Verwaltungsrecht

Sicherung von Überschwemmungsgebieten

Aktenzeichen  Au 9 K 15.601

Datum:
15.7.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 19906
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 42 Abs. 1, § 113 Abs. 1 S. 1
WHG § 32, § 76, § 78
BayWG Art. 46, Art. 47
BayVwVfG Art. 35 S. 2
GG Art. 14 Abs. 1, Art. 28 Abs. 1
BV Art. 103

 

Leitsatz

1. Die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung ist der gesetzlichen Einwirkung zugänglich, die sich indes am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit auszurichten hat.  (Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die durch die vorläufige Sicherung gem. § 76 WHG ausgelösten Rechtsfolgen sind als Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums im Sinne von Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG, Art. 103 BV hinzunehmen.  (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die vorläufige Sicherung von Überschwemmungsgebieten bedarf im Hinblick auf deren Ermittlung nach Maßgabe von Art. 46 Abs. 2 BayWG keiner gesonderten Begründung.  (Rn. 36) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

1. Die Klage ist zulässig, soweit die in den streitgegenständlichen Allgemeinverfügungen vorläufig gesicherten Überschwemmungsgebiete im Gemeindegebiet der Klägerin liegen.
a) Die vorliegend erhobene Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1 VwGO) ist statthaft.
Ob die vom Rechtschutzsuchenden gewählte Klageart nach den Vorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung statthaft und die Klage somit zulässig ist, richtet sich nach der von der Behörde gewählten Handlungsform. Denn es wäre mit der Rechtsschutzgarantie nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 Grundgesetz (GG) nicht vereinbar, wenn der Betroffene durch die Wahl der Rechtsform Verwaltungsakt zur Erhebung der Anfechtungsklage veranlasst wird, die dann in Ermangelung der für das Vorliegen eines Verwaltungsakts im Sinn von Art. 35 VwVfG erforderlichen Voraussetzungen ohne weitere Prüfung als unzulässig abgewiesen werden würde. Mit der getroffenen Wahl der Behörde für eine bestimmte Rechtsform eröffnet diese damit auch den hiermit verbundenen Rechtsschutz (BVerwG, U.v. 26.6.1987 – 8 C 21.86 – juris Rn. 10; BayVGH, B.v. 15.11.2002 – 3 CS 02.2258 – juris Rn. 9).
Aufgrund der Tatsache, dass der Beklagte selbst für die von ihm vorgenommenen vorläufigen Sicherungen der streitgegenständlichen Überschwemmungsgebiete die Rechtsform einer Allgemeinverfügung im Sinn von Art. 35 Satz 2 BayVwVfG gewählt hat und in den den streitgegenständlichen Allgemeinverfügungen beigefügten Rechtsbehelfsbelehrung:en auf die Möglichkeit einer Anfechtungsklage verweist, wurde der Rechtsschutz aus § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO eröffnet und die vom Beklagten getroffene Maßnahmen dem Regime der Verwaltungsgerichtsordnung unterworfen. Die von der Klägerin ergriffene Anfechtungsklage ist daher statthaft. Es bedarf insoweit keiner Entscheidung über die streitigen Rechtsfragen zur Rechtsnatur der vorläufigen Sicherung eines Überschwemmungsgebietes gemäß § 76 Abs. 3 WHG (vgl. zum Streitstand Rossi in Sieder/Zeitler/Dahme/Knopp – SZDK – § 76 WHG, Rn. 33 ff.; VG Augsburg, U.v. 19. Februar 2013 – Au 3 K 12.1265 – juris Rn. 30 ff., Rn. 43 ff.; Hünnekens in Landmann/Rohmer, UmweltR, Stand: Februar 2019, § 76 WHG, Rn. 35; Breuer, NuR 2006, 614 ff.).
Soweit in Nr. 2 der streitgegenständlichen Allgemeinverfügungen vom 19. März 2015 geregelt ist, dass die vorläufige Sicherung erst nach Aufhebung des jeweils geltenden Vorranggebiets … bzw. … im Regionalplan für die Region … in Kraft tritt, steht dies der Statthaftigkeit der Anfechtungsklage nicht entgegen. Mit Bekanntgabe sind die vom Beklagten erlassenen Verwaltungsakte wirksam und können gerichtlich angegriffen werden. Dies gilt umso mehr, als es sich bei den angegriffenen Maßnahmen um Dauerverwaltungsakte mit einer Geltungsdauer von fünf Jahren ab Bekanntgabe handelt (Nr. 3 bzw. Nr. 4 der Allgemeinverfügungen). Damit ist unerheblich, ob die in Nr. 1 der Allgemeinverfügungen getroffenen Rechtsfolgen – vorläufige Sicherung des Überschwemmungsgebiets an den im Einzelnen aufgeführten Gebieten – erst zu einem späteren Zeitpunkt eintreten.
b) Die Klägerin ist nur klagebefugt, soweit sich die in den streitgegenständlichen Allgemeinverfügungen vorläufigen Überschwemmungsgebiete im Gemeindegebiet der Klägerin befinden.
Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 2 VwGO nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein. Eine Anfechtungsklage ist nur dann nach § 42 Abs. 2 VwGO unzulässig, wenn offensichtlich und eindeutig nach keiner Betrachtungsweise die vom Kläger behaupteten Rechte bestehen oder ihm zustehen können (vgl. BVerwG, U.v. 20.3.1964 – VII C 10.61 – BVerwGE 18, 154; BayVGH, U.v. 9.8.2012 – 8 A 10.40048 – juris Rn. 21). Die insoweit an den klägerischen Sachvortrag zu stellenden Anforderungen dürfen – mit Blick auf die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG – dabei nicht überspannt werden (stRspr, z.B. BVerwG, U.v. 28.6.2000 – 11 C 13.99 – BVerwGE 111, 276 = juris Rn. 41).
Die Klagebefugnis der Klägerin für die auf ihrem Gemeindegebiet liegenden Überschwemmungsgebiete ergibt sich aus der möglichen Beeinträchtigung der nach Art. 28 Abs. 2 GG, Art. 11 Abs. 2 Bayerische Verfassung (BV) verfassungsrechtlich gewährleisteten kommunalen Selbstverwaltungsgarantie, die auch die Planungshoheit einschließt (BVerfG, B.v. 7.10.1980 – 2 BvR 584/76 u.a. – BVerfGE 56, 310; BVerwG, U.v. 15.4.1999 – 4 VR 18.98, 4 A 45.98 – juris Rn. 8). Zwar dienen die Vorschriften über den Hochwasserschutz grundsätzlich dem öffentlichen Interesse und verfolgen nicht das Ziel, darüberhinausgehende Individualinteressen als solche normativ zu schützen. Ihr Ziel ist in erster Linie der vorsorgenden Risikovermeidung, weshalb es bereits an einem bestimmbaren Personenkreis mangelt, dessen Interessen durch die Bestimmungen geschützt sein sollen (Hünnekens in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Feb. 2019, Vor §§ 72 – 81 WHG, Rn. 36). Es erscheint aber im Hinblick auf die zumindest mittelbare Geltung des § 78 Abs. 6 i.V.m. § 78 Abs. 1 bis 5 WHG nicht ausgeschlossen, dass das dort ausgesprochene bundesgesetzliche Verbot der Ausweisung neuer Baugebiete (§ 78 Abs. 6 WHG i.V.m. § 78 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WHG) die Planungshoheit der Klägerin zumindest einschränken kann, auch wenn die nach § 76 Abs. 3 WHG vorgenommene vorläufige Sicherung des Überschwemmungsgebiets zunächst der Information der potenziell betroffenen Bevölkerung über das Vorliegen eines Überschwemmungsgebiets und der daraus resultierenden Rechtslage dient (VG Augsburg, U.v. 19.2.2013 – Au 3 K 12.1265 – juris Rn. 43; Rossi in SZDK, a.a.O., § 76 WHG Rn. 39 f.). Eine Verletzung der gemeindlichen Planungshoheit der Klägerin als Kernbereich der in Art. 28 Abs. 2 GG, Art. 11 Abs. 2 BV garantierten gemeindlichen Selbstverwaltung erscheint daher zumindest nicht eindeutig und offensichtlich ausgeschlossen.
Etwas anderes gilt jedoch für die vorläufig festgesetzten Überschwemmungsgebiete, soweit diese sich auf gemeindefremden Gebiet befinden, da sich die Klägerin außerhalb ihres Gemeindegebiets nicht auf eigene subjektive Rechte berufen kann. Sie kann sich auch nicht zum Sachwalter der Angelegenheiten anderer Gebietskörperschaften machen; die Vorschriften über den Hochwasserschutz dienen erkennbar dem Allgemeinwohl und sehen weder ausdrücklich noch ihrem Sinn nach die Berücksichtigung von Interessen oder Rechten dritter Betroffener vor und bestimmen auch nicht hinreichend klar einen überschaubaren Kreis von Nachbarn (BVerwG, B.v. 17.8.1972 – IV B 162.71 – ZfW 1973,114 zu § 32 WHG a.F.), so dass sich die Klägerin insoweit nicht auf eigene subjektiv-öffentliche Rechte berufen kann.
2. Die Klage ist – soweit sie zulässig ist – jedoch unbegründet. Die streitgegenständlichen Allgemeinverfügungen verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
a) Die Klägerin hat nicht dargelegt, dass die getroffene vorläufige Sicherung zu einer Verletzung von Art. 28 Abs. 2 GG, 11 Abs. 2 BV geführt hat. Ihr Vorbringen ergibt – unter Berücksichtigung der Ausführungen in der mündlichen Verhandlung – nicht, dass durch die Einbeziehung eines Teils des Gemeindegebietes in die vorläufige Sicherung des Überschwemmungsgebiets eine Verletzung bzw. Beeinträchtigung der Planungshoheit tatsächlich gegeben ist.
Die kommunale Planungshoheit umfasst das einer Gemeinde als Selbstverwaltungskörperschaft zustehende Recht auf Planung und Bodennutzung in ihrem Gebiet; wobei das Selbstverwaltungsrecht gemäß Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG nur im Rahmen der Gesetze gewährleistet wird. Die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung gilt also nicht absolut, sondern ist der gesetzlichen Einwirkung zugänglich (vgl. BVerfG, B.v. 24.6.1969 – 2 BvR 446/64 – BVerfGE 26, 228; BVerwG, U.v. 22.7.2004 – 7 CN 1.04 – NVwZ 2004, 1507). Aufgrund des allgemeinen Gesetzesvorbehalts in Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG können Eingriffe in dieses Recht im Einzelfall demnach gerechtfertigt sein. Das Bundesverfassungsgericht hat wiederholt festgestellt, dass Beschränkungen der kommunalen Selbstverwaltung jedenfalls insoweit mit Art. 28 Abs. 2 GG vereinbar sind, als sie dessen Kernbereich unangetastet lassen (vgl. BVerfG, Entscheidung vom 21.05.1968 – 2 BvL 2/61 – BVerGE 23, 353 [365] m.w.N.). Der Gesetzgeber muss allerdings den aus Art. 28 Abs. 2 GG folgenden Beschränkungen für staatliche Eingriffe unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit Rechnung tragen. Von einer Beeinträchtigung der kommunalen Planungshoheit kann nach höchstrichterlicher Rechtsprechung (entsprechend der Kriterien für die Berücksichtigung der kommunalen Planungshoheit im Rahmen fachplanerischer Entscheidungen und Regelungen) nur dann ausgegangen werden, wenn für den maßgeblichen Gemeindebereich eine hinreichend konkrete Planung nachhaltig gestört wird, wenn wesentliche Teile des Gemeindegebiets einer durchsetzbaren Planung entzogen werden, oder wenn kommunale Einrichtungen erheblich beeinträchtigt werden (vgl. BVerwG, B.v. 15.4.1999 – 4 VR 18.98, 4 A 45.98 – NVwZ-RR 1999, 554; U.v. 16.12.1988 – 4 C 40.86 – BVerwGE 81, 95.106; vgl. auch BayVGH, U.v. 9.8.2012 m.w.N. – 8 A 10.40048 – KommunalPraxis BY 2012, 395, VG Augsburg, U.v. 19.2.2013 – Au 3 K 12.1265 – juris Rn. 47).
Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall nicht erfüllt. Eine konkrete Betroffenheit, die über die bloße situationsbedingte Lage hinausginge, wurde nicht dargelegt. Die Klägerin hat sich zur Begründung einer möglichen Rechtsverletzung lediglich allgemein darauf berufen, dass sie durch die streitgegenständlichen vorläufigen Sicherungen der Überschwemmungsgebiete an den im einzelnen aufgeführten Flüssen und Bächen in ihrem durch Art. 28 Abs. 2 GG gewährleisteten Selbstverwaltungsrecht verletzt wird. Konkrete Maßnahmen oder Planungen, die infolge der vorläufigen Sicherung nicht zu verwirklichen gewesen wären, wurden nicht genannt. Auf Nachfrage in der mündlichen Verhandlung gab die Klägerin an, ein im Jahr 2017 – nach Bekanntmachung der vorläufigen Sicherung – erworbenes Grundstück liege zu einem Drittel im Überschwemmungsgebiet, so dass die gemeindliche Planung für dieses Grundstück eingeschränkt sei. Ein Antrag auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung sei nicht gestellt worden. Dieses Vorbringen ist nicht geeignet, eine Rechtsverletzung der Klägerin zu begründen, denn aus der angeführten Einzelmaßnahme folgt keine nachhaltige Störung der gemeindlichen Planung. Unmittelbare Auswirkungen gewichtiger Art (vgl. BVerwG, U.v. 11.04.1986 – 4 C 51.83 – BVerwGE 74, 124) sind insofern weder dargelegt noch ersichtlich. Nichts anderes gilt im Hinblick auf die behauptete Verletzung eigener Rechte allein aus der Eigenschaft als Grundstückseigentümerin. Denn die durch die vorläufige Sicherung ausgelösten Rechtsfolgen sind als Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums im Sinn von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG, Art. 103 BV hinzunehmen (Drost in Das neue Wasserrecht, Stand Juli 2018, Art. 47 Rn. 7 m.w.N.; BVerwG, U.v. 22.7.2004 – 7 CN 1.04 – NVwZ 2004, 1507).
Da die Klägerin somit durch die streitgegenständlichen Allgemeinverfügungen nicht in ihren subjektiven Rechten aus Art. 28 Abs. 2 GG, 11 Abs. 2 BV bzw. Art. 103 BV verletzt wird, hat die Klage schon aus diesem Grund keinen Erfolg.
b) Nur ergänzend – ohne dass es darauf noch entscheidungserheblich ankäme – ist darauf hinzuweisen, dass die angegriffenen Allgemeinverfügungen auch rechtmäßig sind. Insbesondere ist der Vortrag der Klägerin, das vom Beklagten durchgeführte Verfahren zur Festsetzung sei fehlerhaft durchgeführt worden, nicht geeignet, die Rechtswidrigkeit der Maßnahme zu begründen. Der Beklagte hat die für die Bekanntmachung vorläufig gesicherter Überschwemmungsgebiete gesetzlich vorgesehenen Verfahrensvorschriften beachtet.
aa) Das Verfahren zur vorläufigen Sicherung von Überschwemmungsgebieten ist in § 76 WHG i.V.m. Art. 46, 47 BayWG geregelt. Nach § 76 Abs. 2 WHG setzt die Landesregierung durch Rechtsverordnung innerhalb der Risikogebiete oder der nach § 73 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 WHG zugeordneten Gebiete mindestens die Gebiete als Überschwemmungsgebiet fest, in denen ein Hochwasserereignis statistisch einmal in 100 Jahren zu erwarten ist. Noch nicht nach Absatz 2 festgesetzte Überschwemmungsgebiete sind zu ermitteln, in Kartenform darzustellen und vorläufig zu sichern (§ 76 Abs. 3 WHG). Das hierbei zu beachtende Verfahren richtet sich nach dem jeweiligen Landesrecht, vorliegend Art. 46 und 47 BayWG.
In Art. 46 Abs. 1 Satz 1 BayWG ist bestimmt, dass Überschwemmungsgebiete von den wasserwirtschaftlichen Fachbehörden zu ermitteln und fortzuschreiben, auf Karten darzustellen und in den jeweiligen Gebieten von den Kreisverwaltungsbehörden ortsüblich bekannt zu machen sind. Die Bekanntmachung ist innerhalb von drei Monaten nach Übermittlung der vollständigen Karten zu bewirken (Art. 47 Abs. 3 Satz 1 BayWG). Für den Erlass der Bekanntmachung ist kein besonderes Verfahren, insbesondere keine Verpflichtung zur Beteiligung Dritter, vorgeschrieben. Dies ist auch nicht erforderlich, weil es sich bei der Ermittlung um eine reine Tatsachenübermittlung handelt und sich durch die Beteiligung Dritter keine Änderungen ergeben können (Drost in Drost, Das Neue Wasserrecht in Bayern Band II, Stand: Juli 2018, Art. 47 BayWG Rn. 20). Die Durchführung eines (förmlichen) Anhörungsverfahrens – wie von der Klägerin gefordert – war daher nicht erforderlich. Angesichts der Auswirkungen und gesetzlichen Folgen einer vorläufigen Sicherung – nach § 78 Abs. 6 WHG gelten die Beschränkungen nach § 78 Abs. 1 bis 5 WHG auch für vorläufig gesicherte Gebiete, empfiehlt sich zwar vorab eine Information der Betroffenen durch Informationsveranstaltungen, eine Verpflichtung hierzu besteht jedoch nicht. Im Laufe des Sicherungsverfahrens wurden ausweislich der vorgelegten Behördenakten dennoch zahlreiche Informationsveranstaltungen durchgeführt. Bereits im Juli 2008 wurden im Rahmen einer Bürgermeisterdienstbesprechung die Vorgehensweise zur Ermittlung der Überschwemmungsgebiete fachlich erläutert und die rechtlichen Auswirkungen dargestellt; weitere Besprechungen mit den betroffenen Kommunen folgten. Am 25. September 2014 fand im Landratsamt eine Informationsveranstaltung zur vorläufigen Sicherung der Überschwemmungsgebiete entlang der … und der …zuflüsse statt.
Eine gesonderte Begründung der vorläufigen Sicherung ist nicht erforderlich. Das Gebiet der vorläufigen Sicherung wird von den Wasserwirtschaftsbehörden nach den Maßgaben des Art. 46 Abs. 2 BayWG ermittelt, auf Karten dargestellt und von der Kreisverwaltungsbehörde öffentlich bekannt gemacht. Abweichungen von der nach naturwissenschaftlichen Methoden ermittelten Überschwemmungsgebieten kann die Kreisverwaltungsbehörde in Hochwasserrisikogebieten, wie im vorliegenden Fall, nicht vornehmen. Daher ist auch eine Auseinandersetzung mit der individuellen Situation einzelner betroffener Gemeinden nicht erforderlich bzw. auch nicht möglich.
Das Vorbringen, die streitgegenständliche Allgemeinverfügung sei unbestimmt und daher rechtswidrig, ist nicht zutreffend. Die wasserwirtschaftlichen Fachbehörden (das Bayerische Landesamt für Umwelt und das zuständige Wasserwirtschaftsamt) haben die Überschwemmungsgebiete parzellenscharf ermittelt und auf den entsprechenden Karten dargestellt, so dass für jedes Flurstück erkennbar ist, ob und wie weit es in das vorläufig gesicherte Überschwemmungsgebiet fällt. Schon aus praktischen und darstellerischen Gründen muss die Bekanntmachung nicht das Kartenwerk selbst umfassen, sondern es ist ausreichend, wenn sie lediglich Ort und Zeit der Möglichkeit zur Einsichtnahme und die notwendigen Hinweise auf geltende gesetzliche Bestimmungen enthält (Drost, Das neue Wasserrecht in Bayern, Art. 47 Rn. 22). Diese Anforderungen wurden vorliegend eingehalten.
bb) Die streitgegenständlichen Verfügungen sind auch inhaltlich nicht zu beanstanden.
Ausgehend von den gesetzlichen Bestimmungen in § 76 Abs. 3 WHG, Art. 46 Abs. 1 BayWG, Art. 47 Abs. 2 BayWG handelt es sich bei der Bekanntmachung des vorläufig gesicherten Überschwemmungsgebiets um einen Publizitätsakt des Inhalts, dass bei einem Bemessungshochwasser gemäß § 76 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 WHG, Art. 46 Abs. 2 BayWG mit der Überschwemmung des in der Bekanntmachung bezeichneten und kartierten Bereichs zu rechnen ist. Die Kreisverwaltungsbehörde hat die ihm von den wasserwirtschaftlichen Fachbehörden – nach Art. 63 Abs. 3 Satz 1 BayWG das Bayerische Landesamt für Umwelt und die Wasserwirtschaftsämter – ermittelten und dargestellten Überschwemmungsgebiete bekannt zu machen und die Öffentlichkeit gemäß § 76 Abs. 4 Satz 1 WHG über die vorgesehene Festsetzung von Überschwemmungsgebieten zu informieren und ihr Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Weiter ist nach § 76 Abs. 4 Satz 2 WHG über die in festgesetzten und vorläufig gesicherten Gebieten geltenden Schutzbestimmungen (§ 78 WHG) sowie über die Maßnahmen zur Vermeidung von nachteiligen Hochwasserfolgen zu informieren. Nach der gesetzlichen Konzeption kommt der Kreisverwaltungsbehörde bei der vorläufigen Sicherung von Überschwemmungsgebieten kein gerichtlich überprüfbarer Ermessensspielraum zu. Die Festlegung eines Risikogebiets für eine Überschwemmung und die nachfolgende vorläufige Sicherung stellt einen verwaltungsinternen Akt reiner Wissensvermittlung dar.
Angesichts der mittelbaren Rechtswirkungen durch die nach § 78 Abs. 6 i.V.m. § 78 Abs. 1 bis 5 WHG gelten Untersagungstatbestände wird aus Gründen der Rechtsschutzgarantie nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG eine Überprüfungsmöglichkeit des von den wasserwirtschaftlichen Fachbehörden ermittelten Überschwemmungsgebiets anzuerkennen sein. Allerdings ist hierbei der der Exekutive zukommende Beurteilungsspielraum bei der Festlegung und Ermittlung des Hochwasserrisikogebiets einschränkend zu berücksichtigen, zumal es sich um eine der Bekanntmachung vorläufiger Überschwemmungsgebiete vorgelagerte fachbehördliche Ermittlung handelt. Die Ermittlung der Überschwemmungsgebiete beruht auf einer Prognoseentscheidung der wasserwirtschaftlichen Fachbehörden, die sich unabhängig vom Einzelfall und seit langer Zeit mit den wasserwirtschaftlichen Verhältnissen beschäftigen. Ihren amtlichen Auskünften und Gutachten kommt entsprechend ihrer herausgehobenen Stellung gemäß Art. 63 Abs. 3 Satz 1 und Satz 2 BayWG grundsätzlich ein erhebliches Gewicht für die Überzeugungsbildung auch der Gerichte zu (BayVGH, U.v. 14.12.2016 – 15 N 15.1201 – juris Rn. 52). An die Darlegungslast, dass die Ermittlung unrichtig sei, sind daher erhöhte Anforderungen zu stellen. Der Exekutive kommt nach allgemeinen verwaltungsrechtlichen Maßstäben ein eigener, verwaltungsgerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer administrativer Beurteilungsspielraum zu (vgl. zu § 73 WHG Czychowski/Reinhardt, WHG, 11. Aufl. 2014, § 73 WHG Rn. 14; Dammert in Berendes/Frenz/Müggenborg, WHG, 2. Auflage 2017, § 73 WHG Rn. 15, 17; Drost in Drost, Das Neue Wasserrecht in Bayern Band II, Stand: Juli 2018, Art. 47 BayWG Rn. 7). Maßgeblich ist, ob die fachbehördliche Ermittlung des Überschwemmungsgebiets nachvollziehbar und plausibel ist (BayVGH, U.v. 12.4.2018 – 8 N 16.1660 – juris Rn. 54). Unter Berücksichtigung dieses Prüfungsrahmens ist die Ermittlung der Überschwemmungsgebiete durch die hier zuständigen wasserwirtschaftlichen Fachbehörden nicht zu beanstanden. Das Wasserwirtschaftsamt hat die Überschwemmungsgebiete für ein 100-jährliches Hochwasser anhand eines hydraulischen Berechnungsmodells ermittelt, in das drei Hochwasserereignisse aus den Jahren 1999, 2002 und 2005 und statistischen Analysen langjähriger Abflussreihen einflossen. Die vom Beklagten vorgenommenen Berechnungen entsprechen der bayernweit angewandten Vorgehensweise bei der Ermittlung von Überschwemmungsgebieten (vergleiche im Einzelnen zum Verfahren auch Drost, Das Neue Wasserrecht in Bayern, Band I b, a.a.O., § 76 WHG Rn. 22 ff.; Drost, Das neue Wasserrecht in Bayern, Band II, Stand: Juli 2018, Art. 46 BayWG Rn. 18 ff.).
Der Vortrag der Klägerin ist demgegenüber nicht geeignet, die wissenschaftlich fundierte Ermittlung der Überschwemmungsgebiete durch die Fachbehörden zu erschüttern. Im Hinblick darauf, dass es sich vorliegend lediglich um eine vorläufige Sicherung eines Überschwemmungsgebiets handelt, für welche weder bundes- noch landesgesetzlich ein bestimmtes Verfahren vorgeschrieben ist und für das Art. 46 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 BayWG sogar Schätzungen zulässt, kann der von den wasserwirtschaftlichen Fachbehörden vorgenommene Umgriff eines von vielen Variablen abhängigen Überschwemmungsgebiets nicht beanstandet werden (vgl. BVerwG, U.v. 11.8.2016 – 7 A 1.15 – DVBl 2016, 1465 ff.; NdsOVG, B.v. 16.7.2012 – 13 LA 82/11 – juris Rn. 12; U.v. 22.4.2016 – 7 KS 35/12 – juris Rn. 317 ff.). Abschließend ist darauf hinzuweisen, dass in dem an das Verfahren zur vorläufigen Sicherung anschließenden endgültigen Festsetzungsverfahren nach § 76 Abs. 2 WHG gegebenenfalls im Einzelfall parzellenscharf nachgesteuert werden kann.
3. Nach allem war die Klage daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Als im Verfahren unterlegen hat die Klägerin die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).


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