Verwaltungsrecht

Rechtmäßiger Widerruf eines Negativzeugnisses betreffend Aggressivität und Gefährlichkeit eines Hundes

Aktenzeichen  10 B 20.439

Datum:
12.5.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 14517
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 113 Abs. 1 S. 4
BayLStVG Art. 7 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 3, Art. 37 Abs. 1, Abs. 4
KampfhV BY § 1 Abs. 2
BayVwVfG Art. 49

 

Leitsatz

1. Das für die Zulässigkeit einer Fortsetzungsfeststellungsklage erforderliche Fortsetzungsfeststellungsinteresse kann jedenfalls dann nicht verneint werden, wenn man davon ausgeht, dass der sofort vollziehbare Widerruf eines Negativzeugnisses zu einer Ordnungswidrigkeit iSv Art. 37 Abs. 4 BayLStVG durch die weitere Haltung eines Hundes unabhängig von dessen konkreter Gefährlichkeit führt. (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Haltung eines Kampfhundes ohne die erforderliche Erlaubnis erfüllt einen Ordnungswidrigkeitentatbestand, weswegen zur Verhütung oder Unterbindung dieser rechtswidrigen Taten die weitere Haltung nach Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 BayLStVG untersagt werden kann (s. auch VGH München BeckRS 2019, 3418 und BeckRS 2020, 9440). (Rn. 32) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

RO 4 K 18.1997 2019-10-15 Urt VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I. Die Berufung wird zurückgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Die Entscheidung ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
V. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Kläger verfolgt mit seiner Berufung seine in erster Instanz erfolglose Klage gegen einen Bescheid der Beklagten, mit dem ein ihm erteiltes Negativattest widerrufen, ihm die Haltung seines Hundes untersagt und er zur Abgabe des Hundes verpflichtet wurde, weiter.
Der Kläger ist Halter eines am 14. August 2017 geborenen Rottweilerrüden. Auf seinen Antrag erteilte die Beklagte mit Bescheid vom 6. Dezember 2017 ein bis 13. Februar 2019 befristetes „Negativzeugnis“, wonach festgestellt wird, dass der Hund keine gesteigerte Aggressivität und Gefährlichkeit gegenüber Menschen oder Tieren aufweist und demnach keine Erlaubnispflicht nach Art. 37 LStVG besteht. Nach Mitteilung eines Beißvorfalls vom 29. August 2018 verfügte die Beklagte mit bestandskräftigem Bescheid vom 31. August 2018 einen Leinen- und Maulkorbzwang.
Nachdem der Beklagten weitere (Beiß-)Vorfälle mitgeteilt worden waren, erfolgte am 19. November 2018 beim Kläger eine angemeldete Überprüfung der Hundehaltung, bei der neben dem Kläger und Vertretern der Beklagten auch der Amtstierarzt des Landratsamtes Neumarkt i.d.Opf. – Veterinäramt – zugegen war. Dieser gelangte zu dem Ergebnis, dass der Hund des Klägers ein ausgeprägtes Revier- und Dominanzsowie nicht abschließend kontrollierbares Impulsverhalten habe, das der Kläger „nicht immer bändigen“ könne. Da dieser zudem zu erkennen gegeben habe, dass er die Anordnungen zur Gefahrenabwehr nicht in letzter Konsequenz befolge, könnten erneute Zwischenfälle nicht sicher ausgeschlossen werden. Daraufhin untersagte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 26. November 2018 die Haltung des Rottweilers „Arni“ (Nr. 1), widerrief das Negativzeugnis vom 6. Dezember 2017 (Nr. 2), ordnete eine Abgabeverpflichtung an (Nr. 3), drohte für den Fall der Zuwiderhandlung der Abgabeverpflichtung unmittelbaren Zwang an (Nr. 4) und ordnete den Sofortvollzug der Nrn. 1 bis 4 des Bescheids an (Nr. 5).
Der Kläger erhob hiergegen Klage und stellte einen Antrag auf Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung dieser Klage. Das Verwaltungsgericht ordnete mit Beschluss vom 8. Januar 2019 die aufschiebende Wirkung der Klage hinsichtlich der Androhung unmittelbaren Zwangs an, lehnte den Eilantrag des Klägers aber im Übrigen ab. Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Klägers wies der Senat mit Beschluss vom 27. Februar 2019 (Az. 10 CS 19.180) zurück.
Im weiteren Verlauf des verwaltungsgerichtlichen Hauptsachverfahrens führte der Kläger mit Schriftsatz vom 30. September 2019 an das Verwaltungsgericht aus, dass sich die „Aufhebung des befristeten Negativzeugnisses erledigt“ habe, da die Befristung „eingetreten“ sei. Es werde insofern nunmehr beantragt, festzustellen, dass der Bescheid der Beklagten vom 26. November 2018 in Nr. 2 von der Zustellung bis zum Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses am 13. Februar 2019 rechtswidrig gewesen sei.
In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 15. Oktober 2019 hob die Beklagte die Zwangsmittelandrohung in Nr. 4 des Bescheids vom 26. November 2018 zu Protokoll des Gerichts auf. Der Rechtsstreit wurde von den Beteiligten daraufhin übereinstimmend insoweit für erledigt erklärt.
Mit Urteil vom 15. Oktober 2019 stellte das Verwaltungsgericht das Verfahren ein, soweit es übereinstimmend für erledigt erklärt worden war. Im Übrigen wies es die Klage ab. Die Fortsetzungsfeststellungklage hinsichtlich des Widerrufs des Negativattestes sei bereits unzulässig, weil der Kläger kein Fortsetzungsfeststellungsinteresse habe. Im Übrigen sei die Klage unbegründet, Haltungsuntersagung und Abgabeanordnung seien rechtmäßig. Dabei könne offenbleiben, ob von der Hundehaltung konkrete Gefahren für Leben und Gesundheit ausgingen. Jedenfalls sei die Beklagte nach Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 und 3 LStVG befugt gewesen, die ungenehmigte Haltung des nunmehr als Kampfhund einzustufenden „Arni“ als Ordnungswidrigkeit nach Art. 37 Abs. 4 LStVG zu unterbinden. Für den Hund liege seit dem sofort vollziehbaren Widerruf in Nr. 2 des Bescheids vom 26. November 2018 kein wirksames Negativattest mehr vor. Deshalb sei das Tier nach Art. 37 Abs. 1 LStVG, § 1 Abs. 2 KampfhundeVO als Kampfhund zu betrachten und seine Haltung nach Art. 37 Abs. 4 LStVG ordnungswidrig. Haltungsuntersagung und Abgabeanordnung seien auch verhältnismäßig. Der Kläger habe nach dem momentanen Sachstand keinen Anspruch auf Erteilung eines Negativattests für seinen Hund, weil ihm der ihm obliegende Nachweis fehlender gesteigerter Aggressivität und Gefährlichkeit mit den beiden vorgelegten Gutachten bislang nicht gelungen sei. Das Gutachten des Sachverständigen H. habe die Beklagte wegen der Besorgnis der Befangenheit zu Recht zurückgewiesen und unberücksichtigt gelassen. Das sodann vorgelegte Gutachten des Sachverständigen W. liefere nicht den erforderlichen Nachweis, dass der Hund des Klägers keine gesteigerte Aggressivität und Gefährlichkeit aufweise, weil es die (Beiß-)Vorfälle außer Acht lasse und somit an einem grundlegenden Mangel leide.
Hiergegen wandte sich der Kläger mit einem Antrag auf Zulassung der Berufung (10 ZB 19.2393). Es bestünden ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils. Das Verwaltungsgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Frage der Rechtmäßigkeit des Widerrufs des Negativattests nicht vorgreiflich für die Beurteilung der Haltungsuntersagung und der Abgabeanordnung gewesen sei. Richtig sei zwar, dass (auch) wenn der Widerruf rechtswidrig gewesen wäre, aufgrund der Befristung jetzt kein Negativzeugnis mehr vorliege. Zum Zeitpunkt der Entscheidung der Beklagten wäre dann jedoch keine Grundlage für die Abgabeanordnung und die Haltungsuntersagung gegeben gewesen, denn als Rechtsgrundlage hierfür sei vom Verwaltungsgericht Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 LStVG herangezogen worden. Dessen Tatbestand sei allerdings solange nicht erfüllt gewesen, wie das Negativattest bestanden habe. Das Verwaltungsgericht habe daher dem Kläger nicht das Fortsetzungsfeststellungsinteresse absprechen dürfen. Die Fortsetzungsfeststellungsklage sei auch begründet gewesen, weil ein Grund für den Widerruf des Negativattestes nicht bestanden habe. Ernstliche Zweifel an der Abweisung der Klage gegen die Haltungsuntersagung und die Abgabeverpflichtung bestünden, weil das Gericht nicht habe offenlassen dürfen, ob vom Hund des Klägers Gefahren im Sinne des Art. 7 Abs. 2 Nr. 3 LStVG ausgehen. Der Systematik des angegriffenen Bescheids lasse sich entnehmen, dass Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 LStVG nur Grundlage der Wegnahmeandrohung und Sofortvollzugsandrohung gewesen sei. Das Verwaltungsgericht gehe zu Unrecht davon aus, dass die Voraussetzungen des Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 LStVG vorlägen, da die Beklagte den Zustand einer nicht genehmigungsfreien Haltung erst durch den Widerruf des Negativzeugnisses selbst geschaffen habe. Ernsthafte Zweifel bestünden auch im Hinblick auf die Annahme des Erstgerichts, dass Haltungsuntersagung und Abgabeanordnung verhältnismäßig seien. Beide seien zum Zeitpunkt ihrer Anordnung nicht erforderlich gewesen, weil bis zu diesem Zeitpunkt noch ein Negativattest bestanden habe. Auch sei der Nachweis der Ungefährlichkeit durch die Gutachten der Sachverständigen H. und W. erbracht. Zudem liege nunmehr eine Präzisierung des Gutachtens des Sachverständigen W. vom 26. Oktober 2019 vor. Der Sachverständige komme auch nach Würdigung der sicherheitsrelevanten Vorfälle zu dem Ergebnis, dass der Hund des Klägers keine gesteigerte Aggressivität und Gefährlichkeit aufweise.
Die Beklagte ist dem Zulassungsantrag mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 19. Februar 2020 entgegengetreten. Das Negativattest habe mit Ablauf des 13. Februar 2019 jegliche Rechtswirkung verloren. Es sei auch nicht ersichtlich, worauf der Kläger ein besonderes Fortsetzungsfeststellungsinteresse stützen wolle. Rechtsgrundlage des Bescheids vom 26. November 2018 seien die Nrn. 1 und 3 des Art. 7 Abs. 2 LStVG (Hervorhebung im Original) gewesen. Jedenfalls sei die Fortsetzungsfeststellungsklage unbegründet. Es lägen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Widerrufsentscheidung rechtswidrig gewesen sei. Solche würden auch vom Kläger nicht behauptet. Die Voraussetzungen für die Haltungsuntersagung und die Abgabeverpflichtung seien spätestens mit Befristungsablauf gegeben gewesen. Die entsprechenden Anordnungen seien auch verhältnismäßig, der Nachweis einer fehlenden gesteigerten Aggressivität und Gefährlichkeit sei – auch unter Berücksichtigung der „Präzisierung“ vom 26. Oktober 2019 – noch immer nicht erbracht. Letztlich räume der Sachverständige W. darin selbst ein, dass er zu den Ursachen der aktenkundigen sicherheitsrelevanten Vorfälle keine abschließende Bewertung abgeben könne.
Mit Schriftsatz vom 21. Februar 2020 ließ der Kläger eine „Verhaltensbiologische Stellungnahme“ eines Zoologen (PD Dr. G.) vom 20. Februar 2020 vorlegen. Die Stellungnahme kommt zu dem Ergebnis, dass der Hund des Klägers keine gesteigerte Aggressivität oder Gefährlichkeit aufweise und dass es sich bei dem Beißvorfall mit dem Kind um einen Unfall gehandelt habe. Eine Wiederholungsgefahr bestehe bei Befolgen der Leinen- und Maulkorbpflicht nicht.
Mit Schriftsatz vom 21. Februar 2020 an das Verwaltungsgericht Regensburg beantragte der Kläger nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO, den Beschluss des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 8. Januar 2019 aufzuheben und die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 26. November 2018 anzuordnen. Es bestünden ernsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheids vom 26. November 2018. Der Kläger verwies insofern auf die bereits im Berufungszulassungsverfahren vorgelegte ergänzende Stellungnahme des Sachverständigen W. vom 26. Oktober 2019 und die „Verhaltensbiologische Stellungnahme“ des Sachverständigen G. vom 20. Februar 2020. Nachdem das Verwaltungsgericht Regensburg das Verfahren mit Beschluss vom 4. März 2020 an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof verwiesen hatte, lehnte der Senat den Antrag mit Beschluss vom 19. März 2020 ab (Az. 10 AS 20.477).
Mit Beschluss vom 5. März 2020 hat der Senat die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 15. Oktober 2019 wegen besonderer rechtlicher Schwierigkeiten zugelassen.
Der Kläger hat im Berufungsverfahren auf seinen Vortrag im Zulassungsverfahren Bezug genommen und beantragt sinngemäß,
unter Aufhebung des Urteils des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 15. Oktober 2019 festzustellen, dass der Widerruf des Negativzeugnisses in Nr. 2 des Bescheids der Beklagten vom 26. November 2018 rechtswidrig war, und Nr. 1 und Nr. 3 des Bescheids der Beklagten vom 26. November 2018 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zu verwerfen.
Die Berufung sei durch die alleinige Bezugnahme auf das Zulassungsvorbringen nicht ausreichend begründet worden
Den Beteiligten wurde mit Verfügungen vom 26. März 2020 und 30. April 2020 Gelegenheit gegeben, zur beabsichtigten Zurückweisung der Berufung durch einstimmigen Beschluss Stellung zu nehmen.
Ergänzend wird auf die beigezogene Behördenakte sowie auf die Gerichtsakten beider Instanzen (auch in den Verfahren 10 CS 19.180, 10 ZB 19.2393 und 10 AS 20.477) Bezug genommen.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof kann nach erfolgter Anhörung der Beteiligten (§ 130a Satz 2, § 125 Abs. 2 Satz 3 VwGO) über die Berufung des Klägers gemäß § 130a Satz 1 VwGO durch Beschluss entscheiden, weil er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.
1. Der Rechtsstreit ist ohne weitere Sachaufklärung auf Grundlage des Akteninhalts entscheidungsreif. Zwar hat der Kläger zuletzt mit Schriftsatz vom 6. Mai 2020 ausgeführt, er wolle in einer mündlichen Verhandlung noch einmal zu den Ausführungen des Gutachters W. vortragen. Er hat aber nicht dargelegt, was er hierzu vortragen möchte und dass dies nicht auch mit der Berufungsbegründung oder im Rahmen der Stellungnahmen zur Anhörung nach § 125 Abs. 2 Satz 3 VwGO möglich gewesen wäre. Unabhängig davon hat der Senat bereits wiederholt festgestellt, dass derartige Sachverständigengutachten und Wesenstests nur eine Momentaufnahme darstellen und nur besagen, dass ein Hund in der geprüften Situation zu diesem Zeitpunkt kein gesteigert aggressives Verhalten gezeigt hat; eine hinreichende Wahrscheinlichkeit dafür, dass es zu einem anderen Zeitpunkt oder in einer anderen Situation nicht doch zu aggressivem Verhalten des Hundes kommt, kann durch eine derartige Begutachtung regelmäßig nicht aufgezeigt werden. Das (künftige) Verhalten von Hunden ist generell nicht zuverlässig berechenbar (vgl. BayVGH, B.v. 20.1.2011 – 10 B 09.2966 – juris Rn. 18; B.v. 9.11.2010 – 10 BV 06.3053 – juris Rn. 24). Eine weitere Sachverhaltsaufklärung ist demnach nicht geboten. Mit dem Berufungsurteil sind daher nur noch Rechtsfragen zu klären, zu denen die Beteiligten ausreichend Stellung nehmen konnten.
Dies vorangestellt und weil bereits das Erstgericht aufgrund einer ordnungsgemäßen mündlichen Verhandlung entschieden hat, ist es ermessensgerecht, über die Berufung ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden. Auch Art. 6 Abs. 1 EMRK (allgemein hierzu etwa BVerwG, B.v. 14.6.2019 – 7 B 25/18 – juris Rn. 10) gebietet in der vorliegenden Konstellation nichts anderes.
2. Es kann dahinstehen, ob die Berufung – wie die Beklagte meint – bereits in Ermangelung einer ausreichenden Berufungsbegründung (§ 124a Abs. 6 Satz 1 i.V.m. Abs. 3 Satz 4 VwGO) zu verwerfen wäre, denn die Berufung hat jedenfalls in der Sache keinen Erfolg.
Gegenstand des Berufungsverfahrens ist der Bescheid vom 26. November 2018, soweit die Beklagte das Negativzeugnis vom 6. Dezember 2017 widerrufen (Nr. 1), die Hundehaltung untersagt (Nr. 2) und die Abgabe des Hundes angeordnet hat (Nr. 3). Soweit der Kläger mit seinem Berufungsantrag wörtlich beantragt, den Bescheid vom 26. November 2018 „auch in Gestalt des nachträglichen Änderungs-/Ergän-zungsbescheids vom 05.12.2019 aufzuheben“, weist der Senat zur Klarstellung darauf hin, dass der Bescheid vom 5. Dezember 2019 lediglich die von der Beklagten zuvor aufgehobene Zwangsmittelandrohung (ehemalige Nr. 4 des Bescheids vom 26. November 2018) ersetzt, die Grundverfügungen des Ausgangsbescheids (Nrn. 1 bis 3 des Bescheids vom 26. November 2019), die allein Gegenstand des Berufungsverfahrens sind, jedoch unberührt lässt. Der Änderungsbescheid vom 5. Dezember 2019 dagegen ist Streitgegenstand des noch in erster Instanz anhängigen Verfahrens RO 4 K 19.2550, nicht jedoch Gegenstand des Berufungsverfahrens.
Die Berufung ist jedenfalls unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 26. November 2018 ist, soweit er noch Gegenstand der Berufung ist, rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 und 4 VwGO).
a) Wie der Senat bereits im Beschluss vom 19. März 2020 im Verfahren 10 AS 20.477 ausgeführt hat, ist die Fortsetzungsfeststellungsklage, mit der der Kläger die Rechtswidrigkeit des Widerrufs des Negativattests mit Nr. 2 des Bescheids vom 26. November 2018 feststellen lassen möchte, – entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts – nicht ohne Weiteres wegen eines fehlenden Fortsetzungsfeststellunginteresses unzulässig.
Nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO spricht das Gericht für den Fall einer Erledigung des angegriffenen Verwaltungsakts auf Antrag durch Urteil aus, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger an dieser Feststellung ein berechtigtes Interesse hat. Rechtsschutz wird nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO (nur noch) dann gewährt, wenn der Betroffene daran ein berechtigtes rechtliches, ideelles oder wirtschaftliches Interesse hat; die gerichtliche Entscheidung muss geeignet sein, die Position des Klägers in einem der genannten Bereiche zu verbessern (stRspr, z.B. BVerwG, B.v. 24.10.2006 – 6 B 61.06 – juris Rn. 3). Das berechtigte Feststellungsinteresse geht damit in all diesen Fällen über das bloße Interesse an der Klärung der Rechtswidrigkeit der Verfügung hinaus. Ein besonderes Rechtsschutzinteresse wird insbesondere anerkannt, wenn das gerichtliche Verfahren dazu dienen kann, einer Wiederholungsgefahr zu begegnen, eine fortwirkende Beeinträchtigung durch den an sich beendeten Eingriff zu beseitigen oder wenn es sich um den Fall eines tiefgreifenden, nach seiner Eigenart jedoch kurzfristig erledigten Grundrechtseingriffs handelt (BayVGH, U.v. 12.12.2016 – 10 BV 13.1005 – juris Rn. 46 m.w.N.).
Dies zugrunde gelegt, durfte das Verwaltungsgericht jedenfalls mit der von ihm gegebenen Begründung nicht annehmen, dass vom Widerruf des Negativattests keine fortwirkende Beeinträchtigung des Klägers mehr ausgehe und der Kläger deshalb kein Fortsetzungsfeststellungsinteresse habe.
Bei einer erfolgreichen Fortsetzungsfeststellungklage ist kraft der gerichtlichen Entscheidung nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO nicht mehr der Regelungsgehalt des Verwaltungsaktes, sondern die Rechtslage, die ohne Geltung des gerichtlich als rechtswidrig festgestellten erledigten Verwaltungsaktes besteht, maßgeblich. Der Verwaltungsakt, dessen Rechtswidrigkeit auf diese Weise festgestellt wurde, kann auch nicht mehr in Bestandskraft erwachsen (BVerwG, U.v. 20.11.1997 – 5 C 1/96 – NVwZ 1998, 734; U.v. 31.1.2002 – 2 C 7/01 – NVwZ 2002, 853). An der Herbeiführung dieser Urteilswirkung hätte der Kläger jedenfalls dann ein berechtigtes Interesse, wenn man – wie das Verwaltungsgericht – die Haltungsuntersagung ohne Prüfung der Voraussetzungen des Art. 7 Abs. 2 Nr. 3 LStVG (konkrete Gefährlichkeit des Hundes) allein auf Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 LStVG (Unterbindung von rechtswidrigen Taten) stützen wollte und gleichzeitig – wie wohl das Verwaltungsgericht – insofern auf den Zeitpunkt der Behördenentscheidung als maßgeblichen Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage abstellen wollte. Jedenfalls unter der Prämisse des Verwaltungsgerichts, mit dem sofort vollziehbaren Widerruf des Negativzeugnisses am 26. November 2018 habe die Haltung des Hundes des Klägers eine Ordnungswidrigkeit im Sinne des Art. 37 Abs. 4 LStVG dargestellt, zu deren Unterbindung die Beklagte unabhängig von der konkreten Gefährlichkeit des Hundes befugt gewesen sei, kann dem Kläger das berechtigte Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit der Widerrufsentscheidung nicht abgesprochen werden. Denn gälte kraft gerichtlicher Entscheidung die Rechtslage ohne die Widerrufsentscheidung und wäre für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Haltungsuntersagung der Zeitpunkt der Behördenentscheidung am 26. November 2018 maßgeblich, könnte die Haltungsuntersagung gerade nicht auf die Widerrufsentscheidung gestützt werden. Der Kläger könnte mit seiner Fortsetzungsfeststellungsklage demnach eine von der Widerrufsentscheidung – auch nach Ablauf der Geltungsdauer des Negativzeugnisses – ausgehende fortwirkende Beeinträchtigung beseitigen. Etwas anderes gälte nur, wenn man hinsichtlich der maßgeblichen Sach- und Rechtslage für die Untersagungsverfügung auf den Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung abstellen wollte, weil die Hundehaltung in diesem Zeitpunkt aufgrund des Ablaufs der Geltungsdauer des auf den 13. Februar 2019 befristeten Negativzeugnisses unabhängig von der Widerrufsentscheidung eine Ordnungswidrigkeit dargestellt hätte. Dass das Verwaltungsgericht auf den in erster Instanz maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung am 15. Oktober 2019 abgestellt hätte, lässt sich der Urteilsbegründung aber gerade nicht entnehmen.
Letztlich können diese Fragen, derentwegen der Senat die Berufung zugelassen hat, aber dahinstehen. Die Fortsetzungsfeststellungklage des Klägers ist – ihre Zulässigkeit unterstellt – jedenfalls unbegründet, weil der Widerruf des Negativzeugnisses mit Nr. 2 des Bescheids vom 26. November 2018 rechtmäßig war und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt hat (§ 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO). Der Senat hält insofern an seiner im Beschluss vom 19. März 2020 im Verfahren 10 AS 20.477 ausführlich begründeten Auffassung fest, dass die Widerrufsentscheidung insbesondere aufgrund der aktenkundigen Beißvorfälle am 1. und 29. August 2018 und der amtstierärztlichen Stellungnahme vom 21. November 2018 rechtmäßig war, weil es am nach § 1 Abs. 2 KampfhundeVO erforderlichen Nachweis fehlte, dass der Hund des Klägers keine gesteigerte Aggressivität und Gefährlichkeit aufweise und die Beklagte daher auf Grund dieser nachträglich eingetretenen Tatsachen berechtigt gewesen wäre, das Negativzeugnis nicht zu erteilen, und dass ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet wäre (Art. 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BayVwVfG). Im maßgeblichen Zeitpunkt der Widerrufsentscheidung (vgl. etwa Abel in Bader/Ronellenfitsch, BeckOK VwVfG, Stand 1.1.2020, § 49 Rn. 49 m.w.N. zur ständigen Rechtsprechung) war aufgrund der Beißvorfälle und der amtstierärztlichen Stellungnahme vom 21. November 2018 die Regelvermutung des § 1 Abs. 2 KampfhundeVO nicht (mehr) widerlegt. Soweit der Kläger mit Schriftsatz vom 6. Mai 2020 auf seine entsprechenden Ausführungen in der Beschwerdebegründung im Verfahren 10 CS 19.180 verweist, setzt er lediglich seine eigene Würdigung des Sachverhaltes an die Stelle der Einschätzung des Amtstierarztes, ohne die Einschätzung des Amtstierarztes (und ihm folgend der Beklagten) durchgreifend in Zweifel zu ziehen. Der Kläger beruft sich dabei praktisch ausschließlich auf die Angaben des Hundetrainers H. gegenüber dem Amtstierarzt, während sich die Einschätzungen des Amtstierarztes und der Beklagten auf eine wesentliche breitere Grundlage – insbesondere auch auf die aktenkundigen Beißvorfälle und Beobachtungen zur Hundehaltung bei den Besuchen/Gesprächen am 19. und 28. November 2018 – stützen konnten. Der Kläger hat seitdem versucht, durch die Vorlage diverser – allerdings allesamt nach der Widerrufsentscheidung erstellter – Stellungnahmen und Gutachten den Nachweis fehlender gesteigerter Aggressivität und Gefährlichkeit erstmals zu erbringen. Die Rechtmäßigkeit der Widerrufsentscheidung wird damit nicht jedoch durchgreifend in Frage gestellt.
b) War der von der Beklagten für sofort vollziehbar erklärte Widerruf des Negativzeugnisses rechtmäßig, erweisen sich auch die im Bescheid vom 26. November 2018 weiter verfügte Haltungsuntersagung (Nr. 1) und die Abgabeverpflichtung (Nr. 3) als rechtmäßig.
Auch insoweit hält der Senat an seiner in den Beschlüssen vom 27. Februar 2019 (10 CS 19.180) und 19. März 2020 (10 AS 20.477) dargestellten Auffassung fest, dass die Beklagte diese Anordnungen tatbestandlich auf Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 LStVG stützen konnte, weil dadurch die Ordnungswidrigkeit der ungenehmigten Haltung eines Kampfhundes (Art. 37 Abs. 4 StVG) unterbunden wird (vgl. auch BayVGH, B.v. 19.3.2020 – 10 ZB 19.459 – juris Rn. 24; B.v. 30.1.2018 – 10 CS 17.2335 – juris Rn. 13) und dass dies unabhängig davon gilt, ob hinsichtlich der maßgeblichen Sach- und Rechtslage auf den Zeitpunkt der Entscheidung der Beklagten oder den Zeitpunkt der Entscheidung durch den Senat abzustellen wäre. Denn jedenfalls ergäbe sich die Ordnungswidrigkeit der Hundehaltung auch vor dem Ablauf der Geltungsdauer des Negativzeugnisses am 23. Februar 2019 aus dem zeitgleich mit der Haltungsuntersagung verfügten rechtmäßigen und sofort vollziehbaren Widerruf des Negativzeugnisses.
Die nunmehr vom Kläger vorgelegten Unterlagen können vor diesem Hintergrund allenfalls für die Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen bedeutsam sein. Allerdings kann der Senat auch unter Berücksichtigung der ergänzenden Stellungnahme des Sachverständigen W. vom 26. Oktober 2019 und der „Verhaltensbiologische(n) Stellungnahme“ des Sachverständigen G. vom 20. Februar 2020 nicht erkennen, dass die Beklagte verpflichtet wäre, alsbald ein neues Negativzeugnis zu erteilen und deshalb die Haltungsuntersagung unverhältnismäßig (geworden) wäre. Wie der Senat bereits im Beschluss vom 19. März 2020 (10 AS 20.477) dargelegt hat, haben beide gutachterlichen Stellungnahmen erkennbar einen unvollständigen bzw. unrichtigen Sachverhalt zu Grunde gelegt (vgl. BayVGH, B.v. 30.1.2018 – 10 CS 17.2335 – juris Rn. 13). Der Sachverständige W. hat in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 26. Oktober 2019 ausgeführt, er könne zum Vorfall am 1. August 2018 keine abschließende Bewertung abgeben, weil es an einer „fundierten Schilderung“ des Bissunfalls mangele. Der Gutachter legt dabei die Angabe des Klägers zu Grunde, einen Biss nicht gesehen zu haben und zieht aufgrund einer Versicherungsauskunft in Zweifel, dass es tatsächlich zu einem Biss gekommen ist. Beurteilen könne er daher lediglich das Hochspringen an einem Menschen. Auch die „Verhaltensbiologische Stellungnahme“ vom 20. Februar 2020 legt ihrer Beurteilung offensichtlich nur den Beißvorfall vom 29. August 2018, nicht aber den weiteren Beißvorfall vom 1. August 2018 zu Grunde. Dabei waren die beiden Beißvorfälle am 1. und 29. August 2018, die zum Erlass der streitgegenständlichen Anordnung geführt haben, zwischen den Beteiligten unstreitig (vgl. etwa die Ausführungen in der Klagebegründung vom 21. Mai 2019: „Der Beißvorfall mit dem Kind ereignete sich am 29. August 2018. (…) Richtig ist, dass (…) der Hund Arni einen Mann in den Arm gebissen hatte.“). Dass gutachterliche Stellungnahmen, die statt von zwei Beißvorfällen nur vom einem Beißvorfall ausgehen, im Hinblick auf die zu beurteilende Wiederholungsgefahr nicht hinreichend aussagekräftig oder belastbar sind, bedarf keiner weiteren Begründung. Soweit der Kläger im Berufungsverfahren hierzu vorträgt, die Beklagte selbst sei in ihren Stellungnahmen zu den neueren Gutachten nicht von einem unrichtigen oder unvollständigen Sachverhaltsgrundlage ausgegangen, erschließt sich dem Senat nicht, was dies an der nicht hinreichenden Aussagekraft oder Belastbarkeit der Gutachten ändern sollte. Angesichts des Umstandes, dass der Kläger nun bereits gegenüber zwei Gutachtern unvollständige Angaben zu wesentlichen Gesichtspunkten gemacht hat, erscheint es dem Senat vielmehr ernsthaft fraglich, ob Gutachten, die wesentlich auf Angaben des Klägers beruhen, überhaupt noch Berücksichtigung finden können.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit stützt sich auf § 167 VwGO, § 708 Nr. 10 ZPO.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 2 GKG.


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