Verwaltungsrecht

Erfolgloser Eilrechtsantrag auf Bewilligung von Wohngeldbewilligung

Aktenzeichen  12 CE 17.2012

Datum:
14.11.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 123
WoGG WoGG § 15

 

Leitsatz

1 Beinhaltet die erstrebte einstweilige Regelung eine bestimmte regelmäßig wiederkehrende Geldleistung, welche die Hauptsache faktisch vorwegnimmt, gelten hinsichtlich des Anordnungsgrunds gesteigerte Anforderungen; der Erlass einer einstweiligen Anordnung ist danach nur dann geboten, wenn andernfalls die soziale, berufliche oder wirtschaftliche Existenz des Antragstellers gefährdet wäre. (Rn. 3) (redaktioneller Leitsatz)
2 Die vorläufige Gewährung von Wohngeld im Wege der einstweiligen Anordnung kommt nur in Betracht, wenn ohne dessen Leistung der Teilbetrag der Miete oder der Belastung, der andernfalls durch Wohngeld finanziert würde, vom Antragsteller nicht mehr aufgebracht werden könnte und deshalb zu dem Zeitpunkt, zu dem das Gericht entscheidet, mit dem Verlust der Wohnung gerechnet werden müsste. (Rn. 3) (redaktioneller Leitsatz)
3 Die Deckung der Lebenshaltungskosten durch Barmittel in Höhe von 133,- € monatlich ist bei einer sparsamen Lebensführung nicht von vornherein unplausibel; ggf. sind insoweit weitere Ermittlungen bzw. Beweiserhebungen veranlasst. (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

B 4 E 17.648 2017-09-22 Bes VGBAYREUTH VG Bayreuth

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 600,- € festgesetzt.

Gründe

Die Antragstellerin verfolgt mit ihrer Beschwerde die Leistung von Wohngeld in monatlicher Höhe von 100,- €, hilfsweise in Höhe von 69,- € im Wege der einstweiligen Anordnung weiter, deren Erlass das Verwaltungsgericht mit dem angefochtenen Beschluss vom 22. September 2017 abgelehnt hat.
Die zulässige Beschwerde ist der Sache nach unbegründet. Denn das Verwaltungsgericht ist – auch unter Berücksichtigung des Vortrags der Antragstellerin im Beschwerdeverfahren – zu Recht vom Fehlen eines Anordnungsgrunds ausgegangen (1.). Hinsichtlich der weiteren Annahme des Verwaltungsgerichts, die Antragstellerin habe ihre Einkommensverhältnisse nicht plausibel dargelegt, bestehen jedoch erhebliche Bedenken (2.). Gleichwohl war die Beschwerde im Ergebnis als unbegründet zurückzuweisen.
1. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO (Regelungsanordnung) setzt u.a. voraus, dass die Regelung nötig erscheint, um vom Antragsteller wesentliche Nachteile abzuwenden (Anordnungsgrund). Dieser Anordnungsgrund ist seitens des jeweiligen Antragstellers glaubhaft zu machen. Beinhaltet, wie im vorliegenden Fall, die erstrebte einstweilige Regelung eine bestimmte regelmäßig wiederkehrende Geldleistung, die – jedenfalls faktisch – die Hauptsache „vorwegnimmt“, gelten hinsichtlich des Anordnungsgrunds gesteigerte Anforderungen. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung ist danach nur dann geboten, wenn andernfalls die soziale, berufliche oder wirtschaftliche Existenz des Antragstellers gefährdet wäre (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 123 Rn. 66b f.). Zutreffend geht das Verwaltungsgericht daher davon aus, dass eine vorläufige Gewährung von Wohngeld im Wege der einstweiligen Anordnung nur dann in Betracht kommt, wenn ohne dessen Leistung der Teilbetrag der Miete oder der Belastung, der andernfalls durch Wohngeld finanziert würde, vom Antragsteller nicht mehr aufgebracht werden könnte und deshalb zu dem Zeitpunkt, zu dem das Gericht entscheidet, mit dem Verlust der Wohnung zu rechnen sei.
Diese Voraussetzung einer vorläufigen Wohngeldzahlung hat die Antragstellerin auch mit ihrem Vortrag im Beschwerdeverfahren nicht glaubhaft gemacht. Eine drohende Unbewohnbarkeit ihres Hauses aufgrund von Strom- und Wassersperren infolge ausgebliebener Zahlungen laufender Betriebskosten ist nicht zu befürchten. Dies ergibt sich zum einen daraus, dass die Antragstellerin ausweislich ihres aktuellen Kontoguthabens über hinreichende Geldmittel verfügt, die Betriebskosten ihres Hauses auch über einen längeren Zeitraum – jedenfalls aber bis zu einer Entscheidung in einem Hauptsacheverfahren – zu tragen. Hinzu kommt, dass aus den für das Jahr 2016 vorgelegten Kontoauszügen der Antragstellerin zu ersehen ist, dass die laufenden Betriebskosten (Strom/Wasser/Heizung) durch regelmäßige Abbuchungen von ihrem Konto beglichen werden, es folglich eines Rückgriffs auf entsprechende Bankguthaben insoweit nicht bedarf. Mithin bleibt auch im Beschwerdeverfahren nicht erkennbar, weshalb der Antragstellerin der „Verlust“ ihres Hauses (durch Unbewohnbarkeit) und damit ihrer Wohnung ohne die Leistung von Wohngeld bis zu einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren drohen sollte. Mangels Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrunds war die Beschwerde gegen den unterbliebenen Erlass einer einstweiligen Anordnung daher als unbegründet zurückzuweisen.
2. Gewichtigen Zweifeln begegnet indes die Auffassung des Verwaltungsgerichts, die Antragsgegnerin sei zutreffend von unplausiblen Einkommensverhältnissen bzw. – daraus abgeleitet – von verschwiegenen Einkünften der Antragstellerin ausgegangen.
Hierbei ist zunächst davon auszugehen, dass – nach den für das komplette Jahr 2016 vorgelegten Kontoauszügen (vgl. hierzu die instruktive Aufstellung Bl. 141 der Behördenakte) – die Antragstellerin über Einnahmen in Höhe von rund 900,- € monatlich verfügt, wovon regelmäßige Ausgaben in Höhe von etwa 560,- € monatlich abgehen. Abzüglich der Barabhebungen in Höhe von 1.600,- € verbleibt damit ein Überschuss in Höhe von rund 2.500,- €, der die vom Verwaltungsgericht konstatierte Erhöhung des Kontoguthabens hinreichend plausibel erklärt.
Ferner erweist sich der Vortrag der Antragstellerin, sie komme mit umgerechnet 133 € monatlich bei sparsamer Lebensführung für ihren täglichen Lebensunterhalt (Nahrungsmittel, Hygieneartikel, Benzin- und Reparaturkosten für den Pkw) aus, nicht per se als unplausibel (vgl. zur Fragwürdigkeit der sog. 80%-Grenze des Sozialhilfebedarfs in diesem Zusammenhang VG Arnsberg, U.v. 9.5.2017 – 5 K 1896/16 – juris Rn. 42; VG Dresden, U.v. 24.8.2016 – 1 K 2645/14 – juris Rn. 20; VG München, U.v. 19.1.2017 – M 22 K 16.3540 – juris Rn. 20 ff.). Denn hinsichtlich der anzusetzenden Kosten für die Pkw-Nutzung, auf die das Verwaltungsgericht besonders hinweist, wäre zunächst – gegebenenfalls im Wege einer Beweiserhebung – die jährliche Fahrleistung der Antragstellerin zu ermitteln, da es, unabhängig von den Leistungen für Versicherung und Kfz-Steuer, die vom Konto der Antragstellerin abgebucht werden, einen gravierenden Unterschied hinsichtlich der anfallenden Benzin- und Reparaturkosten macht, ob sie jährlich 2.000 km oder 20.000 km mit ihrem Pkw fährt. Auch ist ihr Vorbringen, sie beziehe jeweils für mehrere Tage Lebensmittel von der Tafel, wofür lediglich ein Betrag von 2,- € anfalle, gegebenenfalls im Wege einer Beweiserhebung zu überprüfen. Weiter wäre zur Prüfung der Plausibilität der Einkommensverhältnisse auf die Aufstellung in § 5 Abs. 1 des Gesetzes zur Ermittlung der Regelbedarfe nach § 28 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz – RBEG vom 22.12. 2016, BGBl I, 3159) abzustellen und dabei hinsichtlich der in § 5 Abs. 2 RBEG festgelegten monatlichen Verbrauchsausgaben für einen Einpersonenhaushalt in Höhe von 394,84 € zu berücksichtigen, dass bestimmte Ausgabenpositionen seitens der Antragstellerin verzichtbar sind (z.B. der Anteil für Tabakwaren in Abteilung 1 und 2), andere wiederum bei ihr in geringerem Umfang als in § 5 Abs. 1 RBEG angesetzt (z.B. Abteilung 8 Nachrichtenübermittlung: nachgewiesenen Telefonkosten in Höhe von 16,55 € stehen hier 35,31 € gegenüber!) anfallen (vgl. hierzu BayVGH, B.v. 2.9.2014 – 12 C 14.1330 – unveröffentlicht, Rn. 7). Weiter gälte es zu berücksichtigen, dass weitere Positionen (z.B. Abteilung 4 Wohnen, Energie und Wohnungsinstandhaltung oder Abteilung 6 Gesundheitspflege) von der Antragstellerin nicht bar geleistet werden, sondern in den regelmäßigen, durch Vorlage der Kontoauszüge belegten Abbuchungen enthalten sind (insbesondere die Arzneimittelkosten der von der Antragstellerin genutzten Versandapotheke). Dies zusammengenommen erscheint der Vortrag der Antragstellerin zur Deckung ihrer Lebenshaltungskosten durch Barmittel in Höhe von 133,- € monatlich bei einer sparsamen Lebensführung nach Auffassung des Senats jedenfalls nicht von vornherein unplausibel. Gegebenenfalls wären diesbezüglich weitere Ermittlungen bzw. Beweiserhebungen veranlasst, sodass im Rahmen eines eventuell durchzuführenden Hauptsacheverfahrens von für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe hinreichenden Erfolgsaussichten der Klage auszugehen wäre.
Gleichwohl war die vorliegende Beschwerde mangels fehlender Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrunds als unbegründet zurückzuweisen.
3. Die Antragstellerin trägt nach § 154 Abs. 2 VwGO die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Der Streitwert bemisst sich vorliegend nach § 47 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG sowie nach Ziffer 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Dieser Beschluss ist nach § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben