Verwaltungsrecht

Fehlender Anordnungsgrund bei abgeschlossenem Auswahlverfahren

Aktenzeichen  6 CE 18.470

Datum:
17.4.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 6884
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 123 Abs. 1 S. 2, Abs. 3, § 146 Abs. 4 S. 6
GG Art. 33 Abs. 2
BPolLV § 16
ZPO § 920 Abs. 2

 

Leitsatz

Ist das Auswahlverfahren bereits vor der Entscheidung des Verwaltungsgerichts über die einstweilige Anordnung und vor dem Eingang der Beschwerde des Antragstellers beim Verwaltungsgerichtshof abgeschlossen, ist für einen Antrag, die Antragsgegnerin im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, den Antragsteller einstweilen am Auswahlverfahren teilhaben zu lassen, ein Anordnungsgrund im Sinn des § 123 Abs. 1 S. 2 VwGO entfallen. (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

B 5 E 18.47 2018-02-05 Bes VGBAYREUTH VG Bayreuth

Tenor

I. Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 5. Februar 2018 – B 5 E 18.47 – wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 5. Februar 2018 – B 5 E 18.47 – wird der Streitwert für beide Instanzen auf je 5.000 € festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller steht als Polizeihauptmeister (Besoldungsgruppe A 9m) im Dienst der Bundespolizei und übt die Funktion eines Kfz-Mechanikers aus. Er begehrt die einstweilige Zulassung zum Auswahlverfahren für den Aufstieg in den gehobenen Polizeivollzugsdienst.
Im Jahr 2017 wurde für die Bundespolizei ein Programm von 800 Planstellenhebungen vom mittleren in den gehobenen Polizeidienst beschlossen. Zur Umsetzung vereinbarten das Bundesministerium des Innern und das Bundespolizeipräsidium ein Verfahren, das sich an dem verkürzten Aufstiegsverfahren nach § 16 Bundespolizei-Laufbahnverordnung – BPolLV – orientieren, aber gleichwohl ein einmaliges Sonderverfahren darstellen soll. Die Umsetzung sollte in zwei Raten von je 400 Aufstiegen in den Jahren 2017 und 2018 erfolgen. Dieses einmalige Sonderverfahren soll Polizeivollzugsbeamte fördern, die sich langjährig in hohem Maß bewährt haben. Für eine Hebung wurden folgende Funktionen festgelegt: Dienstposten mit Führungsfunktionen (Gruppenführer, stellvertretender Gruppenführer, Truppführer), Kontroll-/Streifenbeamte, Ermittlungs-und Fahndungsbeamte, Lehrkräfte und Ausbilder, Bearbeiter und sonstige Spezialfunktionen (z.B. GSG 9, PSA, Flugdienst, HOD, Entschärfer).
Der Antragsteller bewarb sich mit Schreiben vom 6. November 2017 für den Aufstieg in dem Sonderverfahren. Mit Schreiben vom 18. Dezember 2017 teilte das Bundespolizeipräsidium dem Antragsteller mit, dass für die Abteilungen des Bundespolizeipräsidiums nur die Funktion eines Bearbeiters für eine Hebung vom mittleren Polizeivollzugsdienst in den gehobenen Polizeivollzugsdienst festgelegt worden sei. Da der Antragsteller den Dienstposten eines Kfz-Mechanikers innehabe, könne er nicht zum Auswahlverfahren gemäß § 16 BPolLV zugelassen werden.
Mit Schreiben vom 10. Januar 2018 erhob der Antragsteller Widerspruch gegen seine Nichtberücksichtigung, über den noch nicht entschieden ist, und beantragte mit Schreiben vom selben Tag beim Verwaltungsgericht, die Antragsgegnerin im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, den Antragsteller einstweilen am Auswahlverfahren für den Aufstieg in den gehobenen Dienst der Bundespolizei teilhaben zu lassen.
Das Auswahlverfahren, bestehend aus einem schriftlichen Testverfahren und einer persönlichen Auswahlvorstellung, fand im Zeitraum vom 8. Januar bis zum 2. Februar 2018 statt (Nr. 5.2 des Schreibens des Bundespolizeipräsidiums vom 26.10.2017).
Mit Beschluss vom 5. Februar 2018 hat das Verwaltungsgericht den Eilantrag des Antragstellers abgelehnt. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass zwar ein Anordnungsgrund, nicht aber ein Anordnungsanspruch vorliege. Das Bundespolizeipräsidium habe mit einer den Bewerbungsverfahrensanspruch des Antragstellers nach Art. 33 Abs. 2 GG nicht berührenden Organisationsgrundentscheidung festgelegt, dass im Rahmen des streitgegenständlichen Sonderverfahrens nur bestimmte Funktionsgruppen für eine Hebung vom mittleren in den gehobenen Polizeivollzugsdienst in Betracht kämen. Mit der Sondermaßnahme sollten Polizeivollzugsbeamte gefördert werden, die sich langjährig in hohem Maß bewährt hätten. Bei den aufschichtungsfähigen Dienstposten handele es sich um Funktionen mit einem herausgehobenen Funktions- und Verantwortungsinhalt. Dies stelle auch im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG einen sachlichen Grund für eine unterschiedliche Behandlung von Bundespolizisten des mittleren Polizeivollzugsdienstes dar. In seiner Verwendung als Kfz-Mechaniker sei der Antragsteller aufgrund der Organisationsgrundentscheidung des Dienstherrn schon nicht bei der Auswahlentscheidung zu berücksichtigen gewesen.
Der Antragsteller hat hiergegen mit Schreiben vom 19. Februar 2018, eingegangen beim Verwaltungsgerichtshof am 23. Februar 2018, Beschwerde eingelegt, mit der er seinen erstinstanzlichen Antrag weiter verfolgt. Die Antragsgegnerin widersetzt sich der Beschwerde und verweist darauf, dass das Auswahlverfahren zwischenzeitlich abgeschlossen worden sei.
II.
Die Beschwerde des Antragstellers ist zulässig, aber unbegründet.
Die Gründe, die mit der Beschwerde fristgerecht dargelegt worden sind und auf deren Prüfung das Gericht beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 i.V.m. Satz 1 und Satz 3 VwGO), rechtfertigen es nicht, dem mit dem Rechtsmittel weiter verfolgten Antrag zu entsprechen.
Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, nötig erscheint, um wesentliche Nachteile abzuwenden. Derartige Anordnungen, die – wie hier – durch vorläufige Befriedigung des erhobenen Anspruchs vor Klageerhebung die Entscheidung im Hauptsacheverfahren zumindest teilweise vorwegnehmen, setzen voraus, dass die Vorwegnahme der Hauptsache zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes schlechterdings notwendig ist, um andernfalls zu erwartende schwere und unzumutbare Nachteile oder Schäden vom Antragsteller abzuwenden (Anordnungsgrund), und dass ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit für den Erfolg in der Hauptsache spricht (Anordnungsanspruch). Beides ist vom Antragsteller glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO in Verbindung mit § 920 Abs. 2 ZPO).
Im vorliegenden Fall besteht kein Anordnungsgrund mehr. Der Antragsteller hat beantragt, unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts die Antragsgegnerin im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, den Antragsteller einstweilen am Auswahlverfahren für den Aufstieg in den gehobenen Dienst der Bundespolizei teilhaben zu lassen. Für diesen Antrag ist ein Anordnungsgrund im Sinn des § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO entfallen. Nach dem Schreiben des Bundespolizeipräsidiums vom 26. Oktober 2017 fand das Auswahlverfahren der letzten Tranche des einmaligen Sonderverfahrens im Zeitraum vom 8. Januar 2018 bis zum 2. Februar 2018 statt. Damit war das Auswahlverfahren bereits vor der Entscheidung des Verwaltungsgerichts am 5. Februar 2018 und erst recht vor dem Eingang der Beschwerde des Antragstellers beim Verwaltungsgerichtshof am 23. Februar 2018 abgeschlossen (vgl. auch HessVGH, B.v. 25.1.2018 – 1 B 1786/17 – juris Rn. 11). Die Antragsgegnerin hat mit Schriftsatz vom 14. März 2018 bekräftigt, dass das Auswahlverfahren abgeschlossen ist. Die Durchführung eines weiteren bzw. erneuten Auswahlverfahrens ist nicht beabsichtigt. Damit ist das Rechtsschutzziel nicht mehr erreichbar.
Angesichts dessen kann dahinstehen, ob dem Antragsteller ein Anordnungsanspruch auf einstweilige Teilhabe am Auswahlverfahren für den Aufstieg in den gehobenen Dienst der Bundespolizei zugestanden hätte (vgl. hierzu HessVGH, B.v. 25.1.2018 – 1 B 1786/17 – juris; OVG NW, B.v. 5.10.2017 – 1 B 1139/17 – juris).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 und 2 GKG. Da es sich faktisch um ein auf die Vorwegnahme der Hauptsache zielendes Begehren handelt, war der Streitwert nicht zu reduzieren (HessVGH, B.v. 25.1.2018 – 1 B 1786/17 – juris Rn. 28; vgl. auch BayVGH, B.v. 20.12.2016 – 6 CE 16.2402 – Rn. 18; B.v. 12.12.2016 – 6 CE 16.2250 – juris Rn. 21). Aus diesem Grund macht der Senat von seiner nach § 63 Abs. 3 Nr. 2 GKG bestehenden Befugnis Gebrauch, die verwaltungsgerichtliche Streitwertfestsetzung von Amts wegen abzuändern.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).


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