bei den geltend gemachten ernstlichen Zweifeln an der Richtigkeit des Urteils sowie besonderen rechtlichen Schwierigkeiten der Rechtssache handelt es sich gemäß § 78 Abs. 3 AsylG im Asylprozessrecht – anders als im allgemeinen Verwaltungsprozessrecht (vgl. § 124 Abs. 2 VwGO) – von vornherein nicht um Gründe, die zur Zulassung der Berufung führen könnten. Selbst wenn man den obigen Sachvortrag auch als sinngemäße Rüge einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör auslegte, führt dies nicht zum Erfolg. Die Sachverhalts- und Beweiswürdigung durch das Verwaltungsgericht stellt keine Frage des rechtlichen Gehörs dar, sondern ist dem sachlichen Recht zuzurechnen und rechtfertigt von vornherein nicht die Zulassung der Berufung nach § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG (vgl. BVerwG, B.v. 30.7.2014 – 5 B 25.14 – juris Rn. 13 zu § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Gravierende Verstöße des Verwaltungsgerichts gegen Beweiswürdigungsgrundsätze – etwa eine gegen Denkgesetze verstoßene, willkürliche Würdigung – sind vorliegend nicht dargelegt. Vielmehr führt der Kläger lediglich Argumente an, die aus seiner Sicht gegen die durch das Verwaltungsgericht vorgenommene Beweiswürdigung sprechen, ohne jedoch darzulegen, dass die angegriffene Beweiswürdigung schlechterdings unvertretbar und daher willkürlich wäre (vgl. hierzu BVerwG, B.v. 14.7.2010 – 10 B 7.10 – NVwZ 2011, 55 – juris Rn. 4; BayVGH, B.v. 24.4.2013 – 13a ZB 12.30224 – juris Rn. 3).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylG.


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