Verwaltungsrecht

Freistellung für den Auslandsschuldienst – Ermessen des Dienstherrn

Aktenzeichen  3 ZB 17.916

Datum:
2.10.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 131730
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
UrlV § 18
VwGO § 113 Abs. 1 S. 1, § 124 Abs. 2 Nr. 1

 

Leitsatz

Eine Verwaltungspraxis, die über die Gewährung von Sonderurlaub nur besonders qualifizierte Lehrkräfte für den Auslandsschuldienst freistellt, hält sich Rahmen des dem Dienstherrn bei dieser Entscheidung zustehenden weiten Ermessens. (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 5 K 16.4677 2017-03-21 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Antragsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Antragsverfahren wird auf 5.000 € festgesetzt.

Gründe

Der auf den Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (ernstliche Zweifel) gestützte Antrag bleibt ohne Erfolg.
1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts i.S.v. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestehen auf der Grundlage des Zulassungsvorbringens nicht. Ernstliche Zweifel, die die Zulassung der Berufung rechtfertigen, sind zu bejahen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird und die Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen. Dies ist vorliegend nicht der Fall.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage, den Beklagten zu verpflichten, die 1976 geborene Klägerin, eine Studienrätin, für den Auslandsschuldienst freizustellen, zu Recht abgewiesen. Das Schreiben vom 10. August 2016 des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus (Staatsministerium), mit dem die begehrte Freistellung abgelehnt worden war, ist in der Gesamtschau mit dem erläuternden Schreiben vom 2. November 2016 rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Eine Freistellung für den Auslandschuldienst setzt nach der ständigen Verwaltungspraxis des Staatsministeriums u.a. voraus, dass die Wissenschaftliche Prüfung (= Erstes Staatsexamen) nicht mit einer schlechteren Note als 3,50 abgeschlossen worden sein darf. Es besteht jedoch die Möglichkeit einer Verbesserung der fachlichen Gesamtnote durch das Ablegen einer Erweiterungsprüfung oder im Einzelfall durch ein weit überdurchschnittliches Beurteilungsprädikat der zweiten Stufe (BG) oder besser.
Die Klägerin hat in der Wissenschaftlichen Prüfung die Gesamtnote 3,68 erzielt (Examenszeugnis vom 14.9.2009) und damit die Mindestnote nicht erreicht. Ein Ausgleich war nicht möglich, weil sie sich mit der im Herbst 2015 abgelegten Erweiterungsprüfung im Fach Sozialkunde mit einem Schnitt von 4,11 nicht verbessern konnte. Auch mit Ihrer periodischen Beurteilung vom 21. Juli 2017 (Prädikat der vierten Stufe) konnte die Klägerin ihr in der Wissenschaftlichen Prüfung erzieltes Ergebnis nicht kompensieren.
a. Die Klägerin trägt vor, es sei für sie nicht prüfbar, ob sich das Staatsministerium tatsächlich durch Festlegung von Richtlinien in der Ausübung seines Ermessens gebunden habe. Dies werde mit Nichtwissen bestritten. Ein Bestreiten mit Nichtwissen weckt indes keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts (vgl. OVG NW, B.v. 10.1.2014 – 14 A 2253/12 – juris). Im Übrigen hat das Staatsministerium seine Verwaltungspraxis im verwaltungsgerichtlichen Verfahren (Stellungnahmen vom 10.11.2016 und vom 7.3.2017 sowie der Email vom 20.3.2017) hinreichend dargelegt.
b. Das Verwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die der Ermessensausübung zugrunde gelegten internen Verwaltungsvorschriften rechtlich nicht zu beanstanden sind und es gerechtfertigt ist, Mindestanforderungen sowohl an die fachliche als auch an die wissenschaftliche Qualifikation der Lehrkräfte zu stellen. Es hat auf den Vortrag des Beklagten verwiesen, wonach im Ausland eingesetzte Lehrkräfte nicht ohne weiteres in der Lage seien, auf die fachliche Hilfe von Kollegen zurückzugreifen. Darüber hinaus müsse der Freistaat Bayern im Ausland durch besonders qualifizierte Lehrkräfte repräsentiert werden. Die Klägerin wendet ein, mit Hilfe moderner Kommunikationsmittel könne jederzeit fachliche Hilfe in Anspruch genommen werden. Sie führt weiter aus, sie habe sich mit ihren Staatsexamina für den Inlandsschuldienst qualifiziert und es sei nicht nachzuvollziehen, warum im Ausland die wissenschaftliche Qualifikation höher sein müsse. Ernstliche Zweifel ergeben sich aus diesem Vortrag nicht. Die Anwendung der ermessensbindenden Verwaltungsvorschrift im Einzelfall unterliegt im Hinblick auf § 114 VwGO einer nur eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle. Zu prüfen ist lediglich, ob die Behörde von ihrem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch gemacht und sich in den gesetzlichen Grenzen ihres Ermessens gehalten hat (vgl. BVerwG, U.v. 10.11.1992 – 10 C 2/91 – juris Rn. 19). Die Entscheidung über die Gewährung von Sonderurlaub (§ 18 UrlV) und damit über die Freistellung für den Auslandsschuldienst liegt im (weiten) Ermessen des Dienstherrn. Das Stellen von Mindestanforderungen sowohl an die fachliche als auch an die wissenschaftliche Qualifikation der Lehrkraft ist gerechtfertigt. Die der Mindestanforderung zugrunde liegende Überlegung, dass die Lehrkraft in der Lage sein muss, den Unterricht im Ausland ohne fachliche Unterstützung in Eigenregie zu bewerkstelligen, ist nachvollziehbar und vom Ermessensspielraum gedeckt. Gleiches gilt für die Überlegung, nur Lehrkräfte freizustellen, die sich in besonderer Weise wissenschaftlich qualifiziert haben. Es ist nicht zu beanstanden, wenn das Staatsministerium bei der Entscheidung über die Freistellung einen strengeren Maßstab als für die Einstellung in den Inlandsschuldienst anlegt. Die Einstellungsvoraussetzungen sind von äußeren Faktoren wie Schülerzahlen, Stellenzuweisungen und Fächerverbindungen abhängig und damit auch bedarfsorientiert.
c. Die Klägerin wendet ein, es sei nicht sachgerecht, auf die im Ersten Staatsexamen erzielte Note abzustellen, zumal wenn das Staatsexamen bereits – wie in ihrem Fall – fast zehn Jahre zurückliege. Selbst durch hervorragende dienstliche Beurteilungen und die Bewährung in der Praxis könne die Note des Ersten Staatsexamens nicht ausgeglichen werden. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils ergeben sich hieraus nicht. Die Note der Wissenschaftlichen Prüfung kann nach dem Vortrag des Staatsministeriums durch das Ablegen einer Erweiterungsprüfung oder im Einzelfall durch ein weit überdurchschnittliches Beurteilungsprädikat der zweiten Stufe (BG) oder besser ausgeglichen werden. Die Klägerin ignoriert schlicht den Umstand, dass über die in der Email vom 17. März 2017 genannten „internen Vorgaben“ (Mindestnote und qualifizierte Beurteilung) nach dem Vortrag des Staatsministeriums die erste Staatsexamensnote – wie oben dargestellt – ausgeglichen werden kann. Insoweit liegt der Fall anders als der dem Beschluss des Senats vom 16. April 2015 (3 CE 15.815 – juris) zugrunde liegende Sachverhalt. Hinsichtlich der Übertragbarkeit des genannten Beschlusses hat bereits das Verwaltungsgericht zutreffend darauf hingewiesen, dass es bei der Freistellung für den Auslandsschuldienst nicht um die Vergabe oder die Vorfrage der Vergabe eines höherwertigen Amtes geht und damit das Leistungsprinzip nicht strikt im Vordergrund steht. Aus diesem Grund konnte das Staatsministerium auf die Note der Wissenschaftlichen Prüfung abstellen, die ein zuverlässiges Indiz für die wissenschaftliche Durchdringung des jeweiligen Stoffes ist.
2. Der Antrag war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO abzulehnen. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 47 Abs. 3, § 52 Abs. 2 GKG (wie Vorinstanz).
Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).
Dr. Wagner Vicinus Dr. Weizendörfer


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