Verwaltungsrecht

Widerruf einer Nebentätigkeitsgenehmigung – private Nebentätigkeit trotz Dienstunfähigkeit

Aktenzeichen  3 ZB 20.863

Datum:
15.5.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 14682
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBG Art. 81 Abs. 3 S. 2 Nr. 6, S. 7
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 2
BayDG Art. 7 Abs. 1 S. 2
BayDSG Art. 4, Art. 5

 

Leitsatz

1. Das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Integrität des öffentlichen Dienstes ist in besonderem Maße dann beeinträchtigt, wenn ein Beamter, der aufgrund einer Erkrankung außerstande ist, Dienst zu verrichten, dennoch in dieser Zeit der Dienstunfähigkeit, in der er von seinem Dienstherrn alimentiert wird, einer privaten Erwerbstätigkeit nachgeht. Wenn der Beamte ohne zwingende Notwendigkeit aus Eigennutz einer privaten Nebentätigkeit nachgeht, erweckt er den Eindruck, nicht so krank zu sein, dass er zur Dienstleistung außerstande ist.  (Rn. 5) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Ausspruch einer Missbilligung nach Art. 7 Abs. 1 Satz 2 des Bayerischen Disziplinargesetzes (BayDG) steht dem Widerruf der Nebentätigkeitsgenehmigung nicht unter dem Gesichtspunkt des Doppelbestrafungsverbots des Art. 103 Abs. 3 GG entgegen. Die Norm gilt nach Wortlaut und Sinn nur für Bestrafungen aufgrund der allgemeinen Strafgesetze. Sie ist nicht entsprechend auf andere Rechtskreise zu übertragen und gilt selbst im Verhältnis von Kriminalstrafen und Disziplinarmaßnahmen nicht. (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

2 K 18.2147 2020-03-05 Urt VGAUGSBURG VG Augsburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 20.000 Euro festgesetzt.

Gründe

Der auf die Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (ernstliche Zweifel), des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO (besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten) und § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO (Verfahrensmangel) gestützte Antrag bleibt ohne Erfolg.
1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts im Sinn von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO sind dann zu bejahen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird und die Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen. Auf der maßgeblichen Grundlage des Zulassungsvorbringens liegen keine ernstlichen Zweifel in diesem Sinn vor, die die Zulassung der Berufung rechtfertigen könnten.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 29. November 2018, mit dem die dem Kläger erteilte Genehmigung zur Ausübung seiner Nebentätigkeit als selbstständiger Trainer im Bereich des Ausdauersports (Schwimmsport) in Anbetracht der derzeit bei ihm vorliegenden länger andauernden (seit Oktober 2018) krankheitsbedingten Dienstunfähigkeit gemäß Art. 81 Abs. 3 Satz 2 Nr. 6, Satz 7 BayBG widerrufen worden ist, zu Recht abgewiesen.
Mit seiner Zulassungsbegründung vermag der Kläger die Richtigkeit des angefochtenen Urteils nicht ernstlich in Zweifel zu ziehen, da er sich im Wesentlichen auf die bloße Wiederholung seines bisherigen Vortrags beschränkt, ohne damit einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung des Erstgerichts mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage zu stellen.
Der Kläger geht fehl in der Annahme, in den Entscheidungsgründen (Rn. 31 ff.) seien unzulässig Tatsachen berücksichtigt worden (Entlassungsbericht einer Privatklinik v. 28.10.2019, Tätigkeiten des Klägers nach November 2018, Öffentlichkeitswirksamkeit der Nebentätigkeit), die nach der letzten Behördenentscheidung (29.11.2018) entstanden sind. Soweit das Erstgericht auf den vom Kläger im verwaltungsgerichtlichen Verfahren mit Schriftsatz vom 15. November 2019 vorgelegten Entlassungsbericht rekurriert, setzt es sich (lediglich) mit dem klägerischen Vortrag auseinander, es werde ärztlich bestätigt, dass die Trainertätigkeit als aktiver Schwimmer zu den notwendigen positiven Ausgleichsaktivitäten und zur weiteren Behandlung gehöre und daher förderlich und notwendig sei. Die klägerische Auffassung, die Öffentlichkeitswirksamkeit der Nebentätigkeit (vgl. Behördenakte S. 319 ff.; Personalakte S. 185/219) sei für die Rechtslage nicht bedeutsam, trifft nicht zu (vgl. dazu bereits BayVGH, B.v. 27.4.2020 – 3 CS 20.535 – Rn. 6). Denn das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Integrität des öffentlichen Dienstes ist in besonderem Maße dann beeinträchtigt, wenn ein Beamter, der aufgrund einer Erkrankung außerstande ist, Dienst zu verrichten, dennoch in dieser Zeit der Dienstunfähigkeit, in der er von seinem Dienstherrn alimentiert wird, einer privaten Erwerbstätigkeit nachgeht. Denn damit zeigt er nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, U.v. 1.6.1999 – 1 D 49.97 – juris Rn. 58; vgl. auch OVG NW, U.v. 23.10.2019 – 3d A 3489/18.O – juris Rn. 216) regelmäßig ein Verhalten, das auf Unverständnis stößt und geeignet ist, das Vertrauen in die Loyalität der Beamtenschaft zu beeinträchtigen. Gerade durch die Alimentierung auch während der Dienstunfähigkeit wird sichergestellt, dass sich ein Beamter schonen kann, um seine Genesung bestmöglich zu fördern, und nicht gezwungen ist, eine anderweitige Tätigkeit aufzunehmen, um seinen Lebensunterhalt zu sichern. Wenn der Beamte ohne zwingende Notwendigkeit aus Eigennutz einer privaten Nebentätigkeit nachgeht, erweckt er den Eindruck, nicht so krank zu sein, dass er zur Dienstleistung außerstande ist, dass er also seine Dienstbezüge erhält, ohne zugleich seine wiederhergestellte Arbeitskraft seinem Dienstherrn zur Verfügung zu stellen.
Auch der vom Kläger erhobene Einwand, die Durchführung von lediglich drei Schwimmkursen an Wochenenden würden unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts Bayreuth (U.v. 24.5.2016 – B 5 K 15.66) nicht zur Beeinträchtigung dienstlicher Interesse führen, vermag die Zulassung der Berufung nicht zu rechtfertigen. Indem das angefochtene Urteil (Rn. 30) bei der Beurteilung der Frage, ob eine Nebentätigkeit dienstliche Interessen beeinträchtigt, unter anderem darauf abstellt, ob es bei verständiger Würdigung ernsthaft möglich ist, dass die Nebentätigkeit ansehensmindernde Auswirkungen hat, folgt es der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, U.v. 24.11.2005 – 2 C 32.04 – juris Rn. 15). Der Argumentation (Rn. 31), mit der das Verwaltungsgericht eine „Beeinträchtigung des Ansehens der Verwaltung“ begründet, setzt der Kläger nichts Substantiiertes entgegen. Die vom Verwaltungsgericht Bayreuth entschiedene Streitigkeit trägt den dortigen Besonderheiten Rechnung. Eine allgemeingültige Aussage, die auf den vorliegenden Fall übertragen werden könnte, wird damit nicht getroffen.
Der Kläger räumt ein, während seiner Erkrankung seine Nebentätigkeit weiter ausgeübt zu haben (z.B. Schr. v. 23.12.2019 „hat lediglich einige nicht delegierbare Camps durchgeführt“). Damit gehen seine Einwände, es sei weder geprüft worden, wer die Kurse durchgeführt habe, noch habe die Auskunft der Stadt I. über die Erteilung von Schwimmkursen durch den Antragsteller im November 2018 aus datenschutzrechtlichen Gründen verwertet werden dürfen, schon im Ansatz fehl (BayVGH, B.v. 27.4.2020 a.a.O. Rn. 7). Ob die der Beklagten übermittelten Daten einem Verwertungsverbot unterliegen, braucht daher nicht abschließend geklärt zu werden.
2. Aus den unter 1. dargestellten Gründen ergibt sich zugleich, dass die Rechtssache nicht die behaupteten besonderen rechtlichen oder tatsächlichen Schwierigkeiten i.S.d. § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO aufweist. Tatsächliche Schwierigkeiten werden mangels Entscheidungserheblichkeit nicht dadurch dargelegt, dass nach Ansicht der Klagepartei ein Aktenvermerk vom 4. Oktober 2018 unberücksichtigt geblieben sei, in dem der Leiter der Personalabteilung dem Kläger zu verstehen gegeben habe, dass er seine Nebentätigkeit weiter ausführen könne, wenn es hierbei zu keinem Missverhältnis gegenüber dessen Präsenzzeiten am Arbeitsplatz käme; gleiches gilt für den klägerischen Hinweis, das Verfahren der Ruhestandsversetzung wegen Dienstunfähigkeit würde sich seit nunmehr 2018 hinauszögern.
Eine besondere Schwierigkeit im Rechtlichen wird ferner nicht durch den Vortrag dargelegt, der gleiche Sachverhalt werde durch den Widerruf der Nebentätigkeitsgenehmigung und der ausgesprochenen Missbilligung doppelt sanktioniert. Denn es lässt sich ohne weiteres anhand der anzuwendenden Rechtsnormen klären, dass der Ausspruch einer Missbilligung nach Art. 7 Abs. 1 Satz 2 des Bayerischen Disziplinargesetzes (BayDG) dem Widerruf der Nebentätigkeitsgenehmigung nicht unter dem Gesichtspunkt des Doppelbestrafungsverbots des Art. 103 Abs. 3 GG entgegensteht (vgl. bereits BayVGH, B.v. 27.4.2020 a.a.O. Rn. 10). Das Verbot der Doppelbestrafung hat im Grundgesetz nur hinsichtlich des Strafrechts Eingang gefunden. Art. 103 Abs. 3 GG gilt nach Wortlaut und Sinn nur für Bestrafungen aufgrund der allgemeinen Strafgesetze. Er ist nicht entsprechend auf andere Rechtskreise zu übertragen. Er gilt selbst im Verhältnis von Kriminalstrafen und Disziplinarmaßnahmen nicht (so bereits BVerfG, B.v. 2.5.1967 – 2 BvR 391/64 – juris Rn. 17). Daneben unterscheiden sich die Missbilligung und der Widerruf der Nebentätigkeitsgenehmigung hinsichtlich Rechtsgrund und Zweckbestimmung auch grundlegend. Die schriftliche Missbilligung eines bestimmten Verhaltens eines Beamten bildet eine Unterform der in Art. 7 Absatz 1 Satz 2 BayDG vorgesehenen missbilligenden Äußerungen, die nicht ausdrücklich als Verweis bezeichnet werden und keine Disziplinarmaßnahmen darstellen, wobei als Missbilligung grundsätzlich jede dienstaufsichtliche Beanstandung des Verhaltens eines Beamten betrachtet wird, gleichgültig in welcher Form sie geschieht (Zängl, Bayerisches Disziplinarrecht, Stand August 2019, Art. 7 BayDG Rn. 10 ff.). Sie findet ihre Rechtsgrundlage in der aus dem allgemeinen Beamtenrecht folgenden Geschäftsleitungs-, Weisungs- und Aufsichtsbefugnis des Dienstherrn, die ihn im Rahmen der Dienstaufsicht berechtigt, auf eine reibungslose und rechtsfehlerfreie Erledigung der Dienstgeschäfte hinzuwirken und bei Bedarf kritisch einzuschreiten. Die Missbilligung ist als gemilderter Tadel eines der Ordnung zuwiderlaufenden Verhaltens zu verstehen, der spezial- und/oder generalpräventiven Zwecken dient. Es handelt sich um ein außerdisziplinarrechtliches pädagogisches Mittel, das Dienstvorgesetzte besitzen, um auf ein dienstlich zu beanstandendes Verhalten angemessen reagieren zu können (BayVGH, B.v. 5.7.2016 – 3 ZB 14.1781 – juris Rn. 8 m.w.N.). Demgegenüber bezweckt der Widerruf einer Nebentätigkeitsgenehmigung, die Verhinderung der Beeinträchtigung dienstlicher Interessen (Art. 81 Abs. 3 Satz 7 BayBG). Sie dient der Durchsetzung der pflichtgemäßen und vollwertigen Diensterfüllung und der Vermeidung von Interessenkonflikten und damit gerade nicht spezial- und/oder generalpräventiven Zwecken oder der Sanktionierung eines Fehlverhaltens des Beamten.
3. Auch der geltend gemachte Zulassungsgrund eines Verfahrensmangels (nach § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) liegt nicht vor. Mit dem Verstoß gegen Art. 4 und 5 BayDSG rügt der Kläger Fehler bei der Anwendung materiellen Rechts und keine den Verfahrensablauf regelnde Vorschrift des Verfahrensrechts (BVerwG, B.v. 2.11.1995 – 9 B 710.94 – juris Rn. 5; Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 124 Rn. 48).
4. Der Zulassungsantrag war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO abzulehnen.
5. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 VwGO und Nr. 10.6 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (wie Erstinstanz). Nach den Angaben des Klägers beläuft sich der Verdienst aus seiner Nebentätigkeit jährlich auf etwa 20.000 Euro (Klageschrift v. 28.12.2018).
6. Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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