Kosten- und Gebührenrecht

Verfassungsbeschwerde gegen Kostenfestsetzungsbeschluss wegen Gehörsverstoßes erfolgreich

Aktenzeichen  Vf. 1-VI-17

Datum:
16.10.2017
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 135665
Gerichtsart:
VerfGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verfassungsgerichtsbarkeit
Normen:
BV Art. 91 Abs. 1
RVG § 15a Abs. 2
VV RVG Vorbemerkung 3 Abs. 4, Nr. 1008

 

Leitsatz

1 Hat das Gericht die Ausführungen eines Beteiligten entgegengenommen, so ist vorbehaltlich besonderer Umstände des Einzelfalls davon auszugehen, dass sie bei der Entscheidung erwogen worden sind (Fortführung von BayVerfGH BeckRS 2017, 118139). (redaktioneller Leitsatz)
2 Ist die Argumentation einer Partei nachvollziehbar und findet diese auch ihre Stütze in der einschlägigen Literatur, so besteht – ungeachtet der Frage, ob die Argumentation durchgreift – Anlass für das Gericht, sich damit ausdrücklich auseinanderzusetzen. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

432 C 22336/12 2016-10-28 Bes AGMUENCHEN AG München

Tenor

1. Die Beschlüsse des Amtsgerichts München vom 13. Juli 2016 und vom 6. Oktober 2016 Az. 432 C 22336/12 verstoßen gegen das Grundrecht auf rechtliches Gehör (Art. 91 Abs. 1 BV). Sie werden aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung über den Kostenfestsetzungsantrag der Beschwerdeführerin an das Amtsgericht München zurückverwiesen.
2. Der Beschwerdeführerin sind die durch das Verfassungsbeschwerdeverfahren verursachten notwendigen Auslagen aus der Staatskasse zu erstatten.

Gründe

I.
Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts München vom 13. Juli 2016 Az. 432 C 22336/12, gegen den Beschluss des Amtsgerichts München vom 19. September 2016, mit dem der Erinnerung der Beschwerdeführerin gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss nicht abgeholfen wurde, gegen den Beschluss des Amtsgerichts München vom 6. Oktober 2016, mit dem die Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss zurückgewiesen wurde, sowie gegen den Beschluss des Amtsgerichts München vom 28. Oktober 2016, mit dem die Anhörungsrüge gegen diesen Beschluss zurückgewiesen wurde.
1. Die Beschwerdeführerin hatte zusammen mit Herrn M. eine Wohnung gemietet. Nach Beendigung des Mietverhältnisses machten die Mieter mithilfe des Bevollmächtigten der Beschwerdeführerin zunächst außergerichtlich Kautionsrückzahlungsansprüche gegen die Vermieter geltend. Hierfür bezahlten die Beschwerdeführerin und Herr M. Anwaltskosten gemäß einer Kostenrechnung ihres Bevollmächtigten vom 8. August 2012, darunter insbesondere eine 1,3 Geschäftsgebühr, die sich wegen der Mehrvertretung gemäß Nr. 1008 des Vergütungsverzeichnisses zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (VV RVG) um 0,3 auf 1,6 erhöhte und insgesamt 841,60 € zuzüglich Mehrwertsteuer betrug. Nachdem Herr M. seine Ansprüche gegen die Vermieter an die Beschwerdeführerin abgetreten hatte, erhob diese wegen verschiedener Ansprüche aus dem Mietverhältnis Klage zum Amtsgericht München; als Nebenforderung klagte sie die ihr und Herrn M. entstandenen vorgerichtlichen Anwaltskosten mit ein. Am 23. November 2012 schlossen die Prozessparteien vor dem Amtsgericht München einen gerichtlichen Vergleich, wonach die beklagten Vermieter an die Beschwerdeführerin zur Abgeltung sämtlicher Ansprüche aus dem Mietverhältnis einen Betrag in Höhe von 2.550 € zahlen sollten. Die Parteien erklärten im Vergleich, dass sie sich darüber einig seien, dass in diesem Zahlungsbetrag vorgerichtliche Anwaltskosten der Klagepartei in Höhe von 745 € enthalten seien.
2. Mit Antrag vom 21. Februar 2013, nach längerem Schriftwechsel geändert und präzisiert durch Schriftsatz vom 18. Mai 2016, beantragte der Bevollmächtigte der Beschwerdeführerin beim Amtsgericht München Kostenfestsetzung. Im Schriftwechsel der Parteien war strittig, in welcher Höhe die Geschäftsgebühr des Bevollmächtigten der Beschwerdeführerin auf dessen Verfahrensgebühr anzurechnen sei. Der Bevollmächtigte trug vor, er habe zwar vorgerichtlich zwei Auftraggeber vertreten und demzufolge eine erhöhte 1,6 Geschäftsgebühr berechnet. Im Klageverfahren habe er dagegen nur noch einen der beiden Auftraggeber vertreten. Die Anrechnung gemäß der Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG erfolge nur, soweit derselbe Gegenstand vorliege. Dies setze einen zeitlichen, personellen und sachlichen Zusammenhang voraus; ein personeller Zusammenhang bestehe nur, soweit derselbe Rechtsanwalt oder dieselbe Sozietät gegenüber der gleichen Person tätig werde. Daher sei vorliegend die nicht erhöhte 1,3 Geschäftsgebühr anzurechnen. Ferner könnten sich die beklagten Vermieter gemäß § 15 a Abs. 2 Alt. 1 RVG nur auf die Anrechnung berufen, soweit sie den Anspruch auf die Geschäftsgebühr erfüllt hätten. Der Vergleichsbetrag sei in Höhe von 745 € auf die vorgerichtlichen Anwaltskosten bezahlt worden. Ausweislich der Vergleichsregelung hätten die Beklagten die von der Beschwerdeführerin eingeklagten vorgerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von insgesamt 1.025,30 € zuzüglich Zinsen nur in Höhe von 745 € erstattet. Damit seien gemäß § 366 Abs. 2 BGB verhältnismäßig die 1,3 Geschäftsgebühr, die 0,3 Erhöhungsgebühr, die Postpauschale und die Umsatzsteuer getilgt worden. Nach Abzug der Zinsen und einer quotalen Anrechnung seien nur 71,78% einer 0,65 Geschäftsgebühr, insgesamt 245,42 € bezahlt worden. Nur in dieser Höhe sei eine Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr möglich.
3. In dem angegriffenen Kostenfestsetzungsbeschluss vom 13. Juli 2016 ging das Amtsgericht München demgegenüber von einem Anrechnungsbetrag von 305,76 € aus. Der Bevollmächtigte der Beschwerdeführerin legte dagegen Erinnerung ein und führte erneut aus, dass das Gericht bei seiner Berechnung des Anrechnungsbetrags nicht berücksichtigt habe, dass gemäß § 367 Abs. 1 BGB zunächst die Zinsen getilgt worden seien und dass vorliegend nur die nicht erhöhte 1,3 Geschäftsgebühr zur Anrechnung kommen könne.
Mit dem ebenfalls angegriffenen Beschluss vom 19. September 2016, hinsichtlich der Begründung ergänzt durch Beschluss vom 4. Oktober 2016, half das Amtsgericht der Erinnerung nicht ab.
Mit dem weiter angegriffenen Beschluss vom 6. Oktober 2016 wies das Amtsgericht München die Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss zurück. Im Vergleich tituliert und bezahlt worden seien an vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten 745 €, während laut Klage 1.025,30 € (Gebühr 841,60 €) gefordert worden seien. Somit sei auf die Geschäftsgebühr ein Betrag von 611,52 € bezahlt worden, wovon die Hälfte und somit ein Betrag von 305,76 € anzurechnen sei.
In seiner Anhörungsrüge vom 25. Oktober 2016 wiederholte der Bevollmächtigte der Beschwerdeführerin seine Argumentation. Mit dem angegriffenen Beschluss vom 28. Oktober 2016 wies das Amtsgericht München die Anhörungsrüge zurück. Das Gericht habe sich mit der Argumentation beider Parteien auseinandergesetzt und die Gründe der Entscheidung nachvollziehbar und in ausreichendem Umfang dargelegt. Der von der Klagepartei vorgenommenen Verrechnung stehe die Abgeltungsklausel des Vergleichs entgegen. Eine 0,3 Erhöhungsgebühr komme ebenfalls nicht in Betracht, da im Klageverfahren nur eine Partei vertreten worden sei.
II.
1. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde vom 4. Januar 2017 wandte sich die Beschwerdeführerin unter Darstellung des gesamten Sachverhalts gegen den Beschluss des Amtsgerichts München vom 28. Oktober 2016. Auf einen Hinweis des Verfassungsgerichtshofs hin stellte der Bevollmächtigte der Beschwerdeführerin am 30. Januar 2017 klar, dass sich die Verfassungsbeschwerde auch gegen die Beschlüsse des Amtsgerichts vom 13. Juli, 19. September und 6. Oktober 2016 richten solle.
Die angefochtenen Entscheidungen verletzten die Rechte der Beschwerdeführerin aus Art. 91 Abs. 1 BV (rechtliches Gehör) und seien ferner willkürlich. Das Gericht habe sich bei seinen Entscheidungen nicht mit dem Kern des klägerischen Vorbringens befasst. Das Wort Zinsen oder der § 367 Abs. 1 BGB seien kein einziges Mal erwähnt worden. Auch mit der Frage, ob eine 1,3 oder eine 1,6 Geschäftsgebühr quotal anzurechnen sei, habe sich das Gericht nur beiläufig und auch noch in völliger Verkennung des Sachverhalts befasst. Es schreibe nämlich im Zurückweisungsbeschluss vom 28. Oktober 2016, eine 0,3 Erhöhungsgebühr komme nicht in Betracht, da im Klageverfahren nur eine Partei vertreten worden sei. Dabei verkenne das Gericht, dass gerade der angegriffene Kostenfestsetzungsbeschluss bei der Anrechnung die 0,3 Erhöhungsgebühr zu Unrecht berücksichtige. Hätte sich das Gericht mit dem Kern des klägerischen Vorbringens befasst, so hätte es den Anrechnungsbetrag möglicherweise – wie im Schriftsatz der Beschwerdeführerin vom 18. Mai 2016 dargestellt – zu 245,42 € errechnet. Danach seien von der Beklagtenpartei 1.366,32 € statt der titulierten 1.301,71 € zu erstatten. Die Gehörsverletzung sei damit entscheidungserheblich.
2. Das Bayerische Staatsministerium der Justiz hat von einer Stellungnahme abgesehen.
3. Den Beklagten im Ausgangsverfahren wurde Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Sie halten die Entscheidung des Ausgangsgerichts über die Kosten für zutreffend.
III.
Die Verfassungsbeschwerde ist – jedenfalls im Hinblick auf die angegriffenen Beschlüsse vom 13. Juli und 6. Oktober 2016 – zulässig. Zwar hat die Beschwerdeführerin ihre Verfassungsbeschwerde vom 4. Januar 2017 ausdrücklich nur gegen den Beschluss des Amtsgerichts vom 28. Oktober 2016 über die Zurückweisung der Anhörungsrüge gerichtet, der ihrem Bevollmächtigten am 4. November 2016 zugegangen war. Durch die umfassende Sachverhaltsschilderung und Vorlage der entsprechenden Anlagen wurde jedoch deutlich, dass sich die Verfassungsbeschwerde auch gegen die vorangegangenen Beschlüsse des Amtsgerichts im Kostenfestsetzungsverfahren richten sollte. Dies hat der Bevollmächtigte der Beschwerdeführerin mit seinem Schreiben vom 30. Januar 2017 ausdrücklich klargestellt.
IV.
1. Die Verfassungsbeschwerde ist begründet. Sie hat mit der Rüge einer Verletzung des Grundrechts auf rechtliches Gehör (Art. 91 Abs. 1 BV) Erfolg.
a) Der Verfassungsgerichtshof überprüft Entscheidungen, die – wie hier – in einem bundesrechtlich geregelten Verfahren ergangen sind, bei entsprechender Rüge in verfahrensrechtlicher Hinsicht daraufhin, ob ein Verfahrensgrundrecht der Bayerischen Verfassung verletzt wurde, das, wie der Anspruch auf rechtliches Gehör 13 gemäß Art. 91 Abs. 1 BV, mit gleichem Inhalt im Grundgesetz gewährleistet ist (ständige Rechtsprechung; vgl. VerfGH vom 26.6.2013 VerfGHE 66, 94/97; vom 18.7.2017 – Vf. 3-VI-16 – juris Rn. 18).
Das Grundrecht auf rechtliches Gehör gibt den Beteiligten einen Anspruch darauf, dass das Gericht ein rechtzeitiges und möglicherweise erhebliches Vorbringen zur Kenntnis nimmt und bei seiner Entscheidung in Erwägung zieht, soweit es aus verfahrens- oder materiellrechtlichen Gründen nicht ausnahmsweise unberücksichtigt bleiben muss oder kann (ständige Rechtsprechung; vgl. VerfGH vom 31.3.2008 VerfGHE 61, 66/70; vom 26.1.2010 VerfGHE 63, 10/13; vom 18.7.2017 – Vf. 3-VI-16 – juris Rn. 20 m. w. N.). Es ist grundsätzlich davon auszugehen, dass ein Gericht den von ihm entgegengenommenen Vortrag einer Partei auch zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat. Das Gericht wird durch den Grundsatz des rechtlichen Gehörs nicht dazu verpflichtet, auf alle Ausführungen oder Anliegen eines Beteiligten einzugehen. Nur wenn sich aus den besonderen Umständen des Einzelfalls klar und deutlich ergibt, dass das Gericht ein Vorbringen entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder bei seiner Entscheidung ersichtlich nicht in Erwägung gezogen hat, kann eine Verletzung des rechtlichen Gehörs angenommen werden (ständige Rechtsprechung; vgl. VerfGH vom 16.5.2011 VerfGHE 64, 52/58; VerfGH vom 18.7.2017 – Vf. 3-VI-16 – juris Rn. 20 m. w. N.). Geht das Gericht etwa auf den wesentlichen Kern des Tatsachenvortrags einer Partei zu einer Frage, die für das Verfahren von zentraler Bedeutung ist, in den Entscheidungsgründen nicht ein, so lässt dies auf die Nichtberücksichtigung des Vorbringens schließen, sofern es nicht nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts unerheblich oder aber offensichtlich unsubstanziiert war (VerfGH vom 9.2.1994 VerfGHE 47, 47/52; vom 7.7.2015 – Vf. 3-VI-15 – juris Rn. 18).
b) Diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen werden die angegriffenen Entscheidungen des Amtsgerichts München vom 13. Juli und 6. Oktober 2016 nicht gerecht.
Die angegriffenen Entscheidungen des Amtsgerichts im Kostenfestsetzungsverfahren legen für die anteilige Anrechnung der Geschäftsgebühr jeweils die vorgerichtliche Anwaltsgebühr in Höhe von 841,60 € zugrunde. Damit gehen die Entscheidungen von der nach Nr. 1008 VV RVG erhöhten 1,6-fachen Geschäftsgebühr aus. Dies ergibt sich eindeutig aus der Berechnung auf Seite 2 des Kostenfestsetzungsbeschlusses vom 13. Juli 2016. Der darauf basierende Nichtabhilfebeschluss vom 19. September 2016, in der Begründung ergänzt durch Beschluss vom 4. Oktober 2016, und der die Erinnerung zurückweisende Beschluss vom 6. Oktober 2016 nehmen darauf lediglich Bezug bzw. wiederholen diese Begründung teilweise.
Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG bestimmt unter anderem für Zivilprozesse Folgendes: „Soweit wegen desselben Gegenstands eine Geschäftsgebühr nach Teil 2 [außergerichtliche Tätigkeiten] entsteht, wird diese Gebühr zur Hälfte, bei Wertgebühren jedoch höchstens mit einem Gebührensatz von 0,75, auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens angerechnet […]“. Bezugnehmend auf diese Vorschrift hat der Bevollmächtigte der Beschwerdeführerin in seinem Kostenausgleichsantrag vom 18. Mai 2016 im Einzelnen ausgeführt, dass die Anrechnung nur erfolge, soweit derselbe Gegenstand vorliege. Dies setze einen zeitlichen, personellen und sachlichen Zusammenhang voraus; ein personeller Zusammenhang bestehe nur, soweit derselbe Rechtsanwalt oder dieselbe Sozietät gegenüber der gleichen Person tätig werde. Daher sei vorliegend nur die nicht erhöhte 1,3-fache Geschäftsgebühr anzurechnen. Diese Argumentation ist nachvollziehbar und findet auch ihre Stütze in der einschlägigen Literatur (vgl. z. B. Schons in Hartung/Schons/Enders, RVG, 3. Aufl. 2017, Vorbemerkung 3 VV Rn. 116 f.; Mayer in Mayer/Kroiß, RVG, 6. Aufl. 2013, Vorbemerkung 3 Rn. 87 f.). Auf diesen Vortrag der Beschwerdeführerin ist das Amtsgericht an keiner Stelle eingegangen. Angesichts des Umstands, dass der Bevollmächtigte der Beschwerdeführerin vorprozessual zwei Personen vertrat und im Prozess nur noch die Beschwerdeführerin, hätte – ungeachtet der Frage, ob die Argumentation des Bevollmächtigten der Beschwerdeführerin durchgreift – Anlass zur Würdigung des Vorbringens bestanden.
Zudem ließ die Beschwerdeführerin mit Blick auf § 15 a Abs. 2 RVG darlegen, dass mit den auf die 1,3-fache Geschäftsgebühr (683,80 € nebst Zinsen) geleisteten 496,86 € gemäß § 367 Abs. 1 BGB zunächst die Zinsen getilgt worden seien. Auf die 1,3-fache Geschäftsgebühr seien deshalb nur 490,83 €, also 71,78% gezahlt worden. Von der 1,3-fachen Geschäftsgebühr sei deshalb nicht eine 0,65-fache Geschäftsgebühr (341,90 €) anzurechnen, sondern nur 71,78% einer 0,65-fachen Geschäftsgebühr, insgesamt also 245,42 €. Ob sich das Amtsgericht mit dieser Argumentation, insbesondere was die Zinsen angeht, dadurch hinreichend auseinandergesetzt hat, dass es in seinem Beschluss vom 28. Oktober 2016 auf die Abgeltungsklausel des Vergleichs hingewiesen hat, kann offenbleiben.
Jedenfalls hat das Amtsgericht bei seiner Entscheidung die Argumentation der Beschwerdeführerin nicht erschöpfend zur Kenntnis genommen. Damit ist der Anspruch der Beschwerdeführerin auf rechtliches Gehör verletzt.
c) Durch die Ausführungen des Amtsgerichts im Beschluss vom 28. Oktober 2016 über die Anhörungsrüge wird die Verletzung des Anspruchs der Beschwerdeführerin auf rechtliches Gehör nicht geheilt.
In den Gründen dieses Beschlusses führt das Gericht aus, es habe sich vor Erlass des angegriffenen Beschlusses über die Zurückweisung der Erinnerung mit der Argumentation beider Parteien auseinandergesetzt und die Gründe für die Entscheidung sowie den exakten Rechenweg nachvollziehbar und in ausreichendem Umfang dargelegt. Dies findet jedoch in den vorangegangenen Entscheidungen des Amtsgerichts keine Stütze und ist nicht nachvollziehbar. Ferner führt das Gericht u. a. aus, dass eine 0,3-fache Erhöhungsgebühr hier nicht in Betracht komme, da im Klageverfahren nur eine Partei vertreten worden sei. Dieses Begründungselement geht fehl, da der angegriffene Kostenfestsetzungsbeschluss bei der Anrechnung der vorgerichtlichen Anwaltsgebühr die 0,3-fache Erhöhungsgebühr berücksichtigt, die Beschwerdeführerin aber gerade dies kritisiert hatte. Die Argumentation des Amtsgerichts ist deshalb weder nachvollziehbar noch tragfähig.
d) Die angegriffenen Beschlüsse beruhen auf der Verletzung des Art. 91 Abs. 1 BV. Es ist nicht auszuschließen, dass das Amtsgericht eine für die Beschwerdeführerin günstigere Entscheidung getroffen hätte, wenn es deren Vorbringen zur Anrechnung der vorgerichtlichen Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr in nachvollziehbarer Weise erwogen hätte. In diesem Zusammenhang ist es nicht Aufgabe des Verfassungsgerichtshofs, abschließend darüber zu befinden, ob die Auffassung der Beschwerdeführerin einfachrechtlich zutreffend ist. Im Rahmen einer erneuten Entscheidung über den Kostenfestsetzungsantrag wird das Amtsgericht Gelegenheit haben, sich mit den insoweit vom Bevollmächtigten der Beschwerdeführerin dargelegten Argumenten zu befassen.
Gemäß Art. 54 Satz 2 VfGHG bestimmt der Verfassungsgerichtshof, in welcher Weise der Beschwerde abzuhelfen ist. Im vorliegenden Fall erscheint es sachgerecht, die angegriffenen Entscheidungen des Amtsgerichts vom 13. Juli und 6. Oktober 2016 aufzuheben. Eine Beschränkung der Aufhebung auf die zuletzt ergangene gerichtliche Entscheidung ist hier nicht veranlasst, da ein besonderes Interesse an der raschen, abschließenden Klärung der Angelegenheit angesichts des relativ geringen Geldbetrags, mit dem die Beschwerdeführerin beschwert ist, nicht erkennbar ist.
2. Auf die weitere Rüge einer Verletzung des Art. 118 Abs. 1 BV wegen Willkür kommt es damit nicht mehr an (VerfGH vom 7.7.2015 BayVBl 2015, 853 Rn. 30; vom 20.10.2015 – Vf. 103-VI-14 – juris Rn. 32).
3. Durch die Aufhebung der Beschlüsse des Amtsgerichts München vom 13. Juli und 6. Oktober 2016 werden die Beschlüsse des Amtsgerichts vom 19. September 2016 (ergänzt durch Beschluss vom 4. Oktober 2016) und vom 28. Oktober 2016 gegenstandslos. Eine gesonderte Entscheidung darüber ist nicht geboten (VerfGH vom 12.5.2010 VerfGHE 63, 62/70; vom 14.7.2014 BayVBl 2015, 102 Rn. 26; vom 20.10.2015 – Vf. 103-VI-14 – juris Rn. 33; vom 27.4.2017 – Vf. 32-VI-16 – juris Rn. 36).
V.
Das Verfahren ist kostenfrei (Art. 27 Abs. 1 Satz 1 VfGHG). Der Beschwerdeführerin sind die durch das Verfassungsbeschwerdeverfahren verursachten notwendigen Auslagen aus der Staatskasse zu erstatten (Art. 27 Abs. 4 Satz 1 VfGHG).


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