Baurecht

Baunachbarprozess

Aktenzeichen  M 1 SN 19.5089

Datum:
3.7.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 17004
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 5, § 80a, § 123
BayBO Art. 6, Art. 68, Art. 75 S. 1

 

Leitsatz

1. Es wäre widersprüchlich, wenn der Gesetzgeber auf der einen Seite das (drittschützende) Abstandsflächenrecht selbst so präzise ausgestaltet, es dem Nachbarn auf der anderen Seite aber verwehrt wäre, geringe Verstöße gegen Art. 6 BayBO rügen zu können. (Rn. 33) (redaktioneller Leitsatz)
2. Bei der Tiefe der Abstandsfläche gem. Art. 6 Abs. 4 Satz 1 BayBO bleiben Aufschüttungen und Abgrabungen mit und ohne Zusammenhang zum Bauvorhaben, sofern sie nicht eine längere Zeit zurückliegen, grundsätzlich unberücksichtigt. (Rn. 35) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die mittels Interpolation durchgeführte Annäherung eignet sich grundsätzlich, zumindest den Beweis des ersten Anscheins für den Verlauf der natürlichen Geländeoberfläche zu führen. (Rn. 44) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller und der Beigeladene zu 2) haben die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1) zu je 1/2 zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf EUR 3.750,– festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller begehrt im Hauptantrag die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen die der Beigeladenen zu 1) erteilten Baugenehmigung zur Errichtung von zwei Doppelhäusern mit Carport und Stellplätzen auf dem Grundstück FlNr. 48 Gemarkung … … Hilfsweise begehrt der Antragsteller, den Antragsgegner zu verpflichten, gegen die weiteren Bauarbeiten bauaufsichtlich einzuschreiten.
Nördlich des Baugrundstücks liegen die Grundstücke FlNr. 481/8 und 481/9 Gemarkung … … (die im Folgenden genannten Flurnummern liege allesamt in derselben Gemarkung), die mit einem Doppelhaus bebaut sind. Der Antragsteller ist Eigentümer der östlich gelegenen Doppelhaushälfte auf dem Grundstück FlNr. 481/8.
Die Beigeladene zu 1) stellte unter dem 8. September 2017 einen Vorbescheidsantrag für die Errichtung von zwei Doppelhäusern mit Garagen auf dem Grundstück FlNr. 48. In dem Antrag auf Erteilung eines Vorbescheids wurde die Traufhöhe der Gebäude mit je 5,50 m, die Firsthöhe mit 8,04 m, die Länge und Breite der Doppelhäuser mit 15,00 m und 12,00 m angegeben. Von einer Nachbarbeteiligung wurde abgesehen.
Mit Bescheid vom 20. März 2018 erließ das Landratsamt gegenüber der Beigeladenen zu 1) den beantragten Vorbescheid und stellte fest, dass die beiden Doppelhaushälften im Hinblick auf die jeweils angegebene Grundfläche, Höhe, Kubatur und geplante Nutzung bauplanungsrechtlich zulässig seien.
Im Juli 2018 stellte die Beigeladene zu 1) einen Bauantrag für den Neubau von zwei Doppelhäusern mit Carports und Stellplätzen auf dem streitgegenständlichen Grundstück. Im Eingabeplan gab die Beigeladene zu 1) für beide Doppelhäuser die Höhe des Schnittpunkts der Wand mit der Dachhaut mit +5,70 m und die Firsthöhe mit +8,25 m an. Als Dachform war ein Walmdach mit einer Dachneigung von ca. 23 Grad vorgesehen. Die Länge der Doppelhäuser sollte jeweils 14,20 m und die Breite je 12,00 m betragen. Hinsichtlich der Höhen wurden folgende Angaben gemacht: 523,65 m über Normalnull (ü. NN) als Höhe der Oberkante Fertigfußboden; 523,50 m ü. NN (-0,15) als Höhe der Oberkante Rohbetondecke; 523,42 m ü. NN (-0,23) als Höhe der Oberkante des Geländes an der nordwestlichen Grundstücksecke; 523,55 m (-0,10 m) als Höhe der Oberkante des Geländes an der nordöstlichen Grundstücksecke; 523,50 m ü. NN (-0,15) als Höhe der Oberkante des Geländes nordöstlich der beiden Doppelhäuser; 523,49 m ü. NN (-0,16) als Höhe der Oberkante des Geländes an der südwestlich des nördlichen Doppelhauses gelegenen Grundstücksgrenze zum Grundstück FlNr. 46 und 523,56 m ü. NN (-0,09) südwestlich des zu errichtenden Carports Nr. 3 an der Grundstücksgrenze zum Grundstück FlNr. 46. Eine Angabe zur natürlichen Geländeoberfläche an der nordwestlichen Ecke des nördlichen Doppelhauses enthielt der Eingabeplan nicht. Der Antragsteller erteilte keine Zustimmung zu dem Bauantrag.
Mit Bescheid vom 4. Oktober 2018 genehmigte das Landratsamt den vorgenannten Bauantrag der Beigeladenen zu 1) nach Maßgabe der eingereichten Bauvorlagen im vereinfachten Genehmigungsverfahren.
Die Baugenehmigung wurde am 26. Oktober 2018 im Amtsblatt des Landratsamts öffentlich bekanntgemacht.
Die Beigeladene zu 1) begann sodann am 17. April 2019 mit dem Bau des nördlichen Doppelhauses. Nach Aushebung der Baugrube und Errichtung des Kellergeschosses fand am … Mai 2019 eine Baukontrolle statt. Bei dieser stellte das Landratsamt fest, dass das Kellergeschoss planabweichend zu hoch errichtet worden sei und der Unterschied zwischen Oberkante Fertigfußboden zur Oberkante des Geländes -0,785 m zur nordwestlichen Grundstücksgrenze und -0,565 zur südwestlichen Grundstücksgrenze betrage. Da das Landratsamt davon ausging, dass die Abstandsflächen nun nach Nordwesten und Südwesten nicht mehr eingehalten werden können, ordnete es noch am selben Tag gegenüber der Beigeladenen zu 1) telefonisch eine Baueinstellung an und bestätigte diese mit Bescheid vom 20. Mai 2019.
Am 20. Mai 2019 vermaß ein von der Beigeladenen zu 1) beauftragtes Ingenieurbüro (** * … …büro) im Bereich der Grundstücksgrenzen das noch bestehende Urgelände, um die ursprünglichen Geländehöhen auf dem Vorhabengrundstück zu bestimmen. Durch eine geradlinige Interpolation von Südwest nach Nordost wurde rechnerisch eine Geländehöhe von 522,98 m ü. NN für die nordwestliche Ecke und eine Geländehöhe von 523,21 m ü. NN für die nordöstliche Ecke des nördlichen Doppelhauses ermittelt.
Unter dem 14. Juni 2019 stellte die Beigeladene zu 1) einen Änderungsantrag zu dem mit Bescheid vom 4. Oktober 2018 genehmigten Bauvorhaben. Entsprechend dem Eingabeplan soll der Schnittpunkt der Wand mit der Dachhaut für das südliche Doppelhaus +5,65 m und für das nördliche Doppelhaus +5,27 m betragen. Als Firsthöhe ist bei gleicher Dachform für das südliche Doppelhaus +8,20 m, für das nördliche Doppelhaus +7,82 m vorgesehen. Länge und Breite der Doppelhäuser sowie der Abstand des nördlichen Doppelhauses zu den Grundstücken FlNr. 481/8 und 481/9 sind wie im Eingabeplan zum Bauantrag vom Juli 2018 mit 14,20 m, 12,00 m und 5,90 m angegeben. Hinsichtlich der Höhen enthält der Eingabeplan folgende Angaben: 523,60 m ü. NN als Höhe der Oberkante Fertigfußboden; 523,45 m ü. NN (-0,15) als Höhe der Oberkante Rohbetondeckel; 523,28 m ü. NN (-0,32) als Höhe der Oberkante des Geländes an der nordwestlichen Grundstücksecke; 523,40 m (-0,20) als Höhe der Oberkante des Geländes an der nordöstlichen Grundstücksecke. Hinsichtlich der natürlichen Geländeoberfläche enthält der Eingabeplan entsprechend den am 20. Mai 2019 errechneten Werten folgende Angaben: 522,98 m ü. NN (-0,62) an der nordwestlichen, 523,21 m. ü. NN (-0,39) an der nordöstlichen, 523,11 m ü. NN (-0,49) an der südwestlichen und 523,18 m. ü. NN (-0,42) an der südöstlichen Gebäudeecke des nördlichen Doppelhauses. Im Eingabeplan ist auch eine Berechnung der Abstandsflächen enthalten, in der es u.a. heißt: „Nordwest Haus 1/2: H8: Wandhöhe bis OK Dachhaut = 528,87 m ü. NN – 522,98 m ü. NN = 5,89 m“. Der Antragsteller erteilte keine Zustimmung zu dem Bauantrag.
Mit Beschlüssen vom 25. Juni und 16. Juli 2019 versagte der Beigeladene zu 2) sein Einvernehmen zu dem Änderungsantrag.
Mit Bescheid vom 2. August 2019 genehmigte das Landratsamt den Bauantrag vom 14. Juni 2019 nach Maßgabe der eingereichten Bauvorlagen im vereinfachten Genehmigungsverfahren. Begründet wurde die Erteilung damit, dass das Bauvorhaben den zu prüfenden öffentlich-rechtlichen Vorschriften entspreche. Das Bauvorhaben sei bauplanungsrechtlich nach § 34 BauGB zu beurteilen und füge sich in die Eigenart der näheren Umgebung ein. Die Abstandsflächen nach Art. 6 BayBO seien eingehalten. Ausführungen zur Geländeoberfläche enthält die Baugenehmigung nicht.
Die Baugenehmigung vom 2. August 2019 wurde dem Antragsteller mittels Postzustellungsurkunde am 6. August 2019 zugestellt.
Am *. September 2019 hat der Antragsteller Klage (M 1 K 19.4586) zum Bayerischen Verwaltungsgericht München erhoben und die Aufhebung des Baugenehmigungsbescheids vom 2. August 2019 beantragt. Zugleich beantragt er in diesem Verfahren,
1. die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen,
2. den Antragsgegner hilfsweise zu verpflichten, gegen die weiteren Bauarbeiten bauaufsichtlich einzuschreiten.
Zur Begründung trägt der Antragsteller im Wesentlichen vor, dass die Vorschriften über die Abstandsflächen nach Art. 6 BayBO verletzt seien. Da die Vorschrift seit dem 1. September 2018 wieder Teil des Prüfprogramms im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren sei, müsse die streitgegenständliche Baugenehmigung nach neuem Recht beurteilt werden. Die Abstandsflächen lägen teilweise auf dem Grundstück des Antragstellers, sodass ein Verstoß gegen Art. 6 BayBO vorliege. Das auf dem nördlichen Teil des Vorhabengrundstücks liegende Gebäude sei in der streitgegenständlichen Baugenehmigung mit einer Wandhöhe von 528,87 m ü. NN angegeben worden. Ein von dem Beigeladenen zu 2) beauftragtes Ingenieurbüro (* … Ingenieurvermessung) habe bei der am 26. September 2019 gemessenen und am 30. September 2019 gezeichneten Nachvermessung als Höhenbezugspunkt für die Geländeoberfläche an der nordwestlichen Ecke des nördlichen Doppelhauses eine Höhe von 522,84 ü. NN ergeben. Da der Grenzabstand nur 5,89 m und die Wandhöhe 6,03 m betrage, liege eine Abstandsflächenüberschreitung zulasten des Antragstellers vor. Eine Abweichung nach Art. 63 BayBO sei nicht erteilt worden und wäre auch nicht zulässig. Der Tekturbescheid sei daher rechtswidrig und verletze den Antragsteller in seinen Rechten. Durch die weitere Bauausführung würden irreversible Schäden drohen. Es käme zu einer weder rechtlich noch baulich heilbaren Verletzung des Abstandsflächenrechts zum Nachteil des Antragstellers. Das Aussetzungsinteresse überwiege unter den gegebenen Umständen das Interesse der Beigeladenen zu 1).
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung führt der Antragsgegner aus, dass zum Zeitpunkt der Antragstellung das Kellergeschoss des nördlichen Doppelhauses bereits errichtet und damit das natürliche Gelände nicht mehr vorhanden gewesen sei. Zur Bestimmung der Höhen des ursprünglichen Geländes sei die Einmessungsbescheinigung eines von der Beigeladenen zu 1) beauftragten Ingenieurbüros vom 20. Mai 2019 (** * … …büro) herangezogen worden. In dieser seien durch geradlinige Interpolation der an der Grundstücksgrenze gemessenen Werte die ursprünglichen Geländehöhen im Bereich der Gebäudeecken rechnerisch ermittelt worden. Die Geländehöhe habe danach an der betreffenden nordwestlichen Gebäudeecke des nördlichen Doppelhauses 522,98 m ü. NN betragen. Die Tiefe der Abstandsfläche betrage somit 5,89 m (528,87 m ü. NN (Schnittpunkt der Wand mit der Dachhaut) – 522,98 m ü. NN (natürliche Geländehöhe an der nordwestlichen Ecke des nördlichen Doppelhauses)). Da der Abstand zu den Grundstücken FlNr. 481/8 und 481/9 ebenfalls jeweils 5,89 m betrage, könne die Abstandsfläche auf dem Baugrundstück nachgewiesen werden. Eine Verletzung von nachbarschützenden Rechten des Antragstellers sei nicht gegeben.
Die Beigeladene zu 1) beantragt,
Haupt- und Hilfsantrag des Antragstellers abzulehnen.
Zur Begründung trägt die Beigeladene zu 1) im Wesentlichen vor, dass eine Verletzung drittschützender Vorschriften nicht ersichtlich sei. Das genehmigte Bauvorhaben halte die Abstandsflächen zum Antragsteller ein. Der Baugenehmigung liege entgegen der Auffassung des Antragstellers nicht die Einmessungsbescheinigung des beauftragten Ingenieurbüros vom 4. Mai 2019, sondern die Einmessungsbescheinigung vom 20. Mai 2019 zugrunde. Da die Baugrube am 20. Mai 2019 bereits ausgehoben gewesen sei, sei eine Bestimmung der natürlichen Geländeoberfläche nicht mehr möglich gewesen. Anhand einer an der Süd-West-Ecke sowie der Nord-West-Ecke existierenden Sockelmauer sei die ehemalige Geländeoberkante bestimmt worden. Die vom Antragsteller durchgeführte Nachvermessung sei nicht geeignet, die Ergebnisse der Messung vom 20. Mai 2019 in Zweifel zu ziehen. In der Nachvermessung des Antragstellers seien nur die Höhepunkte der Nachbargrundstücke gemessen worden; die Geländeoberfläche des Vorhabengrundstücks seien ausschließlich berechnet worden. Basis für die Nachvermessung des Antragstellers sei ein digitales Geländemodell im 1 m Raster (DGM1) des Amts für Digitalisierung, Breitband und Vermessung (ADBV) gewesen, dessen Daten aus einer Befliegung aus dem Jahr 2010 stammen würden. Die Daten aus dem DGM1 seien nur rechnerisch ermittelte Werte. Die Höhengenauigkeit liege ausweislich der offiziellen Website des ADBV für das DGM1 bei +/- 0,2 m. Bei der Nachvermessung durch den Antragsteller sei das nach dem DGM1 ermittelte Urgelände zudem unzulässigerweise um 0,05 m angehoben worden. Selbst wenn man die vom Antragsteller vorgelegte Berechnung der Geländeoberfläche nach dem DGM1 heranzöge, seien die Abstandsflächen nur um wenige Zentimeter überschritten. Da die Überschreitung innerhalb der Toleranzen des DGM1 liege und sich nicht spürbar auf die angrenzende Bebauung des Antragstellers auswirke, liege eine unzulässige Rechtsausübung vor. Im Übrigen sei die Überprüfung der angegebenen Höhenkoten nicht vom Prüfungsumfang der Bauaufsichtsbehörde umfasst, weshalb der Antragsteller sich nicht darauf berufen könne. Auch der Hilfsantrag habe mangels Verstoß gegen das Abstandsflächenrecht keinen Erfolg. Selbst wenn eine Abstandsflächenüberschreitung von 0,14 m vorliege, sei die Verletzung nur geringfügig und würde nicht zu einem Anspruch des Antragstellers auf bauaufsichtliches Einschreiten führen.
Der Beigeladene zu 2) führt aus, dass er aufgrund von Zweifeln an den der Baugenehmigung zugrunde gelegten Geländehöhen die Nachvermessung des ursprünglichen Geländes durch ein Ingenieurbüro (* … Ingenieurvermessung) in Auftrag gegeben habe. Da dieses in seiner Messung zu einer Abstandsflächenüberschreitung von 0,14 m gekommen sei, habe man das Einvernehmen wegen der Verletzung von nachbarschützenden Rechten versagt. Der Beigeladene zu 2) schließt sich den Anträgen des Antragstellers an.
Wegen der weiteren Einzelheiten und dem Vorbringen der Beteiligten im Übrigen wird auf die Gerichts- und Behördenakten, auch in den beigezogenen Verfahren M 1 K 19.4586 und M 1 K 19.4441 Bezug genommen. Gegenstand des Verfahrens M 1 K 19.4441 sind weitere bei Gericht anhängige Nachbarklagen gegen das Bauvorhaben.
II.
Sowohl der Haupt- als auch der Hilfsantrag haben keinen Erfolg.
1. Der Hauptantrag nach § 80a Abs. 3 Satz 2 VwGO i.V.m. § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die der Beigeladenen zu 1) erteilten Baugenehmigung vom 2. August 2019 ist zulässig, aber unbegründet.
Im Rahmen eines Verfahrens nach § 80a Abs. 3 Satz 2 VwGO i.V.m § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO trifft das Gericht aufgrund der sich im Zeitpunkt seiner Entscheidung darstellenden Sach- und Rechtslage eine eigene Ermessensentscheidung darüber, ob die Interessen, die für einen sofortigen Vollzug des angefochtenen Verwaltungsakts sprechen, oder diejenigen, die für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung streiten, höher zu bewerten sind. Im Rahmen dieser Interessenabwägung sind auch die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache zu berücksichtigen. Diese sind ein wesentliches, aber nicht das alleinige Indiz für und gegen den gestellten Antrag. Wird der in der Hauptsache erhobene Rechtsbehelf bei der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nur möglichen summarischen Prüfung voraussichtlich erfolgreich sein (weil er zulässig und begründet ist), so wird regelmäßig nur die Anordnung der aufschiebenden Wirkung in Betracht kommen. Wird dagegen der in der Hauptsache erhobene Rechtsbehelf voraussichtlich keinen Erfolg haben (weil er unzulässig oder unbegründet ist), so ist dies ein starkes Indiz für die Ablehnung des Antrages auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung. Sind die Erfolgsaussichten als offen zu bewerten, findet eine allgemeine, von den Erfolgsaussichten unabhängige Abwägung der für und gegen den Sofortvollzug sprechenden Interessen statt.
Zu beachten ist weiter, dass sich Nachbarn – wie hier der Antragsteller – als Dritte auch im Verfahren gem. § 80a Abs. 3 Satz 2 VwGO i.V.m. § 80 Abs. 5 VwGO nur dann mit Aussicht auf Erfolg gegen eine Baugenehmigung zur Wehr setzen können, wenn diese rechtswidrig ist und die Rechtswidrigkeit auf der Verletzung einer Norm beruht, die gerade dem Schutz des betreffenden Nachbarn zu dienen bestimmt ist.
Gemessen an diesen Maßstäben fällt die Interessenabwägung zulasten des Antragstellers aus, weil sich die Baugenehmigung vom 2. August 2019 bei summarischer Prüfung voraussichtlich als rechtmäßig erweist. Der Antragsteller vermag es im Verfahren des einstweiligen Rechtschutzes nicht, mit seinem Vortrag und den vorgelegten Messungen die Messergebnisse, welche die Beigeladene zu 1) im Wege der geradlinigen Interpolation ermittelte, zu erschüttern. Auch aus der vorgelegten Behördenakte ergibt sich kein Anhaltspunkt dafür, dass die der Baugenehmigung zu Grunde gelegten Messungen unrichtig sind. Im Übrigen ist eine Beweisaufnahme – etwa durch Einvernahme eines Augenscheins oder Einholung eines Sachverständigengutachtens – im gerichtlichen Eilverfahren nicht veranlasst (vgl. BayVGH, B.v. 10.8.2010 – 6 CS 10.985 – juris Rn. 16; B.v. 7.3.2008 – 9 CS 07.2345 – juris Rn. 13; Schenke in Kopp/Schenke, VwGO, 24. Auflage 2018, § 80 Rn. 125).
Die streitgegenständliche Baugenehmigung wurde der Beigeladenen zu 1) im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren nach Art. 59 Satz 1 BayBO erteilt. Da das maßgebliche Abstandsflächenrecht nach Art. 59 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b BayBO im Prüfungsumfang enthalten und auch in vollem Umfang nachbarschützend ist (vgl. BayVGH, B.v. 30.11.2005 – 1 CS 05.2535 – juris Rn. 19), kann sich ein Nachbar grundsätzlich auf die Verletzung der Vorschriften in Art. 6 BayBO berufen.
1.1. Die Geltendmachung einer Abstandsflächenverletzung ist – entgegen der Auffassung der Beigeladenen zu 1) – nicht bereits deshalb ausgeschlossen, weil der Antragsteller nur eine Abstandsflächenverletzung von wenigen Zentimetern geltend macht.
Die Rechtsverletzung eines Nachbarn durch eine Baugenehmigung liegt dann vor, wenn ein Vorhaben genehmigt wird, dessen rechtmäßig ermittelte Abstandsflächen sich auf das Grundstück des Nachbarn erstrecken würden. Keine (zusätzliche) Voraussetzung zur Unterschreitung der nach den gesetzlichen Vorschriften erforderlichen Tiefe der Abstandfläche ist es jedoch, dass der Nachbar durch das genehmigte Bauvorhaben tatsächlich und spürbar beeinträchtigt wird (vgl. BVerwG, B.v. 10.9.1984 – 4 B 147/84 – juris Rn. 2; BayVGH, B.v. 13.1.1993 – 1 CS 92.3651 – juris Rn. 12; OVG RhPf, U.v. 7.12.1978 – 1 A 103/78 – BauR 1979,412; OVG NW, U.v. 14.1.1994 – 7 A 2002/92 – NVwZ-RR 1995, 187). Im Einzelfall kann zwar eine unzulässige Rechtsausübung des Nachbarn vorliegen (vgl. Dhom/Franz/Rauscher in Simon/Busse, BayBO, 135. EL Dezember 2019, Art. 6 Rn. 624; Schönfeld in Spannowsky/Manssen, BeckOK Bauordnungsrecht Bayern, Stand: 1.11.2019, Art. 6 BayBO Rn. 296 ff.); diese kann jedoch nicht allein damit begründet werden, dass die Abstandsflächen nur um wenige Zentimeter überschritten werden (vgl. BayVGH, B.v. 13.1.1993 – 1 CS 92.3651 – juris Rn. 12; OVG Saarl, U.v. 6.3.1987 – 2 R 180/84 – BRS 47 Nr. 100). Gegen eine solche Annahme spricht auch die Ausgestaltung des Art. 6 BayBO, wonach dem Bauherrn zur Gewährleistung einer ausreichenden Belichtung, Besonnung und Belüftung des Nachbargrundstücks eine „zentimeterscharfe“ Abstandsflächenverpflichtung auferlegt wird. Es wäre widersprüchlich, wenn der Gesetzgeber auf der einen Seite das (drittschützenden) Abstandsflächenrecht selbst so präzise ausgestaltet, es dem Nachbarn auf der anderen Seite aber verwehrt wäre, geringe Verstöße gegen Art. 6 BayBO rügen zu können.
1.2. Um eine Verletzung der Abstandsflächen anzunehmen, hätte der Antragsteller jedoch in substantiierter Weise darlegen müssen, dass die natürliche Geländeoberfläche an der nordwestlichen Ecke des nördlichen Doppelhauses nicht – wie in den genehmigten Bauvorlagen angegeben – 522,98 m ü. NN, sondern 522,84 bzw. 522,85 m ü. NN beträgt. Dieser Obliegenheit ist er auch mit der Vorlage einer Messung durch das Ingenieurbüro „… Ingenieurvermessung“ vom 26. September 2019 nicht nachgekommen.
Gemäß Art. 6 Abs. 2 Satz 1 BayBO müssen die Abstandsflächen sowie Abstände einer baulichen Anlage auf dem Grundstück selbst liegen. Die Tiefe der Abstandsfläche bemisst sich gem. Art. 6 Abs. 4 Satz 1 BayBO nach der Wandhöhe und wird senkrecht zur Wand gemessen. Die Wandhöhe ist nach Art. 6 Abs. 4 Satz 2 BayBO das Maß von der Geländeoberfläche bis zum Schnittpunkt der Wand mit der Dachhaut oder bis zum oberen Abschluss der Wand. Als Geländeoberfläche gilt die Schnittlinie, die das Gelände unmittelbar mit der Außenfläche der Gebäudewand bildet. Steigt das Gelände entlang einer Außenwand an, so haben die unteren Fußpunkte der Wand unterschiedliche Höhenlagen; dementsprechend variiert auch die jeweilige Wandhöhe. Seit der Neufassung der Bayerischen Bauordnung 2008 (vgl. Art. 6 Abs. 3 Satz 2 in der Fassung vom 1. Januar 1998 bis 31. Dezember 2007) differenziert der Gesetzgeber nicht mehr zwischen natürlicher und festgelegter Geländeoberfläche, wobei weiterhin davon ausgegangen wird, dass als unterer Bezugspunkt die tatsächlich bestehende bzw. die in den genehmigten Bauvorlagen zugrunde gelegte Geländeoberfläche maßgeblich ist (vgl. LT-Drs. 15/7161 S. 42). Aufschüttungen und Abgrabungen mit und ohne Zusammenhang zum Bauvorhaben bleiben, sofern sie nicht eine längere Zeit zurückliegen, grundsätzlich unberücksichtigt, auch um zu vermeiden, dass durch Manipulation des Geländes die gesetzlichen Regelungen unterlaufen werden (vgl. BayVGH, B.v. 7.11.2017 – 1 ZB 15.1839 – juris Rn. 5; Dhom/Franz/Rauscher in Simon/Busse, BayBO, 135. EL Dezember 2019, Art. 6 Rn. 168 f.; Schönfeld in Spannowsky/Manssen, BeckOK Bauordnungsrecht Bayern, Stand: 1.11.2019, Art. 6 Rn. 138 f.). Unabhängig von der uneinheitlich beantworteten Frage, ob eine Bauaufsichtsbehörde allein durch Genehmigung der Bauvorlagen eine fiktive Geländeoberfläche festlegen kann (so Dhom/Franz/Rauscher in Simon/Busse, BayBO, 135. EL Dezember 2019, Art. 6 Rn. 171; ablehnend etwa BayVGH, B.v. 30.4.2007 – 1 CS 06.3335 – juris Rn. 24; Schönfeld in Spannowsky/Manssen, BeckOK Bauordnungsrecht Bayern, Stand: 1.11.2019, Art. 6 Rn. 142), wenn etwa – wie hier – die natürliche Geländeoberfläche vor Ort nicht mehr feststellbar ist, darf die Darstellung bzw. Festlegung der Geländeoberfläche nicht fehlerhaft sein (vgl. Dhom/Franz/Rauscher in Simon/Busse, BayBO, 135. EL Dezember 2019, Art. 6 Rn. 175). Die Fehlerhaftigkeit der Darstellung kann sich dabei neben dem Fehlen der für die Abstandsflächenberechnung relevanten Angaben in den Bauvorlagen (vgl. BayVGH, B.v. 11.1.2005 – 14 CS 04.2921 – juris 12 f.) auch daraus ergeben, dass die im Eingabeplan eingezeichneten und genehmigten Höhenangaben zulasten des Nachbarn unzutreffend sind.
Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe hat der Antragsteller nicht in substantiierter Weise dargelegt, dass die Höhenangaben im genehmigten Eingabeplan falsch sind. Sowohl die Beigeladene zu 1) (vgl. sogleich unter 1.2.1) als auch der Antragsteller (1.2.2.) haben zur Bestimmung der ursprünglichen Geländeoberfläche für das Grundstück FlNr. 48 Messungen vorgelegt. Da die Messungen des Antragstellers Ungenauigkeiten aufweisen, sind sie nach Ansicht des Gerichts nicht geeignet, die von der Beigeladenen zu 1) errechneten Höhenangaben zu widerlegen und eine Verletzung des Antragstellers in subjektiven Rechten darzulegen (1.2.3).
1.2.1. Die Beigeladene zu 1) hat die natürlichen Geländehöhen mittels geradliniger Interpolation ermittelt. Legt man die damit errechneten Werte der Abstandsflächenberechnung zugrunde, liegt kein Abstandsflächenverstoß durch die nordwestliche Wand des nördlichen Doppelhauses vor.
Die Besonderheit bei der Berechnung der Abstandsflächen besteht hier darin, dass im Zeitpunkt der Einreichung des Bauantrags die Geländeoberfläche wegen der bereits erfolgten Aushebung der Baugrube im nördlichen Teil des Grundstück FlNr. 48 nicht mehr gemessen werden konnte. Da auch der zuvor gestellte und genehmigte Bauantrag vom Juli 2018 zumindest an der nordwestlichen Ecke des nördlichen Doppelhauses keine Angabe zur Geländeoberfläche enthält, hat die Beigeladene zu 1) die Geländeoberfläche für den Änderungsbauantrag nachträglich ermittelt.
In Abstimmung mit dem Landratsamt hat sich die Beigeladene zu 1) dazu entschieden, die Geländeoberfläche an den Gebäudeecken mittels geradliniger Interpolation zu bestimmen. Hierfür wurde ein Ingenieurbüro beauftragt (** * … …büro), das am 20. Mai 2019 die Urgeländehöhe, soweit erkennbar und noch vorhanden, an den Grundstücksgrenzen maß und in der Nähe der Gebäudeecken vom jeweils ermittelten Urgelände aus eine Schnur von Südwest nach Nordost spannte. Der Anstieg des Geländes von Südwest nach Nordost wurde im Folgenden durch Messung der Distanz von den Grundstücksgrenzen bis zur jeweiligen Gebäudeecke auf die einzelnen Abschnitte umgelegt und daraus die Geländeoberfläche an der jeweiligen Gebäudeecke rechnerisch ermittelt. Die sich hieraus ergebenden Geländehöhen von 522,98 m ü. NN an der nordwestlichen und 523,21 m ü. NN an der nordöstlichen Ecke des nördlichen Doppelhauses wurden sodann dem Eingabeplan für den Bauantrag unter dem 14. Juni 2019 zugrunde gelegt und die Wandhöhe Nordwest des nördlichen Doppelhauses (im Eingabeplan mit „H8“ bezeichnet) mit 5,89 m (528,87 m ü. NN – 522,98 m ü. NN) als maximale Wandhöhe an der nordwestlichen Gebäudeecke angeben. Da der Abstand der nordwestlichen Außenwand des nördlichen Doppelhauses zu dem nördlich gelegen Grundstücken FlNr. 481/8 und 481/9 – wovon alle Verfahrensbeteiligten übereinstimmend ausgehen – 5,89 m beträgt, würde die Abstandfläche von 1 H (vgl. Art. 6 Abs. 5 Satz 1 BayBO) bei Heranziehung dieser Werte vollständig auf dem Vorhabengrundstück liegen und exakt eingehalten. Die Abstandflächenvorschriften des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Art. 6 Abs. 4 BayBO wären somit nach den Höhenangaben im genehmigten Eingabeplan nicht verletzt.
1.2.2. Nach den vom Antragsteller vorgelegen Messungen liegt ein Abstandsflächenverstoß zu dessen Lasten vor.
Der Antragsteller hat zur Begründung des Abstandsflächenverstoßes eine Messung durch ein Ingenieurbüro „… Ingenieurvermessung“ vom 26. September 2019, gezeichnet am 30. September 2019, vorgelegt. Die Messung kam zu dem Ergebnis, dass die natürliche Geländeoberfläche 522,84 m ü. NN an der nordwestlichen und 523,06 m ü. NN an der nordöstlichen Ecke des nördlichen Doppelhauses beträgt. Grundlage für die Ermittlung ist laut der Legende das DGM1 des ADBV vom September 2019. Nach den Ausführungen des Gutachters stammen die aus dem DGM1 abgegriffenen Höhenkoten aus einer Befliegung im Jahr 2010. Zur Umrechnung der Werte aus dem DGM1 (dem das deutsche Haupthöhennetz DHHN2016 zugrunde liegt) auf die Höhenbezugspunkte für das Bauvorhaben (ü. NN) führte der Gutachter auf den Nachbargrundstücken zum Grundstück FlNr. 48 Messungen durch. Anschließend hob er die Höhenkoten im Vergleich zum Urgelände aus 2010 wegen der bei der Messung ermittelten Differenz der beiden Systeme um 0,05 m an. Die Genauigkeit der Messung gab der Gutachter unter Hinweis auf den ADBV mit ca. 0,1 m an. Aufgrund der ermittelten Geländeoberfläche kam der Gutachter zu einer Wandhöhe der nordwestlichen Wand des nördlichen Doppelhauses von 6,03 m und stellte sowohl hinsichtlich des Grundstücks FlNr. 481/9 (bis zu 0,14 m) als auch hinsichtlich des Grundstücks FlNr. 481/8 des Antragstellers eine Abstandsflächenüberschreitung fest. Letztere sollte wegen des Geländeanstiegs zur nordöstlichen Gebäudeecke des nördlichen Doppelhauses jedoch geringer ausfallen.
Nachdem die Beigeladene zu 1) die Genauigkeit der Messung im gerichtlichen Verfahren anzweifelte, legte der Gutachter eine am 8. Januar 2020 gezeichnet neue Messung vor. Grundlage für diese Abstandsflächenermittlung bildet laut der Legende das digitale Geländemodell berechnet aus Airbornlaserpunkten des Landesamts für Digitalisierung, Breitband und Vermessung (LDBV). Die Genauigkeit wird laut dem Gutachter vom LDBV mit ca. 0,1 m im ebenen freien Gelände angegeben. Nach der neuen Messung kam der Gutachter zu einer natürlichen Geländeoberfläche von 522,85 m ü. NN an der nordwestlichen und 523,07 m ü. NN an der nordöstlichen Ecke des nördlichen Doppelhauses. Die Abstandsflächenüberschreitung würde unter Heranziehung dieser Werte bis zu 0,13 m zulasten des Grundstücks FlNr. 481/9 und bis zu 0,07 m zulasten des Grundstücks FlNr. 481/8 betragen. Nach beiden Messungen wären die Abstandflächenvorschriften des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Art. 6 Abs. 4 BayBO somit verletzt.
1.2.3 Die Beigeladene zu 1) hat sich einer anerkannten Methode zur nachträglichen Ermittlung der Geländeoberfläche bedient. Dem ist der Antragsteller mit den von ihm vorgelegten Messungen nicht überzeugend entgegengetreten.
Die Beigeladene zu 1) hat zur nachträglichen Bestimmung der natürlichen Geländeoberfläche die Höhen an den Gebäuden mittels geradliniger Interpolation bestimmt. (vgl. 1.2.1). Zwar ist einzuräumen, dass eine durch Interpolation ermittelte Geländeoberfläche nicht exakt den wahren Verlauf widergeben kann und insbesondere ein welliges Gelände nicht dargestellt werden kann. Da aber der Vollbeweis mangels Messung des Geländeverlaufs vor Aushebung der Baugrube nicht mehr geführt werden kann, eignet sich die mittels Interpolation durchgeführte Annäherung grundsätzlich, zumindest den Beweis des ersten Anscheins für den Verlauf der natürlichen Geländeoberfläche zu führen. Die Vorgehensweise stellt eine anerkannte Methode zur nachträglichen Berechnung der natürlichen Geländeoberfläche dar (vgl. OVG RhPf, U.v. 24.2.2016 – 1 A 10815/15 – juris Rn. 45; B.v. 27.4.2006 – 8 A 10233/06 – BeckRS 2016, 49697; VG Ansbach, U.v. 25.7.2012 – AN 9 K 10.02164 u.a – juris Rn. 20).
Im öffentlich-rechtlichen Baunachbarprozess trifft jedenfalls dann, wenn es um die Verletzung des bauplanungsrechtlichen Rücksichtnahmegebots geht, die materielle Beweislast den Nachbarn. Die Nichtaufklärbarkeit der seinen Abwehranspruch begründenden Tatsachen geht daher zu dessen Lasten (vgl. BVerwG, B.v. 28.7.1993 – 4 B 120/93 – juris Rn. 5 m.w.N.). Dies gilt auch, wenn eine Nachbarklage auf die Verletzung bauordnungsrechtlicher Abstandsflächenvorschriften gestützt wird (vgl. OVG RhPf, B.v. 27.4.2006 – 8 A 10233/06 – BeckRS 2016, 49697). Sind unter Zugrundelegung der bei der Interpolation gemessenen Werte die Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 BayBO i.V.m. Art. 6 Abs. 4 BayBO eingehalten, bedarf es deshalb einer substantiierten Darlegung des Nachbarn, aus welchen Gründen der wahre Verlauf der natürlichen Geländeoberfläche zu seinen Gunsten vom angenäherten Verlauf abweicht, um eine Beweislastentscheidung zulasten des Bauherrn zu rechtfertigen.
An einer solchen substantiierten Darlegung fehlt es trotz Vorlage der Messungen zur natürlichen Geländeoberfläche durch das Ingenieurbüro „… Ingenieurvermessung“ vom 26. September 2019, weil das der Messung zugrunde gelegte digitale Geländemodell nach Ansicht des Gerichts wegen der eigenen Ungenauigkeiten nicht geeignet ist, einen Abstandsflächenverstoß im Zentimeterbereich zulasten des Antragstellers nachzuweisen. Die Abstandsflächenermittlungen durch das Ingenieurbüro „… Ingenieurvermessung“ fußen jeweils auf einem digitalen Geländemodell. Die Genauigkeit dieser Modelle wird vom LDBV für die Modelle DGM1 und DGM2 mit einer Höhengenauigkeit besser +/- 0,2 m angegeben (vgl. https://www.ldbv.bayern.de/produkte/3dprodukte/gelaende.html; der Abruf der Angaben aus dem Internet erfolgte am 3. Juli 2020). Laut Aussage des Gutachters des Antragstellers soll die Genauigkeit nach dem LDBV/ADBV bei ca. 0,1 m liegen. Wieso der Gutachter hier von einer größeren Genauigkeit als der LDBV ausgeht, erschließt sich dem Gericht nicht, zumal dieser die größere Genauigkeit nur mit einer Auskunft des LDBV/ADBV begründet. Selbst wenn man jedoch die Toleranzangabe des Gutachters (ca. 0,1 m) annähme, würde sich der zulasten des Antragstellers gemessene Abstandsflächenverstoß von 0,07 m im Rahmen dieser Toleranz bewegen. Der Gutachter geht somit selbst davon aus, dass die Abstandsflächen hinsichtlich des Grundstücks FlNr. 481/8 eingehalten sein könnten. Die Ungenauigkeit des digitalen Geländemodells zeigt sich im Übrigen auch aus der am 26. September 2019 gemessenen und am 30. September 2019 gezeichneten Messung des Gutachters. Dort maß der Gutachter zum Beispiel an der Grenze zum südwestlichen Teil des Grundstück FlNr. 50/2 eine Geländehöhe von 523,31 m ü. NN, wohingegen die magentafarbene Höhenkote, die den gemessenen Punkt durchschneidet, eine Höhenlage von 523,40 m ü. NN angibt.
Unabhängig davon, ob nun eine geradlinige Interpolation oder das digitale Geländemodell die genauere nachträgliche Berechnung der Geländeoberfläche ermöglicht (für die größere Genauigkeit der geradlinigen Interpolation: VG Ansbach, U.v. 25.7.2012 – AN 9 K 10.02164 u.a. – juris Rn. 20), kann die ursprüngliche Geländeoberfläche weder durch die eine noch die andere Berechnungsmethode auf den Zentimeter genau bestimmt werden. Da sich auch aus den Behördenakten keine Anhaltspunkte für die Bestimmung der Geländeoberfläche ergeben, liegt im Ergebnis eine Unaufklärbarkeit der Geländeoberfläche an der nordwestlichen Ecke des nördlichen Doppelhauses vor. Diese Nichtaufklärbarkeit der seinen Abwehranspruch begründenden Tatsachen geht im Baunachbarprozess zulasten des Antragstellers. Daran ändert nichts, dass die Beigeladene zu 1) den Umstand durch den Baubeginn verursacht hat.
Zu einem anderen Ergebnis könnte man allenfalls dann kommen, wenn Anzeichen für ein missbräuchliches Verhalten des Bauherrn bestünden. Da die nachträgliche Ermittlung der Geländeoberfläche jedoch erst nach Abstimmung mit dem Landratsamt erfolgte und keine Anhaltspunkte für unzulässigen Aufschüttungen zur Verkürzung der Wandhöhe bestehen, ist dies hier verneinen. Die Beigeladene zu 1) hat mit ihrem unter dem 14. Juni 2019 gestellten Bauantrag lediglich den geänderten Umständen Rechnung getragen und den oberen Bezugspunkt der Wandhöhe für das nördliche Doppelhaus wegen der um 0,48 m niedriger errechneten Geländeoberfläche an der nordwestlichen Gebäudeecke auf das (noch) zulässige Maß heruntergesetzt (529,35 m ü. NN in der Baugenehmigung vom 4. Oktober 2018 zu 528,87 m ü. NN in der Baugenehmigung vom 2. August 2019).
2. Der Hilfsantrag nach § 123 Abs. 1 VwGO ist unbegründet, weil der Antragsteller keinen Anordnungsanspruch i.S.v. § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO glaubhaft gemacht hat. Wie beim Hauptantrag gem. § 80a Abs. 3 Satz 2 i.V.m § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO hätte der Antragsteller hierfür substantiiert darlegen müssen, dass ein Abstandsflächenverstoß zu seinen Lasten vorliegt. Da er diesen Nachweis mit den vorgelegten Messungen jedoch nicht erbracht hat bzw. erbringen konnte (vgl. 1.2.), hat er die Voraussetzungen für die Anordnung einer Baueinstellung nach Art. 75 Satz 1 BayBO nicht glaubhaft gemacht.
3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 154 Abs. 1, Abs. 3, 159 Satz 1 VwGO. Mit der Stellung eines Antrags hat sich die Beigeladene zu 1) dem Kostenrisiko aus § 154 Abs. 3 VwGO ausgesetzt. Es entspricht daher billigem Ermessen, dass sie ihre außergerichtlichen Kosten erstattet erhält, § 162 Abs. 3 VwGO.
4. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 1 und 2, 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 1.5 und 9.7.1 des Streitwertkatalogs 2013 für die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Hiernach hält es das Gericht für angemessen, den für das Hauptsacheverfahren anzunehmenden Streitwert von EUR 7.500,– im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zu halbieren und EUR 3.750,– anzusetzen.


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