Kosten- und Gebührenrecht

Staatskasse

Aktenzeichen  51 T 141/21

Datum:
4.10.2021
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 53375
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Verfahrensgang

2 M 1071/21 2021-07-26 Bes AGBAYREUTH AG Bayreuth

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Vertreterin der Staatskasse wird der Beschluss des Amtsgerichts Bayreuth vom 26.07.2021, Az. 2 M 1071/21, aufgehoben und die Kostenerinnerung der Gläubigerin vom 14.05.2021 zurückgewiesen.
2. Die weitere Beschwerde wird zugelassen.

Gründe

I.
Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen die Stattgabe einer Kostenerinnerung.
Die Gläubigerin vollstreckt gegen den Schuldner aus einem Vollstreckungsbescheid. Sie beantragte über ihren Verfahrensbevollmächtigten den Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses über das besondere Anwaltspostfach (beA). Gleichzeitig beantragte sie, die Zustellung des Beschlusses zu vermitteln (vgl. Bl. 9 rechts oben der Akte 8 M 845/21).
Dem Gerichtsvollzieher wurde vom Amtsgericht Bayreuth lediglich eine Ausfertigung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses ohne Abschriften zugeleitet. Er hat zur Herstellung von Abschriften 20 Seiten kopiert und mit der Dokumentenpauschale nach KV Nr. 700 Anlage zum GvKostG dafür Kosten in Höhe von 10,00 Euro abgerechnet (vgl. Bl. 6 und 11 d. A. und Bl. 1 bis 3 der Gerichtsvollzieherakte 1 DRI-0509/21).
Gegen die Kostenrechnung vom 06.05.2021 hat die Gläubigerin mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 14.05.2021 Erinnerung eingelegt.
Das Amtsgericht Bayreuth hat der Erinnerung mit Beschluss vom 26.07.2021 stattgegeben und die Kostenrechnung dahingehend abgeändert, dass die Position KV Nr. 700 Anlage zum GvKostG Dokumentenpauschale in Höhe von 10,00 Euro zu streichen ist. Die Beschwerde wurde zugelassen.
Die Bezirksrevisorin als Vertreterin der Staatskasse hat mit Schreiben vom 18.08.2021 Beschwerde eingelegt und beantragt, die Kostenerinnerung unter Aufhebung des Beschlusses vom 26.07.2021 zurückzuweisen.
Der Prüfungsbeamte für die Gerichtsvollzieher der Landgerichtsbezirke Hof und Bayreuth sowie die Amtsgerichte Kronach und Lichtenfels hat sich mit Stellungnahme vom 17.08.2021 der Ansicht der Beschwerdeführerin angeschlossen.
Die Gläubigerin erhielt Gelegenheit zur Stellungnahme. Innerhalb der ihr vom Beschwerdegericht gesetzten Frist ist keine Äußerung erfolgt.
Die Gerichtsvollzieherakte 1 DRI-0509/21 und die Akte 8 M 845/21 lagen bei der Entscheidung vor.
II.
1. Die nach § 5 Abs. 2 Satz 2 GvKostG in Verbindung mit § 66 Abs. 2 Satz 2 GKG zulässige Beschwerde ist begründet.
Der Gerichtsvollzieher hat die Dokumentenpauschale in Höhe von 10,00 Euro für die Fertigung von 20 Kopien zu Recht nach KV Nr. 700 Nr. 1 lit. b) Anlage zum GvKostG in der Kostenrechnung angesetzt.
Die von der Gläubigerin und in der angefochtenen Entscheidung vertretene Auffassung, dass bei der Übersendung eines Auftrags an den Gerichtsvollzieher per beA vom Antragsteller keine Abschriften von digitalen Dokumenten vorzulegen bzw. zu fertigen sind, trifft zwar zu. Dies betrifft jedoch lediglich den Antrag der Gläubigerin auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses, nicht die für die weitere Erledigung des Auftrags – nach Erlass des beantragten Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses – erforderlichen Abschriften.
Denn für die weitere Erledigung des Auftrags, nämlich die Zustellungen gemäß § 829 Abs. 2 ZPO durch den Gerichtsvollzieher, mussten Abschriften des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses hergestellt werden.
Da die Zustellung eines elektronischen Dokuments durch den Gerichtsvollzieher gemäß § 753 Abs. 4 Satz 4 ZPO in Verbindung mit § 174 Abs. 3 Satz 2 ZPO nicht möglich war, mussten hier Abschriften des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses nebst Anlagen in Papierform gefertigt werden (vgl. Herrfurth, in: BeckOK Kostenrecht, Dörndorfer/Wendtland/Gerlach/Diehn, Stand: 01.07.2021, GvKostG KV 700 Rn. 29).
An sich waren dem Gerichtsvollzieher gemäß § 192 Abs. 2 ZPO von der Gläubigerin die erforderlichen Abschriften für die Zustellung, die nach § 829 Abs. 2 ZPO im Parteibetrieb erfolgte, zu übergeben. Da der Gerichtsvollzieher diese nicht erhalten hatte, konnte er sie gemäß § 192 Abs. 2 HS 2 ZPO selbst herstellen. Insbesondere rechtfertigte die Eilbedürftigkeit die Selbstherstellung (vgl. Dörndorfer in: BeckOK ZPO, Stand: 01.07.2021, § 192 Rn. 3 unter Verweis auf § 16 Abs. 2 GVGA; Tenner, DGVZ 2019, 224, 228), da eine Anforderung von Abschriften zu einer Verzögerung hätte führen können. Dass der Auftrag zur Zustellung unter Vermittlung der Geschäftsstelle des Amtsgerichts Bayreuth gemäß § 192 Abs. 3 ZPO erfolgt ist, ändert daran nichts (vgl. AG Tostedt, Beschluss vom 13.01.2012 – 9 M 4175/11 BeckRS 2014, 5019 auch zur Unterscheidung hinsichtlich der Mehrfertigungen zwischen dem Antrag auf Erlass des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses und dem im Parteibetrieb zuzustellenden Beschluss selbst).
Die Herstellung der Abschriften zur nachfolgenden Zustellung im Parteibetrieb entsprach im Übrigen auch den Vorgaben der §§ 9 Abs. 1, 15 Abs. 1 und 2, 16 Abs. 2 Satz 5 Nr. 1 GVGA.
Die für die Herstellung der Abschriften erforderlichen 20 Kopien konnte der Gerichtsvollzieher daher nach KV Nr. 700 Nr. 1 lit. b) Anlage zum GvKostG als Dokumentenpauschale in Höhe von 10,00 Euro abrechnen (im Ergebnis so auch AG Duderstadt, Beschluss vom 22.07.2021 – 12 M 394/21, BeckRS 2021, 22268; AG Schwäbisch Hall, Beschluss vom 16.06.2021 – 1 M 624/21, BeckRS 2021, 15695).
Auf die Beschwerde war der angefochtene Beschluss aufzuheben und die Kostenerinnerung als unbegründet zurückzuweisen.
2. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Gebühren fallen nach § 5 Abs. 2 Satz 2 GvKostG in Verbindung mit § 66 Abs. 8 Satz 1 GKG nicht an. Eine Kostenerstattung findet nicht statt, § 5 Abs. 2 Satz 2 GvKostG in Verbindung mit § 66 Abs. 8 Satz 2 GKG.
Die Zulassung der weiteren Beschwerde beruht auf § 5 Abs. 2 Satz 2 GvKostG in Verbindung mit § 66 Abs. 4 Satz 1 GKG. Sie erfolgt im Hinblick auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache. Auf die Ausführungen der Beschwerdeführerin in der Beschwerdeschrift (vgl. Bl. 25 d. A.) wird insoweit Bezug genommen.


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