Verwaltungsrecht

Stattgebender Kammerbeschluss: Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art 103 Abs 1 GG) im Verwaltungsprozess – hier: unterlassener Hinweis des OVG auf Möglichkeit der Klageabweisung aus anderen als den das vorinstanzliche Urteil tragenden Gründen – Gegenstandswertfestsetzung auf 8000 Euro

Aktenzeichen  1 BvR 980/10

Datum:
15.2.2011
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Dokumenttyp:
Stattgebender Kammerbeschluss
ECLI:
ECLI:DE:BVerfG:2011:rk20110215.1bvr098010
Normen:
Art 103 Abs 1 GG
§ 35 Abs 1 Nr 4 BauGB
§ 35 Abs 2 BauGB
§ 93c Abs 1 S 1 BVerfGG
§ 14 Abs 1 RVG
§ 37 Abs 2 S 2 RVG
Spruchkörper:
1. Senat 1. Kammer

Verfahrensgang

vorgehend Oberverwaltungsgericht für das Land Schleswig-Holstein, 8. März 2010, Az: 1 LA 48/09, Beschlussvorgehend Oberverwaltungsgericht für das Land Schleswig-Holstein, 31. August 2009, Az: 1 LA 28/09, Beschluss

Tenor

Der Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts vom 31. August 2009 – 1 LA 28/09 – verletzt den Beschwerdeführer in seinem Anspruch auf rechtliches Gehör aus Artikel 103 Absatz 1 des Grundgesetzes. Er wird aufgehoben. Die Sache wird an das Schleswig-Holsteinische Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen.
Damit wird der Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts vom 8. März 2010 – 1 LA 48/09 – gegenstandslos.

Der Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit wird auf 8.000 € (in Worten: achttausend Euro) festgesetzt.

Gründe

1
Die Verfassungsbeschwerde betrifft eine Streitigkeit über die Genehmigungsfähigkeit der Nutzung vorhandener Gebäude für eine
Schießsportanlage.

I.
2
1. Der Beschwerdeführer ist ein eingetragener Verein und betreibt in Schleswig-Holstein ein Schießsportzentrum auf dem Gelände
einer ehemaligen Schießanlage der Bundeswehr. Das Schießsportzentrum liegt zum weit überwiegenden Teil auf dem Gebiet der
Gemeinde K. und zu einem kleinen Teil auf dem Gebiet der Stadt E. (der Beigeladenen des Ausgangsverfahrens, im Folgenden:
Beigeladene). Der Beschwerdeführer beabsichtigt, auf dem Gebiet der Beigeladenen stehende, noch von der Bundeswehr errichtete
Gebäude zukünftig als Lager und Toiletteneinheit zu nutzen. Die dafür beantragte Erteilung eines Bauvorbescheids lehnte der
Kreis O. (der Beklagte des Ausgangsverfahrens, im Folgenden: Beklagter) im Juli 2005 ab.

3
2. Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhob der Beschwerdeführer Klage zum Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgericht,
die dieses mit Urteil vom 28. November 2008 abwies. Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts handelte es sich bei den vorgesehenen
Gebäudenutzungen entgegen der Auffassung des Beklagten zwar um ein Standort gebundenes und damit privilegiertes Vorhaben im
Sinne des § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB. Ihm stünden jedoch öffentliche Belange entgegen; das Entstehen einer Splittersiedlung sei
zu befürchten. Die schriftlichen Urteilsgründe wurden dem Beschwerdeführer am 16. April 2009 zustellt.

4
3. Das Schleswig-Holsteinische Oberverwaltungsgericht lehnte mit dem mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Beschluss
vom 31. August 2009 den Antrag des Beschwerdeführers auf Zulassung der Berufung ab. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit
des verwaltungsgerichtlichen Urteils bestünden nicht. Das Vorhaben sei nicht privilegiert im Sinne des § 35 Abs. 1 BauGB.
Die vier betroffenen Gebäude müssten im Zusammenhang mit der Schießsportanlage im Bereich des benachbarten Bebauungsplans
Nr. 9 der Gemeinde K. gesehen werden. Sie wären nur dann insgesamt nach § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB privilegiert, wenn sie überwiegend
zu Übungs- und Ausbildungsschießen von Jägern oder sonst – im Interesse der Allgemeinheit – zum Führen von Schusswaffen Berechtigten
dienen sollten. Das sei jedoch nicht der Fall. Infolgedessen könnte die Voranfrage nur nach § 35 Abs. 2 BauGB beurteilt werden.
In diesem Fall stünden der beabsichtigten Nutzung öffentliche Belange entgegen, weil das Vorhaben den Darstellungen des Flächennutzungsplans
widerspreche.

5
4. Mit dem mit der Verfassungsbeschwerde ebenfalls angegriffenen Beschluss vom 8. März 2010 wies das Schleswig-Holsteinische
Oberverwaltungsgericht die Anhörungsrüge des Beschwerdeführers zurück. Es habe vor der Entscheidung nicht auf seine Absicht
hinweisen müssen, das Vorliegen der Voraussetzungen des § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB anders als das Verwaltungsgericht zu beurteilen.
Im Übrigen habe der Senat in einem vorangegangenen Normenkontrollurteil vom 23. Juli 2009 (1 KN 11/05) entschieden, dass die
Schießsportanlage nicht nach § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB privilegiert sei. Daran sei festzuhalten. Bei einer “Fortführung” des
Zulassungsverfahrens nach § 152a Abs. 1 VwGO und einer (erneuten) Entscheidung über den Zulassungsantrag wäre diese Rechtsprechung
aus dem Normenkontrollverfahren zu berücksichtigen. Eine Berufungszulassung komme daher nicht mehr in Betracht.

II.
6
1. Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung seiner Rechte aus Art. 19 Abs. 4, Art. 101 Abs. 1 Satz 2 und Art. 103 Abs. 1
GG.

7
Er habe im Rahmen der Begründung der Anhörungsrüge umfänglich zu der Frage der Privilegierung sowohl in tatsächlicher als
auch in rechtlicher Hinsicht vorgetragen und Stellungnahmen des Landesjagdverbandes Schleswig-Holstein e.V. sowie des Deutschen
Jagdschutz-Verbandes e.V. beigefügt. Anlässlich dieses Vortrags genüge es der richterlichen Sorgfalt nicht, auf eine bereits
zuvor und unter nicht vergleichbaren Voraussetzungen getroffene Entscheidung in einem Normenkontrollverfahren zu verweisen
und diese für unzweifelhaft richtig zu erklären. Das Oberverwaltungsgericht hätte seine in dem Normenkontrollurteil zu dem
Bebauungsplan Nr. 9 der Gemeinde K. vertretene Meinung spätestens anlässlich des Vorbringens in der Anhörungsrügebegründung
ernsthaft zur Disposition stellen müssen.

8
Die angegriffenen Beschlüsse verletzten ihn in seinem Recht auf rechtliches Gehör. Für einen weitergehenden Vortrag zur Frage
der Privilegierung habe für ihn vor der Ablehnung des Berufungszulassungsantrags kein Anlass bestanden. Von den Prozessbeteiligten
könne nicht verlangt werden, in jeder Phase eines Verfahrens zu allen Aspekten und unter Einholung verschiedener Gutachten
umfänglich vorzutragen, ohne dass sich der Rechtsstreit auf bestimmte Aspekte konkretisiert habe. Damit stehe in Einklang,
dass auch in der Begründung des Antrags auf Zulassung einer Berufung nur auf das vorliegende Urteil einzugehen sei, nicht
aber darzulegen sei, dass sich das Urteil auch nicht aus anderen Gründen als richtig erweise. Das Oberverwaltungsgericht sei
aus eben diesen Gründen verpflichtet, Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben, bevor es entscheide, ein Urteil des Verwaltungsgerichts
wäre aus anderen als den in diesem Urteil selbst genannten Gründen aufrecht zu erhalten. Dies gelte für jeden Austausch der
Begründung, der bei gewissenhafter Behandlung weitere tatsächliche oder rechtliche Klärung erfordere, und nicht nur bei der
Anführung einer Begründung, deren Möglichkeit im vorherigen Prozessverlauf überhaupt noch nicht thematisiert worden sei. Der
Gehörsverstoß sei auch nicht geheilt worden. Das Oberverwaltungsgericht habe sich in seinem die Anhörungsrüge zurückweisenden
Beschluss mit seinem weiteren Vortrag nicht auseinandergesetzt.

9
2. Das Innenministerium des Landes Schleswig-Holstein und die Beteiligten des Ausgangsverfahrens hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.
Die Akten des gerichtlichen Ausgangsverfahrens sowie die Akten des Normenkontrollverfahrens 1 KN 11/05 wurden beigezogen.

III.
10
Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und gibt ihr statt. Die Annahme ist zur Durchsetzung eines
in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechts des Beschwerdeführers angezeigt (vgl. § 93c Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 93a
Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Das Bundesverfassungsgericht hat die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen
verfassungsrechtlichen Fragen bereits entschieden, die zulässige Verfassungsbeschwerde ist offensichtlich begründet (vgl.
§ 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG).

11
Die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts vom 31. August 2009 verletzt den Beschwerdeführer in seinem Anspruch auf rechtliches
Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG (dazu 1.). Ob sie darüber hinaus ihn auch in seinen Rechten aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG und
Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verletzt, kann offen bleiben (dazu 2.). Damit wird der Beschluss über die Anhörungsrüge gegenstandslos.

12
1. Das Oberverwaltungsgericht hat in entscheidungserheblicher Weise gegen Art. 103 Abs. 1 GG verstoßen; dieser Verstoß ist
nicht durch den Beschluss über die Anhörungsrüge geheilt.

13
a) Art. 103 Abs. 1 GG garantiert den Verfahrensbeteiligten, dass sie Gelegenheit erhalten, sich vor Erlass einer gerichtlichen
Entscheidung zu dem zugrundeliegenden Sachverhalt zu äußern und dadurch die Willensbildung des Gerichts zu beeinflussen. An
einer solchen Gelegenheit fehlt es nicht erst dann, wenn ein Beteiligter gar nicht zu Wort gekommen ist oder wenn das Gericht
seiner Entscheidung Tatsachen zugrundelegt, zu denen die Beteiligten nicht Stellung nehmen konnten (vgl. BVerfGE 10, 177 <182
f.>; 19, 32 , stRspr). Eine dem verfassungsrechtlichen Anspruch genügende Gewährung rechtlichen Gehörs setzt auch voraus,
dass der Verfahrensbeteiligte bei Anwendung der von ihm zu verlangenden Sorgfalt zu erkennen vermag, auf welchen Tatsachenvortrag
es für die Entscheidung ankommen kann (vgl. BVerfGE 84, 188 ). Zwar ergibt sich aus Art. 103 Abs. 1 GG keine allgemeine
Frage- und Aufklärungspflicht des Richters. Ein Gericht verstößt aber dann gegen Art. 103 Abs. 1 GG und das Gebot eines fairen
Verfahrens, wenn es ohne vorherigen Hinweis Anforderungen an den Sachvortrag stellt oder auf rechtliche Gesichtspunkte abstellt,
mit denen auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Prozessverlauf nicht zu rechnen brauchte
(vgl. BVerfGE 84, 188 ; 86, 133 ; BVerfGK 7, 350 ).

14
b) Ausgehend hiervon hätte das Oberverwaltungsgericht auf die Möglichkeit einer abweichenden Beurteilung des Vorliegens der
in § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB genannten Voraussetzungen hinweisen müssen.

15
aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts muss das Oberverwaltungsgericht einem Rechtsmittelführer vorher
rechtliches Gehör gewähren, wenn es den Antrag auf Zulassung der Berufung ablehnen will, weil sich das angefochtene Urteil
aus anderen Gründen als vom Verwaltungsgericht angenommen als richtig darstellt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 10. März 2004
– 7 AV 4.03 -, NVwZ-RR 2004, S. 542 ).

16
Ein solcher Hinweis ist auch zur Wahrung des rechtlichen Gehörs nach Art. 103 Abs. 1 GG geboten. Das Bundesverfassungsgericht
hat aus der Begrenzung der Darlegungsanforderungen im Berufungszulassungsverfahren geschlossen, dass das Oberverwaltungsgericht
dem Rechtsmittelführer in der Regel rechtliches Gehör gewähren muss, wenn es den Zulassungsantrag mit der Begründung ablehnen
will, dass sich die in Anknüpfung an die tragenden Gründe der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung aufgeworfene Grundsatzfrage
aus anderen als den vom Verwaltungsgericht herangezogenen Gründen im Berufungsverfahren nicht stellen werde (vgl. BVerfGK
7, 350 unter Herleitung aus BVerfGE 84, 188 ; 86, 133 ). Nichts anderes wird regelmäßig gelten, wenn der
auf ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der angegriffenen Entscheidung nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Zulassungsantrag
mit der Begründung abgelehnt werden soll, das angegriffene Urteil erweise sich aus anderen als den vom Verwaltungsgericht
angenommenen Gründen als richtig (vgl. auch BVerfGK 10, 208 ).

17
bb) Im vorliegenden Fall bestand entgegen der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts kein Grund, von einem solchen Hinweis
abzusehen. Der Beschwerdeführer musste nicht damit rechnen, dass das Oberverwaltungsgericht von der ausführlich begründeten
Auffassung des Verwaltungsgerichts zur Standortgebundenheit und damit grundsätzlichen Privilegierung der Schießsportanlage
im Sinne der in § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB genannten Voraussetzungen abgehen würde. Zu Recht verweist der Beschwerdeführer darauf,
dass im Ausgangs- und im Widerspruchsbescheid keine substantiierte Begründung für die dort angenommene fehlende Privilegierung
des Gesamtvorhabens gegeben worden ist, so dass etwaige Gegenargumente zur Standortgebundenheit im Verwaltungsverfahren noch
nicht genannt worden waren. Auch im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht haben sich der Beklagte und die Beigeladene nicht
schriftsätzlich zu dieser Frage geäußert. Aus der Niederschrift über die mündliche Verhandlung ergibt sich lediglich, dass
die Privilegierungsfrage erörtert worden ist. Die im Beschluss über die Anhörungsrüge geäußerte Auffassung des Oberverwaltungsgerichts,
es habe in dem Beschluss über die Nichtzulassung der Berufung nicht die Begründung durch einen neuen Gesichtspunkt ersetzt,
mit dem der Beschwerdeführer nicht habe rechnen können, sondern lediglich die schon erstinstanzlich streitige Frage der Privilegierung
des Vorhabens anders beurteilt als das Verwaltungsgericht, läuft auf das unzumutbare Ergebnis hinaus, dass sich der Antragsteller
eines Antrags auf Zulassung der Berufung nicht darauf beschränken darf, das verwaltungsgerichtliche Urteil anzugreifen, sondern
dieses vielmehr auch, soweit es für ihn günstige Ausführungen enthält, mit etwaigen weiteren Argumenten und weiteren tatsächlichem
Vorbringen verteidigen muss für den Fall, dass das Oberverwaltungsgericht eine abweichende, ihm ungünstige Rechtsauffassung
vertritt. Eine solche Verteidigung widerspricht jedoch ersichtlich dem Sinn und Zweck des dem Berufungsverfahren vorgeschalteten
Zulassungsverfahrens, in dem – lediglich – zu prüfen ist, ob ein Zulassungsgrund dargelegt ist und vorliegt (§ 124a Abs. 5
Satz 2 VwGO). Eine umfassende Überprüfung der Richtigkeit eines erstinstanzlichen verwaltungsgerichtlichen Urteils ist nach
der Systematik des Berufungsrechts dem Berufungsverfahren selbst vorbehalten. Tatsächliches oder rechtliches Vorbringen zu
einem ihm günstigen Standpunkt des Verwaltungsgerichts für den Fall einer hiervon abweichenden Sichtweise muss der Antragsteller
im Berufungszulassungsverfahren auch bei Anwendung der von ihm zu verlangenden Sorgfalt daher in aller Regel ohne entsprechenden
Hinweis des Oberverwaltungsgerichts nicht für geboten halten. Anderes kann nur gelten, sofern besondere Umstände des erstinstanzlichen
Verfahrens oder der angegriffenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts gerade dies nahe legen.

18
Für solche besonderen Umstände ist hier nichts erkennbar. Die Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts im Normenkontrollurteil
vom 23. Juli 2009 zur fehlenden Privilegierung des Gesamtvorhabens der Schießsportanlage konnten den Beschwerdeführer schon
aus zeitlichen Gründen nicht dazu veranlassen, sich im Verfahren auf Zulassung der Berufung vertieft zur Privilegierung des
Vorhabens zu äußern. Denn bei Ablauf der Frist zur Begründung des Antrags auf Zulassung der Berufung am 16. Juni 2009 war
dieses Urteil noch nicht einmal gefällt. Selbst bei Bekanntgabe des angegriffenen Beschlusses über die Nichtzulassung der
Berufung vom 31. August 2009 lagen die schriftlichen Urteilsgründe zu der Normenkontrollsache noch nicht vor. Diese wurden
erst im Dezember 2009 der Geschäftsstelle übergeben und sodann dem Beschwerdeführer zugestellt.

19
cc) Der angegriffene Beschluss vom 31. August 2009 beruht auch auf dem Gehörsverstoß, ohne dass dieser geheilt worden wäre.
Im Verfahren der Anhörungsrüge hat der Beschwerdeführer umfassend, seine bisherigen Ausführungen vertiefend, zur konkreten
Ausgestaltung des (Gesamt-)Vorhabens Stellung genommen, dabei vorgetragen, dass allein von der Zahl der kalkulierten Nutzer
her die Jäger dominierten, sowie die Bedeutung der zugelassenen Schießstände für das jagdliche Schießen dargelegt. Dass das
Oberverwaltungsgericht auch unter Berücksichtigung dieses Vorbringens zu der Auffassung gelangt wäre, dass das Urteil aus
anderen Gründen richtig und infolgedessen die Berufung nicht zuzulassen ist, lässt sich nicht feststellen. Das Oberverwaltungsgericht
ist im Beschluss über die Anhörungsrüge gerade nicht auf das zusätzliche tatsächliche Vorbringen des Beschwerdeführers eingegangen.
Mit seinem Beschluss über die Anhörungsrüge hat es daher die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör auch nicht etwa
nachträglich geheilt (zu dieser Möglichkeit siehe BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 24. Februar 2009 –
1 BvR 188/09 -, NVwZ 2009, S. 580 ). Es verweist vielmehr auf sein Normenkontrollurteil vom 23. Juli 2009 (1 KN 11/05)
und behauptet, die dortigen Ausführungen wären in einem Berufungsverfahren zu berücksichtigen. Woraus sich diese Berücksichtigungspflicht
ergeben soll, zumal die Privilegierungsfrage nicht Gegenstand der Normenkontrolle war, sondern dort nur im Rahmen der Zulässigkeit
des Normenkontrollantrags erörtert wurde, und weshalb sie zur Unbeachtlichkeit des weiteren Vorbringens führen soll, legt
das Oberverwaltungsgericht nicht dar; dies ist auch sonst nicht ersichtlich.

20
2. Da bereits der festgestellte Gehörsverstoß zur Aufhebung des angegriffenen Beschlusses über die Nichtzulassung der Berufung
und zur Zurückverweisung der Sache an das Oberverwaltungsgericht führt, bedarf es keiner Entscheidung mehr, ob dieser Beschluss
durch den Austausch der Begründung für die Ergebnisrichtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung (zur grundsätzlichen
Zulässigkeit eines solchen Vorgehens vgl. BVerfGK 10, 208 m.w.N.) hier auch die Garantie effektiven Rechtsschutzes
(Art. 19 Abs. 4 GG) und den Anspruch auf den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) verletzt.

21
3. Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG. Die Festsetzung des Gegenstandswerts erfolgt
nach § 37 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit § 14 Abs. 1 RVG (vgl. BVerfGE 79, 365 ).

22
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.


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