Medizinrecht

Corona-Pandemie, Zugangsbeschränkungen („2G plus“-Regel) für Kinobetriebe

Aktenzeichen  20 NE 21.2946

Datum:
21.12.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 40118
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 47 Abs. 6
IfSG § 28a Abs. 7
BayIfSMV § 4 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1 und 2 15.

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 10.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin betreibt ein Multiplexkino in Bayern und wendet sich mit einem Antrag auf vorläufige Außervollzugsetzung gegen § 4 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 Nr. 1 und 2 der Fünfzehnten Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung vom 23. November 2021 (15. BayIfSMV; BayMBl. 2021 Nr. 816) in der Fassung der Änderungsverordnung vom 14. Dezember 2021 (BayMBl. 2021 Nr. 875), soweit hiervon der Betrieb von Kinos umfasst wird.
Die Norm hat folgenden Wortlaut:
„§ 4 Geimpft, genesen und zusätzlich getestet (2G plus)
(1) Der Zugang zu öffentlichen und privaten Veranstaltungen in nichtprivaten Räumlichkeiten, zu Sportstätten und praktischer Sportausbildung in geschlossenen Räumen, Sportveranstaltungen unter freiem Himmel außerhalb der eigenen sportlichen Betätigung, dem Kulturbereich mit Theatern, Opern, Konzerthäusern, Bühnen, Kinos, Museen, Messen, Tagungen, Kongressen, Ausstellungen, zu geschlossenen Räumlichkeiten der Objekte der bayerischen Verwaltung der staatlichen Schlösser, Gärten und Seen, außerdem zu Freizeiteinrichtungen einschließlich Bädern, Thermen, Saunen, Solarien, Fitnessstudios, Führungen in geschlossenen Räumen, Schauhöhlen und Besucherbergwerken, Indoorspielplätzen, Spielhallen und -banken, Wettannahmestellen und infektiologisch vergleichbaren Bereichen darf nur durch Besucher erfolgen, soweit diese
1. im Sinne des § 2 Nr. 2 und 4 SchAusnahmV geimpft oder genesen oder noch nicht zwölf Jahre und drei Monate alt sind und 
2. zusätzlich über einen Testnachweis nach Abs. 6 verfügen oder Abs. 7 unterfallen.
(2) Im Rahmen des Abs. 1 gilt:
1. In Gebäuden, geschlossenen Räumlichkeiten, Stadien oder anderweitig kapazitätsbeschränkten Stätten dürfen maximal 25% der Kapazität genutzt werden.
2. Die zulässige Höchstteilnehmerzahl bestimmt sich vorbehaltlich Nr. 1 nach der Anzahl der vorhandenen Plätze, bei denen ein Mindestabstand von 1,5 m zu anderen Plätzen gewahrt ist.
(…)
(6) Soweit in dieser Verordnung für die Nutzung oder die Zulassung zu bestimmten Einrichtungen, Betrieben oder Bereichen ein Nachweis hinsichtlich des Nichtvorliegens einer Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 (Testnachweis) vorgesehen ist, ist ein schriftlicher oder elektronischer negativer Testnachweis auf Grundlage
1. eines PCR-Tests, PoC-PCR-Tests oder eines Tests mittels weiterer Methoden der Nukleinsäureamplifikationstechnik, der vor höchstens 48 Stunden durchgeführt wurde,
2. eines PoC-Antigentests, der vor höchstens 24 Stunden durchgeführt wurde, oder
3. eines vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte zugelassenen, unter Aufsicht vorgenommenen Antigentests zur Eigenanwendung durch Laien (Selbsttests), der vor höchstens 24 Stunden durchgeführt wurde, zu erbringen, der im Übrigen den Bestimmungen der COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung entspricht.
(7) Getesteten Personen stehen gleich:
1. Kinder bis zum sechsten Geburtstag,
2. Schülerinnen und Schüler, die regelmäßigen Testungen im Rahmen des Schulbesuchs unterliegen,
3. noch nicht eingeschulte Kinder,
4. geimpfte Personen im Sinne des § 2 Nr. 2 SchAusnahmV die zusätzlich eine weitere Impfstoffdosis als Auffrischungsimpfung erhalten haben nach Ablauf von 14 Tagen nach dieser Impfung, soweit nicht bundesrechtlich anderes geregelt ist.“
Die Antragstellerin macht geltend, die genannten Regelungen führten zu einem faktischen Lockdown für Kinobetriebe. Sie verweist darauf, dass für gastronomische Betriebe und Versammlungen nach § 9 15. BayIfSMV die sie betreffenden Einschränkungen nicht gelten. Sie verzeichne seit Inkrafttreten der verfahrensgegenständlichen Regelung einen Besucherrückgang um 78%. Die Norm verstoße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz und stelle einen unverhältnismäßigen Eingriff in das Grundrecht der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) und in das Eigentumsgrundrecht (Art. 14 Abs. 1 GG) dar. Auch fehle der genannten Regelung die Begründung nach § 28a Abs. 5 Satz 1 IfSG.
Sie beantragt,
§ 4 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 Nr. 1 und 2 der 15. BayIfSMV vom 23. November 2021 in der Fassung vom 14. Dezember 2021 vorläufig außer Vollzug zu setzen, soweit der Betrieb von Kinos erfasst wird.
Der Antragsgegner tritt dem Antrag entgegen. Die Schutzwirkung einer Impfung scheine mit der Zeit nachzulassen. Der Anteil an Personen mit der notwendigen Auffrischungsimpfung sei noch zu gering. Nicht mehr oder nur noch wenig immunisierte Menschen erschienen wegen des drohenden schweren Krankheitsverlaufs mit größerer Wahrscheinlichkeit der Hospitalisierung in besonderem Maße schutzbedürftig bzw. schutzbedürftiger als gut immunisierte Personen. Diese Schutzbedürftigkeit, die wegen des hohen Risikos schwerer Erkrankungen auf die Allgemeinheit durchschlage, rechtfertige die 2G-plus-Regelung sowie die Kapazitätsbeschränkung beim Betrieb des Kinos. Es bestehe auch das Risiko, eine im Kino erworbene Infektion weiterzuverbreiten. Die angefochtenen Regelungen seien verhältnismäßig. Insbesondere belege die von der Antragstellerin vorgelegte Studie zum Infektionsrisiko in Kinos nicht, dass dort eine wesentlich geringere Infektionsgefahr als in gastronomischen Betrieben bestehe. Auch sei der Antragsgegner nicht gezwungen, Maßnahmen allein aufgrund des von bestimmten Bereichen und Tätigkeiten ausgehenden Infektionsrisikos zu treffen. Vielmehr stehe ihm hier ein Einschätzungsspielraum zu und er könne ein Gesamtkonzept oder „Maßnahmenbündel“ zur Bekämpfung der Infektion entwickeln. Mildere Mittel seien nicht ersichtlich, so dass sich die Maßnahme insgesamt als verhältnismäßig erweise.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtskaten Bezug genommen.
II.
Der zulässige Antrag hat keinen Erfolg.
Die Voraussetzungen des § 47 Abs. 6 VwGO, wonach das Normenkontrollgericht eine einstweilige Anordnung erlassen kann, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist, liegen nicht vor. Die Erfolgsaussichten eines Normenkontrollantrags in der Hauptsache gegen § 4 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 Nr. 1 und 2 15. BayIfSMV sind unter Anwendung des Prüfungsmaßstabs im Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO (1.) bei der nur möglichen summarischen Prüfung als offen anzusehen (2.). Eine Folgenabwägung geht zulasten der Antragstellerin aus (3.).
1. Prüfungsmaßstab im Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO sind in erster Linie die Erfolgsaussichten des in der Hauptsache anhängigen Normenkontrollantrags, soweit sich diese im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes bereits absehen lassen (BVerwG, B.v. 25.2.2015 ‒ 4 VR 5.14 u.a. ‒ ZfBR 2015, 381 – juris Rn. 12; zustimmend OVG NW, B.v. 25.4.2019 – 4 B 480/19.NE – NVwZ-RR 2019, 993 – juris Rn. 9). Dabei erlangen die Erfolgsaussichten des Normenkontrollantrags eine umso größere Bedeutung für die Entscheidung im Eilverfahren, je kürzer die Geltungsdauer der in der Hauptsache angegriffenen Normen befristet und je geringer damit die Wahrscheinlichkeit ist, dass eine Entscheidung über den Normenkontrollantrag noch vor dem Außerkrafttreten der Normen ergehen kann. Das muss insbesondere dann gelten, wenn – wie hier – die in der Hauptsache angegriffenen Normen in quantitativer und qualitativer Hinsicht erhebliche Grundrechtseingriffe enthalten oder begründen, sodass sich das Normenkontrollverfahren (ausnahmsweise) als zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG geboten erweisen dürfte.
Ergibt demnach die Prüfung der Erfolgsaussichten der Hauptsache, dass der Normenkontrollantrag voraussichtlich unzulässig oder unbegründet sein wird, ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten. Erweist sich dagegen, dass der Antrag zulässig und (voraussichtlich) begründet sein wird, so ist dies ein wesentliches Indiz dafür, dass der Vollzug bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache suspendiert werden muss. In diesem Fall kann eine einstweilige Anordnung ergehen, wenn der (weitere) Vollzug vor einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren Nachteile befürchten lässt, die unter Berücksichtigung der Belange des Antragstellers, betroffener Dritter und/oder der Allgemeinheit so gewichtig sind, dass eine vorläufige Regelung mit Blick auf die Wirksamkeit und Umsetzbarkeit einer für den Antragsteller günstigen Hauptsacheentscheidung unaufschiebbar ist. Lassen sich die Erfolgsaussichten nicht absehen, ist im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden. Gegenüberzustellen sind die Folgen, die eintreten würden, wenn die begehrte Außervollzugsetzung nicht erginge, der Normenkontrollantrag aber später Erfolg hätte, und die Folgen, die entstünden, wenn die begehrte Außervollzugsetzung erlassen würde, der Normenkontrollantrag aber später erfolglos bliebe. Die für eine einstweilige Außervollzugsetzung sprechenden Erwägungen müssen die gegenläufigen Interessen dabei deutlich überwiegen, also so schwer wiegen, dass sie – trotz offener Erfolgsaussichten der Hauptsache – dringend geboten ist (vgl. BVerwG, B.v. 25.2.2015 – 4 VR 5.14 u.a. – ZfBR 2015, 381 – juris Rn. 12).
2. Nach diesen Maßstäben geht der Senat im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes bei der nur möglichen, aber ausreichenden summarischen Prüfung davon aus, dass die Erfolgsaussichten der Hauptsache offen sind.
a. Die angegriffene Regelung des § 4 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 Nr. 1 und 2 15. BayIfSMV dürfte in § 32 Satz 1, § 28 Abs. 1 Satz 1 und 2, § 28a Abs. 7 Satz 1 Nr. 1, 4 und 6, sowie für die Zugangsbeschränkungen mit zusätzlichem Testnachweis für Geimpfte und Genesene in § 28c in der seit dem 10. Dezember 2021 geltenden Fassung des Infektionsschutzgesetzes (BGBl. 2021 I S. 5162) in Verbindung mit § 3 Abs. 2 Satz 2 SchAusnahmV vom 8. Mai 2021 (BAnz AT 8.5.2021 V1), zuletzt geändert durch Artikel 1 der Verordnung vom 10. Dezember 2021 (BGBl. I S. 5175) eine verfassungsgemäße Rechtsgrundlage haben.
Nach § 28a Abs. 7 Satz 1 Nr. 4 i.V.m. § 28 Abs. 1 Satz 1 und 2 IfSG i.V.m. § 32 Satz 1 und 2 IfSG sind die Landesregierungen bzw. die von ihnen bestimmten Stellen ermächtigt, zur Bekämpfung der Corona-Pandemie die notwendigen Schutzmaßnahmen zu erlassen, wozu nach dem Willen des Gesetzgebers die Verpflichtung zur Vorlage von Impf-, Genesenen- oder Testnachweisen sowie an die Vorlage solcher Nachweise anknüpfende Beschränkungen des Zugangs in den oder bei den in § 28a Abs. 1 Nr. 4 bis 8 und 10 bis 16 IfSG im einzelnen genannten Betrieben, Gewerben, Einrichtungen, Angeboten, Veranstaltungen, Reisen und Ausübungen gehören können. Die Norm ermöglicht es, den Zugang zu den genannten Betrieben und Einrichtungen an den Nachweis der Impfung, Genesung, Testung oder Kombinationen hiervon (BayVGH, B.v. 8.12.2021 – 20 NE 21.2821 – juris) zu knüpfen. Dabei legt die aufgrund der Verordnungsermächtigung in § 28c Satz 2 IfSG erlassene Vorschrift des § 3 Abs. 2 SchAusnahmV fest, dass auf Grund der Vorschriften des fünften Abschnitts des Infektionsschutzgesetzes erlassenes Landesrecht vorsehen kann, dass Erleichterungen und Ausnahmen von Schutzmaßnahmen für geimpfte und für genesene Personen nur bestehen, wenn sie ein negatives Ergebnis eines Tests auf eine Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 vorlegen können.
Nach § 28a Nr. 1 IfSG gehören zu den nach § 28 Satz 1 und 2 IfSG notwendigen Schutzmaßnahmen auch die Anordnung eines Abstandsgebots im öffentlichen Raum, insbesondere in öffentlich zugänglichen Innenräumen sowie die Beschränkung der Anzahl von Personen in oder bei den in Absatz 1 Nummer 4 bis 8 und 10 bis 16 genannten Gewerben, Betrieben, Einrichtungen, Angeboten, Veranstaltungen, Reisen und Ausübungen.
b. Einen formellen Verstoß gegen die Begründungspflicht aus § 28a Abs. 5 Satz 1 IfSG kann der Senat nicht erkennen. Dem Begründungserfordernis ist der Verordnungsgeber in einer den Anforderungen des § 28a Abs. 5 Satz 1 IfSG entsprechenden Weise nachgekommen. (vgl. hierzu bereits BayVGH, B.v. 7.4.2021 – 20 NE 21.868 – juris Rn. 24). Eine detaillierte Auseinandersetzung mit der Frage, weshalb Einrichtungen im Freizeitbereich weitergehenden Beschränkungen als die in § 5 15. BayIfSMV genannten Betriebe unterworfen werden, war in formeller Hinsicht nicht notwendig.
c. Die von der Antragstellerin angegriffene Bestimmung steht bei summarischer Beurteilung mit der Ermächtigungsgrundlage in Einklang, weil sie sich in dem gesetzlich vorgegebenen Rahmen hält und insbesondere nicht zu den nach § 28a Abs. 3 IfSG bei der Entscheidung über notwendige Schutzmaßnahmen nach § 28 Satz 1 und 2 IfSG zu berücksichtigenden Kriterien in Widerspruch steht (aa.). Sie erweist sich bei summarischer Prüfung auch nicht als offensichtlich unverhältnismäßig (bb.). Allerdings hegt der Senat Bedenken hinsichtlich des Gleichbehandlungsgebotes, wobei im einstweiligen Rechtsschutzverfahren offenbleiben muss, ob sich ein möglicher Gleichheitsverstoß auf die Wirksamkeit der angegriffenen Norm auswirkt (cc.).
aa. Die Infektionslage stellt sich nach der Einschätzung des Robert-Koch-Instituts (RKI) in dem wöchentlichen Lagebericht vom 9. Dezember 2021 wie folgt dar, welcher der Risikobewertung vom 24. November 2021 (aktualisiert am 8. Dezember) im Wesentlichen entspricht:
„Der hohe Infektionsdruck in der Bevölkerung bleibt bei den auch für die 48. KW verzeichneten Inzidenzwerten unverändert bestehen. Kinder und Jugendliche sind weiterhin am stärksten von Infektionen betroffen, und tragen mit Inzidenzen von über 900 bzw. 1.000 in den Altersgruppen der 5- bis 9- und 10- bis 14-Jährigen zu dem hohen Infektionsdruck bei. Dies zieht einen weiteren Anstieg der schweren Krankheitsverläufe und der Todesfälle nach sich und macht das Auftreten von Impfdurchbrüchen wahrscheinlicher. Vulnerable Gruppen sowie Menschen in den höheren Altersgruppen sind am stärksten von schweren Krankheitsverläufen betroffen. Das Risiko einer schweren Erkrankung steigt bereits bei den ab 50-Jährigen gegenüber jüngeren Erwachsenen deutlich an. Die mit Abstand höchste Inzidenz von 47 hospitalisierten Fällen / 100.000 Einwohnern wurde bisher in Meldewoche (MW) 46 in der Altersgruppe der ab 80-Jährigen verzeichnet, gefolgt von der Altersgruppe der 60- bis 79-Jährigen. Die durch ein Nowcast-Verfahren geschätzten Werte deuten auf einen weiteren Anstieg der 7-Tages Hospitalisierungsinzidenz hin. Mit Datenstand vom 08.12.2021 werden 4.897 Personen mit einer COVID-19-Diagnose auf einer Intensivstation behandelt. Durch die zeitlich verzögerte Hospitalisierung und Behandlung auf der Intensivstation sind weiterhin Zunahmen der Hospitalisierungen und Verlegungen von Patienten und Patientinnen auf die ITS zu erwarten. Aufgrund von regionalen Kapazitätsengpässen im intensivmedizinischen Bereich wurden Umwidmungen von Intensivstationen für COVID-19-Patienten und Patientinnen und überregionale Verlegungen innerhalb Deutschlands notwendig. Es wurden bereits mind. 93 Patientinnen und Patienten über Bundeslandgrenzen hinaus anhand des Kleeblattkonzeptes (www.rki.de/covriin) verlegt. Zum jetzigen Zeitpunkt werden in Deutschland, wie auch im europäischen Ausland immer noch praktisch alle Infektionen durch die Delta-Variante (B.1.617.2) verursacht. Eine neue, zunächst in Südafrika identifizierte Variante mit einer Vielzahl von Mutationen wurde am 26.11.2021 von der WHO und dem ECDC als besorgniserregende Variante (Variant of Concern, VOC) mit der Bezeichnung Omikron (engl. Omicron; Pangolin Nomenklatur B.1.1.529) eingestuft. Bis zum 07.12.2021 wurden in Deutschland 28 Fälle der VOC Omikron mittels Genomsequenzierung nachgewiesen. Bei 36 weiteren über das Meldesystem übermittelten Fällen besteht ein Verdacht auf Omikron basierend auf variantenspezifischer PCR-Testung. Die Schwere der durch die Variante Omikron verursachten Erkrankung lässt sich derzeit noch nicht abschätzen. Bis zum 07.12.2021 waren 72% der Bevölkerung mindestens einmal und weiterhin 69% vollständig geimpft. Darüber hinaus erhielten 19% der Bevölkerung eine Auffrischimpfung. Aber weiterhin sind 24% der Bevölkerung in der Altersgruppe 18-59 Jahre und 12% in der Altersgruppe ab 60 Jahre noch nicht geimpft. Alle Impfstoffe, die zurzeit in Deutschland zur Verfügung stehen, schützen nach Wöchentlicher COVID-19-Lagebericht vom 09.12.2021 4 derzeitigem Erkenntnisstand bei vollständiger Impfung die allermeisten geimpften Personen wirksam vor einer schweren Erkrankung. Die Wirksamkeit gegen die Omikronvariante ist noch nicht endgültig zu beurteilen. Die aktuelle Entwicklung ist weiter sehr besorgniserregend, die Zahl weiterer schwerer Erkrankungen und Todesfälle wird weiterhin zunehmen und die verfügbaren intensivmedizinischen Behandlungskapazitäten werden regional überschritten werden. Nur durch eine Intensivierung der kontaktbeschränkenden Maßnahmen und rasche Erhöhung der Impfraten kann die Situation verbessert werden. Eine maximale Reduktion der Übertragungsraten ist auch notwendig, um die zu erwartende Ausbreitung der Omikron Variante zu verlangsamen.“
Der Antragsgegner hat in der auf § 28a Abs. 5 Satz 1 IfSG beruhenden Begründung der 15. BayIfSMV (zuletzt zur Verordnung zur Änderung der 15. BayIfSMV vom 14. Dezember 2021, BayMBl. 2021 Nr. 876) folgendes Lagebild zur Grundlage der angefochtenen Regelung gemacht:
„Ab Mitte Oktober war ein starker Anstieg der Meldefälle zu beobachten. Die Infektionszahlen übersteigen deutlich das Niveau der zweiten und der bisher intensivsten Corona-Welle. Der in Bayern seit etwa drei Wochen zu beobachtende leichte Rückgang der Infektionsdynamik bei den Meldefällen scheint sich fortzusetzen. Die Fallzahlen sowie die daraus errechnete Reproduktionszahl müssen weiterhin im Kontext der Überlastung der Gesundheitsämter betrachtet werden. Eine Entspannung der Situation ist daher noch nicht eingetreten. Zudem sind derzeit mögliche Einflüsse auf das Infektionsgeschehen durch das Auftreten der Omikron-Variante noch nicht absehbar. Am 14. Dezember 2021 liegt die 7-Tage-Inzidenz der Meldefälle in Bayern mit 382,6 weiterhin über dem Bundesdurchschnitt von 375,0. Seit 29. Oktober 2021 überschreitet die 7-Tage-Inzidenz in Bayern den bisherigen Höchststand von 217,8 vom 20. Dezember 2020.
Insgesamt verzeichnen nach den Daten des Robert Koch-Instituts (RKI) am 14. Dezember 2021 alle Landkreise und kreisfreien Städte in Bayern eine 7-Tage-Inzidenz der Meldefälle von über 100. Im Einzelnen liegt ein Landkreis über 700, weitere 6 Landkreise über 600, weitere 15 Landkreise und kreisfreie Städte über 500, weitere 22 über 400 sowie weitere 32 über 300. 18 Landkreise und kreisfreie Städte weisen einen Wert der 7-Tage-Inzidenz von 200 bis 300 auf und 2 Kreise einen Wert von 100 bis 200 (https://experience.arcgis.com/experience/478220a4c454480e823b17327b2bf1d4/page/page_1). Dabei reicht die Spannbreite der Werte der 7-Tage-Inzidenz von 150,5 in der kreisfreien Stadt Weiden i.d. Oberpfalz bis 713,4 im Landkreis Freyung-Grafenau. In der Gesamtbetrachtung zeigt sich in Bayern damit weiterhin ein sehr hohes Infektionsgeschehen mit regionalen Unterschieden.
Die Reproduktionszahl lag in den vergangenen Tagen unter dem Wert von 1. Nach RKI-Berechnungen lag der 7-Tage-R-Wert für Bayern am 14. Dezember 2021 bei 0,79, für Deutschland bei 0,84.
Die binnen einer Kalenderwoche gemeldeten Sterbefälle steigen weiter an und betragen mit 637 Sterbefällen in der Kalenderwoche 49 (6. Dezember bis 12. Dezember 2021) aktuell mehr als das Doppelte des Wertes von vor vier Wochen in der Kalenderwoche 45 (8. November bis 14. November 2021) mit 304 Sterbefällen. Damit sind die wöchentlich gemeldeten Sterbefälle derzeit höher als zuletzt in Kalenderwoche 6 (8. Februar bis 14. Februar 2021) mit 557 Sterbefällen.
Die 7-Tage-Hospitalisierungsrate als Maßstab für die Krankheitsschwere ist im Vergleich zur Vorwoche leicht rückläufig. Am 14. Dezember 2021 wurden nach den Daten des LGL innerhalb der letzten sieben Tage 808 hospitalisierte Fälle registriert, was einer 7-Tage-Hospitalisierungsinzidenz von 6,15 entspricht (https://www.lgl.bayern.de/gesundheit/infektionsschutz/infektionskrankheiten_a_z/coronavirus/karte_coronavirus/index.htm#inzidenzgeimpft). Eine Woche zuvor, am 7. Dezember 2021, waren es 952 hospitalisierte Fälle innerhalb der letzten sieben Tage (7-Tage-Hospitalisierungsinzidenz von 7,24). Obwohl ein leichter Rückgang beobachtet werden kann, liegt sie damit weiterhin über dem vom RKI im Papier zur ControlCOVID-Strategie für die Stufe Rot empfohlenen Grenzwert von 5 (https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Downloads/control-covid-2021-09-22.pdf? blob=publicationFile).
Während die Zahl der COVID-19-Patienten, die stationär behandelt werden mussten, seit Anfang Mai kontinuierlich sank, musste von etwa Mitte August bis Anfang Dezember ein Anstieg um mehr als das 23-fache, um etwa 4 500, auf ein Niveau von bis zu rund 4 800 stationär behandelten COVID-19-Patienten verzeichnet werden. Insbesondere von Ende Oktober bis Anfang Dezember wurde ein alarmierend rasanter Anstieg der Anzahl der bayernweit stationär behandelten COVID-19-Patienten beobachtet. Innerhalb der letzten Woche hat die Anzahl der COVID-19-Patienten um rund 12% im Vergleich zur Vorwoche erstmals wieder abgenommen. Angesichts des nach wie vor sehr hohen Niveaus, insbesondere auf den Intensivstationen, auf welchem sich die Zahl der stationär behandelten COVID-19-Patienten befindet, ist dies jedoch noch lange kein Grund zur Entwarnung. Auch im intensivmedizinischen Bereich beginnt sich diese vorgenannte Entwicklung leicht widerzuspiegeln, nachdem es von Mitte August bis Anfang Dezember zu einer massiven Zunahme der auf Intensivstationen versorgten COVID-19-Fälle um rund 1 030 gekommen war, was angesichts des niedrigen Ausgangsniveaus einer Steigerung von etwa 2 200% entsprach (Quelle: DIVI-Intensivregister). Aktuell werden bayernweit 4 051 Patienten, bei denen eine Infektion mit SARS-CoV-2 nachgewiesen wurde, stationär behandelt (Meldungen der Krankenhäuser in IVENA vom 14. Dezember 2021). 1 010 COVID-19-Fälle werden derzeit intensivmedizinisch behandelt (Meldungen der Krankenhäuser im DIVI-Intensivregister vom 14. Dezember 2021).
Dabei bestehen – bei insgesamt hoher Inanspruchnahme der Intensivkapazitäten durch Nicht-COVID-19-Patienten – nach wie vor wenig regionale Unterschiede in der Belastung mit COVID-19-Intensivpatienten, wobei sich die Belastung in Südbayern derzeit tendenziell noch höher darstellt als in Nordbayern.
Angesichts der seit Wochen bayernweit außerordentlich hohen Belegung mit COVID-19-Patienten und infolge der weiterhin sehr hohen Inzidenzen ist auch in den nächsten Wochen vorerst mit keiner merklichen Erleichterung der Situation im Intensivbettenbereich der Krankenhäuser zu rechnen, die sich praktisch in allen Regionen Bayerns immer noch höchst angespannt darstellt. Die gegenwärtige Situation auf den Intensivstationen ist durch eine bayernweit insgesamt äußerst hohe Auslastung sowie regional drohende oder bereits eingetretene Überlastung gekennzeichnet. Überregionale Verlegungen bzw. Patientenzuweisungen sind nach wie vor an der Tagesordnung, ebenso das Zurückfahren oder die Aussetzung sogenannter planbarer Eingriffe durch die Kliniken. Aufgrund der besorgniserregenden Auslastungssituation im Bereich der Intensivkapazitäten wurde zur Entlastung der bayerischen Kliniken erstmalig überhaupt in der Pandemie seitens des Freistaates Bayern am 23. November 2021 die bundesweite Kleeblattstruktur aktiviert, um in einem geordneten Verfahren Patientenabverlegungen in andere, weniger belastete Bundesländer zu ermöglichen. Im Rahmen der Kleeblattstruktur wurden insgesamt 49 Patientenabverlegungen durchgeführt. Die durchschnittliche Auslastung der Intensivstationen liegt bei 91,3% (DIVI-Meldungen, Stand 14. Dezember 2021). Lediglich in 12 kreisfreien Städten bzw. Landkreisen weisen die Intensivstationen der Kliniken noch eine Auslastung von weniger als 80% auf. Demgegenüber liegt in 28 kreisfreien Städten bzw. Landkreisen die Auslastung über 95%, davon in 21 kreisfreien Städten bzw. Landkreisen sogar bei 100%. Auf Ebene der Integrierten Leistellen (ILS) liegt bei lediglich einer der insgesamt 26 ILS die Auslastung der Intensivkapazitäten unter 80%, fünf ILS weisen demgegenüber jedoch eine Auslastung von über 95% auf, davon eine ILS eine Auslastung von 100% (DIVI-Meldungen, Stand 14. Dezember 2021).

Die aktuelle Situation bleibt sehr besorgniserregend und es ist zu befürchten, dass es zu einer weiteren Zunahme schwerer Erkrankungen und Todesfälle kommen wird und die verfügbaren intensivmedizinischen Behandlungskapazitäten überschritten werden. Die Ausbreitung der neuen besorgniserregenden Variante (VOC) Omikron ist zudem sehr besorgniserregend. Sie wird bereits zusätzlich zu Delta in Deutschland nachgewiesen.
Eine neue, zunächst in Südafrika identifizierte Variante mit einer Vielzahl von Mutationen wurde am 26. November 2021 von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und dem Europäischen Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) als VOC mit der Bezeichnung Omikron eingestuft. Besorgniserregend ist insbesondere die ungewöhnlich hohe Zahl von ca. 30 Aminosäureänderungen innerhalb des Spike-Proteins, darunter solche mit bekanntem Einfluss (Erhöhung der Transmission, Immunevasion bzw. „Immunflucht“), aber auch viele Mutationen, deren Bedeutung gegenwärtig noch unklar ist. Das ECDC hält eine Immunevasion von Omikron für wahrscheinlich. Diese neue VOC breitet sich derzeit schnell in Europa aus.
In der dargestellten pandemischen Situation dürfte die angegriffene Norm daher grundsätzlich den durch § 28a Abs. 7 Satz 3 i.V.m. Abs. 3 IfSG vorgegebenen Maßstäben entsprechen.
bb. Der Senat kann angesichts der durch § 28c Satz 2 IfSG i.V.m. § 3 Abs. 2 Satz 2 SchAusnahmV dem Landesverordnungsgeber eingeräumten Möglichkeit jedenfalls nicht feststellen, dass die angegriffene Regelung des § 4 Abs. 1 Nr. 1 15. BayIfSMV offensichtlich nicht den Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit genügt; insbesondere ist nicht feststellbar, dass § 4 Abs. 1 Nr. 1 15. BayIfSMV die Eignung fehlte, den infektionsschutzrechtlichen Zielen des § 28a Abs. 3 IfSG (Schutz von Leben und Gesundheit, Funktionsfähigkeit des Gesundheitssystems) zu dienen. In einer Situation, die auch weiterhin von großen Unsicherheiten hinsichtlich der Eignung von Schutzmaßnahmen gegen die Verbreitung von Covid 19, hier der auf bestimmte Lebensbereiche bezogenen Testpflicht für immunisierte Personen, geprägt ist (zum Meinungsstand: Bundesministerium für Gesundheit https://www.zusammengegencorona.de/impfen/logistik-und-recht/geimpft-getestet-genesen-diese-regeln-gelten/: Geimpft, getestet, genesen? Was gilt? | Zusammen gegen Corona, Stand 16. Dezember 2021; Redaktionsnetzwerk https://www.rnd.de/gesundheit/2g-plus-sind-schnelltests-nach-der-booster-impfung-noch-noetig-und-sinnvoll; 2G plus: Sind Corona-Schnelltests nach der Booster-Impfung noch nötig – und sinnvoll? (rnd.de), Stand: 14. Dezember 2021; BR24 25. November 2021:Corona: Warum auf Antigen-Tests wenig Verlass ist | BR24; https://www.br.de/nachrichten/wissen/corona-wie-sicher-sind-schnelltests-und-selbsttests; HNA Corona-Schnelltests: Wie aussagekräftig sind sie bei Geimpften? | Gesundheit (hna.de); https://www.hna.de/gesundheit/corona-infektion-impfung-test-aussagekräftig-schnelltest-antigentest-geimpft-genesen; Stand: 24. November 2021) und in der weder die Eignung noch das Fehlen der Eignung wissenschaftlich eindeutig erwiesen ist, kann eine Maßnahme nicht nur dann als voraussichtlich geeignet zur Zielerreichung angesehen werden, wenn ihre Wirkung positiv nachgewiesen ist. In dieser von tatsächlichen Unsicherheiten geprägten Situation dürfte es ausreichen, dass nachvollziehbare gewichtige Anhaltspunkte dafür sprechen, dass die Zugangsbeschränkungen, die nur durch zusätzliche Vorlage eines negativen Testnachweises erleichtert werden, geeignet sind, weitere Infektionen durch Geimpfte und unter Geimpften und Genesenen zu verhindern und damit insgesamt zu einer Verlangsamung der Infektionsausbreitung beizutragen. Die Eignung unterstellt, dürften auch gegen die Verhältnismäßigkeit im Übrigen keine durchgreifenden Bedenken bestehen. Insbesondere steht die Vorlage eines Testnachweises für den Zugang zu den in § 4 15. BayIfSMV genannten Einrichtungen und Veranstaltungen im Freizeitbereich derzeit voraussichtlich nicht außer Verhältnis zu dem mit ihr bezweckten Ziel des Lebens- und Gesundheitsschutzes und der Kapazitätssicherung der Gesundheitsversorgung.
Auch bestehen an der Verhältnismäßigkeit der in § 4 Abs. 2 Nr. 1 und 2 15. BayIfSMV getroffenen kapazitätsbeschränkenden Regelung bei summarischer Prüfung keine durchgreifenden Bedenken, da ihre grundsätzliche Eignung zur Infektionsbekämpfung durch den Gesetzgeber durch Aufnahme in die Katalogmaßnahmen des § 28a Abs. 7 IfSG anerkannt ist. Aus dem Regelungszusammenhang des § 4 Abs. 2 Nr. 1 und 2 15. BayIfSMV dürfte sich ergeben, dass zur Berechnung der zulässigen Kapazität zunächst die Einhaltung eines Mindestabstands von 1,5 m zwischen den vorhandenen Plätzen nach § 4 Abs. 2 Nr. 2 15. BayIfSMV gewährleistet sein muss. § 4 Abs. 2 Nr. 1 15. BayIfSMV legt zusätzlich eine relative Kapazitätsobergrenze (wohl gemessen an der maximal zugelassenen Besucherkapazität der jeweiligen Einrichtung) fest, die auch dann einzuhalten ist, wenn die Beachtung des Mindestabstands allein eine höhere Belegung als 25% ermöglichen würde. Dabei bestehen im Hinblick auf die Festlegung einer Obergrenze von 25% voraussichtlich keine durchgreifenden Bedenken, weil sie in einer Vielzahl der denkbaren Fallgestaltungen eine unter Beachtung des Mindestabstands plausible Größenordnung darstellen dürfte, die sich im Rahmen des dem Antragsgegner zustehenden Verordnungsermessens bewegen dürfte (vgl. BayVGH, U.v. 4.10.2021, 20 N 20.767 – juris).
cc. Allerdings hegt der Senat Zweifel, ob § 4 Abs. 1 Nr. 1 und § 4 Abs. 2 Nr. 1 und 2 15. BayIfSMV mit dem Gleichheitsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG zu vereinbaren sind. Die angegriffene Regelung führt gegenüber der Regelung der Zugangsbeschränkung für Geimpfte und Genesene in § 5 15. BayIfSMV (2G) in derselben pandemischen Lage bei Einrichtungen und Veranstaltungen im Sinne des § 4 Abs. 1 15. BayIfSMV zu einer weiteren Vertiefung der Grundrechtseingriffe, da sie von den Besuchern als Zugangsvoraussetzung einen Testnachweis verlangt und diese damit unmittelbar, mittelbar aber auch die Betriebe durch einen Rückgang der Besucherzahlen erheblich belastet und zudem eine Kapazitätsbeschränkung enthält.
Nach § 28 Abs. 6 Satz 3 IfSG können einzelne soziale, gesellschaftliche oder wirtschaftliche Bereiche, die für die Allgemeinheit von besonderer Bedeutung sind, von den Schutzmaßnahmen ausgenommen werden, soweit ihre Einbeziehung zur Verhinderung der Verbreitung der Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) nicht zwingend erforderlich ist. Hierzu wird in der Begründung des Gesetzesentwurfes ausgeführt (BT-Drs. 19/24334, S. 74):
„Hiermit wird dem Erfordernis einer notwendigen Differenzierung in einem Gesamtkonzept von Schutzmaßnahmen Rechnung getragen. Die sachliche Rechtfertigung und Differenzierung einzelner Schutzmaßnahmen ist daher nicht allein anhand des infektionsschutzrechtlichen Gefahrengrades der betroffenen Tätigkeit zu beurteilen. Vielmehr sind auch alle sonstigen relevanten Belange zu berücksichtigen, etwa die Auswirkungen der Ge- und Verbote für die betroffenen Unternehmen und Dritte und auch öffentliche Interessen an der uneingeschränkten Aufrechterhaltung bestimmter unternehmerischer Tätigkeiten.“
Bei der Beurteilung der besonderen Bedeutung der einzelnen Bereiche für die Allgemeinheit dürfte dem Verordnungsgeber ein gerichtlich nur begrenzt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zukommen. Der gerichtlichen Kontrolle unterliegt allerdings die Frage, ob der Verordnungsgeber von sachlichen Erwägungen ausgegangen ist (vgl. zuletzt BayVGH, B.v. 23.2.2021 – 20 NE 21.367 – juris Rn. 22). Hierbei kommt der Begründung der Verordnung nach § 28a Abs. 5 IfSG besondere Bedeutung zu.
Da sich den Begründungen zur 15. BayIfSMV nicht entnehmen lässt, aus welchem Grund der Antragsgegner gastronomische Betriebe lediglich einer 2G-Regel und damit weniger strengen Zugangsbeschränkungen in § 5 Abs. 1 Nr. 1 15. BayIfSMV unterwirft, kann der Senat einen sachlichen Grund für eine Differenzierung zwischen den Betriebsarten der Gastronomie und den in § 4 15. BayIfSMV genannten Betrieben und Einrichtungen nicht erkennen. Wegen der grundsätzlichen Vergleichbarkeit der Betriebsarten in Bezug auf das Infektionsrisiko in Innenräumen hinsichtlich Personenanzahl und Verweildauer liegt ein sachlicher Grund für eine Ungleichbehandlung jedenfalls nicht auf der Hand. Auch ist nicht erkennbar, ob der Antragsgegner auf der Grundlage des § 28a Abs. 6 Satz 3, Abs. 7 Satz 3 IfSG eine Differenzierung vorgenommen hat. Ob die durch den Gesetzgeber in § 28a Abs. 8 Satz 1 Nr. 6 IfSG vorgenommene grundsätzliche Gleichstellung von Einrichtungen der Kultur und Freizeit mit gastronomischen Betrieben durch den Verordnungsgeber bei der Entscheidung über Betriebsbeschränkungen zu berücksichtigen ist, bleibt einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren vorbehalten.
Im Ergebnis dürfte im hier zu entscheidenden Fall ein entsprechender Verstoß jedoch deshalb nicht zu einem Anspruch der Antragstellerin auf vorläufige Außervollzugsetzung des § 4 Abs. 1 Satz 1 15. BayIfSMV führen, weil die Voraussetzungen für den Erlass der angegriffenen Norm – wie oben dargelegt – derzeit erfüllt sind und aus einem Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG jedenfalls im Grundsatz kein Anspruch auf Normaufhebung folgt (vgl. bereits BayVGH, B.v. 7.4.2021 – 20 NE 21.868 – juris Rn. 45; BVerfG, B.v. 17.1.2006 – 1 BvR 541/02 u.a. – juris Rn. 44 ff.; BVerwG, U.v. 25.7.2007 – 3 C 10/06 – juris Rn. 30 f.; Wollenschläger in v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, 7. Aufl. 2018, Art. 3 Rn. 316; BayVerfGH, E.v. 22.3.2021 – Vf. 23-VII-21 – juris – Rn. 39 f.; anders wohl OVG Saarland, B.v. 9.3.2021 – 2 B 58/21 – juris; OVG NW, B.v. 19.3.2021 – 13 B 252/21.NE – juris). Bei einer gleichheitswidrigen Rechtsverordnung kommt eine gerichtliche Korrektur durch Aufhebung einer belastenden Maßnahme im Grundsatz nur dann in Betracht, wenn das normative Ermessen des Verordnungsgebers rechtmäßig nur in einem bestimmten Sinn ausgeübt werden könnte oder wenn sich mit Sicherheit annehmen lässt, dass der Verordnungsgeber, wäre ihm das Problem bewusst, den Anforderungen des Gleichbehandlungsgebots gerade in diesem Sinn Rechnung tragen würde (vgl. BVerwG, a.a.O., Rn. 31). Das ist hier jedoch nicht der Fall, weil sich die aus der pandemischen Gefahrenlage aufgrund von COVID-19 und der Schutzpflicht des Staates aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG folgende Konfliktlage nicht derart auflösen lässt, dass eine vom Verordnungsgeber nicht nachvollziehbar begründete Ausnahme von einer Infektionsschutzmaßnahme durch die Einbeziehung eines vergleichbaren Lebenssachverhaltes erweitert wird. Gerät allerdings das Verhältnis von repressiven Verboten und Befreiungen derart in Schieflage, dass das repressive Verbot an sich in Frage gestellt wird, kann dieses Verbot im Hinblick auf den Gleichbehandlungsgrundsatz nicht mehr aufrechterhalten bleiben. Ob dieser Punkt in der vorliegenden Konstellation gerade im Hinblick auf die Schwere der Grundrechtseingriffe und die hier konkurrierenden Grundrechte schon erreicht ist, ist bei summarischer Prüfung im einstweiligen Rechtsschutzverfahren als offen anzusehen und muss einer Klärung im Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben.
3. Bei der Annahme offener Erfolgsaussichten der Hauptsache ergibt die gebotene Folgenabwägung zwischen dem betroffenen Schutzgut der freien wirtschaftlichen Betätigung aus Art. 12 Abs. 1 GG und ggf. dem Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb (Art. 14 Abs. 1 GG) mit dem Schutzgut Leben und Gesundheit aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG insbesondere im Hinblick auf die weiterhin auf hohem Niveau bleibenden Infektionszahlen, dass die von der Antragstellerin dargelegten wirtschaftlichen Folgen hinter den Schutz von Leben und Gesundheit einer Vielzahl von Menschen zurücktreten müssen. Hierbei ist auch die durch die Änderungsverordnung vom 14. Dezember 2021 (BayMBl. 2021 Nr. 875) aufgenommene Freistellung für Personen, die zusätzlich eine weitere Impfstoffdosis als Auffrischungsimpfung erhalten haben, in § 4 Abs. 7 Nr. 4 15. BayIfSMV zu berücksichtigen. Diese mildert die Eingriffsintensität der Regelung in grundrechtlich geschützte Positionen der Antragstellerin ab, da sie einen schon jetzt nicht unerheblichen (im Freistaat Bayern derzeit etwa 3,8 Mio. Personen) und ständig weiter zunehmenden Personenkreis von der Testnachweispflicht befreit.
4. Der Verordnungsgeber ist zur regelmäßigen Überprüfung der Verhältnismäßigkeit seiner Maßnahmen verpflichtet. Aus diesem Grund sind die Maßnahmen nach § 28a Abs. 5 Satz 2 IfSG zu befristen und nach § 28a Abs. 5 Satz 1 IfSG mit einer Begründung zu versehen. Für die Fortdauer der Maßnahmen sind zur Rechtfertigung der mit ihnen verbundenen Grundrechtseingriffe die nach § 28a Abs. 7 Satz 3 i.V.m. Abs. 3 IfSG maßgeblichen Indikatoren zugrunde zu legen.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des Gegenstandswertes ergibt sich aus § 53 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG. Da die von dem Antragsteller angegriffene Verordnung bereits mit Ablauf des 12. Januar 2022 außer Kraft tritt (§ 18 Abs. 1 15. BayIfSMV), zielt der Eilantrag inhaltlich auf eine Vorwegnahme der Hauptsache, weshalb eine Reduzierung des Gegenstandswertes für das Eilverfahren auf der Grundlage von Ziff. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit hier nicht angebracht ist.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 152 Abs. 1 VwGO.


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