Medizinrecht

Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung im Außenbereich der Gastronomie – erfolgloser Eilantrag im Normenkontrollverfahren

Aktenzeichen  20 NE 20.1477

Datum:
7.7.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 16176
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
IfSG § 28 Abs. 1, § 32
VwGO § 47 Ab. 6
6. BayIfSMV § 13 Abs. 4 S. 2

 

Leitsatz

1. Die angegriffenen Bestimmungen der 6. BayIfSMV sind ordnungsgemäß bekanntgemacht worden. Die erfolgte Bekanntmachung durch Veröffentlichung im Bayerischen Ministerialblatt ist ausreichend. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die angegriffene Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung als Bestandteil des der 6. BayIfSMV zugrunde liegenden Gesamtkonzepts zum Schutz vor einer ungehinderten Ausbreitung bzw. zur Kontrolle des Infektionsgeschehens ist voraussichtlich von der Ermächtigungsgrundlage in § 28 Abs. 1 IfSG gedeckt. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
3. Auch wenn in der wissenschaftlichen Diskussion die Eignung einer allgemeinen Pflicht zum Tragen von Mund-Nasen-Bedeckungen zum Infektionsschutz umstritten sein mag und daneben auch andere tatsächliche Ungewissheiten im Umgang mit der pandemischen Entwicklung bestehen, ist die Normierung einer Tragepflicht wegen des dem Antragsgegner insofern zustehenden Einschätzungsspielraums (vgl. BVerfG BeckRS 2020, 8418) nicht zu beanstanden. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Wert des Verfahrensgegenstands wird auf 10.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Mit ihrem Eilantrag nach § 47 Abs. 6 VwGO verfolgt die Antragstellerin das Ziel, den Vollzug der Sechsten Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (6. BayIfSMV) vom 19. Juni 2020 (2126-1-10-G, BayMBl. 2020 Nr. 348) in der Fassung der Verordnung zur Änderung der Sechsten Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung vom 30. Juni 2020 (2126-1-10-G; BayMBl. 2020 Nr. 374) einstweilen auszusetzen, soweit das Personal durch § 13 Abs. 4 Satz 2 6. BayIfSMV zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung (MNB) im Außenbereich der Gastronomie verpflichtet wird.
1. Der Antragsgegner hat am 19. Juni 2020 durch das Staatsministerium für Gesundheit und Pflege die in der Hauptsache (Az. 20 N 20.1324) streitgegenständliche Verordnung erlassen, die am 22. Juni 2020 in Kraft getreten ist (§ 24 6. BayIfSMV) und vorläufig bis zum 19. Juli 2020 gelten soll (§ 1 Nr. 2 der Änderungsverordnung vom 30. Juni 2020). Nach § 13 Abs. 4 Satz 2 6. BayIfSMV besteht für das Personal gastronomischer Betriebe im Servicebereich oder in Bereichen, in denen ein Mindestabstand von 1,5 m nicht eingehalten werden kann, Maskenpflicht.
2. Die Antragstellerin betreibt in Bayern ein Hotel mit Restaurantbetrieb im Innen- und Außenbereich als Familienbetrieb. Die Antragstellerin hat mit Schriftsatz vom 26. Juni 2020, beim Verwaltungsgerichtshof eingegangen am selben Tag, einstweiligen Rechtsschutz nach § 47 Abs. 6 VwGO gegen die o.g. Bestimmung zum Tragen einer MNB beantragt. Zur Begründung macht sie im Wesentlichen geltend,
der Familienbetrieb bestehe aus sechs Angehörigen, die im Service tätig seien. Die Inhaber, die selbst im Service arbeiteten, seien 58 und 60 Jahre alt. Das Tragen der Maske über mehrere Stunden sei insbesondere bei hohem Temperaturen sehr anstrengend und verursache beispielsweise Kopfweh; es bestehe die Gefahr einer Gesundheitsschädigung. Der Familienbetrieb könne sich – auch wegen der schwierigen Situation der letzten Monate – die Einstellung von zusätzlichem Personal zur Verringerung der geschilderten Belastungen finanziell nicht leisten und habe auch keine anderen Möglichkeiten, die finanziellen Einbußen abzufangen. Die Maskenpflicht erweise sich als unverhältnismäßig, da sich die Infektionslage entspannt habe, die Übertragung des Virus durch Aerosole im Freien sehr unwahrscheinlich sei und der Virologe Kekulé sich ausdrücklich nur in Innenräumen für eine Maskenpflicht ausgesprochen habe. Zu bisher aufgetretenen Infektionen sei es überwiegend in Innenräumen gekommen. In Baden-Württemberg bestehe auch in den Außenbereichen der Gastronomie keine Maskenpflicht für Personal.
3. Der Antragsgegner tritt dem Eilantrag entgegen. Es bestehe im Setting einer Außenbereichsgastronomie eine erhöhte Gefahr der Infektionsübertagung mit Sars-CoV-2. Das Personal komme mit einer Vielzahl von Gästen in Kontakt und könne dabei oftmals den Mindestabstand von 1,5 m nicht einhalten. Hauptübertragungsweg des Virus sei die respiratorische Aufnahme virushaltiger Flüssigkeitspartikel. Infektiöse Tröpfchen oder Aerosole könnten auch im Freien Ursache einer Infektionsübertragung sein, wenn der Mindestabstand nicht eingehalten werde. Begünstigt werde die Übertragung durch eine hohe Kontaktanzahl zwischen Personal und Gästen, vermehrte aerosolproduzierende Tätigkeiten wie lautes Sprechen, Rufen, Singen sowie die Häufigkeit von Situationen, die enge Kontakte förderten und die Einhaltung von Hygieneregeln erschwerten, wie enger Kontakt zwischen Personal und Gästen und das Vorübergehen an Tischen, an welchen sich die Gäste laut unterhielten, sängen, niesten oder husteten. Es bestehe die Ansteckungsgefahr für das Personal durch Gäste und eine Weitergabe der Infektion vom Personal auf andere Gäste. Es werde nicht in Abrede gestellt, dass die Übertragungsgefahr im Freien etwas geringer sei als in geschlossenen Räumen. Jedoch bestehe bei Nichteinhaltung des Mindestabstands auch im Freien die Gefahr einer Tröpfcheninfektion bei einer Vielzahl von Kontakten ohne Einhaltung des Mindestabstands. Die Maskenpflicht diene dem Konzept der Bayerischen Staatsregierung, schrittweise Lockerungen zu ermöglichen. Das schrittweise Vorgehen ermögliche, das Infektionsgeschehen zu beobachten und die weiteren Maßnahmen an diesem auszurichten. Die in der 6. BayIfSMV geregelten Fälle der Maskenpflicht beträfen alle das Aufeinandertreffen vieler Menschen auf begrenztem Raum von nicht nur ganz kurzfristiger Dauer. Auch bei Vornahme einer Folgenabwägung ergebe sich ein Vorrang des Lebens- und Gesundheitsschutzes gegenüber dem Grundrecht auf allgemeine Handlungsfreiheit, nachdem die Voraussetzungen für den Fortbestand der einschränkenden Maßnahmen laufend auf ihre Notwendigkeit überprüft würden.
4. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Schriftsätze der Beteiligten Bezug genommen
II.
Der zulässige Eilantrag bleibt in der Sache ohne Erfolg.
1. Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung gem. § 47 Abs. 6 VwGO, wonach das Normenkontrollgericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung erlassen kann, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist, liegen nach Auffassung des Senats im Ergebnis nicht vor.
a) Prüfungsmaßstab im Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO sind nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts in erster Linie die Erfolgsaussichten eines in der Hauptsache anhängigen Normenkontrollantrags, soweit sich diese im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes bereits absehen lassen (vgl. BVerwG, B.v. 25.2.2015 ‒ 4 VR 5.14 ‒ juris Rn. 12; zustimmend OVG NW, B.v. 25.4.2019 – 4 B 480/19.NE – juris Rn. 9).
Ergibt demnach die Prüfung der Erfolgsaussichten der Hauptsache, dass der Normenkontrollantrag voraussichtlich unzulässig oder unbegründet sein wird, ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten. Erweist sich dagegen, dass der Antrag zulässig und (voraussichtlich) begründet sein wird, so ist dies ein wesentliches Indiz dafür, dass der Vollzug bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache suspendiert werden muss. In diesem Fall kann eine einstweilige Anordnung ergehen, wenn der (weitere) Vollzug vor einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren Nachteile befürchten lässt, die unter Berücksichtigung der Belange des Antragstellers, betroffener Dritter und/oder der Allgemeinheit so gewichtig sind, dass eine vorläufige Regelung mit Blick auf die Wirksamkeit und Umsetzbarkeit einer für den Antragsteller günstigen Hauptsacheentscheidung unaufschiebbar ist. Lassen sich die Erfolgsaussichten des Normenkontrollverfahrens im Zeitpunkt der Entscheidung über den Eilantrag nicht (hinreichend) abschätzen, ist über den Erlass einer beantragten einstweiligen Anordnung im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden: Gegenüberzustellen sind die Folgen, die eintreten würden, wenn eine einstweilige Anordnung nicht erginge, das Hauptsacheverfahren aber Erfolg hätte, und die Nachteile, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, das Normenkontrollverfahren aber erfolglos bliebe. Die für den Erlass der einstweiligen Anordnung sprechenden Erwägungen müssen die gegenläufigen Interessen dabei deutlich überwiegen, mithin so schwer wiegen, dass der Erlass der einstweiligen Anordnung ‒ trotz offener Erfolgsaussichten der Hauptsache ‒ dringend geboten ist (vgl. BVerwG, B.v. 25.2.2015 ‒ 4 VR 5.14 ‒ juris Rn. 12).
b) Nach diesen Maßstäben geht der Senat im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens davon aus, dass der Normenkontrollantrag in der Hauptsache keine Aussicht auf Erfolg hat (aa). Eine Folgenabwägung führt darüber hinaus dazu, dass eine Außervollzugsetzung der angegriffenen Normen jedenfalls nicht dringend geboten erscheint (bb).
aa) Die angegriffene Bestimmung, die das Personal im Servicebereich oder in Bereichen, in denen ein Mindestabstand von 1,5 m nicht eingehalten werden kann, verpflichtet, eine Maske zu tragen, ist voraussichtlich formell wirksam (1) und dürfte von der Ermächtigungsgrundlage der § 32 Satz 1 i.V.m. § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG gedeckt sein (2).
(1) Der Senat geht davon aus, dass die angegriffenen Bestimmungen der Verordnung formell wirksam, insbesondere ordnungsgemäß bekanntgemacht worden sind. Auch wenn die Verordnung im Hinblick auf die in § 22 6. BayIfSMV normierten Ordnungswidrigkeiten als bewehrte Verordnung anzusehen ist, dürfte nach der zum 1. Mai 2020 erfolgten Aufhebung der bisherigen Veröffentlichungspflicht im Gesetz- und Verordnungsblatt nach Art. 51 Abs. 2 LStVG a.F. durch § 2 Nr. 2 Buchst. a) des Gesetzes zur Änderung des Bayerischen Land- und Amtsarztgesetzes und weiterer Rechtsvorschriften vom 27. April 2020 (GVBl. 2020 S. 236, vgl. auch LT-Drs. 18/7347) die hier erfolgte Bekanntmachung durch Veröffentlichung im Bayerischen Ministerialblatt ausreichend sein.
(2) Im Hinblick auf die gesetzliche Grundlage der angegriffenen Bestimmungen ist der Senat bereits in mehreren Eilentscheidungen (BayVGH, B.v. 30.3.2020 – 20 NE 20.632 – juris; B.v. 9.4.2020 – 20 NE 20.663 – BeckRS 2020, 5446; 20 NE 20.688 – BeckRS 2020, 5449; 20 NE 20.704 – BeckRS 2020, 5450; B.v. 28.4.2020 – 20 NE 20.849) davon ausgegangen, dass die im Zusammenhang mit der SARS-CoV-2-Pandemie erlassenen Bestimmungen in § 32 Satz 1 i.V.m. § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG grundsätzlich eine ausreichende Rechtsgrundlage finden dürften (vgl. zum Begriff der Schutzmaßnahme insbesondere BayVGH, B.v. 30.3.2020 – 20 CS 20.611 – juris Rn. 9 ff.).
Nach den in den genannten Entscheidungen dargestellten Maßstäben ist die von der Antragstellerin angegriffene Verpflichtung zum Tragen einer MNB als Bestandteil des der 6. BayIfSMV zugrunde liegenden Gesamtkonzepts zum Schutz vor einer ungehinderten Ausbreitung bzw. zur Kontrolle des Infektionsgeschehens voraussichtlich von der Ermächtigungsgrundlage in § 28 Abs. 1 IfSG gedeckt. Nach § 28 Abs. 1 IfSG trifft die Behörde bei Vorliegen der sonstigen Tatbestandsvoraussetzungen die notwendigen Schutzmaßnahmen, soweit und solange es zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten erforderlich ist, worunter eine Anordnung zum Tragen von Schutzmasken grundsätzlich fallen dürfte (vgl. hierzu zuletzt BayVGH, B.v. 19.6.2020 – 20 NE 20.1337 – juris Rn. 15 ff.; B.v. 28.5.2020 – 20 NE 20.1017 – juris Rn. 10 ff.; B.v. 15.5.2020 – 20 NE 20.1102 – juris; vgl. auch VGH BW, B.v. 18.5.2020 – 1 S 1357/20 – juris).
Nach dem aktuellen Situationsbericht des Robert-Koch-Instituts (RKI) vom 5. Juli 2020 handelt es sich weltweit und in Deutschland auch weiterhin um eine „sehr dynamische und ernst zu nehmende Situation“, auch wenn die Anzahl der neu übermittelten Fälle derzeit rückläufig ist (https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neu-artiges_Coronavirus/Situationsberichte/2020-07-05-de.pdf?_blob=publicationFile). In einer solchen Situation obliegt es dem Verordnungsgeber im Rahmen des § 28 Abs. 1 IfSG, der die Behörden zu einem infektionsschutzrechtlichen Tätigwerden verpflichtet und ihnen dabei ein weites Handlungsermessen einräumt (vgl. BT-Drs. 14/2530 S. 74; BVerwG, U.v. 22.3.2012 – 3 C 16/11 – NJW 2012, 2823), alle Maßnahmen zu ergreifen, solange und soweit diese die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass der angestrebte Erfolg zumindest teilweise eintritt (vgl. Grzeszick in Maunz/Dürig, GG, Stand 2/2020, Art. 20 VII. Rn. 112). So liegt es hier. Das nach § 4 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 IfSG besonders zur Beurteilung der epidemiologischen Lage berufene RKI empfiehlt ein generelles Tragen einer MNB in bestimmten Situationen im öffentlichen Raum, um Risikogruppen zu schützen und den Infektionsdruck zu reduzieren. Die Schutzfunktion einer MNB ist nach Einschätzung des RKI jedenfalls „plausibel“ und ihre Verwendung als zusätzlicher Baustein neben anderen Maßnahmen – insbesondere der Einhaltung einer physischen Distanz von mindestens 1,5 m, der Hustenregeln und der Händehygiene – zur Reduktion der Ausbreitungsgeschwindigkeit des Virus geeignet (vgl. https://www.rki.de/SharedDocs/FAQ/NCOV2019/FAQ_Mund_Nasen_Schutz.html mit Verweis auf „Mund-Nasen-Bedeckung im öffentlichen Raum als weitere Komponente zur Reduktion der Übertragungen von Covid-19”, 3. Update v. 7.5.2020, Epid Bull 19/2020, https://www.rki.de/DE/Content/ Infekt/EpidBull/Archiv/2020/Ausgaben/19_20.pdf? blob=publicationFile; zur Schutzfunktion der sog. „Community-Masken“ vgl. BayVGH, B.v. 5. Mai 2020 – 20 NE 20.926 – juris Rn. 19, 20 m.w.N.).
Auch wenn in der wissenschaftlichen Diskussion die Eignung einer allgemeinen Pflicht zum Tragen von MNB zum Infektionsschutz umstritten sein mag und daneben auch andere tatsächliche Ungewissheiten im Umgang mit der pandemischen Entwicklung (weiter-)bestehen, ist es wegen des dem Antragsgegner insofern zustehenden Einschätzungsspielraums (vgl. BayVGH, B.v. 30.3.2020 – 20 NE 20.632 – NJW 2020, 1236 = juris Rn. 60, BVerfG, B.v. 13.5.2020 – 1 BvR 1021/20 – juris Rn. 10; zuletzt BayVerfGH, B.v. 3.7.2020 – Vf. 34-VII-20) nicht zu beanstanden, wenn der Verordnungsgeber seiner Entscheidung die o.g. Position des RKI zugrunde legt.
Die Anordnung zum Tragen einer MNB dürfte somit in der derzeitigen Situation zumindest bei der Einhaltung eines möglichst weiten Abstands zu anderen Personen (vgl. §§ 1 und 2 6. BayIfSMV) und der Befolgung allgemeiner Hygieneregeln eine grundsätzlich geeignete Maßnahme sein, die Infektionszahlen zu reduzieren (vgl. auch die Studie von Mitze et al. „Face Masks Considerably Reduce COVID-19 Cases in Germany: A Synthetic Control Method Approach“, http://ftp.iza.org/dp13319.pdf). Diese Eignung ergibt sich auch vor dem Hintergrund der Rückkehr zu einem wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Leben, indem das Gebot zum Tragen einer MNB, zusätzlich zur Beachtung der allgemeinen Hygieneregeln und Abstandsgebote, ermöglichen kann, andere Beschränkungen und Verbote zu lockern bzw. aufzuheben (vgl. im Einzelnen dazu bereits BayVGH, B.v. 15.5.2020 – 20 NE 20.1102 – juris Rn. 16 ff.; B.v. 12.5.2020 – 20 NE 20.1080 – juris Rn. 17 ff.; B.v. 11.5.2020 – 20 NE 20.843 – juris Rn. 17 ff.).
(3) Nichts anderes gilt daher im Hinblick auf die Verpflichtung der Servicekräfte in der Gastronomie nach § 13 Abs. 4 Satz 2 6. BayIfSMV, auch im Freien eine MNB zu tragen. Zwar begünstigt nach Einschätzung des Robert-Koch-Instituts insbesondere der längere Aufenthalt in kleinen, schlecht oder nicht belüfteten Räumen die Wahrscheinlichkeit einer Übertragung durch Aerosole, so dass dort auch unter Einhaltung des Mindestabstands von 1,5 m eine Übertragung nicht ausgeschlossen werden kann, wohingegen Übertragungen im Freien insgesamt selten vorkommen. Allerdings verweist das RKI auch für Übertragung durch Aerosole im Freien auf die Notwendigkeit der Einhaltung des Mindestabstands und hält nur in diesem Fall die Übertragungswahrscheinlichkeit aufgrund der Luftbewegung für sehr gering. Im Umkreis von 1-2 m um eine infizierte Person herum ist die Wahrscheinlichkeit einer Exposition gegenüber (eher beim Niesen und Husten ausgestoßenen) Tröpfchen und (beim Atmen und Sprechen, Schreien und Singen ausgestoßenen) Aerosolen erhöht (https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Steckbrief.html#doc13776792bodyText1 unter Berufung auf Leclerc et al., What settings have been linked to SARS-CoV-2 transmission clust…, Wellcome open research. 2020; 5(83)).
Die angefochtene Norm nimmt die oben dargestellte Risikoeinschätzung des zur Beurteilung des Infektionsgeschehens besonders berufenen RKI (§ 4 Abs. 1 IfSG) auf und beschränkt die Maskenpflicht im Freien auf Bereiche, in welchen der Mindestabstand nicht eingehalten werden kann, ohne diese weiter zu benennen. Vom Servicepersonal wird die Einhaltung des zur Unterbrechung und Vermeidung von Infektionsketten auch im Freien erforderlichen Mindestabstands von 1,5 m bei der Aufnahme von Bestellungen, beim Servieren von Speisen und Getränken, beim Abräumen von Geschirr und beim Bezahlvorgang in der Regel nicht eingehalten werden können. Während dieser Abläufe wird regelmäßig gesprochen; dadurch kommt es im Fall einer Infektion zur Freisetzung infektiöser Aerosole, die durch andere Menschen eingeatmet werden können. Wegen der Häufigkeit der wechselnden Kontakte einer Servicekraft in der Gastronomie besteht für den Fall ihrer (noch unbemerkten) eigenen Infektion die Gefahr der Übertragung auf eine Vielzahl weiterer Personen (https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/ Steckbrief.html#doc13776792bodyText2), so dass sich die Verpflichtung zum Tragen einer MNB für Personal im Außenbereich der Gastronomie wegen der regelmäßigen Unterschreitung des Mindestabstands der Servicekraft zu den Gästen als eine not-wendige Schutzmaßnahme i.S. des § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG erweisen dürfte.
Schließlich bleibt der Antragstellerin unbenommen, aufgrund bestehender gesundheitlicher Probleme einen Dispens von der Maskenpflicht nach § 1 Abs. 2 Nr. 2 6. BayIfSMV zu erwirken. Im Übrigen ist ein Abnehmen der MNB auch aus sonstigen zwingenden Gründen (vorübergehend) zulässig, § 1 Abs. 2 Nr. 3 BayIfSMV.
Nachdem die Norm aller Voraussicht nach geeignet und erforderlich ist, um Infektionsketten zu unterbinden und damit die Verbreitung des Virus jedenfalls zu verlangsamen, kommt es auf die Verordnungspraxis in anderen Bundesländern nicht an. Sofern aufgrund regional unterschiedlicher Ausprägung der Infektionsquantität sowie divergierender Einschätzungen des Infektionsgeschehens seitens der zur Normsetzung berufenen Landesregierungen nach § 32 Satz 1, § 28 Abs. 1 IfSG eine weniger belastende Handhabung desselben Lebenssachverhalts in einem anderen Bundesland erfolgt, kann dies nicht zur Feststellung führen, die Maßnahme sei unverhältnismäßig, solange sie infektionsschutzrechtlich notwendig ist. Darüber hinaus steht dem Einzelnen ein Anspruch auf Gleichbehandlung nur gegenüber dem nach der Kompetenzverteilung konkret zuständigen Träger öffentlicher Gewalt zu (BVerfG, B.v. 12.5.1987 – 2 BvR 1226/83 u.a. – BVerfGE 76, 1 – juris Rn. 151; BVerwG, B.v. 26.1.2016 – 2 B 17/15 – Buchholz 239.1 § 38 BeamtVG Nr. 4 – juris Rn. 13).
bb) Selbst wenn man schließlich die Erfolgsaussichten eines Normenkontrollverfahrens als offen betrachten würde, führte eine Folgenabwägung dazu, dass die von der Antragstellerin geltend gemachten Gründe für die einstweilige Außervollzugsetzung die für den weiteren Vollzug der angegriffenen Vorschrift sprechenden Gründe nicht überwiegen. Durch den Vollzug des § 13 Abs. 4 Satz 2 6. BayIfSMV kommt es – wie oben dargelegt – nicht zu schwerwiegenden Eingriffen in die Grundrechte der betroffenen Personen, da die Normadressaten in möglichen (insbesondere gesundheitlichen) Härtefällen von der Tragepflicht befreit sind bzw. ein Abnehmen der MNB jederzeit aus zwingenden Gründen erlaubt ist (vgl. § 1 Abs. 2 6. BayIfSMV). Demgegenüber wäre das Gewicht eines rechtswidrigen Eingriffs weniger hoch einzuschätzen als die zu erwartenden Folgen einer Außervollzugsetzung der angegriffenen Normen. Würde der Vollzug der Bestimmungen ausgesetzt, wäre jedenfalls nicht auszuschließen, dass es – in welchem Umfang auch immer – zu vermehrten Infektionsfällen kommen könnte. Die Gefährdung für die Gesundheit der Bevölkerung in Deutschland wird derzeit immer noch insgesamt als hoch eingeschätzt, für Risikogruppen sogar als sehr hoch (vgl. Risikobewertung des Robert-Koch-Instituts v. 26. Mai 2020, Stand 2. Juli 2020 https://www.rki.de/DE/ Content/InfAZ/N/Neuarti-ges_Coronavirus/Risikobewertung.html; Situationsbericht v. 5. Juli 2020 S. 12, https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Corona-virus/Situationsberichte/ 2020-07-05-de.pdf? blob=publicationFile).
Bei einer Abwägung zeitlich befristeter (vom Verordnungsgeber fortlaufend auf ihre Verhältnismäßigkeit zu evaluierender, vgl. BVerfG, B.v. 10.4.2020 – 1 BvQ 31/20 – juris Rn. 16) Eingriffe in das Grundrecht der Normadressaten auf persönliche Freiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) mit dem Grundrecht behandlungsbedürftiger, teilweise lebensbedrohlich erkrankender Personen aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG setzt sich der Schutz des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit durch (so im Ergebnis auch BVerfG, B.v. 29.4.2020 – 1 BvQ 47/20 -, 10.4.2020 – 1 BvQ 28/20 -, 9.4.2020 – 1 BvQ 29/20 -, 7.4.2020 – 1 BvR 755/20 – alle juris; BayVerfGH, E.v. 26.3.2020 – Vf. 6-VII-20 -, juris Rn. 13 ff.; BayVerfGH, E.v. 3.7.2020 a.a.O.).
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des Gegenstandswertes ergibt sich aus § 53 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG. Da die vom Antragsteller teilweise angegriffene Verordnung bereits mit Ablauf des 19. Juli 2020 außer Kraft tritt (§ 1 Nr. 2 der Verordnung zur Änderung der Sechsten Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmeverordnung, 2126-1-10-G, BayMBl. 2020 Nr. 374, i.V.m. § 24 6. BayIfSMV), zielt der Eilantrag inhaltlich auf eine Vorwegnahme der Hauptsache, weshalb eine Reduzierung des Gegenstandswertes für das Eilverfahren auf der Grundlage von Ziff. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit hier nicht angebracht erscheint.
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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