Europarecht

Rücknahme von bewilligten und ausgezahlten landwirtschaftlichen Förderungen

Aktenzeichen  RN 5 K 18.525

Datum:
11.4.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 14197
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VO (EG) Nr. 796/2004 Art. 73
VO (EG) Nr. 69/2011 Art. 5
VO (EG) Nr. 2988/95 Art. 3

 

Leitsatz

1. Auch soweit Zuwendungen auf der Grundlage von Unionsrecht gewährt und aus Unionsmitteln kofinanziert werden, richtet sich die Aufhebung der Zuwendungsbescheide wegen Fehlens einer umfassenden unionsrechtlichen Rücknahme- bzw. Widerrufsregelung grundsätzlich nach nationalem Recht, wobei jedoch die durch das Unionsrecht gezogenen Grenzen zu beachten sind. (Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)
2. Subventionsrichtlinien sind keine Rechtsnormen, sondern verwaltungsinterne Weisungen, die eine gleichmäßige Ermessensausübung der zur Verteilung von Fördermitteln berufenen Stellen regeln. Sie entfalten Außenwirkung für den einzelnen Antragsteller nur mittelbar über dessen in Art. 3 Abs. 1 GG geschütztes Recht, entsprechend der in der “antizipierten Verwaltungspraxis” zum Ausdruck kommenden Ermessensbindung der Verwaltung gleichmäßig behandelt zu werden. (Rn. 35) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die nationalrechtlichen Vertrauensschutzbestimmungen hinsichtlich der Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsakts sind nicht anwendbar, soweit die Rückforderung einer unionsrechtswidrige Beihilfe in Rede steht. Das Unionsrecht regelt den Vertrauensschutz bei der Rückforderung unionsrechtswidriger Beihilfen abschließend und verdrängt insoweit § 48 Abs. 2 bis 4 VwVfG. (Rn. 44 – 45) (redaktioneller Leitsatz)
4. Die Gewährung von Vertrauensschutz nach den nationalrechtlichen Bestimmungen kommt auch nicht insoweit in Betracht, als eine Zuwendung aus Mitteln des Landes kofinanziert wird. Trotz der Kofinanzierung einer Maßnahme aus Landesmitteln handelt es sich um eine einheitliche und untrennbare Beihilfe auf unionsrechtlicher Grundlage. (Rn. 48) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Verfahren RN 5 K 16.62 und RN 5 K 16.63 werden zur gemeinsamen Entscheidung unter dem neuen Az: RN 5 K 18.525 verbunden.
II. Die Klagen werden abgewiesen. 
III. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. 
IV. Der Gerichtsbescheid ist in Ziffer III. vorläufig vollstreckbar. 

Gründe

Das Gericht hat die beiden Verfahren RN 5 K 16.62 und RN 5 K16.63 zur gemeinsamen Entscheidung unter dem neuen Aktenzeichen verbunden, da es um den gleichen Gegenstand geht ( § 93 VwGO).
Das Gericht konnte ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, weil die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Die Beteiligten wurden zuvor gehört.
Die Klagen werden abgewiesen.
Die Klagen sind zulässig, aber unbegründet.
Der angefochtene Bescheid des Beklagten vom 28.11.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.12.2015 (Az.: F 1 -7275-0851.04-Hg/Fm) zur Kürzung der Ausgleichszulage und der angefochtene Bescheid des Beklagten vom 08.04.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.12.2015 (Az.: F 1 -72925-4069.07.-H9/Fm) zur Teilrücknahme und Rückforderung von KULAP- und Vertragsnatursschutzfördermittel sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 VwGO.
1. Rechtsgrundlage für die teilweise Aufhebung des Bewilligungsbescheids nd Kürzung der Ausgleichszulage vom 28.11.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids und der teilweisen Rücknahme und Rückforderung von KULAP-Mitteln durch den Bescheid vom 8.4.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids ist Art.48 Abs. 1 BayVwVfG.
1.1 Das Europäische Unionsrecht enthält keine Rechtsvorschriften, die die Befugnis der Behörde regeln, Bewilligungsbescheide über landwirtschaftliche Subventionen, die in Durchführung des Gemeinschaftsrechts bzw. des Unionsrechts gewährt worden sind, zurückzunehmen oder zu widerrufen. Auch soweit Zuwendungen auf der Grundlage von Unionsrecht gewährt und aus Unionsmitteln kofinanziert werden, richtet sich die Aufhebung der Zuwendungsbescheide wegen Fehlens einer umfassenden unionsrechtlichen Rücknahme- bzw. Widerrufsregelung grundsätzlich nach nationalem Recht, wobei jedoch die durch das Unionsrecht gezogenen Grenzen zu beachten sind (vgl. EuGH, Urteile vom 21.09.1983 – Rs. C-215/82 – Slg. 1983, 2633; sowie vom 17.05.1993 – Rs. C-290/91 – NVwZ 1993, 973; BVerwG, Urteil vom 10.12.2003 – 3 C 22.02 – Buchholz 316 § 49 VwVfG Nr. 44; VGH BW vom 22.05.2014 – 10 S 1719/13 – juris; sowie vom 07.04.2011 – 10 S 2545/08 – DÖV 2011, 657).
Auch im vorliegenden Fall enthalten die einschlägigen unionsrechtlichen Vorschriften keine Rechtsgrundlage für die Rücknahme der Bewilligungsbescheide. Dem Kläger wurden Ausgleichsleistungen nach der Richtlinie des BaySTMELF zur Gewährung von Ausgleichszulagen und KULAP-Mitteln bewilligt. Diese Richtlinien gewähren Zuwendungen auf der Grundlage der VO (EG) Nr. 1257/1999 vom 17.05.1999 über die Förderung und Entwicklung des ländlichen Raums durch den Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft (EAGFL) i.V.m. der Durchführungsverordnung VO (EG) Nr. 1750/1999 vom 23.07.1999 und den Nachfolgeverordnungen VO (EG) Nr. 445/2002 vom 26.02.2002 und VO (EG) Nr. 817/2004 vom 29.04.2004. Diese EG-Verordnungen enthalten keine Bestimmungen über die Rücknahme von Bewilligungsbescheiden, sondern verweisen auf die nationalen Rechtsvorschriften. Gemäß Art. 73 VO (EG) Nr. 817/2004 bestimmen die Mitgliedstaaten ein System für Verstöße gegen eingegangene Verpflichtungen und die für diesen Fall einschlägigen Vorschriften und treffen alle gebotenen Maßnahmen zu deren Durchsetzung. Nach Art. 8 Abs. 1 der VO (EG) Nr. 1258/1999 vom 17.05.1999 über die Finanzierung der Gemeinsamen Agrarpolitik treffen die Mitgliedstaaten gemäß ihren Rechtsvorschriften die erforderlichen Maßnahmen, um infolge von Unregelmäßigkeiten oder Versäumnissen abgeflossene Beträge wieder einzuziehen. Wie der Gerichtshof der Europäischen Union festgestellt hat, gilt dies auch für Beträge, die aufgrund eines von der Kommission gemäß einer Verordnung genehmigten und von der Gemeinschaft kofinanzierten nationalen Beihilfeprogramms ausgezahlt worden sind (vgl. EuGH, Urteil vom 19.09.2002 – Rs. C-336/00 – Slg. 2002, I-7699). Diese Regelungen enthalten indes kein unmittelbar anwendbares Recht (vgl. BVerwG, Urteil vom 10.12.2003 – 3 C 22.02 – a.a.O.).
Die Durchführungsverordnungen sehen allerdings die Pflicht des Betriebsinhabers zur Rückzahlung zu Unrecht gewährter Beihilfen vor. Art. 48 Abs. 1 VO (EG) Nr. 1750/1999 verweist insoweit auf Art. 14 VO (EWG) Nr. 3887/92. Die späteren Durchführungsverordnungen bestimmen, dass der zu Unrecht Begünstigte gemäß Art. 49 VO (EG) Nr. 2419/2001 zur Rückzahlung verpflichtet ist (vgl. Art. 62 Abs. 3 VO (EG) Nr. 445/2002 bzw. Art. 71 Abs. 2 VO (EG) Nr. 817/2004). Diese Bestimmungen ermächtigen die Behörde jedoch nicht zur Aufhebung der Zuwendungsbescheide, sondern enthalten nur eine Vorgabe für die Geltendmachung der Forderung nach nationalem Recht unter Berücksichtigung der durch das Unionsrecht gesetzten Grenzen, insbesondere hinsichtlich des Vertrauensschutzes (vgl. BVerwG, Urteil vom 10.12.2003 – 3 C 22.02 – a.a.O.; VGH BW vom 19.03.2009 – 10 S 1578/08 – DVBl. 2009, 1255).
1.2 Auch Bundesrecht enthält keine vorrangigen Bestimmungen über die Aufhebung des Bewilligungsbescheids. § 10 des Gesetzes zur Durchführung der Gemeinsamen Marktorganisation (MOG) trifft zwar Bestimmungen über die Rücknahme und den Widerruf von begünstigenden Bescheiden „in den Fällen der §§ 6 und 8“. Diese Fälle betreffen jedoch nur Regelungen in Bezug auf Marktorganisationswaren, worunter nur erzeugnis- oder produktbezogene Regelungen (vgl. § 2 MOG), nicht jedoch produktionsverfahrensbezogene Regelungen zu verstehen sind. Die hier gegenständlichen Maßnahmen für Ausgleichszulagen und KULAP u.a. sowie die zugrunde liegenden VO (EG) Nr. 1257/1999 über die Förderung der Entwicklung des ländlichen Raums enthalten keine im Sinne des Marktorganisationsgesetzes erzeugnisbezogenen Regelungen. Sie betreffen vielmehr das Produktionsverfahren. Vorliegend geht es um Maßnahmen nach Art. 22 ff. der vorgenannten Verordnung. Das wesentliche Ziel der Fördermaßnahmen besteht in der Lenkung der Erzeugung landwirtschaftlicher Produkte, um den Übergang von einer intensiven auf eine extensivere und qualitativ hochwertigere Bewirtschaftung zu fördern, sowie dem Schutz und der Verbesserung der Umwelt und der Landschaft zu dienen. Die Beihilferegelung stellt hiernach keinen Bestandteil einer gemeinsamen Marktorganisation dar, sondern zählt insofern zu den flankierenden Maßnahmen zur Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik. Es handelt sich auch nicht um „Direktzahlungen“ im Sinne von § 1 Abs. 1a MOG, was den Anwendungsbereich dieses Gesetzes eröffnen würde. Direktzahlungen in diesem Sinne sind die in den Regelungen des Absatz 2 Nr. 1 bis 3 im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik als Direktzahlungen bezeichneten Vergünstigungen und Einkommensstützungsregelungen, ausgenommen Maßnahmen zur Förderung des ländlichen Raums (vgl. hierzu näher OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 17.12.2009 – 2 L 222/08 – juris). Kommt unter diesen Voraussetzungen § 10 MOG nicht zur Anwendung, so verbleibt es bei der Anwendung des Landesrechts, hier des Landesverwaltungsverfahrensgesetzes.
2. Die Tatbestandsvoraussetzungen für eine teilweise Rücknahme des Bewilligungsbescheids auf der Grundlage des Landesverwaltungsverfahrensgesetzes sind erfüllt. Nach Art.48 Abs. 1BayVwVfG kann ein rechtswidriger Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), darf nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 zurückgenommen werden. Die Bewilligungsbescheide waren von Anfang an insoweit rechtswidrig, als die hier strittigen Flächen keine landwirtschaftlich genutzten Flächen sind und damit die Fördervoraussetzungen der Richtlinien nicht eingehalten sind.
2.1 Zwar macht allein der Verstoß gegen Subventionsrichtlinien einen Bewilligungsbescheid nicht rechtswidrig im Sinne des Art.48 Abs. 1BayVwVfG. Subventionsrichtlinien sind keine Rechtsnormen, sondern verwaltungsinterne Weisungen, die eine gleichmäßige Ermessensausübung der zur Verteilung von Fördermitteln berufenen Stelle regeln. Sie entfalten Außenwirkung für den einzelnen Antragsteller nur mittelbar über dessen in Art. 3 Abs. 1 GG geschütztes Recht, entsprechend der in der „antizipierten Verwaltungspraxis“ zum Ausdruck kommenden Ermessensbindung der Verwaltung gleichmäßig behandelt zu werden. Die Subventionsrichtlinien sind daher nicht wie eine Rechtsnorm aus sich heraus, sondern gemäß der von ihrem Urheber gebilligten oder doch geduldeten tatsächlichen Verwaltungspraxis auszulegen (st. Rechtspr., vgl. BVerwG, Urteile vom 24.03.1977 – II C 14/75 – BVerwGE 52, 193; sowie vom 23.04.2003 – 3 C 25.02 – NVwZ 2003, 1384; VGH BW vom 19.03.2009 – 10 S 1578/08 -a.a.O.). Die Rechtswidrigkeit des Bewilligungsbescheids kann sich daher nur aus einem Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG) ergeben. Dabei kann das Gleichbehandlungsgebot auch zu Lasten von Subventionsbewerbern Bedeutung gewinnen. Versagt eine Behörde in Anwendung der einschlägigen Richtlinien unter bestimmten Voraussetzungen regelmäßig die Gewährung einer Zuwendung, so verletzt sie das Gleichbehandlungsgebot in seiner objektiv-rechtlichen Funktion, wenn sie sich im Einzelfall ohne rechtfertigende Gründe über diese Praxis hinwegsetzt und trotz des Fehlens ansonsten geforderter Voraussetzungen die Leistung gewährt. Damit ist auch die verwaltungsinterne Nichtbeachtung einer Verwaltungsvorschrift ein unmittelbarer Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot und führt zur Rechtswidrigkeit des darauf beruhenden Verwaltungsakts. Dies setzt im Regelfall die Feststellung einer ansonsten abweichenden Praxis voraus (vgl. BVerwG, Urteil vom 23.04.2003 – 3 C 25.02 – a.a.O.; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 16.06.1998 – 2 S 1806/96 – juris).
2.2 Bei Anwendung dieser Grundsätze verstoßen die ursprünglichen Bewilligungsbescheide teilweise gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz und sind daher insoweit rechtswidrig im Sinne des Art. 48 Abs. 1 VwVfG, als dem Kläger Fördergelder für Flächen bewilligt worden sind, bei denen es sich nicht um landwirtschaftlich genutzte Flächen handelt. Bei der Ermittlung der förderfähigen Flächen ist das Gericht weitgehend darauf beschränkt zu prüfen, ob diese durch die Behörde nachvollziehbar anhand der einschlägigen Richtlinien bzw. die allgemeine Verwaltungspraxis vorgegebenen Kriterien erfolgt ist und ob gegebenenfalls Vorgaben des höherrangigen Rechts an die Verwaltung eingehalten worden sind.
Die Bestimmung des Art. 14 der VO (EG) Nr. 1257/1999 ermächtigt die Mitgliedstaaten, Landwirten in benachteiligten Gebieten für landwirtschaftlich genutzte Flächen Ausgleichszulagen zu gewähren, wenn sie die in Absatz 2 der Bestimmung festgelegten Voraussetzungen erfüllen, insbesondere die Mindestfläche bewirtschaften und den Erfordernissen des Umweltschutzes und der Einhaltung einer guten landwirtschaftlichen Praxis genügen. Art. 14 der VO (EG) Nr. 1257/1999 zwingt die Mitgliedstaaten jedoch nicht dazu, Agrarumweltmaßnahmen auf sämtlichen landwirtschaftlichen Flächen zu fördern. Vielmehr bleibt es nach der Konzeption der vorgenannten Verordnung allein den Mitgliedstaaten vorbehalten, die förderfähigen Flächen und die hierfür maßgeblichen Kriterien zu definieren.
Da die streitigen Flächen unstreitig nicht Ackerland sind, können diese Flächen nur dann förderfähig sein, wenn sie als Dauergrünland im Sinne von Art. 2 Nr. 2 VO (EG) Nr. 796/2004 anzusehen sind. Nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut der letztgenannten Vorschrift handelt es sich bei Dauergrünland um Flächen, die durch Einsaat oder auf natürliche Weise (Selbstaussaat) zum Anbau von Gras oder anderen Grünfutterpflanzen genutzt werden und mindestens fünf Jahre lang nicht Bestandteil der Fruchtfolge des landwirtschaftlichen Betriebs waren. Hiernach genügt es gerade nicht, dass der Betriebsinhaber die betreffenden Flächen tatsächlich zur Beweidung durch Vieh nutzt. Der Verordnungsgeber hat die Beihilfefähigkeit von landwirtschaftlichen Flächen nicht allein daran geknüpft, dass diese als Weide- oder Futterflächen genutzt werden. Vielmehr werden insoweit allein die Flächen als beihilfefähig anerkannt, die „zum Anbau von Gras oder anderen Grünfutterpflanzen“ genutzt werden. Diese hierauf beschränkte Zielrichtung ergibt sich auch aus der ersten Erwägung zur Verordnung (EG) Nr. 239/2005, wonach die Definition von „Dauergrünland“ klargestellt und zudem eine Definition für den Begriff „Gras oder andere Grünfutterpflanzen“ eingeführt werden soll (vgl. hierzu näher OVG Niedersachsen, Beschluss vom 13.08.2012 – 10 LA 93/11 – AuR 2013, 138). Nach Art. 2 Nr. 2a VO (EG) Nr. 796/2004 fallen hierunter alle Grünpflanzen, die „herkömmlicherweise in natürlichem Grünland anzutreffen oder normalerweise Teil von Saatgutmischungen für Grünland oder Wiesen in dem Mitgliedstaat sind“. An diese – im Übrigen hergebrachtem landwirtschaftlichen Verständnis entsprechende – Definition des Dauergrünlands knüpft die einschlägige Förderung -Richtlinie an, konkretisiert und schränkt diese entsprechend der agrarumweltschutzlichen Zielrichtung der Richtlinie ein.
Ausgehend hiervon hat das AELF die förderfähige Fläche anlässlich der Vor-Ort-Kontrolle im Juli 2012 zutreffend abgegrenzt. Zur Errichtung eines einheitlichen Kontrollsystems sind in Bayern vom Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten interne verbindliche Anweisungen erlassen worden, die zur Gleichbehandlung aller Antragsteller Ausführungen zum Vollzug der jeweiligen Vorschriften enthalten. Darin ist unter anderem für Bayern definiert, dass landwirtschaftlich genutzte Flächen Ackerflächen (auch stillgelegt), Dauergrünlandflächen (auch stillgelegt), sonstiges Grünland oder Dauerkulturen sind. Im vorliegenden Fall liege unstrittig keine Ackerfläche bzw. Dauerkultur vor. Grünland entsteht erst, wenn die Fläche überwiegend mit grünlandtypischen Pflanzen bewachsen sei. Als grünlandtypisch sind Gräser, Kräuter und Leguminosen anzusehen. Büsche und Sträucher sind damit nicht grünlandtypisch, auch wenn Rinder und Schafe sie möglicherweise fressen. Dies stellt mangels des gründlandtypischen Bewuchses keine Beweidung, sondern lediglich einen Verbiss dar. Auf die Darlegungen im Widerspruchsbescheid im gegenständlichen Verfahren sowie auf die ausführliche tabellarische Darstellung der einzelnen Flächenabzüge im Widerspruchsbescheid wird verwiesen, die sich die Kammer nach eingehender Sachprüfung zu eigen macht und auf die zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird (§ 117 Abs. 5 VwGO). Diese zutreffenden Erwägungen im Widerspruchsbescheid werden durch das Vorbringen des Klägers im gerichtlichen Verfahren nicht durchgreifend in Zweifel gezogen. Zur Ergänzung wird darauf hingewiesen, dass die Landwirtschaftsbehörde zu Recht die strittigen Flächen nicht als förderfähige, landwirtschaftlich genutzte Fläche eingestuft haben. Wald, Bäume, Lagerflächen, Freizeitflächen, Erdhaufen, Baucontainerflächen, Mulden mit Bauschutt, Flächen in eingezäunten Kläranlagen, Rasen, Hecken, Gräben und Mauern können nicht als landwirtschaftlich genutzte Flächen anerkannt werden. Sie genügen nicht den oben dargestellten Anforderungen an Dauergrünlandflächen im Sinne von Art. 2 Nr. 2 der VO (EG) Nr. 796/2004. Auch Feuchtflächen mit Mädesüß und Binsen sind keine Dauergrünlandflächen (so auch VGH BW vom 18.11.2014 Az. 10 S 847/12 Rn. 29, juris). Unerheblich ist nach dem oben Gesagten, ob die Gallowayrinder des Klägers auf diesen Flächen tatsächlich Futter finden oder nicht. Auch für Flächen, die von Dritten bewirtschaftet werden, kann der Kläger keine Förderung beanspruchen, zumal er solche Bewirtschaftungsvereinbarungen trotz Aufforderung nicht nachgewiesen hat. Aus den vorgelegten Behördenakten wird ersichtlich, dass die Landwirtschaftsbehörde den Kläger mehrmals auf diesen Sachverhalt hingewiesen haben. Sie sind auch seinen Einwendungen immer nachgegangen und haben mehrmals Plusflächen verrechnet und sind an die Grenzen ihres Ermessensspielraums bei der Einstufung von Flächen in Grenzfällen gegangen und haben den Kläger auch ausreichend Gelegenheit gegeben, Bewirtschaftungsvereinbarungen mit Dritten vorzulegen, wie sich aus den Behördenakten, insbesondere Seite 248/249, ergibt. Der Kläger sollte anerkennen, dass nicht jede Beweidung von Waldflächen, Buschflächen oder Grünlandbiotopen mit Rindern eine Beweidung von landwirtschaftlichen Flächen sein kann, auch wenn die Beweidung von einzelnen Flächen im Rahmen des Pilotprojekts zur Beweidung repräsentativer Grünlandbiotope erfolgt. Nur wenn es sich um solche landwirtschaftlichen Flächen handelt, ist dabei eine Förderung nach den hier einschlägigen Förderrichtlinien möglich.
Nachgemeldete oder Alternativflächen waren hier aber nicht zu berücksichtigen, da sie nicht innerhalb der maßgeblichen Abgabefrist des gemeinsamen Antrags gemäß Art. 11, 15 und 21 der VO (EG) Nr. 796/2004 beantragt wurden. Bei dieser Frist für die Abgabe des gemeinsamen Antrags handelt es sich um eine materielle Ausschlussfrist (vgl. VGH BW vom 08.04.2014 – 10 S 2067/12 – juris). Zudem kann eine nicht beantragte Fläche nicht zusätzlich als Ausgleich für Flächenabweichungen im selben Jahr herangezogen werden, so schon Art. 9 Abs. 1 VO (EWG) Nr. 3887/92.
2.3 Die vom Beklagten darüber hinaus vorgenommenen Sanktionskürzungen auf der Grundlage des Art. 16 Abs. 3 u. 5 VO (EG) Nr. 65/2011 u. Art. 48 Abs. 1 Satz 1 VO (EG) Nr. 1750/1999 i.V.m. Art. 51 Abs. 1 VO (EG) Nr. 796/2004 sind rechtsfehlerfrei erfolgt. Liegt gemäß Art. 16 Abs. 5 VO (EG) Nr. 65/ 2011 die beantragte Fläche über der ermittelten Fläche der betreffenden Kulturgruppe, so wird die Beihilfe auf der Grundlage der ermittelten Fläche berechnet, gekürzt um das Doppelte der festgestellten Differenz, wenn die Differenz über 3% oder 2 ha liegt, aber nicht mehr als 20% der ermittelten Fläche ausmacht.
Entgegen der Auffassung des Klägers ist die Anwendung der Sanktionskürzungen nicht nach Art. 68 Abs. 1 der VO (EG) Nr. 796/2004 ausgeschlossen. Nach dieser Vorschrift kommen die im 1. Kapitel der Verordnung vorgesehenen Kürzungen und Ausschlüsse nicht zur Anwendung, wenn der Betriebsinhaber sachlich richtige Angaben vorgelegt hat oder auf andere Weise belegen kann, dass ihn keine Schuld an der Fehlbeantragung trifft. Dies ist hier nicht der Fall, da der Antragsteller den bei der Abgabe des gemeinsamen Antrags einzuhaltenden erheblichen Sorgfaltspflichten nicht genügt hat. Das bereits mit der Verordnung (EWG) Nr. 3887/92 eingeführte Integrierte Verwaltungs- und Kontrollsystem hat einerseits die Verantwortungssphären von Antragsteller und bewilligender Behörde näher ausgestaltet und andererseits die Folgen von aufgetretenen Unregelmäßigkeiten näher bestimmt. Den Antragstellern ist damit eine erhebliche Mitverantwortung für die ordnungsgemäße Abwicklung des Beihilfeverfahrens auferlegt worden. Da es sich bei der Durchführung der gemäß dem Integrierten System gewährten Beihilfen um Verfahren handelt, die eine Vielzahl von Anträgen betreffen, setzt das Integrierte Verwaltungs- und Kontrollsystem nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs voraus, dass die Beihilfeempfänger aktiv an der korrekten Durchführung des Verfahrens mitwirken und die beizubringenden Informationen von vornherein vollständig und richtig sind (vgl. EuGH, Urteile vom 16.05.2002 – Rs. C-63/00 – Slg. 2002, I-4483; sowie vom 04.10.2007 – Rs. C-375/05 – Slg 2007, I-7983; BVerwG, Urteil vom 14.11.2013 – 3 C 29.12 – juris). Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass die nationalen Behörden nicht verpflichtet sind, durch Kontrollen sämtliche Angaben in den eingereichten Beihilfeanträgen auf ihre Richtigkeit zu überprüfen und die Antragsteller auf mögliche Unregelmäßigkeiten hinzuweisen (vgl. EuGH, Urteil vom 28.11.2002 – Rs. C-417/00 – Slg. 2002, I-11053). Gemessen an diesen hohen Anforderungen trifft den Kläger jedenfalls insoweit ein Verschulden, als er die tatsächlichen förderfähigen Flächen nicht richtig angegeben hat. Der Kläger sieht sich zu Unrecht durch die Teilnahme an einem Projekt zur Beweidung repräsentativer Grünlandbiotope in einer Sonderstellung. Wenn der Kläger für Flächen die hier strittigen landwirtschaftlichen Fördermaßnahmen beantragt, muss er auch die Definition einer landwirtschaftlichen Nutzfläche beachten und sie nicht ignorieren, wir er dies in der Vergangenheit offenbar gemacht hat. Er darf also nicht jede Fläche, auf denen seine Gallowayrinder weiden, als landwirtschaftliche Nutzfläche ansehen. Dies war und ist dem Kläger durch die Sanktionierung in der Vergangenheit auch bekannt. Die Verantwortung für die Richtigkeit aller Angaben insbesondere für seine beantragten Flächen, liegt beim Kläger.
3. Der Kläger kann sich weder auf der Grundlage des nationalen Rechts (dazu unter 3.1) noch des einschlägigen Unionsrechts (dazu unter 3.2) auf Vertrauensschutz berufen.
3.1 Die nationalrechtlichen Vertrauensschutzbestimmungen hinsichtlich der Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsakts, insbesondere die Jahresfrist gemäß § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG, sind nicht anwendbar, soweit die Rückforderung einer unionsrechtswidrigen Beihilfe in Rede steht (dazu unter 3.1.1). Im Übrigen war die Jahresfrist des § 48 Abs. 4 Satz 1 LVwVfG zum maßgeblichen Zeitpunkt der Rücknahme noch nicht abgelaufen (dazu unter 3.1.2).
3.1.1 Nach der gefestigten Rechtsprechung der Oberverwaltungsgerichte und des Bundesverwaltungsgerichts regelt das Unionsrecht den Vertrauensschutz bei der Rückforderung unionsrechtswidriger Beihilfen abschließend und verdrängt insoweit § 48 Abs. 2 bis 4 LVwVfG. Durch die Verankerung einer Vertrauensschutzregelung im EU-Recht sollte eine einheitliche Handhabung bei der Wiedereinziehung zu Unrecht gezahlter Beihilfen in der Gemeinschaft sichergestellt werden. Die Anwendung der jeweiligen nationalen Regelungen ließe sich mit dieser Intention nicht vereinbaren (vgl. BVerwG, Beschluss vom 29.03.2005 – 3 B 117.04 – Buchholz 316 § 48 VwVfG Nr. 112; VGH BW Urteile vom 19.03.2009 – 10 S 1578/08 – a.a.O.; sowie vom 22.05.2014 – 10 S 1719/13 – juris; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 27.02.2008 – 8 A 11153/07 -NVwZ-RR 2008, 530; OVG Niedersachsen, Urteil vom 19.11.2013 – 10 LB 57/12 – juris; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 19.04.2007 – 11 B 6.05 – RdL 2007, 319; anderer Ansicht Urteil des VG Schleswig vom 08.03.2004 – 1 A 71/02 – juris). Der durch die Vertrauensschutzregelungen angeordnete Ausschluss der Rückzahlungsverpflichtung bedeutet zugleich, dass die Ermächtigung zur Aufhebung rechtswidriger Bewilligungsbescheide eingeschränkt ist; insoweit wird der unionsrechtlich gebotene Vertrauensschutz bereits auf der Ebene der Aufhebung des Bewilligungsbescheids gewährleistet (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 27.02.2008, a.a.O.).
Die Berücksichtigung des Grundsatzes des Vertrauensschutzes wird unionsrechtlich ausschließlich im Rahmen der Bestimmungen über die Verpflichtung zur Rückzahlung zu Unrecht bewilligter Subventionen geregelt. Rechtsgrundlage für die Rückzahlungspflicht ist vorliegend Art. 71 Abs. 2 VO (EG) Nr. 817/2004 vom 29.04.2004. Danach ist der Begünstigte einer Maßnahme zur Entwicklung des ländlichen Raums im Falle von zu Unrecht gezahlten Beträgen verpflichtet, diese Beträge gemäß Art. 49 VO (EG) Nr. 2419/2001 zurückzuzahlen. Die in Bezug genommene VO (EG) Nr. 2419/2001 ist gemäß Art. 80 Abs. 1 der VO (EG) Nr. 796/2004 mit Wirkung für ab dem 01.01.2005 beginnende Wirtschaftsjahre oder Prämienzeiträume aufgehoben worden; Bezugnahmen auf die VO (EG) Nr. 2419/2001 gelten gemäß Art. 80 Abs. 2 der VO (EG) Nr. 796/2004 als Bezugnahmen auf die zuletzt genannte Verordnung.
Nach Art. 73 Abs. 1 VO (EG) Nr. 796/2004 und Art. 5 Nr. 1 VO (EG) Nr. 65/2011 ist der Betriebsinhaber bei zu Unrecht gezahlten Beträgen generell zur Rückzahlung dieser Beträge zuzüglich der gemäß Abs. 3 berechneten Zinsen verpflichtet. Im Hinblick auf den Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes des Begünstigten regelt Art. 73 Abs. 4 UA 1 dieser Verordnung und Art. 5 Nr. 3 VO (EG) Nr. 65/2011, dass die Verpflichtung zur Rückzahlung gemäß Abs. 1 nicht besteht, wenn die Zahlung auf einen Irrtum der zuständigen Behörde oder einer anderen Behörde zurückzuführen ist, der vom Betriebsinhaber billigerweise nicht erkannt werden konnte. Bezieht sich der Irrtum auf Tatsachen, die für die Berechnung der betreffenden Zahlung relevant sind, so gilt Unterabsatz 1 nur, wenn der Rückforderungsbescheid nicht innerhalb von 12 Monaten nach der Zahlung übermittelt worden ist (Abs. 4 2. UA). Bereits aus dem Wortlaut von Art. 73 Abs. 1 VO (EG) Nr. 796/2004 und dem systematischen Zusammenhang mit der Vertrauensschutzregelung in Abs. 4 der Bestimmung folgt, dass diese das Vertrauen des Empfängers einer zu Unrecht gewährten Beihilfe in den Bestand des Bewilligungsbescheids im Rahmen der Entscheidung über die Aufhebung des rechtswidrigen Bescheids bzw. der Verpflichtung zur Rückzahlung des ausgezahlten Betrags abschließend regelt und die Anwendung weitergehender nationaler Vorschriften ausgeschlossen ist. Daneben lässt sich aus Nr. 72 der Erwägungsgründe der Verordnung eindeutig die Intention der Kommission als Verordnungsgeber entnehmen, durch eine Regelung in der Verordnung die Handhabung des Grundsatzes des Vertrauensschutzes bei der Wiedereinziehung zu Unrecht gezahlter Beträge in der Gemeinschaft zu vereinheitlichen. Mit dem Bestreben der Schaffung von gemeinschaftseinheitlichen Vorgaben durch eine Regelung in der Verordnung ist eine ergänzende Heranziehung der Vorschriften der Mitgliedstaaten hinsichtlich der Berücksichtigung des schutzwürdigen Vertrauens des Begünstigen in den Bestand des Zuwendungsbescheids gemäß § 48 Abs. 2 bis 4 LVwVfG nicht zu vereinbaren.
Entgegen einer vereinzelt in der instanzgerichtlichen Rechtsprechung vertretenen Auffassung (vgl. etwa VG Karlsruhe, Urteil vom 18.10.2012 – 2 K 1610/12) kann im Hinblick auf den Vorrang der unionsrechtlichen Vertrauensschutzbestimmungen nicht nach der Aufbringung der zugewendeten Mittel differenziert werden. Die Gewährung von Vertrauensschutz nach den nationalrechtlichen Bestimmungen des Art. 48 Abs. 2 bis 4 BayVwVfG kommt auch nicht insoweit in Betracht, als die hier in Rede stehende Zuwendung aus Mitteln des Landes kofinanziert werden. Dieser Betrachtung steht bereits entgegen, dass es sich trotz der Kofinanzierung der Maßnahme aus Landesmitteln um eine einheitliche und untrennbare Beihilfe auf unionsrechtlicher Grundlage handelt. Aus der Kofinanzierung der Mittel lässt sich nichts für die hier in Rede stehende Frage der Rechtsnatur der Beihilfe und der für die Rückabwicklung maßgeblichen Rechtsvorschriften entnehmen (vgl. näher Senatsurteil vom 07.04.2014 – 10 S 870/13 – juris).
Dabei gilt der Vorrang der unionsrechtlichen Vertrauensschutzbestimmungen gerade auch für die Jahresfrist des § 48 Abs. 4 Satz 1 LVwVfG. Auch hinsichtlich der zeitlichen Komponente des Vertrauensschutzes enthält die VO (EG) Nr. 796/2004 in Art. 73 Abs. 5 eine abschließende Regelung. Danach besteht die Verpflichtung zur Rückzahlung nicht, wenn zwischen dem Tag der Zahlung der Beihilfe und dem Tag, an dem der Begünstigte von der zuständigen Behörde erfahren hat, dass die Beihilfe zu Unrecht gewährt wurde, mehr als zehn Jahre vergangen sind; dieser Zeitraum verkürzt sich auf vier Jahre, wenn der Begünstigte in gutem Glauben gehandelt hat. Da die nach dem oben Gesagten gebotene einheitliche Anwendung des Grundsatzes des guten Glaubens in der gesamten Union sich auch auf die in Art. 73 Abs. 5 der VO (EG) Nr. 796/2004 bezeichneten Fristen bezieht, innerhalb der eine Rückzahlung gefordert werden kann, kommt ein Rückgriff auf die kürzere Jahresfrist des § 48 Abs. 4 Satz 1 LVwVfG nicht in Betracht. Aufgrund der abschließenden Regelung des dem Begünstigten zustehenden Vertrauensschutzes in der einschlägigen Verordnung stellt sich hier nicht die Frage, ob die in § 48 Abs. 4 LVwVfG statuierte Jahresfrist den unionsrechtlichen Grundsätzen der Effektivität und Äquivalenz genügt. Denn die vom Gerichtshof der Europäischen Union in seinem Urteil vom 20.03.1997 (Rs. C-24/95 – Slg. 1997, I-1591) entwickelten Grundsätze für die Gewährung von Vertrauensschutz auf der Grundlage nationaler Bestimmungen gelangen nur zur Anwendung, soweit das primär maßgebliche Unionsrecht keine vorrangigen und abschließenden Regelungen des Verwaltungsverfahrens enthält.
3.1.2 Die Jahresfrist des § 48 Abs. 4 Satz 1 LVwVfG ist zum maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Rückforderungsbescheids nicht abgelaufen. Nach § 48 Abs. 4 Satz 1 LVwVfG ist, wenn die Behörde von Tatsachen Kenntnis erlangt, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsakts rechtfertigen, diese nur innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme zulässig. Hinsichtlich der Voraussetzung der Rechtswidrigkeit lässt die Vorschrift jeden Grund genügen und differenziert nicht danach, ob der Verwaltungsakt wegen eines „Tatsachenirrtums“ oder eines „Rechtsirrtums“ rechtswidrig ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 19.12.1984 – GrSen 1 und 2/84 -BVerwGE 70, 356). Stets ist jedoch erforderlich, dass die Behörde nicht nur die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts erkannt hat, sondern dass ihr die für die Rücknahme außerdem erheblichen Tatsachen vollständig bekannt sind. Die Jahresfrist beginnt mithin erst zu laufen, wenn sämtliche rücknahmerelevanten Tatsachen vollständig, uneingeschränkt und zweifelsfrei ermittelt sind. Zur Herstellung der Entscheidungsreife, nach deren Eintritt die Entscheidungsfrist des § 48 Abs. 4 Satz 1 LVwVfG erst zu laufen beginnt, gehört daher regelmäßig das Anhörungsverfahren, und zwar unabhängig von dessen Ergebnis, denn die Einwände eines Anzuhörenden können nur dann ernstlich zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen werden, wenn sich die Behörde ihre Entscheidung bis zum Abschluss des Anhörungsverfahrens offen hält (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 20.09.2001 – 7 C 6.01 – ZOV 2002, 42).
Bei diesem Verständnis hat die Jahresfrist des § 48 Abs. 4 Satz 1 LVwVfG daher (frühestens) mit der Antwort des Klägers auf die Anhörung der Behörde zu der beabsichtigten Rückforderung (s. unten) zu laufen begonnen. Diese Anhörung war auch erforderlich. Zwar besteht in Bezug auf die Rückforderung europarechtswidriger Subventionen ein intendiertes Ermessen (dazu unter 4.). Gleichwohl ist die Behörde auch hier gehalten, eine Anhörung des Begünstigten durchzuführen, um zu ermitteln, ob ein atypischer Sachverhalt vorliegt, der ausnahmsweise zur Ausübung des Ermessens zwingt. Der Rückforderungsbescheid erging damit noch innerhalb der Jahresfrist. Bei der Kürzung der AGZ lief überhaupt keine Jahresfrist, weil vor Auszahlung noch kein Vertrauensschutz entsteht.
3.2 Dem Kläger steht nach Maßgabe des Art. 73 Abs. 4 bis 6 der VO (EG) Nr. 796/2004 kein Vertrauensschutz zu. Die Voraussetzungen des Art. 73 Abs. 4 VO (EG) Nr. 796/2004 liegen nicht vor, da die Überzahlung nicht auf einem Irrtum des Beklagten oder einer anderen Behörde beruhte, sondern auf den fehlerhaften Angaben des Klägers hinsichtlich der von ihm bewirtschafteten Flächen. Die Rückzahlungspflicht ist, die bis 31.12.2009 galt, auch nicht durch Zeitablauf erloschen. Nach Art. 73 Abs. 5 VO (EG) Nr. 796/2004, die bis 31.12.2009 galt, erlischt die Rückzahlungspflicht, wenn zwischen der Zahlung und dem Zeitpunkt, zu dem der Begünstigte von der Rechtswidrigkeit der Zahlung erfahren hat, zehn Jahre vergangen sind; hat der Begünstigte in gutem Glauben gehandelt, so verkürzt sich dieser Zeitraum auf vier Jahre. Bei mehrjährigen Programmen, also auch bei AUM, läuft die Verjährungsfrist auf jeden Fall bis zum endgültigen Abschluss des Programms. Die Verjährung wird durch jede dem Betroffenen zur Kenntnis gebrachte Ermittlungs- und Verfolgungshandlung unterbrochen. Über die Ergebnisse der VOK wurde der Kläger mit Schreiben vom 29.10.2012 erstmals informiert, danach mit Anhörungsschreiben vom 29.01. 2013 des AELF D… Aufgrund der obigen Ausführungen kann nicht von Gutgläubigkeit ausgegangen werden, sodass eine Verjährungsfrist von zehn Jahren anzunehmen ist. Die VO EGV 796/2004 gilt für die Antragsjahre bis 2009. Eine Verjährung ist daher für die Jahre 2004 und 2007 noch nicht eingetreten. Für die Jahre ab 2010 gilt gemäß Art. 3 VO (EG) Nr. 29 88/95 die Verjährungsfrist von vier Jahren, sodass auch für diese Jahre noch keine Verjährung eingetreten ist. Gemäß Art. 73 Abs. 6 VO (EG) Nr. 796/2004 gilt für Beträge, die aufgrund von Kürzungen und Ausschlüssen gemäß den Bestimmungen des Titel IV zurückgezahlt werden müssen, eine Verjährungsfrist von vier Jahren. Diese Frist von vier Jahren im Sinne der vorgenannten Abs. 5 und 6 ist hier jedenfalls mit Erlass des Rückforderungsbescheids vom 8.4.2013 berücksichtigt worden (siehe S. 5 des Bescheids).
4. Der angefochtene Teilrücknahme- und Rückforderungsbescheid sowie die Kürzung der Auszahlung der AGZ in der Gestalt des Widerspruchsbescheide leiden auch nicht an einem Ermessensfehler.
Nach den Grundsätzen des intendierten Ermessens ist es im vorliegenden Fall unschädlich, wenn weder im Ausgangs- noch im Widerspruchsbescheid ausdrücklich Ermessenserwägungen angestellt werden. Schon nach nationalem Recht gebieten die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit in der Regel die Rücknahme einer rechtswidrigen Subvention, wenn keine besonderen Gründe vorliegen, die eine andere Entscheidung rechtfertigen. Liegt ein vom Regelfall abweichender Sachverhalt nicht vor, bedarf es dann auch keiner das Selbstverständliche darstellenden Begründung (vgl. BVerwG, Urteile vom 16.06.1997 – 3 C 22.96 – BVerwGE 105, 55; sowie vom 10.12.2003 – 3 C 22.02 – a.a.O.). Darüber hinaus besteht bei unionsrechtswidrigen Beihilfen ein gesteigertes Rückforderungsinteresse. Denn die Mitgliedstaaten haben die gemeinschaftsrechtliche Verpflichtung, die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um zu Unrecht ausgezahlte unionsfinanzierte Subventionen wieder einzuziehen. Die Ausübung von Ermessen hinsichtlich der Frage, ob die Rückforderung zu Unrecht gewährter Unionsmittel zweckmäßig ist, ist nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs mit dieser Verpflichtung unvereinbar (vgl. EuGH, Urteil vom 21.09.1983 – Rs. C-215/82 – a.a.O.; BVerwG, Urteil vom 10.12.2003 – 3 C 22.02 – a.a.O.). Die Ermessensausübung bezüglich des Umfangs der Rücknahme erfolgt, soweit keine unionsrechtlichen Regelungen einschlägig sind, durch die Vorgaben in den einschlägigen Subventionsrichtlinien und Verwaltungsvorschriften.
Bei Anwendung dieser Kriterien kommt lediglich die von dem Beklagten vorgenommene Kürzung der Beihilfen in Betracht. Dafür spricht bereits, dass die fehlerhafte Beihilfegewährung bei wertender Betrachtung maßgeblich auf das Verhalten des Klägers, nämlich dessen fehlerhafte Angaben, zurückzuführen war. Eine die Ausübung von Ermessen gebietende Sondersituation wird auch nicht durch die vom Kläger geltend gemachte wirtschaftliche Existenzgefährdung begründet. Die Höhe der Rückforderung in diesem und auch in den anderen von dem Kläger anhängig gemachten Verfahren erreicht noch keinen Betrag, der unmittelbar eine Insolvenz befürchten lässt. Zur Abwendung einer erheblichen wirtschaftlichen Notlage steht im Übrigen ein Ausgleich durch Stundung, Niederschlagung oder Erlass gemäß den Instrumentarien der Landeshaushaltsordnung zur Verfügung. Auch der Rückforderungszeitraum und der Umstand, dass dem Kläger im vorliegenden Fall eine Berufung auf den Einwand der Entreicherung verwehrt ist, genügt für sich genommen noch nicht, um eine die Ausübung von Ermessen gebietende Atypik anzunehmen. Ein Verzicht auf die Rücknahme im Rahmen der Ermessensentscheidung kommt daher unter keinem Gesichtspunkt in Betracht; entsprechende Erwägungen waren deshalb in dem angegriffenen Rücknahmebescheid nicht zwingend erforderlich.
5. Der Kläger kann dem Erstattungsanspruch des Beklagten nicht mit Erfolg eine Entreicherung entgegenhalten. Nach § 49a Abs. 2 Satz 1 LVwVfG gelten für den Umfang der Erstattung mit Ausnahme der Verzinsung die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung entsprechend. Entsprechende Anwendung findet mithin auch § 818 Abs. 3 BGB. Hiernach ist die Verpflichtung zur Herausgabe oder zum Ersatz des Wertes ausgeschlossen, soweit der Empfänger nicht mehr bereichert ist. Bereicherung ist ein wirtschaftlicher Begriff, der aus der Gegenüberstellung aller Vermögensverschiebungen beim Bereicherungsschuldner zu ermitteln ist, die mit dem Tatbestand, der den Bereicherungsanspruch ausgelöst hat, im ursächlichen Zusammenhang stehen (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.06.1991 – 3 C 58.89 – NJW 1992, 328). Die Frage, ob die Bereicherung weggefallen ist, beantwortet sich durch einen Vergleich des Vermögensgegenstandes bei Empfang der Leistung mit dem Zeitpunkt der Rückforderung (sog. Saldotheorie). Ausgehend hiervon ist der Kläger nicht entreichert. Er kann lediglich geltend machen, er hätte die erlangten Fördergelder sparsamer eingesetzt, wenn die Zuwendungen entsprechend niedriger ausgefallen wären. Indes begründet der bloß ökonomischere Einsatz der Fördergelder nicht den Wegfall der Bereicherung, da mit den angeblich erworbenen Futtermitteln ein Surrogat für die Fördergelder in das Vermögen des Klägers überging (vgl. Schwab in: Münchner Komm. zum BGB, 5. Aufl. 2009, § 118 Rn. 161).
Daneben kann der Einwand des Wegfalls der Bereicherung auf Grund der durch das Unionsrecht gezogenen Grenzen nur dann beachtet werden, wenn zum einen der gute Glaube des Empfängers nachgewiesen ist und zum anderen der Empfänger bereits zum Zeitpunkt der Bewilligung der Beihilfe den sich daraus ergebenden Vermögensvorteil durch die Beihilfe weitergegeben hat und ein eventueller Regressanspruch wertlos wäre (vgl. EuGH. Urteil vom 17.07.1998 – Rs. C – 298/96 – juris). Diese Voraussetzungen des Unionsrechts, um den Einwand des Wegfalls der Bereicherung mit Erfolg erheben zu können, sind nicht gegeben. Wie bereits dargelegt, kann sich der Kläger in Bezug auf die Antragstellung und die anschließende Beihilfegewährung nicht auf schützenswertes Vertrauen berufen, so dass er nicht im guten Glauben gehandelt hat.
Unabhängig hiervon kann sich der Kläger auf eine eingetretene Entreicherung nicht berufen, da die Haftungsverschärfung gemäß § 49a Abs. 2 Satz 2 LVwVfG eingreift. Danach kann sich der Begünstigte auf den Wegfall der Bereicherung nicht berufen, soweit er die Umstände kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte, die zur Rücknahme, zum Widerruf oder zur Unwirksamkeit des Verwaltungsaktes geführt haben. Hierbei muss es sich um eine Kenntnis bzw. grob fahrlässige Unkenntnis handeln, die vor dem Eintritt des Bereicherungswegfalls liegt (vgl. hierzu OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 23.11.2007 – 1 L 48/07 – NVwZ-RR 2008, 364). Nach dem oben Gesagten ist das Verhalten des Klägers bei der Antragstellung als grob fahrlässig anzusehen ist. Denn der Kläger hat sich hinsichtlich der Flächenangaben über den Begriff der landwirtschaftlichen Fläche hinweggesetzt und die Definitionen für förderfähige Flächen ignoriert. Hierin liegt ein erheblicher Verstoß gegen die Sorgfaltspflichten, nachdem dem Antragsteller bewusst war, dass die hier strittigen Flächen einen erheblichen Pflegerückstand hatten oder Waldflächen waren oder von anderen bewirtschaftet worden waren.
6. Die im Rückforderungsbescheid festgesetzte Zinszahlungspflicht ist rechtlich nicht zu beanstanden. Nach der maßgeblichen Bestimmung des Art. 73 Abs. 3 VO (EG) Nr. 796/2004 werden Zinsen für den Zeitraum zwischen der Übermittlung des Rückforderungsbescheids an den Betriebsinhaber und der tatsächlichen Rückzahlung bzw. dem Abzug berechnet; der anzuwendende Zinssatz wird nach Maßgabe der einschlägigen nationalen Rechtsvorschriften festgesetzt, darf dabei jedoch nicht niedriger sein als der bei der Rückforderung von Beträgen nach einzelstaatlichen Vorschriften geltende Zinssatz. Danach bestehen gegen die festgesetzte Verzinsungspflicht hinsichtlich der zeitlichen Geltung und der Höhe des Zinssatzes ab 1.6.2015 aber Bedenken, weil seit diesem Zeitpunkt der zu erstattende Betrag nur mit drei Prozentpunkten über dem Basiszinssatz jährlich zu verzinsen ist (so Art.49 a Abs. 3 S. 1BayVwVfG, geändert mWv 1.6.2015). Laut Bescheid wird aber die Höhe der Zinsforderung in einem gesonderten Bescheid festgesetzt. Hier kann die Rechtsänderung noch beachtet werden. Der Kläger ist insoweit nicht durch die Ziffer 3 des Rückforderungsbescheids vom 8.4.2013 beschwert.
Nach alldem war die Klage insgesamt abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr.11 ZPO.
Der Gerichtsbescheid wirkt als Urteil, § 84 Abs. 3 VwGO.


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