Verwaltungsrecht

Sondernutzungsgebühr für das Abstellen eines mit Werbeaufschrift versehenen Kühlanhängers

Aktenzeichen  8 ZB 19.78

Datum:
12.3.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 9099
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayStrWG Art. 14, Art. 18

 

Leitsatz

1. Das Abstellen eines Kühlanhängers mit Werbeaufschrift im öffentlichen Straßenraum stellt eine über den Gemeingebrauch hinausgehende Sondernutzung iSd Art. 18 Abs. 1 S. 1 BayStrWG dar, für die nach Art. 18 Abs. 2a S. 1 und 4 BayStrWG iVm einer Sondernutzungsgebührensatzung  Sondernutzungsgebühren erhoben werden können. (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)
2. Werbung im öffentlichen Straßenraum ist nicht generell verboten, sondern es ist eine Frage des Einzelfalls, ob die konkrete Form der Werbung eine gemeingebräuchliche Nutzung iSv Art. 14 Abs. 1 S. 1 BayStrWG darstellt oder aber eine erlaubnispflichtige Sondernutzung nach Art. 18 Abs. 1 S. 1 BayStrWG. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die allgemeine Handlungsfreiheit des Art. 2 Abs. 1 GG gebietet nicht die erlaubnisfreie gewerbliche Nutzung von öffentlichem Straßenland. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

AN 10 K 18.111 2018-10-26 VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Antragsverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Antragsverfahren wird auf 250,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Kläger wendet sich gegen die Festsetzung einer Sondernutzungsgebühr für das Abstellen eines mit Werbeaufschrift versehenen Kühlanhängers in einer Parkbucht.
Der Kläger betreibt unter der Geschäftsbezeichnung „G* … P* …“ ein regionales Cateringunternehmen. Sein Cateringservice bietet neben der Bewirtung und Belieferung seiner Kunden mit Speisen und Getränken an einem beliebigen Ort ein Cateringevent mit Grillerlebnis. Dafür hat der Kläger spezielle Grillanhänger als mobile Grillstation konstruieren lassen. Für die benötigten Lebensmittel und Getränke sind besondere Transport- und Kühlanhänger im Einsatz.
Der Kläger ist Halter und Eigentümer eines dieser geschlossenen Kühlanhänger mit amtlichen Kennzeichen … … Der Anhänger weist an allen vier Außenseiten mit farbigen Aufdrucken großflächig auf das klägerische Unternehmen hin.
Mit Bescheid vom 7. September 2017 setzte die Beklagte für die Ausübung einer unerlaubten Sondernutzung durch Abstellen eines Werbeanhängers entlang der R* … Straße in der Parkbucht gegenüber der D* … Straße im Zeitraum vom 31. August 2017 bis 4. September 2017 eine Sondernutzungsgebühr in Höhe von 250,00 EUR sowie eine Verwaltungsgebühr in Höhe von 25,00 EUR fest.
Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Regierung von Mittelfranken mit Widerspruchsbescheid vom 18. Dezember 2017 zurück. Die daraufhin erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass der Kläger zu Recht zu Sondernutzungsgebühren herangezogen worden sei. Beim Abstellen des Kühlanhängers handele es sich um eine Sondernutzung, die nach der Sondernutzungsgebührensatzung der Beklagten gebührenpflichtig sei. Die vorliegende Nutzung des Anhängers als (bewegliche) Werbefläche im öffentlichen Straßenraum überwiege den Gemeingebrauch an der öffentlichen Straße.
Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt der Kläger sein Rechtsschutzbegehren weiter.
II.
Der Zulassungsantrag hat keinen Erfolg. Die von dem Kläger geltend gemachten Zulassungsgründe sind nicht hinreichend dargelegt oder liegen nicht vor (§ 124 Abs. 2 Nrn 1 und 4 VwGO, § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO).
1. Aus dem Vorbringen des Klägers ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils im Sinn des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestehen nur, wenn einzelne tragende Rechtssätze oder einzelne erhebliche Tatsachenfeststellungen des Verwaltungsgerichts durch schlüssige Gegenargumente infrage gestellt werden (BVerfG, B.v. 9.6.2016 – 1 BvR 2453/12 – NVwZ 2016, 1243 = juris Rn. 16; B.v. 16.7.2013 – 1 BvR 3057/11 – BVerfGE 134, 106 = juris Rn. 36). Schlüssige Gegenargumente liegen vor, wenn der Antragsteller substanziiert rechtliche oder tatsächliche Umstände aufzeigt, aus denen sich die gesicherte Möglichkeit ergibt, dass die erstinstanzliche Entscheidung unrichtig ist (BVerfG, B.v. 20.12.2010 – 1 BvR 2011/10 – NVwZ 2011, 546 = juris Rn. 19). Sie sind nicht erst dann gegeben, wenn bei der im Zulassungsverfahren allein möglichen summarischen Überprüfung der Erfolg des Rechtsmittels wahrscheinlicher ist als der Misserfolg (BVerfG, B.v. 16.1.2017 – 2 BvR 2615/14 – IÖD 2017, 52 = juris Rn. 19).
Nach diesem Maßstab zeigt der Zulassungsantrag keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils auf.
Das Verwaltungsgericht kommt in der angefochtenen Entscheidung zutreffend zu dem Ergebnis, dass der Bescheid, durch den dem Kläger Sondernutzungsgebühren auferlegt wurden, rechtmäßig ist. Der streitgegenständliche Kühlanhänger mit Werbeaufschrift stellt eine über den Gemeingebrauch hinausgehende Sondernutzung im Sinn des Art. 18 Abs. 1 Satz 1 BayStrWG dar, für die nach Art. 18 Abs. 2a Satz 1 und 4 BayStrWG i.V.m. der Sondernutzungsgebührensatzung der Beklagten Sondernutzungsgebühren erhoben werden können.
1.1 Mit seinem Vorbringen, das Verwaltungsgericht habe bei dem konkreten Kühlanhänger zu Unrecht eine gebührenpflichtige Sondernutzung bejaht, rügt der Kläger in der Sache Fehler bei der Sachverhalts- und Beweiswürdigung des Ausgangsgerichts. Solche Fehler sind im Hinblick auf § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO im Berufungszulassungsverfahren nur einer eingeschränkten Prüfung zugänglich (BayVGH, B.v. 19.10.2018 – 8 ZB 18.1235 – BayVBl 2019, 237 = juris Rn. 25 f.; Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 124 Rn. 19). Danach entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Das Gericht ist im Grundsatz nicht an bestimmte Beweisregeln gebunden. Es würdigt den Prozessstoff auf seinen Aussage- und Beweiswert für die Feststellung der entscheidungserheblichen Tatsachen nur nach der ihm innewohnenden Überzeugungskraft. Trotz des besonderen Charakters der Beweiswürdigung, der dem Gericht einen Wertungsrahmen eröffnet, ist das Gericht allerdings nicht gänzlich frei. Für einen darauf gestützten Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO genügt nicht allein der Vortrag, die Tatsachen seien anders als vom Verwaltungsgericht angenommen oder der Sachverhalt bzw. das Ergebnis einer Beweisaufnahme sei anders zu bewerten (VGH BW, B.v. 11.2.2019 – 12 S 2789/18 – juris Rn. 19; OVG NW, B.v. 21.6.2012 – 18 A 1459/11 – juris Rn. 9; Happ in Eyermann, VwGO, § 124a Rn. 67). Vielmehr müssen gute Gründe aufgezeigt werden, dass die tatsächlichen Feststellungen augenscheinlich nicht zutreffen oder beispielsweise wegen gedanklicher Lücken oder Ungereimtheiten ernstlich zweifelhaft sind. Die bloße Möglichkeit einer anderen Bewertung des Sachverhalts genügt dafür nicht (BVerwG, B.v. 26.9.2016 – 5 B 3.16 D – juris Rn. 17; BayVGH, B.v. 21.1.2013 – 8 ZB 11.2030 – ZfW 2013, 176 = juris Rn. 17).
Solche zur Zulassung der Berufung führende Mängel lassen sich dem Vortrag des Klägers nicht entnehmen. Sein Einwand, das Urteil des Erstgerichts sei unrichtig, weil es ohne entsprechende tatsächliche Feststellungen das fünftägige Abstellen eines ordnungsgemäß zum Verkehr angemeldeten Pkw-Kühlanhängers in einer hierfür vorgesehenen Parkbucht entlang einer öffentlicher Straße als „erlaubnispflichtige Sondernutzung“ behauptet, ohne für den konkreten Einzelfall entsprechende Tatsachen festzustellen, greift nicht durch.
Das Verwaltungsgericht hat in seiner Entscheidung zunächst abstrakt dargelegt, in welchen Fällen das Parken als ruhender Verkehr dem Gemeingebrauch unterfällt und wann das Abstellen eines mit Werbeaufschrift versehenen Kfz-Anhängers eine Sondernutzung darstellt. Unter Zugrundelegung dieser Bewertungsmaßstäbe hat es anschließend erläutert, warum es sich bei dem konkreten Kühlanhänger und den weiteren Umständen des Einzelfalls um eine Sondernutzung handelt. Es begründet seine Auffassung ausführlich und stellt dabei fest, dass von der Bauart des Fahrzeuges erkennbar sei, dass der Anhänger bei den jeweiligen Einsätzen als Kühlstation diene. Augenfällig sei jedoch die vollflächige Reklamebeschriftung des Kühlanhängers, wohingegen der Kühlaufsatz eher auf dem zweiten Blick bemerkt werde. Zudem sei der Anhänger gut sichtbar an einer stark befahrenen Straße fernab vom Firmensitz des beworbenen Cateringservice abgestellt gewesen. Dort habe er über einen Zeitraum von fünf Tagen ortsunverändert dauergeparkt (UA S. 9).
Diese Sachverhalts- und Beweiswürdigung des Ausgangsgerichts erweist sich als nachvollziehbar; die vom Kläger umfassend dargestellte bloße Möglichkeit einer anderen Bewertung des Sachverhalts genügt für die Darlegung eines Zulassungsgrunds nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nicht.
1.2. Entgegen der Ansicht des Klägers ergibt sich keine anderweitige rechtliche Beurteilung aus dem zitierten Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 10. Dezember 1975 (1 BvR 118/71). Dieser hat in Bezug auf das in § 33 Abs. 1 Satz 3 der Straßenverkehrsordnung vom 16. November 1970 enthaltende generelle und absolute Werbeverbot im Straßenverkehr eine Verletzung des Art. 12 Abs. 1 GG festgestellt. Davon zu unterscheiden sind jedoch die hier einschlägigen Vorschriften des Straßen- und Wegerechts, die sich damit befassen, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang die Straße dem Einzelnen zur Verfügung steht. Danach ist Werbung gerade nicht generell verboten, sondern es ist – wie die umfassende Rechtsprechung dazu zeigt (vgl. Wiget in Zeitler, BayWG, Stand März 2019, Art. 14 Rn. 41 ff. m.w.N.) – eine Frage des Einzelfalls, ob die konkrete Form der Werbung eine gemeingebräuchliche Nutzung i.S.v. Art. 14 Abs. 1 Satz 1 BayStrWG darstellt oder aber eine erlaubnispflichtige Sondernutzung nach Art. 18 Abs. 1 Satz 1 BayStrWG. Das Zulassungsvorbringen macht zwar durch die festgestellte unerlaubte Sondernutzung richtigerweise eine Einschränkung der Handlungsfreiheit des gewerbetreibenden Bürgers geltend. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass die allgemeine Handlungsfreiheit des Art. 2 Abs. 1 GG nicht die erlaubnisfreie gewerbliche Nutzung von öffentlichem Straßenland gebietet (BVerfG, B.v. 29.7.1986 – 1 BvR 479/86 – juris Rn. 5).
2. Der gerügte Zulassungsgrund der Divergenz (§ 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO) ist nicht in einer den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügenden Weise dargetan.
Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, dass das angefochtene Urteil mit einem seine Entscheidung tragenden, abstrakten Rechtssatz von einem eben solchen Rechtssatz eines in der Vorschrift genannten Gerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht. Im Zulassungsantrag muss daher ein abstrakter Rechtssatz des angefochtenen Urteils herausgearbeitet und einem Rechtssatz des anderen Gerichts unter Darlegung der Abweichung gegenübergestellt werden (vgl. BVerwG, B.v. 20.4.2017 – 8 B 56.16 – juris Rn. 5; B.v. 22.10.2014 – 8 B 2.14 – juris Rn. 21 ff.). Diesen Anforderungen wird der Zulassungsantrag nicht gerecht. Der Kläger beruft sich auf eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 28. August 2012 (3 B 8.12 – juris Rn. 13), die sich mit der Darlegung des Zulassungsgrundes der Divergenz befasst, sowie ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen vom 12. Juli 2005 (11 A 4433/02 – NJW 2005, 3162 f.), in dem streitgegenständlich eine straßenrechtliche Sondernutzungsgebühr für das Abstellen eines Werbezwecken dienenden Kraftfahrzeuges ist. Divergierende Rechtssätze, wie sie auch in der vom Kläger zitierten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts gefordert werden, stellt der Kläger dabei nicht gegenüber. Vielmehr rügt er allein die Rechtsanwendung des Verwaltungsgerichts bei der Beurteilung der Frage, ob der Kühlanhänger als Werbeträger auf einer öffentlichen Straße abgestellt ist. Die pauschale Behauptung, das Verwaltungsgericht weiche dabei von der Rechtsprechung des OVG NRW vom 12. Juli 2015 ab, ist zudem nicht nachvollziehbar, nachdem das Verwaltungsgericht die in diesem Urteil aufgestellten Maßstäbe gerade seiner eigenen Entscheidung zugrunde legt und seine Beurteilung daran – unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls – ausrichtet (vgl. UA S. 8).
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 3, Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1, § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG i.V.m. Nr. 43.2, 3.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013; sie folgt der Festsetzung des Verwaltungsgerichts. Soweit der Kläger im Zulassungsverfahren beantragt, den Streitwert auf 1.000 EUR festzusetzen, war dem nicht zu folgen. Zum einen ist gemäß § 47 Abs. 3, Abs. 2 GKG der Streitwert durch den Wert des Streitgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt. Zum anderen sehen sowohl das Gerichtskostengesetz als auch der Streitwertkatalog die Höhe der bezifferten Geldleistung bzw. den Betrag der streitigen Gebühr als maßgebend für den Streitwert bei Sondernutzungsgebühren an. Auf den vom Bevollmächtigten geltend gemachten Begründungsaufwand im Zulassungsverfahren oder einer etwaigen Bedeutung der Sache für gleichartige Sachverhalte kommt es dagegen nicht an.
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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