Verwaltungsrecht

Vorgreiflichkeit eines strafrechtlichen Verfahrens

Aktenzeichen  13a C 18.954

Datum:
22.8.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 21855
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 94, § 146 Abs. 2, § 173
GKG § 3 Abs. 2

 

Leitsatz

Verfahrensgang

Au 8 K 17.1671 2018-04-04 Bes VGAUGSBURG VG Augsburg

Tenor

I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 4. April 2018 wird zurückgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

Die Klägerin wendet sich mit ihrer am Verwaltungsgericht Augsburg anhängigen Klage (Au 8 K 17.1671) gegen den Bescheid des Technologie- und Förderzentrums im Kompetenzzentrum für Nachwachsende Rohstoffe (TFZ) vom 11. Oktober 2017, mit dem der Zuwendungsbescheid vom 17. Dezember 2009 (Zuschuss für ein Biomasseheizkraftwerk in Höhe von 53.214 Euro) sowie der Auszahlungsbescheid vom 3. Dezember 2012 zurückgenommen wurden. Die Rücknahme ist damit begründet, dass die Fördervoraussetzungen – hier: eine Nennwärmeleistung von maximal 500 kW – nicht vorgelegen hätten. Die vorliegende Beschwerde richtet sich gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 4. April 2018, mit dem das dort anhängige Verfahren bis zum rechtskräftigen Abschluss des Strafverfahrens mit dem Az. 7 KLs 318 Js 118592/13 ausgesetzt wurde.
Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere ist die Aussetzung nach § 94 VwGO keine prozessleitende Verfügung im Sinn von § 146 Abs. 2 VwGO (siehe Rennert in Eyermann, VwGO, 14. Auflage 2014, § 94 Rn. 8). Sie ist aber nicht begründet.
Nach § 94 VwGO kann das Gericht, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits auszugesetzt wird. Dem Beschwerdegericht obliegt dabei im Rahmen der Beschwerde nur die Nachprüfung, ob die Voraussetzungen der Aussetzung gemäß § 94 VwGO vorliegen und das Verwaltungsgericht sein Ermessen fehlerfrei ausgeübt hat (Rennert in Eyermann, a.a.O., § 94 Rn. 8).
Dass das Verwaltungsgericht vorliegend annimmt, das Strafverfahren stelle ein vorgreifliches Rechtsverhältnis im Sinn von § 94 VwGO dar, ist nicht zu beanstanden. Zwischen den Parteien unstreitig liegt die für die Bewilligung des Zuschusses maßgebliche Grenze bei einer Nennwärmeleistung des eingesetzten Biomasseheizkessels von 500 kW. Für die Rücknahme des Förderderbescheids kommt es deshalb maßgeblich darauf an, ob ein solcher Kessel auch wirklich eingebaut wurde. Dieselbe Frage stellt sich im anhängigen Strafverfahren wegen Subventionsbetrugs. Dort ist maßgeblich auf die beiden Komponenten (objektive) Täuschungshandlung über den Einbau eines Kessels mit einer Nennwertleistung von insgesamt maximal 500 kW und (subjektive) Schuld abzustellen. Eine Aussetzung nach § 173 VwGO i.V.m. § 149 ZPO ist insbesondere für den Fall möglich, dass bei der Beweiswürdigung das Ergebnis eines parallel laufenden Strafverfahrens abgewartet werden soll (vgl. Rudisile in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand Juni 2017, § 94 Rn. 19). So liegt es hier. Zwar ist es – wie die Klägerin richtig einwendet – nicht ausreichend, wenn sich in dem anderen Verfahren dieselbe Rechtsfrage stellt, weil es insoweit es nicht um die Feststellung eines Rechtsverhältnisses geht (siehe hierzu Kopp/Schenke, VwGO, 23. Aufl. 2017, § 94 Rn. 4 f.; Rudisile a.a.O., § 94 Rn. 21). Allerdings steht vorliegend keine Rechtsfrage im Raum, etwa die Gültigkeit oder Auslegung einer Norm, sondern die tatsächliche Frage, ob ein Kessel mit einer Nennwärmeleistung von 500 kW eingesetzt wurde. Mit der Landesanwaltschaft ist deshalb davon auszugehen, dass der Umstand, ob ein Kessel mit einer Nennwärmeleistung von maximal 500 kW eingesetzt wird, nicht nur Teil des Verwaltungs-, sondern auch des Strafrechtsverhältnisses ist. Dort werde zu prüfen sein, ob über den Einbau eines solchen Kessels wissentlich und willentlich getäuscht worden sei. Letztendlich sieht das auch die Klägerin so, wenn sie ausführt, im Strafverfahren sei die Frage zu beantworten, ob eine „schuldhafte Täuschungshandlung“ vorliege. Dies sei beim Einbau eines Kessels mit einer Nennwärmeleistung von maximal 500 kW mangels einer strafrechtlich relevanten Täuschungshandlung nicht der Fall. Zugleich aber komme in diesem Fall auch der Klägerin zufolge ein Widerruf oder eine Rücknahme nicht in Betracht, weil die Fördervoraussetzungen erfüllt seien.
Es bestehen ferner weder Anhaltspunkte noch wurde es von der Klägerin grundsätzlich in Frage gestellt, dass der angegriffene Aussetzungsbeschluss nicht ermessensfehlerfrei ergangen wäre. Liegen die Tatbestandsvoraussetzungen des § 94 VwGO vor, so ist eine Abwägung vorzunehmen zwischen dem grundrechtlich geschützten Interesse des Rechtssuchenden an einer zügigen Durchführung des Verfahrens und den mit dem Rechtsinstitut der Aussetzung verfolgten Zielen – insbesondere der Prozessökonomie und der Vermeidung divergierender Gerichtsentscheidungen (vgl. BayVGH, B.v. 2.4.2015 – 22 C 14.2701 – juris; Rudisile, a.a.O., § 94 Rn. 31). Dass die demnach vorzunehmende Abwägung fehlerhaft wäre, ist nicht zu erkennen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Einer Festsetzung des Streitwerts bedarf es nicht, weil nach Nr. 5502 der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG im Falle der Zurückweisung der Beschwerde eine pauschale Gerichtsgebühr zu entrichten ist.


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