Verwaltungsrecht

Erstattung der Herstellungskosten für Grundstücksanschlüsse zur Schmutzwasserentsorgung

Aktenzeichen  20 ZB 16.1871

Datum:
27.6.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 16813
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayKAG Art. 9
EWS § 3 Nr. 7, Nr. 10, § 8 Abs. 1 S. 2, § 8a Abs. 4
BSG-EWS § 8 Abs. 1, Abs. 2 S. 1
VwGO § 162 Abs. 2 S. 2

 

Leitsatz

1. Der Erstattungsanspruch für die Herstellungskosten für Grundstücksanschlüsse zur Schmutzwasserentsorgung entsteht mit Abschluss der jeweiligen Maßnahme, also der Herstellung des Grundstücksanschlusses an die gemeindliche Entwässerungseinrichtung; notwendig hierfür ist grundsätzlich die vollständige technische Herstellung des Grundstücksanschlusses. (Rn. 3) (redaktioneller Leitsatz)
2. Zu einem fertiggestellten Abwassersammelschacht gehört alles, was zu dessen Funktionsfähigkeit notwendig ist, mithin auch der Anschluss der Pumpe an die Stromversorgung, wenn sich dies aus dem einschlägigen Satzungsrecht ergibt. (Rn. 6 – 7) (redaktioneller Leitsatz)
3. Für die Frage, ob die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren nach § 162 Abs. 2 S. 2 VwGO notwendig war, ist maßgeblich, ob dem Widerspruchsführer nach seinen persönlichen Verhältnissen zugemutet werden kann, das Verfahren selbst zu führen. (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

Au 6 K 15.1760 2016-08-03 Urt VGAUGSBURG VG Augsburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Beklagte trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 15.420,70 € festgesetzt.

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 3. August 2016 ist zulässig, aber unbegründet.
1. Es bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Ernstliche Zweifel in diesem Sinne liegen vor, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird (BVerfG, U.v. 23.6.2000, NVwZ 2000, 1163, 1164). Die Richtigkeit des Urteils ist dabei nach dem Sachausspruch der Urteilsformel, also nur nach dem Ergebnis und nicht nach den Entscheidungsgründen zu beurteilen (Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124, Rn. 12 m.w.N.). Solche Zweifel liegen hier nicht vor.
Rechtsgrundlage der streitgegenständlichen Bescheide zur Erstattung der Herstellungskosten für Grundstücksanschlüsse für Schmutzwasserentsorgung ist Art. 9 KAG i.V.m. § 8 Abs. 1 der Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung des Marktes Altenstadt vom 6. Dezember 2013 (BGS-EWS). Danach ist der Aufwand für die Herstellung, Anschaffung, Verbesserung, Erneuerung, Veränderung und Beseitigung sowie für die Unterhaltung der Grundstücksanschlüsse im Sinne des § 3 der Satzung über die öffentliche Entwässerungseinrichtung des Marktes Altenstadt vom 6. Dezember 2013 (EWS) mit Ausnahme des Aufwands, der auf die im öffentlichen Straßengrund liegenden Teile der Grundstücksanschlüsse entfällt, in der jeweils tatsächlichen Höhe zu erstatten. Nach § 8 Abs. 2 Satz 1 BGS/EWS entsteht der Erstattungsanspruch mit Abschluss der jeweiligen Maßnahme, also der Herstellung des Grundstücksanschlusses an die gemeindliche Entwässerungseinrichtung. Notwendig hierfür ist grundsätzlich die vollständige technische Herstellung des Grundstücksanschlusses (vgl. Thimet, Kommunalabgaben- und Ortsrecht in Bayern, Stand April 2012, Teil IV, Artikel 9, Frage 13 Nr. 2; BayVGH, U.v. 10.8.2012 – 20 B 11.490 – juris Rn. 17, 20).
Das Verwaltungsgericht ging in seinem Urteil davon aus, dass die vollständige technische Herstellung vorliegend noch nicht vorliegt, da der Beklagte nicht substantiiert darlegen konnte, dass eine Installation der für die Druckentwässerung notwendigen Pumpen in den Abwassersammelschächten erfolgt ist. Ob der Anschluss der Pumpen an die Stromversorgung von der Pflicht zur vollständigen technischen Herstellung mit umfasst ist, ließ das Verwaltungsgericht offen. Der Beklagte bringt im Zulassungsverfahren dagegen im Wesentlichen vor, dass der Verwaltungsgerichtshof in seinem Urteil vom 10. August 2012 (20 B 11.490) ausgeführt habe, dass die Mängel, die einer vollständigen Herstellung entgegen stünden, gewichtig sein müssten. Für die Beurteilung dessen sei entscheidend, mit welchem sachlichen und zeitlichen Aufwand der Mangel beseitigt werden könne. Die Pumpen könnten binnen weniger Sekunden in den Schacht abgelassen werden und würden dann „eingebaut“. Der Kläger habe nur bestritten, dass sich im Schacht des Grundstücks FlNr. … keine Pumpe befinde. Dies habe im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung zwar zugetroffen, ab dem Nachmittag des 3. August 2016 habe sich aber auch in diesem Schacht eine Pumpe befunden. Sie sei vorher nur deshalb nicht eingebracht worden, weil der zuständige Mitarbeiter die Anweisung für ein Versehen gehalten habe, da auf dem Grundstück noch kein Gebäude gestanden habe.
Ob diese Argumentation zutrifft, kann im Ergebnis offen bleiben, da das Urteil des Verwaltungsgerichts jedenfalls aus anderen Gründen im Ergebnis richtig ist und nach dem hier analog anwendbaren § 144 Abs. 4 VwGO (vgl. hierzu Happ in Eyermann, VwGO, § 124 Rn. 17) keine ernstlichen Zweifel bestehen.
Denn die vom Verwaltungsgericht ausdrücklich offen gelassene Frage, ob der Anschluss der Pumpen an die Stromversorgung von der Herstellungspflicht des Beklagten umfasst ist, ist nach dem maßgeblichen Satzungsrecht des Beklagten zu bejahen. Nach § 3 Nr. 7 EWS sind Grundstücksanschlüsse bei der Druckentwässerung die Leitungen vom Kanal bis einschließlich Abwassersammelschacht. Dieser ist nach § 3 Nr. 10 EWS ein Schachtbauwerk mit Pumpen und Steuerungsanlage. Dementsprechend gehört zum fertiggestellten Abwassersammelschacht alles, was zu dessen Funktionsfähigkeit notwendig ist, mithin auch der Anschluss der Pumpe an die Stromversorgung.
Auf das Urteil des 4. Senats des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 16. Juli 2007 (Az. 4 B 06.1953 – juris) kann sich der Beklagte entgegen seiner Argumentation im Zulassungsverfahren nicht berufen, da sein Satzungsrecht sich von dem der Beklagten in dem vom 4. Senat entschiedenen Fall maßgeblich unterscheidet. Denn die beklagte Gemeinde in dem vom 4. Senat entschiedenen Fall hatte in ihrer Entwässerungssatzung in § 8a Abs. 4 geregelt, dass alle vor der Pumpstation befindlichen Entwässerungsanlagen einschließlich der Stromführung nicht zur öffentlichen Abwasseranlage gehörten. Diese seien vom Anschlussnehmer zu erstellen, zu betreiben und zu unterhalten. Eine mit dieser Regelung vergleichbare Regelung, die insbesondere die Stromführung bei der Druckentwässerung von der öffentlichen Entwässerungsanlage des Beklagten ausnimmt und die Herstellungspflicht dem Anschlussnehmer aufbürdet, findet sich im Satzungsrecht des Beklagten nicht. Auch eine Anordnung nach § 8 Abs. 1 Satz 2 EWS, wonach der Grundstückseigentümer den Stromanschluss herstellen müsste, ist vorliegend nicht erfolgt, sodass der fehlende Stromanschluss jedenfalls in die Sphäre des Beklagten fällt mit der Folge, dass der Erstattungsanspruch noch nicht entstanden ist.
Ebenso wenig bestehen ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung bezüglich der Entscheidung des Verwaltungsgerichts über die Notwendigkeit der Hinzuziehung des Bevollmächtigten des Klägers im Vorverfahren (Ziffer II Satz 2 des Urteils des Verwaltungsgerichts). Denn für die Frage, ob die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren nach § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO notwendig war, ist maßgeblich, ob dem Widerspruchsführer nach seinen persönlichen Verhältnissen zugemutet werden kann, das Verfahren selbst zu führen (vgl. Schmidt in Eyermann, VwGO, § 162 Rn. 13). Dass der Kläger über Kenntnisse verfügt hätte, die ihm eine selbstständige Durchführung des Widerspruchsverfahrens zumutbar gemacht hätten, ist weder der Akte noch dem Vortrag des Beklagten zu entnehmen. Ausweislich der dem Senat vorliegenden Widerspruchsakte des Landratsamts ist der Bevollmächtigte des Klägers im Widerspruchsverfahren auch tatsächlich tätig geworden. Ein mit der in der Antragsbegründung zitierten Entscheidung des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main (U.v. 7.12.2009 – 1 K 2786/09 – NVwZ-RR 2010, 422) vergleichbarer Fall liegt hier nicht vor. Denn in der dortigen Entscheidung hatte die Widerspruchsbehörde bereits bekundet, dass der vom Widerspruchsführer selbst eingelegte Widerspruch begründet sei. Anschließend wurde ein Rechtsanwalt nur mit der Motivation eingeschaltet, die Entscheidung der Widerspruchsbehörde zu beschleunigen. Für einen derartigen Ausnahmefall liegen hier keinerlei Anzeichen vor. Daher bestehen auch insoweit keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung.
2. Die vom Beklagten als grundsätzlich klärungsbedürftig erachtete Frage,
ob ein Abschluss der Maßnahme und damit eine Entstehung des Kostenerstattungsanspruchs bei einer Druckentwässerungsanlage auch schon dann vorliegt, wenn die zur Druckentwässerung notwendige Pumpe nicht im Schacht ist, sondern aus Vernunftgründen zum Schutz vor Korrosion an einer sicheren Stelle gelagert wird,
besitzt keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO.
Der Begriff der grundsätzlichen Bedeutung erfordert, dass für die angefochtene Entscheidung des Verwaltungsgerichts die im Zulassungsantrag dargelegte konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage von Bedeutung war, ihre Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zur Weiterentwicklung des Rechts geboten ist (Happ in Eyermann, VwGO, § 124 Rn. 36). Vorliegend ist die Frage in einem Berufungsverfahren nicht klärungsfähig, da die Entscheidung des Verwaltungsgerichts aus dem dargestellten, auf der Hand liegenden Gründen im Ergebnis richtig ist (§ 144 Abs. 4 VwGO analog, vgl. Happ in Eyermann, VwGO, § 124 Rn. 37). Denn da jedenfalls der vom Beklagten herzustellende Stromanschluss der Pumpen bislang nicht erfolgt ist, ist der Anspruch ungeachtet der formulierten Frage nicht entstanden und der Bescheid daher rechtswidrig.
3. Auch der geltend gemachte Verfahrensfehler eines Verstoßes gegen die Amtsermittlungspflicht des § 86 Abs. 1 VwGO liegt nicht vor, sodass auch der Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO nicht gegeben ist.
Für die Frage, ob ein etwaiger Verfahrensfehler entscheidungserheblich ist, kommt es grundsätzlich zwar auf den materiell-rechtlichen Standpunkt des Verwaltungsgerichts an (Happ in Eyermann, VwGO, § 124 Rn. 51). Auch insoweit gilt jedoch § 144 Abs. 4 VwGO analog (Happ a.a.O.; BayVGH, B.v. 17.12.2003 – 15 ZB 02.31617 – juris Rn. 1). Die Klage wäre daher jedenfalls wegen des fehlenden Stromanschlusses begründet gewesen. Daher kam es auf die fehlende weitergehende Ermittlung des Verwaltungsgerichts zu der Frage, ob die Pumpen in die Schächte eingebracht wurden bzw. wie die Installation der Pumpen erfolgt ist, nicht entscheidungserheblich an.
Der Antrag war daher als unbegründet abzulehnen. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Der Streitwert war nach § 52 Abs. 1, Abs. 3 GKG in Höhe der streitgegenständlichen Kostenerstattung festzusetzen.
Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig, § 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO.


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