Verwaltungsrecht

Verwaltungsgerichtsverfahren, Vorläufiger Rechtsschutz, Verwaltungsgerichte, Einstweilige Anordnung, Rechtsschutzbedürfnis, Haushaltszugehörigkeit, Aufhebung, Prozeßbevollmächtigter, Mindestabstand, Antragsbefugnis, Streitwertfestsetzung, Verwaltungsgerichtsordnung, Antragstellers, Vorbeugender Rechtsschutz, Beschwerdeentscheidung, Wert des Beschwerdegegenstandes, Einlegung der Beschwerde, Kostenentscheidung, Vertretungszwang, Verwaltungsgerichtlicher Rechtsschutz

Aktenzeichen  B 7 E 20.1298

Datum:
30.11.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 40902
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayIfSMV § 18 der 8.
BayIfSMV § 25 der 8.
VwGO § 123 Abs. 1

 

Leitsatz

Tenor

1. Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird abgelehnt.
2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller ist nach seinen Angaben Risikopatient in Bezug auf COVID-19 und in seinem näheren familiären Umfeld gebe es noch … weitere Risikopatienten. Die beiden Töchter des Antragstellers gingen noch zur Schule, die Jüngere sei schulpflichtig. Seit Beginn der Pandemie habe sich der Antragsteller weitgehend isoliert. Beide Töchter würden berichten, dass in ihren Klassenzimmern die Mindestabstände von 1,5 m nicht eingehalten würden. Auf Nachfrage bei den Schulleitungen sei dem Antragsteller unter anderem mitgeteilt worden, dass in der Schule der älteren Tochter (* …*) aus Platzgründen der Mindestabstand in keiner Klasse einzuhalten sei.
Der Antragsteller stand u.a. in E-Mail-Kontakt mit dem Schulleiter der … und erhielt von dort am 17.11.2020 die Nachricht, dass seine Bedenken durchaus nachvollzogen werden könnten. Man habe eine Umstellung auf den Wechsel von Distanz- und Präsenzunterricht vor den Ferien geplant und man wäre so auch in die Woche nach den Ferien gestartet. Allerdings hätten die Schulen vom Gesundheitsamt in den Ferien die Anordnung bekommen, auf eine Klassenteilung zu verzichten (und eben nicht den Abstand von 1,5 m einzuhalten). Dies sei allen anderen Schulen ähnlich gegangen. Man habe daraufhin den Stundenplan komplett überarbeitet und ein Konzept entwickelt, wie man zumindest die Durchmischung von Klassen verhindern könne. Im Laufe der Woche rechne man mit erneuten Vorgaben, die man sowohl räumlich, als auch personell und vom Hygienekonzept umsetzen müsse. Man halte in keinem Klassenraum einen Mindestabstand von 1,5 m zwischen Schülerinnen und Schülern ein, man könne dies aufgrund der zur Verfügung stehenden Räumlichkeiten und Klassengrößen auch gar nicht. Man folge dem Rahmenhygieneplan des Ministeriums und dieser sehe im Moment ohne Anordnung des Gesundheitsamts keine Klassenteilung vor. Man könne nicht entgegen der Anordnung auf einen Hybridunterricht umstellen, da man dann Elternbeschwerden bekomme, dass die Bildungschancen ihrer Kinder schlechter seien, als an anderen Schulen. Die … als Sachaufwandsträger der Schulen finanziere aufgrund der ausreichend zur Verfügung stehenden Fenster zum Lüften keine Anschaffungen von Luftfiltern in Klassenzimmern. Dem Antragsteller wurde die Möglichkeit aufgezeigt, sollten seine Töchter aufgrund seiner speziellen Situation zum Infektionsrisiko werden, ein entsprechendes Attest eines Arztes zu erwirken, um die Töchter vom Unterricht zu befreien. Allerdings gab der Schulleiter zu bedenken, dass es hier an der Schule bislang keine Klassenschließungen gegeben habe und auch kein Lehrer bisher infiziert gewesen sei. Aber eine Risikoabschätzung für jeden einzelnen individuellen Fall könne er nicht leisten und sei fachlich auch nicht dazu in der Lage. Eine allgemeine Einschätzung habe das Gesundheitsamt für alle Schulen getroffen.
Mit Schriftsatz vom 24.11.2020 wandte sich der Antragsteller an das Verwaltungsgericht Bayreuth und beantragte unter dem Betreff „wegen Weisung an die Bayerischen Schulen, in unverhältnismäßiger und gefährdender Weise sonst umfassend gültige Infektionsschutzregeln zu missachten“, alle aktuellen und zukünftigen Weisungen des Beklagten zum Infektionsschutz, die Standards gleichzeitig gegenüber Bürgern und Betrieben geltender Anordnungen eindeutig und unangemessen unterschreiten und somit den Infektionsschutz unterlaufen, zu untersagen. Insbesondere eine Aufhebung der Maskenpflicht und des Mindestabstands von 1,5 m in den Innenräumen der Schulen soll die Beklagte unterlassen, solange diese Regeln im öffentlichen Raum anderswo gelten und sie nicht beweisen kann, durch andere, z.B. technische Maßnahmen das Ansteckungsrisiko mindestens im gleichen Maß zu reduzieren.
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, es werde dem Antragsteller nun von den Schulen, die seine Töchter besuchten, seit den letzten Lockerungsbeschlüssen ein unausweichliches zusätzliches Ansteckungsrisiko beschert, das vermeidbar wäre. Beide Schulen hätten auf ihre Weisungsgebundenheit verwiesen sowie darauf, dass sie eigenmächtig keine größeren Maßnahmen wie Klassenteilung und Onlineunterricht ergreifen könnten. Sowohl die Einhaltung von Mindestabstand, als auch die Verwendung von Masken, seien also einzig von den lokalen Gegebenheiten und den momentanen Vorgaben des Kultusministeriums abhängig.
Jeder infizierte Mitschüler oder Lehrer seiner Kinder könne nun durch den geringen Abstand und die reduzierte Handhabung von Masken eine deutlich größere Zahl der Anwesenden infizieren. Gleichzeitig habe durch die lange Inkubationszeit und den bei jungen Leuten oft asymptomatisch, aber dennoch tagelang ansteckenden Verlauf von COVID-19 weder einer der Infizierten, noch die Schule, eine Möglichkeit, Schüler-Angehörige auch nur annähernd rechtzeitig zu warnen. Unter den momentan herrschenden Umständen und während gleichzeitig die Gesundheitsämter die Nachverfolgung der Infektionsketten nicht mehr bewältigten, müsse man davon ausgehen, dass beim ersten Bekanntwerden einer Infektion im Klassenzimmer meist auch schon eine Vielzahl der Schüler-Angehörigen ebenfalls infiziert sei. Dies wiederum würde den Antragsteller momentan eigentlich zwingen, zum Selbstschutz seine Kinder mit Hilfe eines ärztlichen Attests gegen ihren Willen vom Unterricht befreien zu lassen, obwohl ihnen zurzeit gerade aufgrund der Regellockerungen ja auch kein Onlineunterricht parallel zur Verfügung stehe. Bei beiden Kindern sei das aus schulischen Gründen nicht wünschenswert. Auch eine Isolation innerhalb des eigenen Haushalts sei nicht durchzuhalten, schon gar nicht über Monate. Der Antragsteller habe also keinerlei akzeptable Ausweichmöglichkeiten. Das gesundheitliche Selbstbestimmungsrecht von Angehörigen, die persönliche Ansteckungsgefahr auf ein machbares Mindestmaß zu reduzieren, werde durch die Anordnung des Beklagten gebrochen. Hierbei spiele es keine Rolle, ob die Anordnung als „Kann-Bestimmung“ die Verantwortung ganz oder teilweise auf die Gesundheitsämter zu übertragen versuche, denn diese seien momentan nur beauftragt, eine Überlastung des Gesundheitswesens zu verhindern und würden eben nicht grundsätzlich abwägen, ob man Schüler und Eltern im jeweiligen Infektionsgeschehen benachteiligen dürfe. Die Möglichkeit einer Aufhebung des Mindestabstands habe in den beiden Schulen, die ihn beträfen, eine tatsächliche Aufhebung bewirkt. Das daraus resultierende Infektionsrisiko dominiere aktuell all die persönlichen COVID-19-Risiken des Antragstellers durch die Weisungen des Beklagten, während andernorts, ebenfalls verknüpft mit Weisungen des Gesundheitsamts, wesentlich schärfere Regeln gelten würden. Die Regelentschärfung durch den Beklagten könne insofern nicht auf Ebene des Gesundheitsamtes kompensiert werden und müsse auch vom Kultusministerium zurückgenommen werden.
Die angeordneten Lockerungen des Ministeriums bedeuteten unter anderem eine unzulässige Ungleichbehandlung der Schulen, z.B. im Vergleich zu Betrieben oder Sportstätten, obwohl die davon ausgehende Ansteckungsgefahr in einer vergleichbaren Größenordnung liege (wurde näher ausgeführt). Es wurde auf die Schulpflicht hingewiesen und insofern sei jede Ausnahme vom Mindestabstand bei verpflichtender Teilnahme unzulässig. Ferner wurde auf die Maskenpflicht unter freiem Himmel eingegangen. Wenn momentan im privaten Bereich für Innenräume die Zahl von Personen und Haushaltszugehörigen reglementiert sei, könne es nicht für die Schule heißen, dass zusätzlich zu 20 bis 30 Haushaltszugehörigen auch noch der Abstand minimiert werde. Hier nutze der Staat seine Sonderrolle aus und lege für eigene Einrichtungen völlig andere Maßstäbe an als für Bürger und Unternehmen.
Das Kultusministerium könne die Schulen auch weiter anweisen, zwingend Klassen anhand des Abstandsgebots zu teilen, Hybridunterricht zu organisieren, könne Hygienekonzepte wie Techniken zur Luftreinigung empfehlen und fördern. Durch eine Gleichbehandlung bei den Grundregeln würden ohnehin notwendige Handlungen und Finanzierungen nicht länger vermeidbar sein. Die entsprechenden Kosten und Mühen seien dem Ministerium, den Schulen und letztlich dem Staat Bayern, zumutbar.
Der Antragsteller sehe die aktuellen unverhältnismäßigen Anordnungen für seine Angehörigen und ihn als eine unnötige, übermäßige und unangemessene Bedrohung für Gesundheit und Leben an. Sofern unter Pandemieumständen wiederum eine Unterschreitung von Mindestabständen und die Aussetzung der Maskenpflicht in Schulen zulässig wären, müssten anders herum eben genau diese Maßnahmen, sowie die Schließung von Betrieben, umgehend aufgehoben werden. Eine Ungleichbehandlung wiederspreche hier dem Geist des Grundgesetzes.
Außerdem fordere der Antragsteller festzustellen, dass in der Abwägung der Rechtsgüter auf Bildung, Berufsfreiheit, Bewegungsfreiheit und körperlicher Selbstbestimmung dem Ministerium und der Regierung verfassungsmäßige Grenzen gesetzt und hier auch in Pandemiezeiten innerhalb der Maßnahmen Verhältnismäßigkeit und Gleichbehandlung zu wahren seien. Die Zielsetzung, unbedingt den Präsenzunterricht aufrechtzuerhalten, sei grundsätzlich richtig, dürfe aber nicht in Kauf nehmen, dass entgegen anderswo anerkannten und durchgesetzten Regeln desselben Gesetzgebers Kinder durch die Schulen unnötig zu Waisen gemacht würden.
In einem ergänzenden Schreiben führte der Antragsteller u.a. aus, es gehe ihm auch nicht nur um die beklagte aktuelle Sachlage bei den Verordnungen, sondern um deren Rechtsrahmen, also ob das Kultusministerium andere Pandemiebestimmungen, die ja schwerwiegende Rechtseinschränkungen bedeuteten, und das Recht auf gesundheitliche Selbstbestimmung überhaupt derart konterkarieren dürfe.
Vorgelegt wurde der Rahmenhygieneplan Schulen, der auch im Internet abrufbar ist.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus gab mit seiner Antragserwiderung zunächst umfangreiche allgemeine Informationen zum derzeitigen Schulbetrieb unter Berücksichtigung der Schutz- und Hygienemaßnahmen. Vorgelegt wurde ein Schreiben des Ministeriums vom 27.11.2020, das an alle Schulen in Bayern, Kollegs und Schulaufsichtsbehörden gerichtet ist und die Thematik des Infektionsschutzes und Unterrichtsbesuchs an den bayerischen Schulen zum Gegenstand hat.
Das Ministerium hält den Eilantrag für unzulässig und unbegründet. Hingewiesen wurde darauf, dass hinsichtlich der vorgetragenen Zugehörigkeit zu einer Risikogruppe keine nähere Substantiierung seitens des Antragstellers erfolgt sei. Soweit der Eilantrag auf eine bayernweite und schulartübergreifende Anordnung des Mindestabstands abziele, fehle es an der Antragsbefugnis. Der Antragsteller könne nicht geltend machen, bayernweit und bezogen auf alle Schularten in seinen Rechten verletzt zu sein. Soweit es um die Anordnung des Mindestabstands an den Schulen der Töchter des Antragstellers gehe, erscheine auch in dieser Konstellation die Antragsbefugnis zweifelhaft. Der Antragsteller selbst sei kein Schüler. Daher könne nicht von einer unmittelbaren Rechtsverletzung ausgegangen werden. Ferner fehle es an dem für einen Antrag nach § 123 VwGO erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis. Das Rechtsschutzbedürfnis sei grundsätzlich zu verneinen, wenn der den Antrag stellende Bürger sich nicht zuvor an die zuständige Verwaltungsbehörde gewandt habe. Ziffer III. 2.2 des Rahmenhygieneplans ermögliche im Einzelfall die Anordnung des Mindestabstands auch im Klassenzimmer. Zuständig für die Anordnung sei nach Ziffer III. 2.2 die örtliche Kreisverwaltungsbehörde. Ausweislich der Antragsbegründung habe sich der Antragsteller jedoch lediglich an die Schulleitung gewandt. Von der Befassung des örtlichen Gesundheitsamtes habe der Antragsteller laut eigener Darstellung bewusst abgesehen.
Der Antrag sei unbegründet, weil der Antragsteller selbst nicht Schüler der betroffenen Schulen sei. Der Antragsteller sei „nur“ Vater zweier Töchter der betroffenen Schulen. Der Rahmenhygieneplan sehe für die diese Fälle in Ziffer III. 13.3 ausdrücklich vor, dass die Töchter zugunsten des Vaters von der Teilnahme am Präsenzunterricht befreit werden. Dem Anliegen des Antragstellers könne deshalb bereits unmittelbar auf Grundlage der geltenden Regelungen des Rahmenhygieneplans Rechnung getragen werden. Für den weitergehenden Anspruch auf Einführung des Mindestabstands zum Schutz des Antragstellers bestehe daher kein Raum.
Insoweit könne der Antragsteller auch nicht vortragen, dass eine Befreiung seiner Töchter nicht erfolgen könne, da diese ansonsten mangels unterrichtliches Onlineangebots benachteiligt würden. Zum einen sei es unzutreffend, dass im Falle einer Befreiung ein Onlineangebot von vornherein nicht in Betracht komme. Es sei zwar zutreffend, dass im Falle der Befreiung im Zusammenhang mit erkrankten Haushaltsangehörigen kein verbindlicher Anspruch auf Distanzunterricht bestehe. Das bedeute aber nicht, dass ein solcher ausgeschlossen sei. Selbstverständlich werde die Schule in solchen Fällen bemüht sein, befreite Schülerinnen und Schüler nach Möglichkeit am Unterricht teilhaben zu lassen (z.B. durch Streamen des Unterrichts). Zum anderen wäre die vorgetragene Benachteiligung der Töchter eine Rechtsverletzung, die seitens der Töchter geltend zu machen wäre. Einen Antrag hätten die Töchter aber nicht gestellt.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird entsprechend § 117 Abs. 3 Satz 2 der Verwaltungsgerichtsordnung auf die Gerichtsakte Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat keinen Erfolg.
Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn diese Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus Gründen nötig erscheint. Erforderlich ist für einen Erfolg des Antrags, dass der Antragsteller einen materiellen Anspruch (Anordnungsanspruch) und die Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung (Eilbedürftigkeit) gerade im einstweiligen Rechtsschutzverfahren (Anordnungsgrund) glaubhaft machen kann.
Zur Statthaftigkeit und damit Zulässigkeit eines Antrags nach § 123 VwGO ist erforderlich, dass die Zulässigkeitserfordernisse des zugehörigen Hauptsacheverfahrens gegeben sind, insbesondere also der Antragsteller nach § 42 Abs. 2 VwGO klagebefugt ist (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, § 123, Rn. 18). Eine Klagebefugnis in der Hauptsache setzt wiederum voraus, dass der Betreffende möglicherweise in seinen Rechten verletzt ist bzw. möglicherweise einen Anspruch auf die begehrte Leistung hat (Kopp/Schenke, VwGO, § 42, Rn. 66).
Hier möchte der Antragsteller erreichen, dass alle aktuellen und zukünftigen Weisungen des Antragsgegners, vertreten durch das Bayerischen Staatsministerium für Unterricht und Kultus, zum Infektionsschutz durch das Gericht (vorläufig) untersagt werden, soweit die Standards „gleichzeitig gegenüber Bürgern und Betrieben geltender Anordnungen“ eindeutig und unangemessen unterschritten würden und damit den Infektionsschutz unterliefen.
Weisungen einer Behörde an eine andere Behörde sind jedoch dadurch gekennzeichnet, dass sie nicht unmittelbar rechtserheblich nach außen wirken, sondern der Umsetzung durch die zuständige Behörde bedürfen. Eine unmittelbare Wirkung entfalten Weisungen nur im Innenbereich der Verwaltung, und zwar auch dann, wenn sich im Weiteren daraus Folgerungen für die betroffenen Bürger ergeben (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 35, Rn. 80, 98 ff.). Zum Gegenstand eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens kann dementsprechend in zulässiger Weise vom Betroffenen nicht die behördeninterne Weisung gemacht werden, sondern vielmehr der der Weisung nachfolgende behördliche Umsetzungsakt, weil erst mit diesem unmittelbare Rechtsfolgen für den Bürger bewirkt werden.
Vorliegend enthält § 18 der 8. BayIfSMV Regelungen für die bayerischen Schulen. Die Schulen haben ein Schutz- und Hygienekonzept auf der Grundlage eines ihnen von den Staatsministerien für Unterricht und Kultus und für Gesundheit und Pflege zur Verfügung gestellten Hygieneplans (Rahmenhygieneplan) auszuarbeiten und auf Verlangen der zuständigen Kreisverwaltungsbehörde vorzulegen (§ 18 Abs. 1 Satz 2 der 8. BayIfSMV). Spezielle Regelungen zur Maskenpflicht enthält § 18 Abs. 2 der 8. BayIfSMV, wobei der aktuelle Rahmenhygieneplan Schulen diesbezüglich auch allgemeine Ausnahmen enthält (S. 3). Der Rahmenhygieneplan bekräftigt aber vor allem, dass es den Kreisverwaltungsbehörden obliegt, Anordnungen im Einzelfall zu erlassen, so beispielsweise die Wiedereinführung des Mindestabstands von 1,5 m bzw. die Einstellung des Präsenzunterrichts. Die Möglichkeit weitergehender Anordnungen, die bereits aus § 25 der
8. BayIfSMV folgt, wird im Rahmenhygieneplan ebenfalls ausdrücklich angesprochen.
Vor diesem Hintergrund erscheint die Annahme des Antragstellers unzutreffend, dass den etwaigen örtlichen Besonderheiten, vor allem in Bezug auf das Infektionsgeschehen, nicht auf der Ebene der Kreisverwaltungsbehörde begegnet werden könne, sondern eine Zurücknahme der „Weisung“ des Kultusministeriums bzw. des entsprechenden Rahmenhygieneplans erforderlich sei.
Mit § 28a Abs. 3 Satz 2 IfSG, der seit dem 19.11.2020 gilt, gibt es nunmehr auch einen gesetzlichen Anknüpfungspunkt dafür, dass Schutzmaßnahmen grundsätzlich unter Berücksichtigung des jeweiligen Infektionsgeschehens regional bezogen auf die Ebene der Landkreise, Bezirke oder kreisfreien Städte ausgerichtet werden sollen.
§ 28a Abs. 1 Nr. 16 IfSG sieht die Erteilung von Auflagen für die Fortführung des Betriebs von Gemeinschaftseinrichtungen wie Schulen (vgl. § 33 Hs. 2 Nr. 3 IfSG) als Regelbeispiel vor.
Die Ermessensausübung der Kreisverwaltungsbehörde beim Erlass einer etwaigen Regelung wird sich u.a. an den neu eingeführten Maßstäben des § 28a Abs. 3 und 6 IfSG zu orientieren haben. Von Bedeutung sind vor allem der Schutz von Leben und Gesundheit sowie die Funktionsfähigkeit des Gesundheitssystems, aber eben auch der Bildungsauftrag der Schulen, wobei in die Ermessenserwägung eingestellt werden könnte, dass z.B. ein Distanzunterricht häufig einen nicht unerheblichen Qualitätsverlust für die Bildung vieler Kinder darstellt, oft an den technischen Voraussetzungen scheitert und einen hohen Betreuungsaufwand für viele Eltern erfordert. Jedenfalls wird die Kreisverwaltungsbehörde zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit dem vorgesehenen gestuften Vorgehen Rechnung zu tragen haben, d.h. Orientierung am tatsächlichen regionalen Infektionsgeschehen (vgl. BayVGH, B.v. 26.11.2020 – 20 CE 20.2735). Soweit der Behörde bei ihrer Entscheidung ein Ermessensspielraum zukommt, findet im verwaltungsgerichtlichen Verfahren eine entsprechende Kontrolle nur in den Grenzen des § 114 VwGO statt.
Vorliegend geht es dem Antragsteller jedoch nicht um eine konkrete Regelung auf örtlicher Ebene, die er angreift oder die er erwirken möchte, sondern er wendet sich allgemein gegen „alle aktuellen und zukünftigen Weisungen“. Für dieses Begehren gibt es jedoch keine rechtliche Grundlage.
Soweit der Antragsteller sich auch auf zukünftige Weisungen bezieht, tritt ein weiterer Aspekt hinzu: Der verwaltungsgerichtliche Rechtsschutz ist aus Gründen der Gewaltenteilung nicht vorbeugend konzipiert. Die Verwaltungsgerichtsordnung stellt ein System nachgängigen – ggf. auch vorläufigen – Rechtsschutzes bereit und geht davon aus, dass dieses zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) grundsätzlich ausreicht. Vorbeugende Klagen und erst recht vorbeugender vorläufiger Rechtsschutz sind daher nur zulässig, wenn ein besonderes schützenswertes – vorliegend nicht erkennbares – Interesse gerade an der Inanspruchnahme vorbeugenden Rechtsschutzes besteht, weil ein Verweis auf den nachgängigen Rechtsschutz – einschließlich des vorläufigen Rechtsschutzes – mit für den Rechtsschutzsuchenden unzumutbaren Nachteilen verbunden wäre, insbesondere die Schaffung irreversibler Fakten droht und dadurch nicht wiedergutzumachenden Nachteile entstehen können (vgl. BayVGH, B.v. 15.10.2020 – 20 CE 20.2237).
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 und 2 GKG.


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