Sozialrecht

Voraussetzungen für Dienstunfallfürsorgeleistungen hinsichtlich weiterer Dienstunfallfolgen

Aktenzeichen  3 ZB 19.1835, 3 ZB 19.1836

Datum:
23.10.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 30467
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 93, § 124 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 2, Nr. 5
BayBeamtVG Art. 45 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1 Nr. 1, 47 Abs. 1, Abs. 2, 50 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 4

 

Leitsatz

1. Beruht die wiederholte Behandlungsbedürftigkeit des Klägers nicht auf als Dienstunfall anerkannten Schadensereignissen, sondern auf einem davon unabhängigen, eigenständigen Krankheitsbild, hat der Kläger keinen Anspruch auf Erstattung der geltend gemachten Heilbehandlungskosten als dienstunfallbedingt (Rn. 7 – 11). (redaktioneller Leitsatz)
2. Macht der Kläger nach Ablauf der Ausschlussfrist des Art. 47 Abs. 2 BayBeamtVG Folgen eines Dienstunfalls geltend, sind Dienstunfallfürsorgeleistungen bereits deshalb ausgeschlossen (Rn. 15 – 18). (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

B 5 K 17.826, B 5 K 18.54 2019-03-26 Urt VGBAYREUTH VG Bayreuth

Tenor

I. Die Verwaltungsstreitsachen 3 ZB 19.1835 und 3 ZB 19.1836 werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.
II. Die Anträge auf Zulassung der Berufung werden abgelehnt.
III. Der Kläger trägt die Kosten der Zulassungsverfahren.
IV. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren 3 ZB 19.1835 wird auf 4.193,94 Euro und für das Zulassungsverfahren 3 ZB 19.1836 auf 5.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

Die Verbindung der Berufungszulassungsverfahren zur gemeinsamen Entscheidung beruht auf § 93 VwGO.
Der Kläger verfolgt sein in erster Instanz erfolgloses Begehren auf Erstattung geltend gemachter Heilbehandlungskosten (3 ZB 19.1835) sowie Anerkennung einer „ausgeprägten Schultereckgelenksarthrose, die zu dauerhaft erheblichen Schmerzen und massiven Bewegungseinschränkungen des linken Schultergelenkes führt“ als weitere Folge des Dienstunfalls vom 27. Januar 2005 (3 ZB 19.1836) weiter.
Die auf die Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils) sowie des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO (besondere tatsächliche und rechtliche Schwierigkeiten) und des § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO (Verfahrensmangel) gestützten Anträge bleiben erfolglos.
1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Urteile nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestehen nicht. Ernstliche Zweifel im Sinn dieser Vorschrift, die die Zulassung der Berufung rechtfertigen, sind zu bejahen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird (BVerfG, B.v. 9.6.2016 – 1 BvR 2453/12 – juris Rn. 16) und die Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen (BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – juris Rn. 9).
Das Erstgericht hat in dem Verfahren B 5 K 17.826 (3 ZB 19.1835) zutreffend entschieden, dass der Kläger keinen Anspruch gemäß Art. 45 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. Art. 50 Abs. 1 Nr. 1 und 4 BayBeamtVG auf Erstattung der geltend gemachten Heilbehandlungskosten als dienstunfallbedingt über den von dem Beklagten bereits gewährten Umfang hinaus hat. Die Auffassung des Verwaltungsgerichts, es fehle an der notwendigen Kausalität zwischen den schädigenden Ereignissen und den im Klageantrag geltend gemachten Behandlungskosten, unterliegt keinen ernstlichen Zweifeln (1.1).
Darüber hinaus ist auch das Urteil des Verwaltungsgerichts in dem Verfahren B 5 K 18.54 (3 ZB 19.1836) rechtlich nicht zu beanstanden, mit dem die Klage auf Anerkennung einer „ausgeprägten Schultereckgelenksarthrose, die zu dauerhaft erheblichen Schmerzen und massiven Bewegungseinschränkungen des linken Schultergelenkes führt“ als weitere Folge des Dienstunfalls vom 27. Januar 2005 unter Aufhebung des Bescheides vom 2. September 2016 abgewiesen wurde (1.2).
1.1 Das Verwaltungsgericht gelangt zutreffend zu der Überzeugung, dass die wiederholte Behandlungsbedürftigkeit der linken Schulter des Klägers, soweit sie über einen Umfang von zweimal jährlich sechs Einheiten Krankengymnastik hinausgeht, weder auf das als Dienstunfall anerkannte Schadensereignis vom 27. Januar 2005 (Treppensturz; Bescheide v. 15.3.2005 i.d.F.v. 12.12.2006, 9.10.2006, 22.5.2007 und 25.9.2008) noch auf den Dienstunfall vom 1. Dezember 2015 (Anheben eines Aktencontainers von ca. 40 kg; Bescheid v. 2.9.2016) zurückzuführen ist, sondern auf ein davon unabhängiges, eigenständiges Krankheitsbild.
Dabei konnte sich das Verwaltungsgericht (UA S. 14 ff – B 5 K 17.826) auf die von dem Beklagten eingeholte gutachterliche Stellungnahme des Dr. A., Chefarzt der Abteilung Orthopädie und Facharzt für Orthopädie und Sportmedizin sowie medizinischer Sachverständiger (cpu) im Reha-Zentrum R.H. vom 12. März 2016 sowie die fachorthopädischen Gutachten des Dr. D., Facharzt für Chirurgie, Orthopädie und Unfallchirurgie in der S.-Klinik vom 22. Oktober 2013 und 8. April 2014 stützen.
Die hiergegen im Zulassungsverfahren vorgebrachten Einwände können diese fachärztliche Stellungnahme bzw. Gutachten nicht erschüttern. Sie sind weder unvollständig noch widersprüchlich oder sonst mangelhaft. Sie gehen weder von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen aus noch stehen die Sachkunde der Gutachter in Zweifel oder bestehen Anhaltspunkte, dass sie nicht unparteiisch sind.
Das Zulassungsvorbringen erschöpft sich im Wesentlichen in der Wiederholung des Vortrags aus dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren (vgl. hierzu die überwiegend wortgleiche Klagebegründung v. 8.5.2018 – VG-Akte S. 76). Der Kläger vertritt unverändert die Auffassung, dass nach mehrfacher Einschätzung unabhängiger Fachärzte bei ihm eine „ausgeprägte Schultergelenksarthrose“ vorliege, die zu dauerhaft erheblichen Schmerzen und massiver Bewegungseinschränkung des linken Schultergelenks geführt habe, und die sich anschließenden Heilbehandlungen aufgrund der unfallbedingten Beschwerden des Klägers erfolgt seien. Zur Begründung rekurriert er dabei erneut auf die bereits im Verwaltungsverfahren vorgelegten ärztlichen Stellungnahmen (Prof. Dr. T. v. 13.8.2014, Allgemeinarzt B. v. 4.9.2014 und 9.8.2016, Dr. M. v. 25.9.2014, Prof. Dr. S. v. 11.6.2015, stv. Amtsarzt Dr. G. v. 17.8.2016, Dr. P. v. 3.10.2016, Prof. Dr. F. v. 3.8.2017 – Anlagen K1 bis K8), mit denen sich das Erstgericht bereits ausführlich in seinem Urteil (UA S. 19 bis 21 unter 3. Buchst. b bis i) auseinandergesetzt hat. Es kommt dabei zu Recht zu dem Schluss, dass sich diese medizinischen Befunde (K1 bis K3, K5 bis K8) nicht zur Unfallbedingtheit der gestellten Diagnosen verhalten, sondern lediglich Behandlungsempfehlungen („physiotherapeutische Maßnahmen“, „krankengymnastische/physiotherapeutische Behandlung in der Reha-Einrichtung“, „konservative Therapien“, „arthroskopische subacromiale Dekompression und Operation nach Mumford“) und Therapiemöglichkeiten oder -vorschläge („häusliche Weiterbetreuung“, regelmäßige orthopädische Betreuung (…), ambulante manuelle Therapie (…), tägliches Eigenübungsprogramm“) enthalten. In nicht zu beanstandender Weise führt das Erstgericht zudem aus, dass es sich bei dem inhaltlich aus einem kurzen Absatz bestehenden Arztbrief des Prof. Dr. S. vom 11. Juni 2015 (K4), wonach „die Instabilität zu einer ausgeprägten Schultereckarthrose geführt“ habe und „der Zusammenhang mit dem Dienstunfall zu attestieren“ sei, nicht um ein Dokument handele, dass auch nur im Ansatz einem Gutachten vergleichbar sei; ihm liege keine gutachterliche Herangehensweise zugrunde. Auch stehe die zur Vorlage der Beihilfestelle erstellte amtsärztliche Bescheinigung vom 17. August 2016 (K6), wonach die medizinischen Voraussetzungen für eine stationäre Rehamaßnahme (§ 29 BayBhV) vorgelegen hätten, in keinerlei Zusammenhang mit dem Dienstunfallgeschehen und setze sich daher mit der Ursächlichkeit der Beschwerden nicht auseinander.
Auf all diese Umstände geht der Kläger in seiner Zulassungsbegründung nicht ansatzweise ein. Dadurch versäumt er es, substantiiert rechtliche oder tatsächliche Umstände aufzuzeigen, aus denen sich die gesicherte Möglichkeit ergeben könnte, die erstinstanzliche Entscheidung sei im Ergebnis unrichtig.
1.2 Das Verwaltungsgericht (B 5 K 18.54) hat des Weiteren zutreffend die Klage auf Anerkennung einer „ausgeprägten Schultereckgelenksarthrose, die zu dauerhaft erheblichen Schmerzen und massiven Bewegungseinschränkungen des linken Schultergelenkes führt“ als weitere Folge des Dienstunfalls vom 27. Januar 2005 als unbegründet abgewiesen.
Nach Art. 47 Abs. 1 Satz 1 BayBeamtVG sind Unfälle, aus denen Unfallfürsorgeansprüche entstehen können, innerhalb einer Ausschlussfrist von zwei Jahren nach dem Eintritt des Unfalles beim Dienstvorgesetzten des Verletzten zu melden. Nach Ablauf der Ausschlussfrist wird Unfallfürsorge nur gewährt, wenn seit dem Unfall noch nicht zehn Jahre vergangen sind und glaubhaft gemacht wird, dass mit der Möglichkeit einer den Anspruch auf Unfallfürsorge begründenden Folge des Unfalles nicht habe gerechnet werden können oder dass der Berechtigte durch außerhalb seines Willens liegende Umstände gehindert worden ist, den Unfall zu melden (Art. 47 Abs. 2 Satz 1 BayBeamtVG). Die Meldung muss, nachdem mit der Möglichkeit einer den Anspruch auf Unfallfürsorge begründenden Folge des Unfalles gerechnet werden konnte oder das Hindernis für die Meldung weggefallen ist, innerhalb von drei Monaten erfolgen (Art. 47 Abs. 2 Satz 2 BayBeamtVG).
Folgen eines Dienstunfalls, die erst später bemerkbar geworden sind, begründen deshalb keinen Anspruch des Beamten auf Dienstunfallfürsorge, wenn er sie nicht innerhalb von zehn Jahren seit dem Unfall und innerhalb von drei Monaten, nachdem die Unfallfolge bemerkbar geworden ist, dem Dienstherrn gemeldet hat (BVerwG, U.v. 28.2.2002 – 2 C 5.01 – juris Rn. 9; BayVGH, B.v. 20.3.2017 – 3 ZB 14.1449 – juris Rn. 7).
Dienstunfallfürsorgeleistungen sind schon deshalb ausgeschlossen, weil der Kläger die von ihm nunmehr geltend gemachte „ausgeprägte Schultereckgelenksarthrose“, die nach dem klägerischen Vortrag durch den am 27. Januar 2005 erlittenen Dienstunfall ausgelöst worden sei, erstmals mit Schreiben vom 21. Dezember 2015 und damit nach Ablauf der Ausschlussfrist des Art. 47 Abs. 2 BayBeamtVG gemeldet hat.
Der Kläger selbst gibt ausdrücklich in seiner Klageschrift (B 5 K 18.54) vom 11. Januar 2018 an (vgl. auch Klagebegründung v. 8.5.2018), die streitgegenständliche „Verschlimmerung“ am 22. Dezember 2015 (richtig: 21.12.2015 vgl. Dienstunfallakte VII S. 1 ff.) angezeigt zu haben („Der Antrag wurde am 22.12.2015 klar und eindeutig auf den Dienstunfall vom 27.1.2005 gestellt, Verschlimmerung des Körperschadens Dienstunfall vom 27.1.2005, wie man aus der Kopie vom Antrag erkennen kann“). Dies ist auch konsequent, wenn die geltend gemachte „Verschlimmerung“ („starker Schmerz in der linken Schulter“) anlässlich des Anhebens eines ca. 40 kg schweren Aktencontainers am 1. Dezember 2015 aufgetreten sein soll (Dienstunfallanzeige v. 21.12.2015; Dienstunfallakte VII S. 1).
Wenn sich der Kläger nunmehr im Zulassungsverfahren unter dem pauschalen Hinweis auf den „Verlauf 2007 bis heute“ (VG-Akte B 5 K 18.54 S. 10) darauf beruft, dass er „die Verschlimmerung der Dienstunfallfolgen“ bereits ab 2012 angezeigt habe und sein Begehren auf Anerkennung verschiedener Heilbehandlungskosten als Dienstunfall (B 5 K 17.826) konkludent die Geltendmachung einer Verschlimmerung der Dienstunfallfolgen beinhalte, dringt er damit schon deshalb nicht durch, weil er nicht substantiiert darlegt, um welche konkrete Meldung es sich dabei handeln sollte.
Der Kläger geht zudem fehl in der Annahme, die Meldung einer „ausgeprägten Schultereckgelenksarthrose, die zu dauerhaft erheblichen Schmerzen und massiven Bewegungseinschränkungen des linken Schultergelenkes führt“ ergebe sich aus seinem Schreiben vom 17. Februar 2014 (VG-Akte B 5 K 18.54 S. 95). Darin wird die streitgegenständliche Dienstunfallfolge nicht genannt. Ihre ausdrückliche Geltendmachung wäre aber schon vor dem Hintergrund der seit dem Dienstunfall vom 27. Januar 2005 im Laufe der Jahre zahlreich vorgelegten medizinischen Befunde und anerkannten Dienstunfallfolgen (Bescheide v. 15.3.2005 i.d.F.v. 12.12.2006, 9.10.2006, 22.5.2007 und 25.9.2008: ACG-Läsion links – Tossy I; Hochstand des lateralen Clavicilaendes der linken Schulter; linksseitige Schultersteife – Periarthrosis humeroscapularis – bei Z.n. Schultergelenksschädigung – Tossy II; leichtgradige Schultereckgelenkarthrose links) erforderlich gewesen. Mit seiner „Widerspruchsbegründung“ vom 17. Februar 2014 (s. Betreffzeile) wendet sich der Kläger zudem im Kern gegen das fachorthopädische Gutachten des Dr. D. vom 22. Oktober 2013 ohne damit ersichtlich die Anerkennung einer neuen Dienstunfallfolge zu beantragen. Entsprechend verhält es sich mit der hausärztlichen Bescheinigung des Allgemeinarztes B. vom 6. Februar 2014, die sich im Wesentlichen gegen die gutachterliche Feststellung wendet, eine zweimal jährliche Behandlung mit je sechs Einheiten Krankengymnastik sei ausreichend. Soweit in beiden Schreiben (v. 6./17.2.2014) eine „akute Verschlimmerung (Arthrose)“ bzw. „beginnende Arthrose im Schultereckgelenk“ Erwähnung findet, wird damit nicht etwa eine „ausgeprägte Schultereckgelenksarthrose“ als weiter Dienstunfallfolge geltend gemacht, sondern allenfalls auf das Gutachten des Dr. D. vom 22. Oktober 2013 („lediglich beginnende Arthrose“) und damit auf die bereits anerkannte Dienstunfallfolge (Bescheid v. 25.9.2008) einer „leichtgradigen Schultereckgelenkarthrose links“ Bezug genommen. Die Diagnose einer „ausgeprägten Schultereckgelenksarthrose“ erfolgte wohl erst durch Prof. Dr. S. in seiner ärztlichen Stellungnahme vom 11. Juni 2015.
2. Aus den gleichen Gründen, mit denen das Vorliegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils zu verneinen ist, folgt auch, dass der Rechtssache nicht die besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten zukommen, die der Kläger ihr zumisst. Damit scheidet auch eine Zulassung der Berufung nach § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO aus.
Voraussetzung für die Zulassung nach dieser Vorschrift ist, dass der Kläger mit seinen Angriffen gegen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Fragen aufwirft, die von solcher Schwierigkeit sind, dass sich die Erfolgsaussichten des Rechtsmittels nicht im Zulassungsverfahren, sondern erst im Rechtsmittelverfahren selbst klären und entscheiden lassen. Im Hinblick auf die vom Kläger gerügten Mängel des Urteils bzw. des/der Sachverständigengutachtens/gutachterlichen Stellungahme bedarf es nicht der Durchführung eines Berufungsverfahrens, da das Vorbringen des Klägers schon keine tatsächlichen oder rechtlichen Fragen aufwirft, die sich nicht schon in einem Zulassungsverfahren beantworten lassen (BayVGH, B.v. 18.1.2016 – 3 ZB 13.34 – juris Rn. 26). Allein daraus, dass zahlreiche medizinische Stellungnahmen vorliegen, ergeben sich noch keine besonderen tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten in diesem Sinne. Der Sachverhalt ist, soweit entscheidungserheblich, überschaubar und die vorliegenden medizinischen Stellungnahmen lassen sich eindeutig bewerten (vgl. BayVGH, B.v. 14.4.2009 – 3 ZB 07.561 – juris Rn. 11).
3. Der Kläger legt auch keinen der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegenden Verfahrensmangel i.S.d. § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO dar, auf dem die Entscheidungen beruhen können. Das Verwaltungsgericht hat dadurch, dass es kein weiteres Gutachten eingeholt hat, nicht gegen die Amtsermittlungspflicht des § 86 Abs. 1 VwGO verstoßen. Dem Erstgericht musste sich aus seiner Sicht eine weitere Sachaufklärung durch eine erneute Begutachtung auch nicht aufdrängen. Über die Einholung eines weiteren Gutachtens entscheidet das Gericht nach seinem Ermessen (§ 98 VwGO i.V.m. § 412 Abs. 1 ZPO).
Die unterbliebene Einholung eines zusätzlichen Gutachtens kann dabei nur dann verfahrensfehlerhaft sein, wenn das vorliegende Gutachten seinen Zweck nicht zu erfüllen vermag, dem Gericht die zur Feststellung und Prüfung des entscheidungserheblichen Sachverhalts erforderliche Sachkunde zu vermitteln und so die Bildung der für die Entscheidung notwendigen Überzeugung zu ermöglichen. Liegt dem Gericht bereits ein Gutachten vor, muss es ein zusätzliches Gutachten nur einholen, wenn die vorhandene Stellungnahme erkennbare Mängel aufweist (BVerwG, B.v. 25.2.2013 – 2 B 57.12 – juris Rn. 5; BayVGH, B.v. 6.3.2017 – 3 ZB 14.1047 – juris Rn. 14).
Der Kläger geht fehl in der Ansicht, dass eine Pflicht zur Einholung eines weiteren Gutachtens schon deshalb bestanden hätte, weil die gutachterliche Äußerung des Dr. A. vom 12. März 2016 als „fachorthopädische Stellungnahme“ bezeichnet worden sei und damit kein Gutachten vorgelegen habe. Abgesehen davon, dass der Kläger nicht in Abrede stellt, dass es sich bei den Sachverständigenäußerungen des Dr. D. vom 22. Oktober 2013 und 8. April 2014 um Gutachten handelt, erfüllt auch die gutachterliche Äußerung des Dr. A. vom 12. März 2016 die Anforderungen an ein Gutachten im oben genannten Sinn. Denn anders als bei einer ärztlichen Bescheinigung, die in der Regel ohne ausführliche und nachprüfbare Begründung lediglich eine Krankheitsdiagnose wiedergibt, sind die Ausführungen des Sachverständigen so gehalten, dass sie eine verantwortliche richterliche Überprüfung auf ihre wissenschaftliche Fundierung, Logik und Schlüssigkeit zulassen. Insbesondere hat Dr. A. in seiner „fachorthopädischen Stellungnahme“ dargelegt, von welchen Anknüpfungstatsachen er ausgeht, welche medizinischen Unterlagen er als Grundlage seiner Beurteilung herangezogen, welche Untersuchungen er vorgenommen und welche Befunde er erhoben hat. Aufgrund dessen ist das Gericht in der Lage, das Gutachten zu überprüfen und sich das erforderliche eigene Bild von der Richtigkeit der vom Sachverständigen gezogenen Schlüsse zu machen.
Dass die dem erstinstanzlichen Urteil zugrunde gelegten gutachterlichen Stellungnahmen an einem oben aufgezeigten Mangel leiden würde, der zur Einholung eines zusätzlichen Gutachtens führen würde, trägt der Kläger nicht substantiiert vor; zur Vermeidung von Wiederholungen wird hierzu auf die Ausführungen unter 1.1 Bezug genommen. Der Kläger legt auch nicht dar, dass andere Gutachter über neue oder überlegenere Forschungsmittel bzw. größere Erfahrung verfügen würden (BVerwG, B.v. 3.2.2012 – 7 B 35.09 – juris Rn. 12). Das Verwaltungsgericht, das die seiner Entscheidung zugrunde gelegten Ausführungen der Sachverständigen Dr. A. und Dr. D. als schlüssig und überzeugend angesehen hat, hat deshalb auch zu Recht den in der mündlichen Verhandlung förmlich gestellten Beweisantrag auf Einholung eines Obergutachtens abgelehnt (§ 86 Abs. 2 VwGO).
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
5. Die Streitwertfestsetzung für das Zulassungsverfahren 3 ZB 19.1835 (4.193,94 Euro) folgt aus § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 3 GKG (wie Erstinstanz: Summe der mit Kostenerstattungsanträgen vom 14.7.2016, 9.10.2016, 13.10.2016, 9.3.2017, 24.3.2017 und 5.4.2017 geltend gemachten Kosten in Höhe von 4.334,94 abzgl. der dafür gewährten Erstattung in Höhe von 141,00 Euro; vgl. VG-Akte B 5 K 17.826, S. 4). Die Streitwertfestsetzung für das Zulassungsverfahren 3 ZB 19.1836 (5.000,- Euro) beruht auf § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 2 GKG (vgl. BayVGH, B.v. 11.4.2019 – 3 C 16.1637).
6. Mit diesem gemäß § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbaren Beschluss werden die Urteile des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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