Kosten- und Gebührenrecht

Kein Anspruch auf höhere Rechtsanwaltsvergütung

Aktenzeichen  L 12 SF 313/16 E

Datum:
22.3.2018
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 5902
Gerichtsart:
LSG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
RVG § 2, § 14
VV RVG Nr. 3106 Ziff. 3
SGG § 101 Abs. 2

 

Leitsatz

1. Die Erklärung, ein Anerkenntnis abgeben zu wollen, muss stets durch den unbedingten Bindungswillen des Anerkennenden gekennzeichnet sein, und zwar auch für den Fall, dass das Anerkenntnis nicht angenommen wird. Erforderlich ist, dass sich ein darauf gerichteter Wille hinreichend deutlich aus dem gesamten Inhalt der Äußerung und aus dem Zusammenhang, in dem sie steht, ergibt (vgl. BSG, Urteil vom 06.05.2010 – B 13 R 16/09 R -, m.w.N. juris). (Rn. 22)
2. Wird lediglich die Bereitschaft zur Übernahme von Kosten mit den Worten “können übernommen werden” erklärt, liegt ein solcher unbedingter Bindungswille nicht vor. (Rn. 23)

Verfahrensgang

S 10 SF 165/16 E 2016-10-27 Bes SGBAYREUTH SG Bayreuth

Tenor

Die Beschwerde gegen den Beschluss des SG Bayreuth vom 27.10.2016, S 10 SF 165/16 E, wird zurückgewiesen.

Gründe

Gegenstand des Verfahrens ist die Höhe des Rechtsanwaltshonorars nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG), das dem Beschwerdeführer (Bf.) nach Beiordnung im Rahmen der Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) aus der Staatskasse zusteht. Streitig ist allein die Entstehung einer (fiktiven) Terminsgebühr.
Im Klageverfahren vor dem SG Bayreuth (S 9 AS 356/14) ging es um Bedarfe für Unterkunft und Heizung gemäß § 22 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II), konkret u.a. um die Übernahme eines Nachzahlungsbetrages in Höhe von 144,67 € aus der Abrechnung der Stadtwerke B-Stadt. Die Übernahme war vom beklagten Jobcenter mangels örtlicher Zuständigkeit abgelehnt worden, da die Klägerin zwischenzeitlich nach A-Stadt verzogen war.
Der Bf. wurde mit Beschluss vom 20.07.2016 der Klägerin ab dem 30.04.2014 als Rechtsanwalt beigeordnet.
Mit Beschluss vom gleichen Tag hat das SG das Jobcenter A-Stadt nach § 75 Abs. 2 SGG beigeladen. Der Beigeladene nahm mit Schreiben vom 22.08.2016 gegenüber dem Gericht zum Verfahren Stellung und erklärte, die streitigen Heizkosten in Höhe von 144,67 € könnten von ihm übernommen werden.
Daraufhin teilte der Bf. dem SG mit, das Anerkenntnis der Beigeladenen werde angenommen und die Klage für erledigt erklärt. In der Abschlussverfügung des SG wurde ausgeführt, das Verfahren sei in der Hauptsache erledigt, da es durch den bevollmächtigten der Klägerin für erledigt erklärt worden sei.
Am 29.08.2016 beantragte der Bf., seine Vergütung für das Klageverfahren in Höhe von 702,10 € festzusetzen und setzte dabei eine Terminsgebühr Nr. 3106 VV RVG in Höhe von 270,00 € wegen „Verfahren vor Sozialgerichten ohne mündliche Verhandlung“ an.
Mit Entscheidung vom 02.09.2016 setzte der Kostenbeamte des SG die Vergütung in Höhe von 380,80 € fest. Eine Terminsgebühr nach der VV-Nr. 3106 Ziff.. 3 zum RVG könne nicht berücksichtigt werden, da der Rechtsstreit für erledigt erklärt worden sei.
Hiergegen hat der Bf. Erinnerung eingelegt und vorgetragen, für den Anfall einer Terminsgebühr sei die Abgabe eines Anerkenntnisses keine Voraussetzung. Nach dem Wortlaut des Gesetzes sei für das Anfallen der Terminsgebühr gemäß Nr. 3106 Ziff. 3 VV RVG ausreichend, wenn das Verfahren, für das eine mündliche Verhandlung vorgeschrieben sei, ohne mündliche Verhandlung ende. Vorliegend habe der Beklagte den Anspruch der Klägerin durch Erlass des begehrten Bescheides anerkannt.
Mit Beschluss vom 27.10.2016 hat das SG die Erinnerung als unbegründet zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, weder der Beigeladene noch der Beklagte hätten eine Prozesserklärung im Sinne eines Anerkenntnisses abgegeben. Erklärt worden sei vom Beigeladenen lediglich, der Betrag von 144,67 € könne übernommen werden. Ein nicht erklärtes Anerkenntnis könne auch nicht angenommen werden. Ein Anerkenntnis im Rechtssinne sei auch nicht inzidenter im Erlass des Bewilligungsbescheides durch den Beigeladenen zu sehen. Die Erledigung der Klage sei vielmehr durch die auf die Erklärung der Beigeladenen hin von der Klagepartei abgegebene Erledigungserklärung eingetreten, mit der die Klagepartei ihrem nun nicht mehr vorhandenen Rechtsschutzbedürfnis Rechnung getragen und eine Klageabweisung als unzulässig vermieden habe.
Hiergegen hat der Beschwerdeführer am 16.11.2016 Beschwerde erhoben und zu deren Begründung die bisherige Argumentation wiederholt. Ergänzend wurde ausgeführt, im sozialgerichtlichen Verfahren sei der Antrag auf Protokollierung oder Erlass eines Anerkenntnisurteils nicht erforderlich und nicht zweckmäßig. Ausreichend sei, dass der geltend gemachte Anspruch ganz oder teilweise anerkannt werde. Der Beklagte habe mit Schriftsatz vom 22.08.2016 gegenüber dem Gericht erklärt, dass die Heizkosten in Höhe von 144,67 € übernommen würden. Darin liege ein Anerkenntnis, durch das die Erledigung des Rechtsstreits herbeigeführt worden sei. Dies reiche für den Anfall der Terminsgebühr aus.
Der Beschwerdegegner (Bg.) widersprach der Auffassung des Bf., im Schreiben des Beigeladenen vom 22.08.2016 ein Anerkenntnis zu sehen. Auch habe der Beklagte darauf bestanden, dass der ursprüngliche, die Kostenübernahme ablehnende, Verwaltungsakt rechtmäßig gewesen sei und deshalb kein Anerkenntnis abgegeben werde. In der Abschlussverfügung des Sozialgerichts vom 31.08.2016 werde das Verfahren als in der Hauptsache erledigt bezeichnet, der entsprechenden Mitteilung an die Beteiligten habe der Bf. nicht widersprochen. Es entspreche der kostenrechtlichen Behandlung nach der ständigen Rechtsprechung des Kostensenates der BayLSG, die auf eine Bindungswirkung der hauptsacherichterlichen Behandlung für den für die Kostenfestsetzung zuständigen Urkundsbeamten abziele, da das Kostenrecht einfacher Regeln bedürfe und die Prüfpflicht der Urkundsbeamten möglichst niedrig sein sollte.
Im Übrigen wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakten dieses Verfahrens und des Erinnerungsverfahren sowie das erstinstanzliche Klageverfahren mit dem Aktenzeichen S 9 AS 356/14 verwiesen.
II.
Die Beschwerde führt nicht zum Erfolg.
Zuständig für die Entscheidung ist der Einzelrichter gemäß § 56 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 33 Abs. 8 Satz 1 RVG.
Zur Anwendung kommen im vorliegenden Fall die Regelungen des RVG in ab 01.08.2013 geltenden Fassung gemäß dem Zweiten Gesetz zur Modernisierung des Kostenrechts (Zweites Kostenrechtsmodernisierungsgesetz – 2. KostRMoG) vom 23.07.2013 (BGBl S. 2586, 2681 ff.), denn der unbedingte Auftrag i.S.v. § 60 Abs. 1 RVG ist der Beschwerdeführerin nach dem 31.07.2013 erteilt worden.
1. Die Beschwerde ist zulässig.
Sie ist statthaft, da der Wert des Beschwerdegegenstands 200,00 € übersteigt (§ 56 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 33 Abs. 3 Satz 1 RVG). Die Beschwerde ist auch fristgerecht innerhalb der Zweiwochenfrist des § 56 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 33 Abs. 3 Satz 3 RVG eingelegt worden.
2. Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet.
Der Bf. hat keinen Anspruch auf eine höhere Rechtsanwaltsvergütung.
Die Höhe der anwaltlichen Vergütung richtet sich gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 RVG nach den Bestimmungen des VV RVG, wobei in Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, in denen – wie hier – das Gerichtskostengesetz nicht anzuwenden ist, Betragsrahmengebühren entstehen (§ 3 Abs. 1 Satz 1 RVG). Gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG bestimmt der Rechtsanwalt die Rahmengebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers nach billigem Ermessen.
a) Dies zugrunde legend besteht vorliegend kein Anspruch auf Festsetzung höherer Gebühren. Die Verfahrensgebühr (Nr. 3102 VV RVG) sowie die Post- und Telekommunikationspauschale zuzgl. MwSt. wurden antragsgemäß festgesetzt. Streitig ist allein das Anfallen einer fiktiven Terminsgebühr nach Nr. 3106 Ziff. 3 VV RVG. Diese zur Festsetzung beantragte Gebühr ist nicht entstanden.
Nach Nr. 3 der Anmerkung zu 3106 VV RVG entsteht die Terminsgebühr in Verfahren vor den Sozialgerichten ferner dann, „wenn das Verfahren, für das mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist, nach angenommenem Anerkenntnis ohne mündliche Verhandlung endet.“ Ein Anerkenntnis ist das im Wege einseitiger Erklärung abgegebene uneingeschränkte Zugeständnis, dass der mit der Klage geltend gemachte prozessuale Anspruch besteht (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 12. Auflage, § 101 Rn. 20). Es muss als Prozesshandlung gegenüber dem Gericht abgegeben werden. Dies kann in einem Schriftsatz, zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle oder in der mündlichen Verhandlung zu Protokoll des Gerichts (§ 122 SGG i.V.m. § 160 Abs. 3 Nr. 1 ZPO) erfolgen. Im Einzelfall kann ein Beteiligter ein Anerkenntnis iS des § 101 Abs. 2 SGG auch ohne die Verwendung der entsprechenden Bezeichnung („Anerkenntnis“ bzw. „anerkennen“) abgeben. Die Erklärung muss stets durch den unbedingten Bindungswillen des Anerkennenden gekennzeichnet sein, und zwar auch für den Fall, dass das Anerkenntnis nicht angenommen wird. Erforderlich ist, dass sich ein darauf gerichteter Wille hinreichend deutlich aus dem gesamten Inhalt der Äußerung und aus dem Zusammenhang, in dem sie steht, ergibt (vgl. BSG, Urteil vom 06.05.2010 – B 13 R 16/09 R -, m.w.N. juris).
Die Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall ergibt, dass der Beigeladene eine solche ausdrückliche Prozesserklärung gegenüber dem SG nicht abgegeben hat. Er hat in seinem Schreiben vom 22.08.2016 lediglich mitgeteilt, die Heizkosten in Höhe von 144,67 € „können übernommen werden“. Damit hat er gerade nicht uneingeschränkt zugestanden, dass der prozessuale Anspruch besteht, sondern lediglich seine Bereitschaft zur Übernahme der Kosten erklärt. Der prozessuale Anspruch war zudem gegen den (falschen) Beklagten und nicht gegen den Beigeladenen gerichtet. Hinzu kommt im vorliegenden Fall, dass der Streitgegenstand des Verfahrens S 9 AS 356/14 möglicherweise nicht nur die Heizkostennachzahlung war. Denn der Bf. hatte mit Schriftsatz vom 05.02.2015 moniert, dass die Schlussrechnung der Stadtwerke B-Stadt nicht nur die Nachzahlung, sondern darüber hinaus eine weitere Forderung in Höhe von 1175,09 € enthielt, die ebenfalls von der Klägerin noch nicht beglichen sei. Außerdem erweiterte er die Klage um nicht näher bezifferte Kosten eines Mahnbescheidverfahrens. Damit war schon nicht klar, welche Ansprüche mit der Klage tatsächlich verfolgt wurden. Dementsprechend hatte der Beigeladene in seinem Schreiben vom 22.08.2016 sich zwar zur Übernahme von Kosten in Höhe von 144,67 € bereit erklärt, ein uneingeschränktes Zugestehen des streitigen Anspruchs ergibt sich aber bereits nach dem Wortlaut der Erklärung „können übernommen werden“ nicht.
Zudem hat der Klägerbevollmächtigte den Rechtsstreit auf Anfrage des SG ausdrücklich für erledigt erklärt. Eine solche Erledigterklärung wäre – die Rechtsauffassung des Bf. zugrunde legend – nicht notwendig gewesen und ins Leere gegangen. Denn ein angenommenes Anerkenntnis erledigt nach § 101 Abs. 2 SGG den Rechtsstreit, ohne dass es weiterer Prozesshandlungen bedarf. Damit liegt ein die Gebühr Nr. 3106 Ziff. 3 VV RVG auslösendes angenommenes Anerkenntnis nicht vor.
b) Nur hilfsweise ist zu den Argumenten des Bf. Folgendes anzumerken:
Die hier streitige Erklärung wurde nicht – wie der Bf. vorträgt – vom Beklagten abgegeben, sondern von dem nach § 75 Abs. 2 SGG (notwendig) Beigeladenen. Inwieweit ein durch den Beigeladenen und nicht den Beklagten abgegebenes Anerkenntnis überhaupt die Rechtsfolge des § 101 Abs. 2 SGG auslösen kann, braucht hier nicht entschieden zu werden, da es bereits an der Abgabe eines Anerkenntnisses durch den Beigeladenen fehlt.
Soweit der Bf. vorträgt, der Beklagte habe im gerichtlichen Verfahren vor dem SG den Anspruch der Klägerin durch Erlass des begehrten Bescheides anerkannt, verkennt er bereits, dass durch den Beklagten gerade kein Bescheid ergangen ist, mit dem die Übernahme eines Anspruchs bewilligt wurde. Hier käme allenfalls ein – nicht vorgelegter – Bewilligungsbescheid durch den Beigeladenen in Betracht. Aber auch in einem solchen Bescheid wäre kein konkludentes Anerkenntnis des Beklagten zu sehen. Weder der Erlass des Abhilfebescheides noch eine Mitteilung des Beklagten hierüber an das Gericht würde ein solches darstellen. Stellt der Beklagte den Kläger durch Erfüllung des streitbefangenen Klaganspruchs außerhalb des gerichtlichen Verfahrens klaglos, hat dies noch keinen unmittelbaren Einfluss auf das gerichtliche Verfahren selbst. Die Klaglosstellung ist vielmehr lediglich ein Ereignis, durch das die Hauptsache erledigt und damit das Rechtsschutzbedürfnis für eine Weiterverfolgung des Anspruchs entfallen ist (Sächsisches Landessozialgericht, Beschluss vom 05. April 2017 – L 8 AL 73/15 B KO -, juris; vgl. Hauck in Henning, SGG, Stand Februar 2017, § 101 SGG Rn. 46). Daher kann auch die durch einen Prozessbeteiligten erfolgte schlichte Information des Gerichts über eine außergerichtliche Abhilfe oder Erfüllung keine Prozesserklärung im Sinne eines Anerkenntnisses sein (Müller in Roos/Wahrendorf, SGG, § 101 Rn.38)
Die Beschwerde war deshalb zurückzuweisen.
Das Verfahren ist gebührenfrei, Kosten werden nicht erstattet (§ 56 Abs. 2 Sätze 2 und 3 RVG).
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 56 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 33 Abs. 4 Satz 3 RVG).


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