Medizinrecht

Unzulässigkeit einer Beschwerde nach Erfüllung einer gerichtlich verfügten vorläufigen Leistungsverpflichtung

Aktenzeichen  L 20 KR 81/21 B ER

Datum:
14.4.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 7637
Gerichtsart:
LSG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
SGG § 172 Abs. 1
SGG § 173
SGG § 175 S. 3
SGG § 199 Abs. 2

 

Leitsatz

Ist die durch einstweilige Anordnung des Sozialgerichts verpflichtete Behörde dieser Leistungspflicht nachgekommen, entfällt das Rechtsschutzbedürfnis für die Beschwerde. Es ist dem Hauptsacheverfahren vorbehalten zu klären, ob der Anspruch nach dem materiellen Recht tatsächlich besteht oder nicht.

Verfahrensgang

S 10 KR 629/20 ER 2021-02-03 Bes SGWUERZBURG SG Würzburg

Tenor

I. Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Würzburg vom 03.02.2021 wird als unzulässig verworfen.
II. Die Antragsgegnerin hat die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers zu erstatten.

Gründe

I.
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Antragsgegnerin und Beschwerdeführerin (im Folgenden: Antragsgegnerin) verpflichtet ist, dem Antragsteller und Beschwerdegegner (im Folgenden: Antragsteller) vorläufig Leistungen der häuslichen Krankenpflege im Zeitraum vom 01.01.2021 bis zum 31.03.2021 zu erbringen.
Der im Jahr 1936 geborene Antragsteller ist bei der Antragsgegnerin krankenversichert. Er lebt alleine. Bei ihm ist ein Grad der Behinderung (GdB) von 100 festgestellt, wobei die führende Erkrankung eine chronisch obstruktive Atemwegserkrankung (COPD) mit respiratorischer Insuffizienz und Rechtsherzschädigung ist (Einzel-GdB 80). Zudem sind die gesundheitlichen Voraussetzungen der Merkzeichen G, aG, B und RF anerkannt. Es besteht der Pflegegrad 4. Seit mindestens 2009 liegt eine fortschreitende demenzielle Erkrankung mit im Februar 2020 attestierten deutlich ausgeprägten kognitiven Funktionsbeeinträchtigungen und Beeinträchtigungen der täglichen Aktivitäten bei Alzheimer-Erkrankung vor. Seit 2015 ist er auf eine permanente Sauerstofftherapie (Sauerstoffgabe 2 l/h über 24 Stunden) und eine nächtliche Beatmung eingestellt. Aufgrund der demenziellen Erkrankung ist er zu einem selbstständigen Umgang mit der Beatmung nicht mehr in der Lage. U.a. leidet er auch an einer chronischen Niereninsuffizienz bei Z.n. Nephrektomie und hat einen Blasenkatheter, den er ebenfalls nicht mehr zuverlässig bedienen kann.
Am 18.08.2020 verordnete der Allgemeinarzt Dr. H. häusliche Krankenpflege (Medikamentenangabe, Krankenhausvermeidungspflege nach § 37 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch – SGB V -, Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung,) für den Zeitraum vom 17.08.2020 bis zum 30.08.2020 und wies auf Folgendes hin: „24 h spezifische Krankenbeobachtung mit Übernahme der Vitalparameter“. Der Pflegedienst G. GmbH übernahm in der Folge die Versorgung.
Der von der Antragsgegnerin befragte Medizinische Dienst der Krankenversicherung in Bayern (MDK) verneinte in einem Kurzgutachten vom 25.08.2020 die an ihn gestellte Fragen, ob täglich mit hoher Wahrscheinlichkeit lebensbedrohliche Situationen auftreten würden und ob die Voraussetzungen für eine außerklinische Intensivversorgung gemäß Nr. 24 der Häuslichen Krankenpflege-Richtlinie (HKP-Richtlinie) erfüllt seien. Begründet wurde diese Einschätzung damit, dass anhand der vorliegenden Unterlagen nicht erkannt werden könne, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit täglich lebensbedrohliche Ereignisse auftreten würden.
Auf dieses Kurzgutachten gestützt, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 03.09.2020 die Kostenübernahme für eine Stundenpauschale für Intensivpflege ab, da die medizinischen Voraussetzungen für die spezielle Krankenbeobachtung nicht erfüllt seien.
Dagegen erhoben die Bevollmächtigten des Antragstellers mit Schreiben vom 10.09.2020 Widerspruch und legten mit Schriftsatz vom 22.09.2020 weitere Befunde vor.
Der anschließend nochmals befragte MDK wies im Gutachten vom 29.09.2020 darauf hin, dass der Antragsteller aufgrund einer zunehmenden demenziellen Entwicklung zwar bei den Aktivitäten des täglichen Lebens und bei der nächtlichen NIV-Beatmung auf Hilfe angewiesen sei, eine ständige vitale Gefährdung mit der Notwendigkeit der Anwesenheit einer in dieser Situation ausgebildeten Fachkraft aber nicht vorliege; es bestehe eine ausreichende Spontanatmung; bei Diskonnektion der nicht-invasiven Beatmung nachts könne der Antragsteller weiter atmen.
Mit Schreiben vom 23.10.2020 wies der Sohn des Antragstellers, gestützt auf ein Schreiben des Pflegedienstes vom 07.10.2020, darauf hin, dass der Antragsteller aufgrund seiner Demenz nicht mehr in der Lage sei, die medizinischen Hilfsmittel Sauerstofftank, Beatmungsgerät und Blasenkatheter zu bedienen.
In seiner Stellungnahme vom 19.11.2020 blieb der MDK bei seiner Einschätzung, dass die Voraussetzungen einer speziellen Krankenbeobachtung gemäß Nr. 24 der HKP-Richtlinie nicht vorlägen. Bei kontinuierlicher eins-zu-eins-Beaufsichtigung durch einen Laien sei die Entstehung gefährlicher Situationen vermeidbar. Es sei dann weder eine pflegerische noch eine ärztliche Sofortintervention erforderlich. Dass ein oder zwei Angehörige eine solche Dauerbeaufsichtigung nicht alleine leisten könnten, stehe aber außer Frage.
Mit Schreiben vom 10.12.2020, eingegangen beim Sozialgericht (SG) Würzburg am 16.12.2020, haben die Bevollmächtigten des Antragstellers beantragt, die Antragsgegnerin – mit Schreiben vom 16.12.2020 haben sie klargestellt, dass sich der Antrag gegen die Krankenkasse, die Antragsgegnerin, nicht die Pflegekasse richte – im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes zu einer Kostenübernahme für die notwendige 24-Stunden-Intensivpflege zu verpflichten. Der Pflegedienst habe wegen fehlender Entlohnung die Kündigung zum 31.12.2020 ausgesprochen; bei Abbruch der Maßnahme bestünde Gefahr für Leib und Leben des Antragstellers.
Die Antragsgegnerin hat dem mit Schreiben vom 18.12.2020 entgegengehalten, dass eine gegebenenfalls rund um die Uhr erforderliche Beaufsichtigung eines demenzkranken Menschen nicht durch spezielle Krankenbeobachtung im Sinne der Nr. 24 HKPRichtlinie abgebildet werde. Ein Anordnungsanspruch liege daher nicht vor. Auch ein Anordnungsgrund sei nicht glaubhaft gemacht. Allein der Umstand, dass der Antragsteller eine Entscheidung in Kürze erlangen möchte, begründe keine Unzumutbarkeit, das Hauptsacheverfahren abzuwarten. Im Übrigen sei weder dargelegt noch anderweitig offenbar, welche Nachteile dem Antragsteller drohen könnten, zumal es keine laufende Verordnung gebe. Die bis dato einzige vorliegende Verordnung von häuslicher Krankenpflege sei am 30.08.2020 abgelaufen. Auch habe der Antragsteller hinsichtlich der Eilbedürftigkeit nicht vorgetragen, dass er nach Verwertung vorhandener Vermögenswerte nicht in der Lage sei, die Kosten für die hier begehrte Leistung selbst zu bezahlen.
Der Sohn des Antragstellers hat mit Schreiben vom 23.12.2020 u.a. eine Folgeverordnung häuslicher Krankenpflege ohne Datum durch die Allgemeinärztin Dr. M. für den Zeitraum vom 01.09.2020 bis zum 31.12.2020 sowie Unterlagen zur finanziellen Situation des Antragstellers vorgelegt. Mit Schreiben vom 21.01.2021 haben die Bevollmächtigten des Antragstellers weitere Unterlagen an das SG geschickt, u.a. eine Folgeverordnung häuslicher Krankenpflege der Allgemeinärztin Dr. M. für den Zeitraum vom 01.01.2021 bis zum 31.03.2021. Verordnet worden sind dort Maßnahmen der Behandlungspflege (Injektionen [einmal wöchentlich], Herrichten der Medikamentenbox [einmal wöchentlich], Medikamentengabe [zweimal täglich, siebenmal wöchentlich] sowie als sonstige Maßnahmen der Behandlungspflege „24 h spez. Krankenbeobachtung m. Überwachung d. Vitalparameter NIV-Beatmung; O²-Gabe: 2 l/h ü. 24h“).
Mit Beschluss vom 03.02.2021 hat das SG die Antragsgegnerin verpflichtet, dem Antragsteller vorläufig für die Zeit vom 03.02.2021 bis zum 31.03.2021, spätestens jedoch bis zum Zeitpunkt der Unanfechtbarkeit eines über die Leistungsgewährung auf Grund der Verordnung vom 04.01.2021 noch zu erlassenden Bescheides, häusliche Krankenpflege im Umfang von 24 Stunden täglich in Form von Krankenbeobachtung einschließlich Überwachung der Vitalparameter, NIV-Beatmung und O²-Gabe (2 l/h über 24 h) zu gewähren, und im Übrigen, also für die Zeit vor dem 03.02.2021, den Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes abgelehnt.
Zur Begründung hat das SG u.a. Folgendes ausgeführt:
Vorliegend sei es unschädlich, dass die Antragsgegnerin über den mit der Verordnung vom 04.01.2021 verbundenen Antrag bislang noch keine Entscheidung getroffen habe, obwohl nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zur häuslichen Krankenpflege über jeden Verordnungszeitraum der häuslichen Krankenpflege gesondert zu entscheiden sei (vgl. Padé, in: jurisPK-SGB V, Stand: 28.12.2020, § 37c, Rdnr. 68 – m.w.N.). Das sonst unter Aspekten des Rechtsschutzbedürfnisses gebotene Abwarten einer diesbezüglichen Entscheidung der Antragsgegnerin sei dem Antragsteller hier nicht zuzumuten, weil er infolge der bereits zuvor ergangenen ablehnenden Entscheidungen der Antragsgegnerin mit hoher Wahrscheinlichkeit von einer erneuten Ablehnung ausgehen müsse.
Soweit im Wege der einstweiligen Anordnung Leistungen für die Vergangenheit begehrt würden, fehle es regelmäßig – so auch hier – an einem Anordnungsgrund (vgl. Sächsisches Landessozialgericht – LSG -, Beschluss vom 13.11.2014, L 1 KR 260/14 B ER).
Hinsichtlich der Zeit ab dem Erlass des Beschlusses des SG seien aber die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung hinsichtlich eines Sachleistungsanspruchs erfüllt, da Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund insoweit glaubhaft gemacht seien oder jedenfalls zumindest eine Folgenabwägung den Erlass der einstweiligen Anordnung gebiete, da in Anbetracht des streitigen Sachverhalts eine abschließende Prüfung im Rahmen der für die Zwecke eines Eilverfahrens zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich sei.
Aus § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB V seien die Voraussetzungen der sog. Behandlungssicherungspflege zu entnehmen. Zutreffend sei zwar, dass der Inhalt dieses Anspruchs durch die vom Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) unter Bezugnahme auf § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V erlassene HKP-Richtlinie in der Fassung vom 17.09.2009, zuletzt geändert am 27.03.2020, u.a. in deren Anlage unter Nr. 24 dahingehend eingeschränkt werde, dass eine spezielle Krankenbeobachtung nur verordnungsfähig sei, wenn mit hoher Wahrscheinlichkeit sofortige pflegerische/ärztliche Intervention bei lebensbedrohlichen Situationen täglich erforderlich sei und nur die genauen Zeitpunkte und das genaue Ausmaß nicht im Voraus bestimmt werden könnten. Diese Einschränkung sei aber bedeutungslos, wenn – wie vorliegend – medizinisch notwendige Maßnahmen im Streit stünden. Zwar handele es sich bei den Richtlinien nach § 92 Abs. 1 SGB V um untergesetzliche Normen, die grundsätzlich auch innerhalb des Leistungsrechts zu beachten seien, sie würden aber gegen höherrangiges Recht verstoßen, soweit sie einen Ausschluss der im Einzelfall gebotenen Krankenbeobachtung aus dem Katalog der verordnungsfähigen Leistungen enthielten. Für einen Anspruch auf Leistungen der häuslichen Krankenpflege nach § 37 SGB V bedürfe es allgemein einer vertragsärztlichen Verordnung gemäß § 15 Abs. 1 Satz 2 SGB V (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 24.04.2020, L 4 KR 3890/17). Eine solche Verordnung sei dem Antragsteller unter dem 04.01.2021 für den Zeitraum vom 01.01.2021 bis zum 31.03.2021 ausgestellt worden.
Der MDK habe in seiner dritten Stellungnahme vom 19.11.2020 erklärt, dass mit Nr. 24 der HKP-Richtlinie nicht eine trotz bestehender Notwendigkeit unzureichende allgemeine Beaufsichtigung bei Demenz gemeint sei, die zu gefährlichen Situationen führe, sei es z.B. durch das Ausschalten des Sauerstoffes oder durch einen Zimmerbrand bei vergessenem Gasherd. Im vorliegenden Fall sei bei kontinuierlicher eins-zu-eins-Beaufsichtigung durch einen Laien die Entstehung gefährlicher Situationen vermeidbar. Es sei dann weder eine pflegerische noch eine ärztliche Sofortintervention erforderlich. Dass ein oder zwei Angehörige eine solche Dauerbeaufsichtigung nicht alleine leisten könnten, stehe außer Frage. Den Ausführungen des MDK in seiner dritten Stellungnahme vom 19.11.2020 sei zu entnehmen, dass grundsätzlich schon von einer medizinisch bedingten Notwendigkeit einer Dauerbeaufsichtigung und zwar rund um die Uhr auszugehen sei, lediglich eine permanente (konkrete) Lebensgefahr sowie die Notwendigkeit einer Beaufsichtigung durch eine medizinische Fachkraft werde nicht bestätigt. Aber auch die „bloß“ erforderliche Beaufsichtigung durch einen Laien statt durch eine medizinische Fachkraft stehe einem Anspruch nicht entgegen. Zwar werde in Zusammenhang mit Nr. 24 der HKP-Richtlinie gelegentlich formuliert bzw. insinuiert, dass die vom BSG entschiedene Abweichung den Einsatz einer medizinischen Fachkraft erfordere (so z.B. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 08.06.2015, L 11 KR 202/15 B ER, Rdnr. 42; Thüringer LSG, Beschluss vom 16.05.2017, L 6 KR 1571/15 B ER, Rdnr. 25). Dem sei aber entgegenzuhalten, dass sich in der Ausgangsentscheidung des BSG eine solche Formulierung gar nicht finde. Vielmehr stelle das BSG in Rdnr. 15 der genannten Entscheidung lediglich referierend fest, dass das LSG (als Vorinstanz) für das BSG verbindlich festgestellt habe, dass wegen des Anfallsleidens des Klägers und der krankheitsbedingten Gefahren für die Atmungsfunktion die ständige Anwesenheit und Einsatzbereitschaft einer qualifizierten Pflegeperson erforderlich sei. Dies dürfte nicht so zu verstehen sein, dass ein Leistungsanspruch davon abhänge, dass eine Beobachtung durch einen Laien nicht ausreiche. Die beiden Kinder des Antragstellers würden nicht in dessen Haushalt leben, somit könne auch § 37 Abs. 3 SGB V einem Anspruch des Antragstellers nicht entgegenstehen. Was die Eilbedürftigkeit der Angelegenheit angehe, stehe außer Frage, dass im Extremfall auch durchaus das Leben des Antragstellers konkret gefährdet sein könne. Auch könne der Antragsteller nicht auf den vorrangigen Verbrauch eigener Mittel verwiesen werden, da er im Wesentlichen nur noch über ein Sparguthaben von ca. 13.000,- € verfüge, nach den Angaben des Pflegedienstes aber mit einer monatlichen finanziellen Belastung im fünfstelligen Bereich zu rechnen sei. Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch seien daher glaubhaft gemacht. Selbst wenn man für die Annahme eines Anordnungsanspruchs zunächst noch weitere medizinische Ermittlungen verlangen würde, wäre der Erlass der vorliegenden einstweiligen Anordnung unter Aspekten einer Folgenabwägung gerechtfertigt, da bei rechtswidriger Versagung der in Rede stehenden Leistung gegebenenfalls das Leben des Antragstellers als grundgesetzlich besonders geschütztes Gut bedroht sein und im schlimmsten Fall der Tod eintreten könne. Sollte sich in einem späteren Hauptsacheverfahren demgegenüber ergeben, dass die Leistung zu Recht versagt worden und die Besorgnis von Lebensgefahr für den Antragsteller nicht gerechtfertigt gewesen sei, wäre der Antragsgegnerin lediglich ein Vermögensschaden entstanden, der in der Folgenabwägung zurückstehen müsse. Hinsichtlich der Dauer der einstweiligen Anordnung sei diese auf die Zeit bis zum 31.03.2021 als Enddatum der aktuell ausgestellten Verordnung vom 04.01.2021 zu befristen. Sofern eine noch zu treffende Leistungsentscheidung der Antragsgegnerin hinsichtlich der Verordnung vom 04.01.2021 bereits zuvor bestandskräftig werden sollte, ende die Gültigkeitsdauer der vorliegenden einstweiligen Anordnung mit jenem Zeitpunkt.
Gegen den ihr am 05.02.2021 zugestellten Beschluss hat die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 23.02.2021, eingegangen beim Bayer. LSG am 01.03.2021, Beschwerde eingelegt und die Beschwerde wie folgt begründet:
Das SG habe in seinem Beschluss vom 03.02.2021 die Kostenabgrenzung zwischen Kranken- und Pflegeversicherung nach § 17 Abs. 1b Sozialgesetzbuch Elftes Buch sowie die Rechtsprechung des BSG vom 17.06.2010, B 3 KR 7/09 R, nicht berücksichtigt. Danach habe die Pflegeversicherung bei ambulant versorgten Pflegebedürftigen die hälftigen Kosten zu tragen. Weiter sei im einstweiligen Rechtsschutz die Eilbedürftigkeit maßgebend, wobei eine solche bei einer rückwirkenden Regelung eines Rechtsverhältnisses schon gar nicht vorliegen könne. Es sei keine Notwendigkeit dafür ersichtlich, dass das Gericht eine rückwirkende Regelung treffe.
Auf Nachfrage des Gerichts hat die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 04.03.2021 mitgeteilt, dass sie dem Antragsteller ab dem 03.02.2021 bis zum 31.03.2021 die vom SG zugesprochene Krankenpflege gewähre, die Antragstellerin sich an die Vorgaben der häuslichen HKP-Richtlinie gebunden fühle, das SG wegen der Aufteilung zwischen Pflegeversicherung und Krankenkasse für die Antragsgegnerin lediglich 21,09 Stunden Krankenpflege hätte tenorieren dürfen, die Antragsgegnerin hinsichtlich ihrer Argumentation zu einer rückwirkenden Regelung einer Fehlinterpretation der Entscheidung des SG unterliegen sei, da die vom SG getroffene Regelung nur in die Zukunft gerichtet sei, und dass zum streitbefangenen Zeitraum bis zum 31.03.2021 mittlerweile am 04.02.2021 ein ablehnender Leistungsbescheid ergangen sei.
Die Bevollmächtigten des Antragstellers haben sich mit Schriftsatz vom 17.03.2021 gegen die Beschwerde gewandt. Die medizinische Notwendigkeit für eine Dauerbetreuung liege vor, was selbst der MDK erkannt habe. Entgegen der Ansicht des MDK sei aber auch täglich eine lebensbedrohliche Situation gegeben. Der Kläger benötige eine Katheterversorgung und müsse mit einer Atemmaske versorgt werden. Da er an Demenz erkrankt sei, sei es ihm nicht möglich, diese medizinischen Geräte selbst zu bedienen. Eine unzureichende Bedienung der medizinischen Geräte führe zu lebensbedrohlichen Situationen. Was den Streit zwischen der Antragsgegnerin und der Pflegekasse wegen der zeitlichen Aufteilung angehe, dürfe dies nicht zulasten des Antragstellers gehen.
Auf Aufforderung des Gerichts hat die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 19.03.2021 mitgeteilt, dass gegen den Bescheid vom 04.02.2021 Widerspruch eingelegt worden sei; das Widerspruchsverfahren dauere noch an.
Die Bevollmächtigten des Antragstellers haben mit Schriftsatz vom 24.03.2021 eine Kopie der Pflegedokumentation vorgelegt.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Beschluss des SG vom 03.02.2021 aufzuheben und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen.
Der Antragsteller beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Der Senat hat die Verwaltungsakte der Antragsgegnerin und die Akten des SG beigezogen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Beschwerdeakte und der beigezogenen Akten Bezug genommen.
II.
Die form- und fristgerecht erhobene (§§ 172 Abs. 1, 173 SGG) Beschwerde ist unzulässig geworden, da das Rechtsschutzbedürfnis dadurch entfallen ist, dass die Antragsgegnerin die vom SG mit dem angegriffenen Beschluss verfügte Leistung vollständig erbracht hat.
Das Bayer. LSG hat zu der Frage, ob ein Rechtsschutzbedürfnis für eine Beschwerde gegen eine Entscheidung des SG, mit der ein Sozialleistungsträger vorläufig zur Leistungserbringung verpflichtet wird, noch besteht, wenn die Leistung bereits erbracht worden ist, mit Beschluss vom 10.07.2009, L 7 AS 323/09 B ER, Folgendes ausgeführt:
„Die Beschwerde der BF ist als unzulässig zu verwerfen, weil sich das Rechtsschutzinteresse durch die vollständige Erbringung der vom Sozialgericht verfügten Leistung erledigt hat.
In der Regel sind Beschwer und Rechtsschutzinteresse in der Rechtsmittelinstanz deckungsgleich (vgl. Leitherer in Meyer-​Ladewig, Sozialgerichtsgesetz, 9. Auflage 2008, RdNr. 5 vor § 143). Die bei Einlegung der Beschwerde zunächst vorliegende Beschwer der BF darf nicht später weggefallen sein oder prozessual überholt worden sein (vgl. Leitherer a.a.O., RdNrn. 7 und 10 vor § 143, § 176 Rn. 3).
Das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes hat den Zweck, eine vorläufige Regelung für den Zeitraum bis zur Hauptsacheentscheidung zu schaffen. Die Eilentscheidung schafft nur eine prozessuale Zwischenregelung – es ist dem Hauptsacheverfahren vorbehalten zu klären, ob bei einer Regelungsanordnung das materielle Recht tatsächlich besteht oder nicht (vgl. Krodel, Das sozialgerichtliche Eilverfahren, 2. Auflage 2008, RdNr. 344 und 347). Wenn die Leistungsverpflichtung aus dem Beschluss des Sozialgerichts wie hier vollständig erfüllt wurde, entfällt das Rechtsschutzinteresse und die Beschwerde wird unzulässig. Für eine sachliche Überprüfung der Entscheidung des Sozialgerichts ist dann im Eilverfahren kein Raum mehr (wie hier LSG Hamburg, 29.05.2007, L 5 B 591/06 ER, NZS 2008, 168). Teilweise wird vertreten, dass die Beschwerdemöglichkeit auch der rechtstreu vorläufig leistenden Behörde offen bleiben muss (so LSG Berlin-Brandenburg, 25.09.2007, L 32 B 1565/07 AS ER, die dortige Beschwerde wurde dann aber in der Sache abgelehnt). Dies überzeugt nicht, weil die Behörde im Eilverfahren einen Antrag auf Aussetzung der Vollstreckung nach § 199 Abs. 2 SGG stellen kann und im Übrigen auf das Hauptsacheverfahren verwiesen wird.“
Diese Einschätzung zum Rechtsschutzbedürfnis wird in der sozialgerichtlichen Rechtsprechung und Literatur verbreitet geteilt (vgl. z.B. Bayer. LSG, Beschlüsse vom 24.02.2011, L 7 AS 54/11 B ER, vom 11.04.2011, L 16 AS 168/11 B ER, vom 08.02.2017, L 8 SO 269/16 B ER [unter Aufgabe der früher vom 8. Senat des Bayer. LSG vertretenen Rechtsansicht, wonach ein Rechtsschutzbedürfnis zu bejahen sei, wenn der Antragsgegner seiner Verpflichtung aus einem erstinstanzlichen Beschluss in vollem Umfang nachgekommen sei – vgl. Beschluss vom 22.08.2014, L 8 SO 117/14 B E R], vom 25.06.2018, L 8 SO 49/18 B ER, vom 26.03.2020, L 8 AY 7/20 B ER; LSG Berlin-Brandenburg, Beschlüsse vom 11.09.2006, L 14 B 771/06 AS ER, und vom 04.02.2010, L 26 AS 1921/09 B ER; LSG Hamburg, Beschlüsse vom 29.05.2007, L 5 B 591/06 ER AS, und vom 21.02.2018, L 4 SO 10/18 B ER; Plagemann/Stiegeler, jurisPR-SozR 5/2010, Anm. 6); sie findet auch Unterstützung in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung und Literatur (vgl. Thüringer Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 17.07.1997, 2 ZEO 356/97; Philipp, Besonderheiten des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens in sozialrechtlichen Streitigkeiten, BayVBl. 1989, 387, 391). Auch der erkennende Senat schließt sich dieser Rechtsmeinung an. Für die streitgegenständliche Beschwerde ist daher mit Ablauf des 31.03.2021 das Rechtsschutzbedürfnis entfallen.
Sofern an der vorstehend dargelegten Rechtsansicht Kritik geübt wird (vgl. Hess. LSG, Beschluss vom 12.10.2018, L 9 AS 462/18 B ER; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 17.10.2018, L 7 SO 3150/18 ER-B; ohne weitere Begründung: Keller, in: Meyer-Ladewig/ders./Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl. 2020, § 86b, Rdnr. 47) und diese Kritik im Wesentlichen damit begründet wird, dass das Rechtsschutzbedürfnis des mit einer einstweiligen Anordnung belasteten Leistungsträgers, wenn er die Leistungen bereits erbracht habe, darin liege, „dass er die vorläufig aufgrund des erstinstanzlichen Beschlusses erbrachten Leistungen für den Fall der Aufhebung der Anordnung durch das Beschwerdegericht sofort zurückfordern oder einstellen kann und nicht mehr den rechtskräftigen Abschluss eines Hauptsacheverfahrens abwarten muss, zumal in Anbetracht der tatsächlichen Lebensverhältnisse des Antragstellers eine Realisierung der zurückgeforderten Gelder (später) oft wenig wahrscheinlich ist“ (Burkiczak, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 1. Aufl., Stand: 19.03.2021, § 86b SGG Rdnr. 529), kann dies nicht überzeugen.
Zum einen stellt auch die vom Senat bejahte, oben dargestellte Rechtsmeinung das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis dann nicht infrage, wenn die Leistungserbringung noch läuft, sodass dem Leistungsträger nicht über ein angeblich fehlendes Rechtsschutzbedürfnis die Möglichkeit genommen wird, die Leistungen einzustellen, wie dies Burkiczak offensichtlich meint.
Für den Senat ist es auch nicht nachvollziehbar, wenn Burkiczak das Rechtsschutzbedürfnis damit begründet, dass „in Anbetracht der tatsächlichen Lebensverhältnisse des Antragstellers eine Realisierung der zurückgeforderten Gelder (später) oft wenig wahrscheinlich ist“. Für das Rechtsschutzbedürfnis der Beschwerde kann es nicht entscheidend sein, wie realistisch eine Rückforderung per se ist. Das Rechtsschutzbedürfnis könnte sich allenfalls damit begründen lassen, dass die Realisierung einer Rückforderung schwerer würde, wenn diese nicht unmittelbar im Anschluss an das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes erfolgen würde, sondern erst nach Abschluss des Hauptsacheverfahrens. Für einen Erfahrungssatz, dass für eine Realisierung der Rückforderung zu einem späteren Zeitpunkt typischerweise geringere Erfolgsaussichten bestünden, sieht der Senat keine Grundlage und auch im konkreten Fall keinen Anlass, da der Antragsteller regelmäßige Rentenzahlungen bezieht; auch die von Burkiczak angeführten Fundstellen gehen von einem solchen Erfahrungssatz nicht aus.
Zudem wird die Rechtsansicht vertreten, dass die Rückabwicklung und somit die Frage, ob die im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes erlangten Leistungen behalten werden dürfen, nach dem System des Prozessrechts (ausschließlich) im Hauptsacheverfahren stattfinde (vgl. beispielhaft Bayer. LSG, Beschluss vom 11.04.2011, L 16 AS 168/11 B ER; LSG Hamburg, Beschluss vom 21.02.2018, L 4 SO 10/18 B ER – m.w.H.; Plagemann/Stiegeler, a.a.O.), bzw. teilweise auch die Rechtsmeinung, dass ein Rückzahlungsanspruch überhaupt erst mit Eintritt der Rechtskraft im Hauptsacheverfahren entstehe (vgl. Bayer. LSG, Beschluss vom 25.06.2018, L 8 SO 49/18 B ER).
Aber selbst dann, wenn entgegen der vorstehend dargestellten Rechtsansicht vom Entstehen eines Rückforderungsanspruchs für infolge einer einstweiligen Anordnung bereits erbrachte Leistungen auch schon vor rechtkräftigem Abschluss in der Hauptsache ausgegangen wird, weil mit der aufhebenden Entscheidung des Beschwerdegerichts der Rechtsgrund für das Behaltendürfen der vorläufig erbrachten Leistungen entfallen ist, kann der Senat kein Rechtsschutzbedürfnis erkennen. Denn an dem (allgemeinen) Rechtsschutzbedürfnis, das für jedes Verfahren nötig ist, fehlt es regelmäßig dann, wenn es einen einfacheren Weg gibt, das Ziel auch ohne gerichtliche Hilfe zu erreichen, oder wenn die Inanspruchnahme gerichtlicher Hilfe keine rechtlichen oder tatsächlichen/wirtschaftlichen Vorteile bringt und die Beschreitung des Rechtswegs daher unnötig ist (vgl. z.B. BSG, Urteile vom 24.06.1998, B 9 SB 17/97 R, vom 08.05.2007, B 2 U 3/06 R, und vom 24.04.2008, B 9/9a SB 8/06 R; Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 17.09.2019, 2 BvE 2/18). Sofern in einem Fall wie hier nicht bereits aus prozessökonomischen und praktischen Gründen davon ausgegangen wird, dass es dem Leistungsträger zumutbar ist, den Ausgang des Hauptsacheverfahrens abzuwarten und damit weitere Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden (vgl. Bayer. LSG, Beschluss vom 25.06.2018, L 8 SO 49/18 B ER) – sofern nach Abschluss des Beschwerdeverfahrens vom Leistungsträger ein Rückforderungsanspruch geltend gemacht wird, dürfte regelmäßig zu erwarten sein, dass dies zu einem weiteren Rechtsstreit führt, der parallel zum Hauptsacheverfahren zu führen sein wird, weil der Leistungsempfänger vor Abschluss des Hauptsacheverfahrens nicht zur Zurückzahlung bereits erlangter (vorläufiger) Leistungen bereit sein dürfte -, steht dem Leistungsträger mit der Möglichkeit, einen Vollstreckungsschutzantrag nach § 199 Abs. 2 SGG (oder auch einen Antrag auf Aussetzung des Vollzugs nach § 175 Satz 3 SGG) zu stellen, ein leichterer Weg zur Verfügung, ausreichenden und effektiven Rechtsschutz im Sinne von Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz zu erhalten. Zwar hat ein Vollstreckungsschutzantrag nach § 199 Abs. 2 SGG nicht die identische Zielrichtung wie eine Beschwerde gegen eine Regelungsanordnung im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes. Gleichwohl wird mit einem Vollstreckungsschutzantrag einer beschwerdeführenden Behörde die Möglichkeit eröffnet, sich vor der Gefahr zu schützen, dass eine nach Abschluss des Beschwerdeverfahrens eintretende rechtliche Möglichkeit zur Rückforderung faktisch nicht mehr realisierbar wäre, eine Möglichkeit, die das Beschwerdeverfahren selbst nicht eröffnet und die für die Behörde mehr Sicherheit bieten kann als die Durchführung des Beschwerdeverfahrens. Verzichtet somit ein beschwerdeführender Leistungsträger auf die Einlegung eines Vollstreckungsschutzantrags geht er damit sehenden Auges das Risiko ein, dass die Realisierung eines Rückforderungsanspruchs gegebenenfalls mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden sein kann. Es ist ihm dann auch zumutbar, mit der Geltendmachung eines potentiellen Rückforderungsanspruchs den rechtskräftigen Ausgang des Hauptsacheverfahrens abzuwarten, da mit diesem Abwarten keine weitergehende Gefährdung des Rückforderungsanspruchs verbunden ist (vgl. oben). Dieses Ergebnis steht im Übrigen auch unter Zumutbarkeitsgesichtspunkten mit der rechtlichen Wertung in Einklang, wie sie der Rechtsprechung zum einstweiligen Rechtsschutz zugrunde liegt. So kommt beispielsweise, wenn mit dem einstweiligen Rechtsschutz eine Sachleistung begehrt wird, eine Verpflichtung des Leistungsträgers grundsätzlich erst ab dem Zeitpunkt der (zusprechenden) Entscheidung des Gerichts infrage, nicht aber rückwirkend. Dies bedeutet, dass es für einen Antragsteller im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes als zumutbar betrachtet wird, dass ihm die Leistung erst ab der Entscheidung des Beschwerdegerichts zugesprochen wird (vgl. z.B. Sächs. LSG, Beschluss vom 13.11.2014, L 1 KR 260/14 B ER). Dies gilt selbst dann, wenn die erstinstanzliche Entscheidung ohne jede Frage falsch gewesen ist, da dem Antragsteller von Anfang an der Anspruch zugestanden hätte, er sich bis zur Entscheidung des Beschwerdegerichts die Leistung daher auf eigene Kosten verschaffen musste und die ihm dann zustehende Kostenerstattung grundsätzlich erst im Hauptsacheverfahren erhalten kann. In solchen Fällen wird also davon ausgegangen, dass es dem letztlich erst zeitverzögert erfolgreichen Beschwerdeführer grundsätzlich zumutbar ist, sich über einen mehr oder weniger langen Zeitraum die erforderlichen Leistungen mit eigenen Mitteln zu finanzieren und mit seinem Anspruch auf Erstattung der aufgewandten Mittel durch den Leistungsträger bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens abzuwarten. Wenn es dem Leistungsempfänger zumutbar ist, für eine gewisse Zeit in Vorleistung zu treten, hat der Senat aber keine Bedenken, es andererseits auch einem Leistungsträger zuzumuten, sich mit der Geltendmachung eines Rückforderungsanspruchs bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens zu gedulden, wenn der Leistungsträger für eine in der Regel ohnehin eher kurze Zeit vorläufig geleistet hat. Würde, anders als vom erkennenden Senat vertreten, das Rechtsschutzbedürfnis für die Beschwerde bejaht, obwohl die Leistungen bereits erbracht worden sind, würde darin ein Wertungswiderspruch zu dem liegen, was einem erst im Beschwerdeverfahren erfolgreichen Antragsteller zugemutet wird.
Irgendeinen Anlass, wegen ganz besonderer Einzelfallumstände des vorliegenden Falls an der Richtigkeit der gewonnenen Einschätzung, wonach es der Beschwerdeführerin zumutbar ist, mit der Geltendmachung eines potentiellen Rückforderungsanspruchs bis zur Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten mit der Folge, dass für die Beschwerde das Rechtsschutzbedürfnis entfallen ist, zu zweifeln, ist für den Senat nicht erkennbar.
Lediglich der Vollständigkeit halber und um etwaige Missverständnisse zu vermeiden weist der Senat auf Folgendes hin:
* Um einen Anreiz für ein gesetzeswidriges Verhalten nicht entstehen zu lassen, müsste das Rechtsschutzbedürfnis für die Beschwerde auch dann verneint werden, wenn ein beschwerdeführender Leistungsträger – anders als im vorliegenden Fall – unter Missachtung der gesetzlich angeordneten sofortigen Vollziehbarkeit einer vom SG erlassenen Regelungsanordnung Leistungen nicht erbracht hätte (so auch Bayer. LSG, Beschluss vom 25.06.2018, L 8 SO 49/18 B ER).
* Eine Entscheidung zu einem früheren Zeitpunkt, als sie der Senat getroffen hat, ist im vorliegenden Verfahren bereits aus Gründen der Gewährung rechtlichen Gehörs nicht möglich gewesen. Ganz abgesehen davon, dass die Antragsgegnerin und Beschwerdeführerin gegen den am 05.02.2021 zugestellten Beschluss erst am 01.03.2021 Beschwerde eingelegt hat und damit selbst bereits eine Ursache dafür gesetzt hat, dass bis zum Ende des streitgegenständlichen Leistungszeitraums nicht unwesentlich weniger Zeit verblieben ist, als dies bei einer umgehenden Einlegung der Beschwerde der Fall gewesen wäre, war der Senat auch gehalten, zur Gewährung rechtlichen Gehörs die jeweiligen Äußerungen der Beteiligten der Gegenseite zur Kenntnis zu bringen und die Möglichkeit zur Stellungnahme zu eröffnen.
* Etwaige angezeigte weitere Sachermittlungen dazu, welche gesundheitlichen Konsequenzen Fehlbedienungen der vom Antragsteller verwendeten medizinischen Geräte zur Beatmung und zur Ableitung des Urins hätten und ob sich daraus auch erhebliche Gefährdungen für Gesundheit und Leben des Antragstellers ergeben könnten, haben sich mit Ablauf des Leistungszeitraums erledigt.
Die Beschwerde musste daher erfolglos bleiben.
Die Kostenentscheidung folgt aus der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG. Sie orientiert sich am Obsiegen des Antragstellers (Erfolgsprinzip). Eine Korrektur unter dem Gesichtspunkt des Veranlassungsprinzips wäre nur dann angezeigt gewesen, wenn der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz bei seiner Einreichung zunächst begründet gewesen wäre und nur deshalb erfolglos geblieben ist, weil das Rechtsschutzbedürfnis erst im Laufe des Verfahrens durch Zeitablauf entfallen ist. Davon, dass die Beschwerde zunächst begründet gewesen wäre, kann aber vorliegend nicht ausgegangen werden, da dafür gegebenenfalls weitere Sachermittlungen zur Gefährdung von Gesundheit und Leben des Antragstellers wegen der Fehlbedienung der Geräte zur Beatmung und des Katheterbeutels und der sich darauf ergebenden gesundheitlichen Konsequenzen erforderlich gewesen wären. Sachermittlungen allein wegen der Kostenfrage sind aber nicht angezeigt; die Beurteilung der ursprünglichen Erfolgsaussichten hat auf der Grundlage der bislang bekannten Tatsachen zu erfolgen, die vorliegend keine zuverlässige Aussage zu den ursprünglichen Erfolgsaussichten der Beschwerde ermöglichen.
Der Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).


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